Teil der Serie: 3
Originaltitel: Baja: Fallen Ravens MC
Übersetzung: Jazz Winter
Buchtyp: Roman
Veröffentlichung: 11/2025
Preis eBook: 7,99 € (D)
Preis Print: 16,90 € (D)
ISBN eBook: 978-3-86495-802-1
ISBN Print: 978-3-86495-801-4
Inhaltsangabe

Ich bin ein Sammler von Seelen.
Der Söldner des Todesengels.
Sergeant at Arms des Fallen Ravens MC.

Mein Leben war klar: leben und sterben für den Club.
Bis ich Alice treffe.

Sie ist die Versuchung, der ich nicht widerstehen konnte – die Frau, die mich mit einer einzigen Berührung zu Fall brachte. Älter als ich, mit einer Ausstrahlung, die mich vom ersten Moment an gefesselt hat. Jetzt will ich mehr.
Doch Alice trägt Narben, tiefer als ich mir vorstellen kann. Ein Schatten aus ihrer Vergangenheit macht es ihr unmöglich, ihr Herz jemandem zu öffnen.

Aber ich weiche vor keiner Herausforderung zurück. Ich werde jede ihrer Mauern einreißen und ihr beweisen, dass ich der Mann bin, dem sie vertrauen
kann – egal, was uns trennt.

Gerade, als Alice beginnt, mich in ihr Leben zu lassen, zieht die Dunkelheit über unsere Stadt. Ein gnadenloser Feind hat es auf uns abgesehen – und er wird nicht eher ruhen, bis er alles zerstört hat, was mir heilig ist. Auch Alice.

Der Club steht unter Belagerung, Blut färbt die Straßen – und ich bin bereit, mein Leben zu opfern, um meine Familie zu schützen.

Der Tod klopft an unsere Tür.
Doch diesmal bin ich es, der die Abrechnung bringt.

Wenn der Teufel nach seiner nächsten Seele greift, wird er mich finden – wartend.

Die USA Today-Bestsellerautorinnen entführen dich ein drittes Mal in die ebenso düstere wie sinnliche Welt des Fallen Ravens MC.

Alice

Als ich nach Hause komme, bin ich immer noch verbittert über die Situation. Ich trete durch die Tür, deaktiviere die Alarmanlage und werfe Handtasche und Schlüssel auf die Küchentheke, bevor ich den Flur entlang in mein Schlafzimmer gehe, um mich umzuziehen. Ich ziehe mir ein altes T-Shirt über, schlüpfe in ein Paar Leggings und binde mein Haar zu einem Dutt zusammen.
Ich brauche etwas zu trinken, also schnappe ich mir eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und gehe nach draußen ins Gewächshaus. Kaum bin ich drinnen, schlägt mir ein erdiger Geruch entgegen. Die meisten Menschen würden bei diesem stechenden Aroma die Nase rümpfen, doch ich empfinde es als wohltuend.
Ich öffne das Bier und führe es an meine Lippen, während mein Handy sich mit einer SMS meldet. Ich ziehe es aus dem Hosenbund meiner Leggings und starre auf die Nachricht von Sukie, die auf dem Display zu sehen ist. Ich hatte damit gerechnet, dass sie sich melden würde, nachdem ich den Salon verlassen habe.

Sukie: Ist alles in Ordnung? Ich mache mir Sorgen um dich.
Ich: Mir geht es gut. Versprochen.

Sofort antwortet sie mir.

Sukie: Soll ich nicht doch besser jetzt vorbeikommen, damit wir reden können?
Ich: Das ist nicht notwendig. Ich arbeite im Gewächshaus. Außerdem brauche ich etwas Zeit zum Nachdenken. Mach dir bitte keine Gedanken um mich. Mir geht es wirklich gut. Verbring den Tag mit deinen Freunden.

Die Sprechblase erscheint und verschwindet wieder. Eine Minute später ist sie erneut da.

Sukie: Du hast gewonnen. Ich gebe dir den Tag, aber ich komme morgen früh trotzdem zum Frühstück vorbei und dann reden wir.
Ich: Ich dachte, ich wäre hier die Mom, dabei bist du hier die Herrische von uns beiden.
Sukie: Du bist stur, und ich habe keine Wahl.

Ich schüttele den Kopf und kichere.

Ich: Ich hab’ dich lieb und wir sehen uns morgen früh.
Sukie: Ich hab’ dich auch lieb. Und ich erwarte Schokopfannkuchen zum Frühstück. Ich vermisse deine Pfannkuchen.

Mein Mädchen weiß, wie sie mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann.
Ich werfe mein Handy auf die Werkbank und nehme noch einen Schluck Bier, bevor ich mir die Arbeitshandschuhe anziehe und loslege.
In den nächsten Stunden versuche ich, den Kopf freizubekommen und alle Gedanken an Baja zu vertreiben. Ich verliere jedes Zeitgefühl. Bis die Sonne untergeht, habe ich einige Lavendelsträucher, sieben Ringelblumensträucher und ein Dutzend Zitronenmelissesträucher eingetopft und die Erde für die Pfefferminze vorbereitet. Bald ist es wieder so weit. Alles, was mit Pfefferminze zu tun hat, verkauft sich wie warme Semmeln. Besonders die Handseifen und Kerzen.
Ich bin dermaßen in meine eigene kleine Welt vertieft, dass ich das Auto, das vor dem Haus hält, oder das Zuschlagen der Wagentür nicht höre, was ein schwerer Fehler meinerseits ist. Dafür bekomme ich das Quietschen der Gewächshaustür mit. Jemand muss hereingekommen sein. Augenblicklich sind meine Sinne geschärft, und ich drehe mich zu meinem unangekündigten Gast um. Es ist Ricky und mir wird sofort klar, dass etwas nicht stimmt.
„Was machst du hier, Ricky?“ Diesmal kann ich das Beben in meiner Stimme nicht verbergen. Das Erste, was mir an ihm auffällt, sind seine blutunterlaufenen Augen. Ricky ist betrunken. Jeder Atemzug fühlt sich an, als würde ich gleich ersticken, während mein Herz rast.
„Hab’ dir doch gesagt, ich komme wieder.“ Ricky kommt ein paar Schritte auf mich zu.
„Ich will, dass du gehst, Ricky, oder ich rufe die Polizei.“
Ricky legt den Kopf in den Nacken und brüllt vor Lachen. „Die Polizei wird nichts tun. Du vergisst wohl, wer zum Teufel hier vor dir steht und wer du bist, Miststück.“ Er nähert sich mir weiterhin. „Glaubst du, die Polizei verschwendet ihre Zeit mit einer Polizistenmörderin?“
Ich lasse meinen Blick zu Rickys geballten Fäusten wandern, dann suche ich meine Umgebung nach irgendetwas ab, dass ich als Waffe benutzen könnte. Etwa sechs Meter von mir entfernt, erspähe ich eine Schere auf der Werkbank. Als ich mich wieder Ricky zuwende, bemerke ich, dass er meinem Blick gefolgt ist.
Er schüttelt den Kopf und zischt. „Denk nicht mal dran, du blöde Fotze.“
Ich ignoriere seine Drohung und eile zur Bank. Ich bin nur noch wenige Meter entfernt, als Ricky mich mit seinen eins achtzig packt und uns beide umstößt. Mir stockt der Atem, als er auf mir landet.
Sofort wechsele ich in den Kampfmodus über. „Geh verdammt noch mal von mir runter!“, schreie ich und versuche mich, unter ihm hochzukämpfen. Mit dem Ellbogen treffe ich ihn an der Schläfe.
Ricky ist betrunken und etwas aus dem Gleichgewicht geraten, was mir dabei hilft, mich von ihm zu befreien und wegzukriechen. Unglücklicherweise fängt sich Ricky schnell wieder, packt mich am Knöchel und zerrt mich zurück. Ich drehe mich um und trete Ricky mit dem anderen Fuß gegen das Kinn. Blut spritzt aus seinem Mund, während sein Kopf zurückschnellt. Allerdings lässt er nicht los und ehe ich mich versehe, sitzt er rittlings auf meinen Hüften. „Dafür wird du bezahlen, du Schlampe!“, höhnt er, bevor seine Faust meinen Wangenknochen trifft.
Er verpasst mir in schneller Abfolge mehrere Hiebe ins Gesicht, sodass ich bloß noch Sternchen sehen kann. Plötzlich schießt ein noch nie dagewesener Schmerz durch meine linke Körperhälfte und lässt mich aufschreien. Mein Gesicht pocht, und mein Mund füllt sich mit dem unverkennbaren Geschmack von Eisen, was auf Blut hindeutet.
„Ricky, hör auf“, flehe ich, doch meine Stimme klingt, als käme sie von weit her. Mir ist klar, dass ich kurz davorstehe, das Bewusstsein zu verlieren, dennoch nutze ich meine ganze Kraft, um zu kämpfen. Trotz der verschwommenen Sicht hebe ich die Hände und vergrabe meine Nägel in Rickys Visage. Das macht ihn nur noch wütender, und ich bekomme einen weiteren Schlag ins Gesicht ab. Schwärze breitet sich aus, als ich das Reißen von Stoff wahrnehme. Eine Gänsehaut kriecht über meinen Körper, als kühle Luft meinen Busen streift.
„Es wird Zeit, dass ich dir eine Lektion erteile, Alice“, grunzt Ricky und drückt grob meine Brust durch die BH-Körbchen.
Galle steigt mir die Kehle empor.
Es tut weh.
So weh.
Mein Kopf sagt mir, ich soll weiterkämpfen, allerdings will sich mein Körper nicht bewegen.
Raue Finger kratzen über meine Haut, als Ricky den Bund meiner Leggings packt und sie mir über die Hüften zerrt. Meine Lunge brennt bei jedem Atemzug, und ich kann spüren, wie mir das Bewusstsein entgleitet.
Ich denke an Sukie.
Oh Gott. Ich will nicht, dass mein Mädchen mich so findet.
Das ist mein letzter Gedanke, bevor ich in die Dunkelheit gestoßen werde.

Baja

Ein mir unbekanntes Auto parkt dicht neben dem Haus, als ich in Alice’ Einfahrt anhalte und den Motor abstelle. Plötzlich überkommt mich ein ungutes Gefühl, das mir den Magen umdreht.
Irgendetwas kommt mir … seltsam vor.
Kaum habe ich mein Bein über den Sattel geschwungen, um abzusteigen, höre ich ein dumpfes Knallen, als würde Glas zerbrechen.
„Alice.“ Meine Brust schnürt sich zusammen, und Druck baut sich in mir auf. Ich denke nicht mehr nach, ich bewege mich wie automatisch. Meine Stiefel hämmern über den Kies, und ich nähere mich der Quelle dieses verfluchten Lärms. Der Tumult zieht mich förmlich an und der rohe Instinkt in mir übernimmt die Kontrolle.
Ein wahrer Albtraum entfaltet sich vor meinen Augen, als ich um die Hausecke biege und das Gewächshaus in Sicht kommt. Drinnen sehe ich Alice am Boden liegen, auf ihr ein Mann, doppelt so groß wie sie, der sie niederdrückt.
Wut schießt durch meine Adern, während ich durch den Hintergarten sprinte, die Distanz überwinde und durch die geöffnete Tür stürme. Der Bastard bemerkt mich erst, als ich ihn am Kragen packe und von Alice herunterzerre. Ich schleudere ihn gegen die Gewächshauswand, sein Aufprall lässt die Glasscheiben zerbersten.
Ich falle neben Alice auf die Knie, die bewusstlos daliegt. Ein schwerer Knoten breitet sich in meinen Eingeweiden aus, als ich ihr zerschundenes, blutüberströmtes Gesicht und die zerrissenen Reste ihrer Kleidung bemerke. Wilder, ursprünglicher Zorn bricht sich durch meine Adern Bahn, heftiger als ich es jemals erlebt habe. Ich drehe mich zu dem Scheißkerl um, der das getan hat, um ihn direkt anzusehen.
Er schüttelt den Kopf, versucht, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen. Einen Sekundenbruchteil liegt Überraschung in seinen Gesichtszügen, bevor sich seine Mimik verhärtet, und er seinen Mund zu einem arroganten Grinsen verzieht. „Komm schon, ihr Biker teilt doch alle eure Huren, nicht wahr?“, knurrt er und ballt seine Fäuste, als wäre er bereit zum Kampf.
Gut!
Denn ich bin verflucht noch mal bereit, ihm einen Kampf zu liefern.
Mir ist die Waffe in dem Holster an seiner Hüfte nicht entgangen, und er sieht, dass ich sie bemerkt habe. Mit einer plötzlichen Bewegung greift er danach. Allerdings bekommt er keine Chance dazu, sie zu ziehen, denn ich bin sofort bei ihm, schlage zu und treffe mit meiner Faust seinen Kiefer. Der Drecksack lässt seine Waffe fallen und schlägt wild um sich, verfehlt mich aber. Da wir in einen Nahkampf verwickelt sind, bekomme ich den ranzigen Gestank von abgestandenem Bier in die Nase. Das erklärt, warum der Wichser so schlampig kämpft. Ich ramme ihm mein Knie in die Rippen, und er krümmt sich vor Schmerz und würgt trocken. Erneut packe ich ihn am Kragen und reiße ihn hoch.
„Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anlegst.“ Er spuckt und hustet und versucht, sich aus meinem Griff zu befreien.
„Mit einem toten Mann, denn das bist du.“ Ich schmettere ihm meine Faust in die Visage, spüre dabei wie seine Zähne über meine Knöchel kratzen. Mehrfach lasse ich seine Fresse mit meinem Knie kollidieren und höre ein befriedigendes Knacken, ehe ich ihn loslasse.
Der Drecksack bricht zusammen. Mit den Händen bedeckt er sein Gesicht, und Blut sickert zwischen seinen Fingern hervor. „Du hast mir die Nase gebrochen, du Hurensohn!“, stöhnt er vor Schmerzen.
Blind vor Zorn ziehe ich nun meine Knarre und beuge mich über ihn, ziele direkt auf seinen Schädel und bin bereit, ihm eine Kugel zu verpassen.
„Baja“, dringt Alice’ Stimme zu mir durch und reißt mich vom Rand des Abgrunds zurück. „Baja, nicht. Bitte. Er ist es nicht wert“, fleht sie kaum hörbar.
„Er hat dich angefasst“, brodelt es förmlich aus mir hervor, mein Finger zuckt wie eine zusammengerollte Schlange und es juckt mich, abzudrücken.
„Sieh mich an, Baja“, bittet Alice.
Ich werfe ihr einen Blick zu, wie sie da auf der Seite liegt und sich verzweifelt an das zerrissene Shirt an ihrem Leib krallt, als wäre es ein Rettungsring. Mir gefriert das Blut regelrecht in den Adern, bei dem Gedanken an die schreckliche Realität dessen, was dieser Scheißkerl im Begriff war zu tun. Ich kann diese Wut nicht abschütteln, die in mir brodelt und schreit. Verflucht, sie zwingt mich regelrecht, sie zu entfesseln.
„Bitte“, flüstert Alice.
Das Flehen dieser wunderschönen Frau trifft mich zutiefst. Alice hat bereits genug Traumata erlebt, also will ich verdammt sein, wenn ich noch mehr dazu beitrage.
Ich werde meine Rache bekommen.
Später.
Jetzt muss ich meine Frau beschützen und für sie sorgen.
„Das ist noch nicht vorbei“, zischt ihr Angreifer. „Du wirst lange Zeit in einer kalten Zelle hinter Gittern verbringen.“
Ich halte meinen Blick auf das blutende Stück Scheiße gerichtet. „Der Einzige, der an einem dunklen, kalten Ort sitzen wird, bist du.“ Ich umklammere den Griff meiner Knarre fest und starre ihn wütend an.
Selbstgefällig grinst er mich an, also hole ich, ohne zu zögern, mit der Waffe aus und treffe ihn mit einem ekelhaften Geräusch seitlich am Kopf. Bewusstlos sackt er in sich zusammen.
Rasch wende ich meine Aufmerksamkeit Alice zu und schließe sie nach wenigen Schritten in meine Arme. Ich schaue auf sie herab und halte ihr Gesicht in meinen Händen. In dem Moment, als meine Augen ihre finden, verändert sich die Stimmung. Ich bin ihr Anker, und sie ist der meine. Tränen rinnen über ihre blutigen Wangen, und sie zittert.
„Ich hab’ dich“, murmele ich mit leiser, beruhigender Stimme.
Ich zerre mir die Kutte von den Schultern, ziehe mein Shirt aus, und helfe ihr, es überzustülpen, ohne dabei ihr verletztes Gesicht zu berühren. Ihre grünen Augen suchen nach meinen, ringen um Klarheit. Ich mustere sie genauer, lasse meinen Blick über ihren Körper schweifen und untersuche sie nach weiteren Verletzungen. Die rote Strieme auf ihrer Wange schwillt an, was nichts Lebensbedrohliches ist, aber es reicht aus, eine erneute Welle der Wut in mir hochkochen zu lassen. An ihrer Seite bildet sich ein großer Bluterguss, und ich drücke gegen ihren Brustkorb. Alice verlagert ihr Gewicht und zuckt zusammen.
„Verflucht noch mal.“ Die Worte kommen zischend zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich mit dem Daumenballen über ihre Wange fahre. „Es tut mir so verdammt leid.“ Ich schlucke meinen Zorn herunter, der in meinem Bauch brennt, und muss mich zurückhalten, nicht doch noch hinüberzugehen und diesem Dreckskerl eine Kugel in den Schädel zu jagen.
Alice legt ihre Hand auf meine Brust, und eine Welle der Gelassenheit überspült den Sturm, der in mir aufzieht. „Bleib bei mir“, murmelt sie und hält mich fest.
Ich lege meine Waffe neben sie und streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du gehörst mir. Niemand berührt dich. Von jetzt an niemals mehr.“
In ihren Augen spiegelt sich eine Verletzlichkeit wider, die ich nie zuvor an ihr gesehen habe. Es ist, als würde sie einen Stein aus der Mauer entfernen, die sie um sich errichtet hat.
Ein leises Stöhnen reißt uns in die Realität zurück, und wir richten unsere Aufmerksamkeit auf ihren Angreifer.
„Ich muss telefonieren.“ Ich zücke mein Handy und wähle die Nummer meines Prez.
„Ja?“, dröhnt Salems Stimme über das Geplapper im Hintergrund.
„Ich habe hier eine ernste Angelegenheit an der Backe.“
„Worum geht’s?“, verlangt er zu wissen.
„Ich habe einen Wichser dabei erwischt, der Alice im Gewächshaus angegriffen hat. Sie ist ziemlich übel zugerichtet worden, Prez.“ Ich verschlucke mich beinahe an meinen Gefühlen.
Eine angespannte Pause entsteht, bevor Salem meint: „Hast du ihn getötet?“
Meine Kiefermuskeln spannen sich an. „Noch nicht.“ Mein Tonfall ist eisig.
„Wir sind unterwegs“, erwidert Salem, die Schärfe in seiner Stimme ist unverkennbar.
„Prez?“
„Ja?“
„Ist Sukie noch bei dir?“, frage ich, wohl wissend, dass Alice ihre Tochter an ihrer Seite brauchen wird.
„Sie ist hier.“
Ich sehe Alice an, und die Emotionen in ihrem Blick sagen mehr als tausend Worte. „Lasst den Asphalt rauchen.“ Ich verberge die Dringlichkeit in meiner Stimme nicht, beende das Gespräche und stecke das Handy zurück in die Tasche, um mich wieder auf Alice zu konzentrieren.
Erneut füllen sich ihre Augen mit Tränen.
„Hast du irgendetwas, womit wir den Wichser fesseln können?“, will ich von Alice wissen.
„In dem Zwanzig-Liter-Eimer da drüben in der Ecke bei den Schaufeln und Erdsäcken ist ein Seil.“ Sie deutet mit schwacher Stimme darauf.
Ich halte sie fester, obwohl ich weiß, dass ich sie loslassen muss, um das Arschloch zu fixieren. „Ich will nicht, aber ich muss dich kurz loslassen.“
„Okay“, flüstert sie, allerdings kann ich die Angst in ihrer Stimme hören, und sie spannt sich an.
Ich greife nach meiner Waffe und lege sie in ihre Handfläche. „Nur für alle Fälle …“ Ich schaue ihr in die Augen. „Ich muss ihn fesseln, ehe er aufwacht, Baby. Aber wenn du dich schützen musst, dann ziel einfach und drück den verdammten Abzug. Zögere nicht. Hast du mich verstanden?“ Ich lasse ihr keinerlei Wahl.
Alice’ Hände zittern, als sie den kalten Stahl hält, und nickt. Vorsichtig hebe ich Alice hoch und stütze sie gegen einen Stapel Erdsäcke. Ich nehme mir einem Moment Zeit, ihr ins Gesicht zu sehen, und kann ein Aufflackern von Kraft in ihr erkennen, bevor ich mich umdrehe und durch das Gewächshaus laufe, um das Seil zu holen. Anschließend kehre ich zu ihrem Angreifer zurück und schaue meine Frau erneut an. Sie verfolgt jede meiner Bewegungen und hält die Knarre fest umklammert. Gut! Ich wende mich dem Stück Scheiße zu und fessele ihm Hände und Füße. Abermals blicke ich mich um und entdecke ein Paar Gartenhandschuhe, die mit Erde bedeckt sind. Einen davon stopfe ich dem Drecksack ins geschundene und blutige Maul. Er würgt und muss durch seine gebrochene Nase atmen. Auf der Suche nach einem Ausweis taste ich seine Taschen ab, schnappe mir seine Geldbörse und klappe sie auf. Ricky Adams. „Ein verfickter Cop“, zische ich leise. Ich kehre zu Alice zurück und hocke mich neben sie. „Kennst du den Mistkerl, Baby?“ Ich bekomme prompt eine Antwort darauf, denn in ihren Augen blitzen Wut und Angst auf.
„Ja.“ Sie holt zitternd Luft. „Er ist der Cousin meines Ex-Mannes.“
Ich nicke knapp und stecke mir seine Brieftasche ein, als wäre sie eine tickende Zeitbombe. Dass er ein Polizist ist, wird an dem Ausgang oder seinem Schicksal absolut nichts ändern. Allerdings bringt es dem Club einiges an Problemen ein.
In der Ferne kann ich das Dröhnen hören, das allmählich lauter wird und näherkommt wie ein Güterzug. Meine Brüder sind fast da. Vorsichtig nehme ich Alice die Waffe aus den Händen und stecke sie wieder in mein Holster an meiner Seite. „Komm, Baby, es ist Zeit zu gehen.“ Ich schiebe meine Arme unter Alice und hebe sie hoch, während ich aufstehe.
Sie schlingt ihre Arme um meinen Nacken und lehnt ihren Kopf an meine Brust. Ich kann spüren, dass sie noch immer zittert, und sie klammert sich an mich. Wir verlassen das Gewächshaus, durchqueren den Garten und gehen zur Vorderseite des Hauses. Einer nach dem anderen halten meine Brüder an und steigen von ihren Bikes ab.
Salem kommt näher. „Juneau ist im Clubhaus und bereitet alles für euch vor.“ Er mustert Alice und sein Gesichtsausdruck verhärtet sich.
„Er befindet sich gefesselt im Gewächshaus und wartet dort auf euch“, erkläre ich und meine Stimme klingt angespannt.
Kaum habe ich das ausgesprochen, marschieren Harlem, Mystic und Laredo an mir vorbei in die genannte Richtung.
„Bring sie ins Clubhaus. Ab hier übernehmen wir das“, meint Salem und will gerade gehen.
„Der Scheißkerl ist ein Cop“, informiere ich ihn, und er hält inne.
Mit zusammen gebissenen Zähnen nickt Salem. „Darum kümmern wir uns später.“
Ich beeile mich, trage Alice zu ihrem Pick-up und öffne die Beifahrertür der Fahrerkabine. Nachdem ich sie auf den Sitz geschoben habe, zerreißt es mir das Herz, mitansehen zu müssen, wie sie sich auf die Seite legt und leise winselt, zu erschöpft, um etwas anderes zu tun. Abermals verspüre ich diese immense Wut in meiner Brust. Dieser Bulle hat sein Todesurteil unterschrieben, dafür, was er meiner Frau angetan hat, wird er bezahlen. Ich setze mich hinter das Lenkrad, ehe mir klar wir, dass ich die verfluchten Schlüssel benötige. „Shit“, zische ich.
„In der kleinen schwarzen Box unter dem Sitz ist ein Ersatzschlüssel“, flüstert Alice und blinzelt, während sie darum kämpft, wach zu bleiben.
Aus Furcht, es könnte sich um eine Gehirnerschütterung handeln, zwinge ich sie dazu, die Augen zu öffnen. „Bleib wach, Baby“, dränge ich sie, obwohl ihr Körper die Hölle durchgemacht hat.
Ich greife unter den Sitz, bis ich finde, was ich suche, lasse den Motor an und fahre los.
Fest umklammere ich das Lenkrad. „Bist noch bei mir, Baby?“ Mein Blick ist auf die dunkle Straße gerichtet, doch ich bekomme ihre leise Atmung neben mir in der Führerkabine deutlich mit. „Wir sind fast da“, erkläre ich ihr, ohne zu wissen, ob sie mich überhaupt hören kann.
Meine Gedanken rasen in tausende Richtungen, während ich das Gaspedal durchdrücke. Noch nie in meinem Leben habe ich einen solchen Zorn empfunden, wie jetzt. Mein Hunger nach Rache nagt tief an meinem Inneren.
Nur eine Sache kann diesen Hunger stillen.
Einige Minuten später rase ich die lange, dunkle Straße in Richtung Clubhaus entlang. Abrupt bringe ich den Pick-up zum Stehen und reiße fast die Tür aus den Angeln. Nachdem ich ausgestiegen bin, eile ich zur Beifahrerseite und ziehe Alice aus der Kabine und in meine Arme. Ich spüre die Wärme ihres Körpers an meiner Brust.
Mit ihr auf den Armen schiebe ich mich durch die Eingangstüren des Clubhauses und ignoriere dabei die besorgten Blicke von Sage und Ophelia. Alles, was zählt, ist Alice.
Sage springt auf und keucht. „Alice!“
„Wo ist Juneau?“, presse ich hervor.
„Wartet im Krankenzimmer“, antwortet Ophelia hastig, und ich laufe an ihnen vorbei, gehe den Flur entlang zum hinteren Teil des Kirchengebäudes.
Im Krankenzimmer erwarten uns Juneau und Sukie.
„Oh mein Gott, Mom!“
Sukies Stimme bebt, als ich Alice auf dem Krankenbett ablege und ihr das Haar aus dem geschundenen Gesicht streiche. Sie sieht so verflucht zerbrechlich aus. Ein Anflug von Schuld durchfährt meine Brust, als würde mir jemand eine stumpfe Klinge ins Herz rammen und es mir herausschneiden wollen. Wäre ich doch nur früher dort gewesen.
„Baja“, ertönt Harlems Stimme hinter mir.
Ich beiße die Zähne zusammen, bin bereit für das, was erledigt werden muss. „Ich brauche nicht lang.“ Auch wenn ich es nicht will, ziehe ich mich zurück und überlasse Alice Juneau und Sukie.
Ich folge Harlem, der uns nach draußen und über den Friedhof zum hinteren Ende des Grundstücks führt.
In der Ferne erhebt sich das Mausoleum, das in der hintersten Ecke des Friedhofs erbaut wurde. Wurzeln und Moos bedecken den bröckeligen grauen Stein. Mit ihren verdrehten, weit ausladenden Ästen bilden die Bäume um uns herum ein Blätterdach und verdecken das Mondlicht. Zweige knirschen unter unseren Stiefeln, als wir an kleineren Grabsteinen vorbeilaufen. Die Luft ist erfüllt vom Geruch feuchter Erde. Der Tod lauert überall um uns herum, und es passt zu dem, was vor uns liegt.
Die rostigen Scharniere der Eisentür quietschen, als wir sie aufstoßen und das Steingebäude betreten.

Crystal Daniels & Sandy Alvarez
Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie. Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. [...]
Crystal Daniels & Sandy Alvarez
Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie. Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. [...]

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