Inhaltsangabe
AVA
Vor vier Jahren glaubte ich, Dare Kavanaughs gefährlichem Charme entkommen zu sein – einem Mann, dessen Blick allein Feuer in mir entfachte. Ein einziges Wochenende mit ihm raubte mir den Atem, doch als ich von seinen Verbindungen zur irischen Mafia erfuhr, blieb mir nur die Flucht. Ich schwor mir, ihn nie wiederzusehen. Aber das Schicksal hatte andere Pläne.
Jetzt, da mich ein besessener Stalker verfolgt, gegen den selbst eine einstweilige Verfügung machtlos ist, bleibt mir keine Wahl: Ich muss Dare um Hilfe bitten – den einzigen Mann, der mich beschützen kann. Ihn wiederzusehen, wirbelt alte Gefühle auf, die ich tief in mir vergraben glaubte. Doch so sehr ich Dare auch mein Leben anvertrauen kann, fürchte ich, dass mein Geheimnis seinen Zorn nur noch weiter anheizen wird.
DARE
Vier Jahre lang ließ mich Ava nicht los. Als sie plötzlich in meinem Club steht und mich um Hilfe bittet, fühle ich zuerst nichts als Wut – Wut darüber, dass sie all die Zeit vor mir versteckt hielt. Doch als ich von ihrem Stalker erfahre, weiß ich: Ich muss sie beschützen, egal was war, egal was noch zwischen uns steht.
Was ich jedoch nicht ahne: Ein unerwarteter Besuch bei Ava wird mein Leben für immer verändern. Unser kurzes Rendezvous damals hat mehr Spuren hinterlassen, als ich je vermutet hätte. Um sie – um unsere Familie – zu schützen, bleibt mir nur eine Wahl: Ich muss Ava heiraten und sie damit unter den Schutz der irischen Mafia stellen.
Doch während alte Feinde näher rücken und brüchige Allianzen auf dem Spiel stehen, wird unsere erzwungene Ehe entweder unser Rettungsanker sein – oder uns endgültig ins Verderben stürzen.
Im vierten Band der fesselnden Mafia-Reihe von New York Times-Bestellerautorin Katie Ashley kommen Geheimnisse ans Licht, Leidenschaft flammt auf, und die fragile Grenze zwischen Liebe und Loyalität wird härter geprüft als je zuvor.
Leseprobe
Ava
Wir leerten die Champagnerflöten in einem Zug. „Komm schon. Lasst uns zurück auf die Tanzfläche gehen!“, rief ich.
„Ich muss mein Make-up auffrischen“, protestierte Lexie.
„Es sieht doch gut aus.“
Sie rümpfte die Nase. „Aber ich glänze.“
Ich verdrehte spielerisch die Augen. „Ist das dein Ernst? Hier drin ist es viel zu dunkel, als dass man irgendetwas glänzen sehen könnte.“
„Ich will trotzdem zur Toilette.“
Dani sprang von ihrem Hocker. „Komm schon, ich begleite dich.“
Als die beiden in Richtung Toiletten davongingen, winkte ich Nick mit dem gekrümmten Zeigefinger zu. „Lass uns tanzen.“
„In einer Minute. Ich bin gleich wieder da.“
„Sag mir nicht, dass du ebenfalls glänzt?“
Er schnaubte. „Nein. Aber ich muss mal pinkeln.“
Ein frustriertes Brummen entfuhr mir. „Also gut. Dann tanze ich eben wieder allein.“
„Ich verspreche dir, dass ich gleich zu dir komme.“
„Mhm, das sagst du jetzt, aber was ist, wenn du auf der Toilette einen großen, dunkelhaarigen und gut aussehenden Mann triffst?“
„Du weißt doch, dass ich eher auf blonde Kerle stehe.“
„Ich glaube eher, dass du auf jeden Kerl stehst, solange er einen Schwanz hat“, scherzte ich.
„Du Miststück! Offenbar brauchst du wirklich dringend einen Fick“, konterte Nick.
„Wie du meinst“, erwiderte ich lachend.
Nick streckte mir seinen kleinen Finger entgegen. „Ich komme so schnell wie möglich zurück und werde dich in der Menge ausfindig machen.“
Seit unserer Kindheit leisteten wir fast jeden Schwur auf diese Weise. Ich hakte meinen kleinen Finger in seinen und sagte: „Lass mich nicht zu lange warten, sonst komme ich dich holen.“
„Versprochen.“
Obwohl ich wieder allein war, ließ ich mir davon nicht die Laune verderben. Während der Alkohol durch mein Blut rauschte, stürzte ich mich erneut in die Menge.
Ich ignorierte die anderen um mich herum, schloss die Augen und ließ die Musik auf mich wirken. Ab und zu versuchte jemand, sich mir zu nähern, aber wenn ich nicht darauf reagierte, zog er weiter.
Doch dann spürte ich warmen Atem an meinem Ohrläppchen. „Das hat ja lange genug gedauert“, sagte ich und wirbelte herum.
Vor mir stand jedoch nicht Nick, sondern ein großer Mann, der aussah wie ein Börsenmakler. „Es tut mir leid. Ich habe Sie verwechselt“, entschuldigte ich mich.
Er schenkte mir ein raubtierhaftes Lächeln, mit dem er mich an Christian Bale in American Psycho erinnerte. „Ich kann alles sein, was du willst, Süße.“
„Wow, den Spruch höre ich zum ersten Mal“, sagte ich.
„Sexy Moves und ein kesses Mundwerk. Du bist wohl eine harte Nuss, nicht wahr?“
„Wenn du es sagst.“
„Ich bin Chris.“
Da ich ihm meinen Namen nicht nennen wollte, antwortete ich: „Freut mich, dich kennenzulernen.“
„Tanz mit mir.“
Die meisten Frauen wären bei seinem herrischen Tonfall dahingeschmolzen, aber mich konnte er damit nicht beeindrucken. „Danke, aber ich warte auf meine Freunde. Sie sind gerade auf der Toilette.“
Er schlang eine Hand um meine Taille und zog mich an sich. „Komm schon. Nur einen Tanz.“
Ich stemmte die Hände gegen seine Brust und schrie: „Ich habe Nein gesagt!“
„Sei doch nicht so, Baby. Ich werde dafür sorgen, dass du dich richtig gut fühlst.“
Obwohl mir die Panik die Kehle zuschnürte, behielt ich einen klaren Kopf. Ich besann mich auf die Selbstverteidigungstechniken, die ich bei dem Kurs im YMCA gelernt hatte, den mein Vater nicht nur mir, sondern auch all seinen Enkelinnen spendiert hatte.
Gerade als ich ihm einen Hieb in den Solarplexus versetzen wollte, wurde er mit Gewalt von mir weggerissen, sodass ich ins Taumeln geriet. Als ich mich wieder aufrichtete und sah, was vor sich ging, schnappte ich erschrocken nach Luft.
Ein großer dunkelhaariger Mann hatte Chris am Hals gepackt. Auf seinem schönen Gesicht lag ein bedrohlicher Ausdruck. „Bist du schwerhörig, Kumpel?“, fragte er mit eiskaltem Tonfall.
Als Chris vehement den Kopf schüttelte, verengte der andere Mann die Augen. „Offenbar hörst du aber schlecht, denn die Dame hat Nein gesagt.“
Chris versuchte verzweifelt, die Hände des Mannes von seinem Hals wegzuziehen, während er nach Atem rang. Der Mann starrte Chris noch einmal durchdringend in die Augen, dann stieß er ihn von sich. „Verpiss dich von hier und komm nie wieder.“
Ich sah, wie Chris Reißaus nahm, und wandte mich wieder dem Mann zu. Der bösartige Ausdruck in seinem Gesicht war einem breiten, sinnlichen Grinsen gewichen. Lässig schlenderte er auf mich zu. Es war nicht zu übersehen, dass er sich für den König der Welt hielt und wahrscheinlich glaubte, er hätte mich mit seiner Heldentat von den Socken gehauen.
Gerade als ich den Mund öffnete, um ihm zu sagen, dass ich kein Interesse an ihm hatte, hob er die Hand. „Du musst mir nicht danken, meine Schöne.“
„Gut. Das hatte ich auch nicht vor.“
Überrascht zog er seine dunklen Augenbrauen in die Höhe. „Wie bitte?“
Ich stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn an. „Hast du etwa einen Retterkomplex?“
„Nicht dass ich wüsste.“
„Ich hatte die Situation im Griff.“
Der Kerl hatte doch tatsächlich die Frechheit, mich verschmitzt anzugrinsen. „Sicher, Schätzchen.“
„Ich kann nicht glauben, dass du so herablassend bist.“
Der Mann verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. „Der Typ war zehn Zentimeter größer und fast siebzig Kilo schwerer als du.“
„Ich hätte ihn trotzdem fertiggemacht.“
Er lachte leise. „Du hast Temperament, das muss ich dir lassen.“
„Und du bist ein herablassender Mistkerl!“
Als ich mich an ihm vorbeidrängte, zwinkerte er mir zu. „Obwohl du dich nicht bedankt hast, gern geschehen.“
Ich verlor die Beherrschung. Wieder besann ich mich auf die Techniken, die ich in dem Selbstverteidigungskurs gelernt hatte. Ich trat ihm gegen die Kniekehlen und schlug ihm mit ausgestrecktem Arm gegen die Taille, um ihn zu Boden zu werfen. Obwohl ich all meine Kraft aufwenden musste, gaben seine Beine schließlich nach, und er landete auf dem Rücken.
Während der Mann fassungslos zu mir hinaufstarrte, sagte ich triumphierend: „Wie ich schon sagte, Schätzchen, ich brauche deine Hilfe nicht.“
Als ich eine Bewegung hinter mir wahrnahm, wirbelte ich herum. Zwei riesige Kerle stürmten auf mich zu, und mir wurde klar, dass ich einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte. „Scheiße“, murmelte ich.
Dare
Benommen starrte ich an die Decke des Klubs und blinzelte. Was zum Teufel war passiert? Gerade eben hatte ich noch aufrecht auf der Tanzfläche gestanden, und im nächsten Moment lag ich flach auf dem Boden. Aber als ich die kurvige Brünette sah, die mit einem verschmitzten Grinsen auf mich hinabblickte, kehrte die Erinnerung zurück.
„Wie ich schon sagte, Schätzchen, ich brauchte deine Hilfe nicht“, sagte sie.
Offenbar war ich pervers, aber ihre Worte in Verbindung mit der Tatsache, dass ich ihr unters Kleid schauen konnte, erregten mich ungemein. Gerade als ich sie nach ihrem Namen und ihrer Nummer fragen wollte, kamen Niall und Thomas durch die Menge gestürmt. „Hey, wartet!“, rief ich.
Aufgrund der lauten Musik konnten sie mich jedoch nicht hören. Sie packten die Frau grob an den Oberarmen, die daraufhin vor Schmerz aufschrie. „Fasst mich nicht an!“, brüllte sie.
„Lig di dul!“, schrie ich. Sie erstarrten und sahen mich überrascht an. „Ich sagte, lasst sie los!“
„Aber sie …“, begann Niall.
„Sie ist keine Bedrohung“, antwortete ich.
Die Frau schnaubte, als Niall und Thomas von ihr abließen. Während sie mit zitternden Händen ihr langes dunkles Haar glättete, brummte sie: „Da bin ich anderer Meinung. Ich habe dich schließlich zu Boden geworfen, nicht wahr?“
Die freche Bemerkung brachte mich zum Lachen. „Aye. Aber nur, weil ich von deiner umwerfenden Schönheit abgelenkt war.“
Die Frau hob das Kinn an. „Wenn du weiter mit dem Schwanz denkst, wird dir das wieder passieren. Ich hoffe für dich, dass deine Freunde dann in der Nähe sind.“
Ich musste grinsen und konnte nicht umhin, zu fragen: „Bist du zufällig Sizilianerin?“
Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Wie bitte?“
„Kommst du aus Sizilien?“
„Was hat das damit zu tun, dass diese Kerle mich gerade herumgeschubst haben?“
„Ich frage wegen deines feurigen Temperaments. Du erinnerst mich an meine Schwägerin, die Sizilianerin ist.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin Griechin.“
„Ich war nah dran.“
„Wohl kaum, wenn man bedenkt, dass ein Meer zwischen den beiden Regionen liegt.“
„Also, wie heißt du, meine griechische Göttin?“
Sie hatte die Frechheit, die Augen zu verdrehen. „Ach du meine Güte, hast du mit deinen Sprüchen bei irgendwelchen Frauen Erfolg?“
Mit einem breiten Grinsen antwortete ich: „Jedes Mal.“
„Dann hat sich das Blatt wohl für dich gewendet.“
Sie wandte sich zum Gehen, doch ich rief: „Verrate mir, wie du heißt, damit meine Männer und ich uns bei dir entschuldigen können.“
Für einen Moment starrte sie mich nur an, dann verdrehte sie erneut die Augen. „Also gut. Ich heiße Ava.“
Ich neigte den Kopf zur Seite. „Ava ist kein griechischer Name.“
„Willst du etwa behaupten, dass ich bezüglich meines eigenen Namens lüge?“
„Das war nur eine Feststellung.“
„Du hast recht, Schlaukopf. Der Name kommt aus dem Hebräischen und bedeutet Leben. Und bevor du fragst, mein Nachname ist Carras.“
„Das ist sehr griechisch.“
„Und da du wie ein Kobold klingst, nehme ich an, du bist ein O’Malley oder ein McDonald?“
Niall und Thomas lachten hinter vorgehaltener Hand, weil Ava mich gerade als Zwerg bezeichnet hatte. Mit einem Augenzwinkern erwiderte ich: „McDonald ist schottisch.“
„Wie auch immer.“
Ich streckte ihr meine Hand entgegen und sagte: „Ich bin Dare Kavanaugh.“
„Bitte sag mir, dass das ein Spitzname ist und nicht irgendein von Bond inspiriertes Image.“
Ich lachte. „Es ist ein Spitzname. Eigentlich heiße ich Darragh, aber da ich als Kind ziemlich wild war, haben alle mich Dare genannt.“
„Das leuchtet ein.“
Für einen Moment beäugte Ava meine Hand, bevor sie sie schließlich ergriff. Ich versuchte, das Kribbeln zu ignorieren, das ihre Berührung in mir auslöste. „Es freut mich, dich kennenzulernen, Ava Carras.“
Mit einem übertrieben süßlichen Grinsen sagte sie: „Es war mir eine Freude, dich zu Boden zu werfen, Dare.“ Sie zog die Augenbrauen in die Höhe. „Es hat Spaß gemacht.“
Ihre Worte brachten meinen Schwanz zum Pochen. „Du kannst mich jederzeit wieder umhauen.“
„Ich glaube, ich passe“, entgegnete sie.
Während zwischen uns eine elektrisierende Spannung in der Luft lag, wandte ich mich wieder Niall und Thomas zu: „Entschuldigt euch bei Ms. Carras dafür, dass ihr sie so grob angepackt habt.“
Dem Ausdruck auf ihren Gesichtern nach zu urteilen, hätte man meinen können, ich hätte sie gebeten, auf den Knien vor der Frau zu rutschen. Trotzdem murmelten sie im Chor: „Es tut uns leid.“
Zu meiner Überraschung schenkte Ava den beiden ein Lächeln. „Ich danke euch, aber eine Entschuldigung ist nicht nötig. Ihr habt schließlich nur euren Freund verteidigt.“
„Meine Männer neigen manchmal dazu, etwas übereifrig zu sein.“
Sie legte den Kopf schief und musterte mich neugierig mit ihren kornblumenblauen Augen. „Deine Männer?“ Sie blickte zwischen uns dreien hin und her und fragte: „Führt ihr so eine Art Dreierbeziehung?“
Ich schnaubte. „Du denkst, wir sind zusammen?“
Bei den Worten riss Thomas die Augen auf, während Niall glucksend lachte.
Ava zuckte mit den Schultern. „Du hast gesagt, es seien deine Männer.“
„Sie arbeiten für mich.“ Als sie immer noch nicht überzeugt wirkte, fügte ich hinzu: „Als meine Leibwächter.“
Ihre Augen weiteten sich. „Oh. Wow.“
„Ava Carras, das sind Thomas und Niall“, stellte ich sie einander vor.
„Freut mich, euch kennenzulernen“, sagte Ava und streckte den beiden ihre Hand entgegen.
Bevor sie sie ergriffen, sahen sie mich um Erlaubnis heischend an. Falls Ava es bemerkte, ließ sie sich nichts anmerken. Nachdem sie ihr die Hand geschüttelt hatten, sagte ich: „Ich denke, Ms. Carras und ich haben die Fronten geklärt. Ihr zwei könnt gehen.“
„Ja, Sir“, antworteten sie.
Bevor sie davongingen, beugte ich mich zu Niall hinüber und flüsterte ihm ins Ohr: „Bitte einen unserer IT-Experten eine Hintergrundüberprüfung von Ava durchzuführen. Ich muss wissen, ob sie irgendwelche Verbindungen zur griechischen Mafia hat.“
Er nickte und eilte von der Tanzfläche. Obwohl uns die Italiener und die Bratva am meisten Ärger bereiteten, waren wir in der Vergangenheit hin und wieder auch mit einigen griechischen Familien wegen bestimmter Liefergebiete aneinandergeraten.
Sobald wir unter uns waren, wandte ich mich wieder Ava zu. „Bilde ich mir das nur ein oder hat dich die Tatsache, dass Thomas und Niall meine Leibwächter sind, mehr überrascht als der Gedanke, dass sie meine Liebhaber sein könnten?“, flachste ich.
„Du siehst einfach viel zu jung aus, um Leibwächter zu haben.“
Ich lachte leise. „Mein jugendliches Aussehen täuscht.“
Ava musterte mich neugierig. „Wie alt bist du denn?“
„Keine Sorge. Ich bin volljährig, falls du mich ausnutzen willst.“
Obwohl sie die Augen verdrehte, lachte sie dennoch. „Mir ist klar, dass du volljährig bist. Ich würde trotzdem gern dein Alter wissen.“ Sie zeigte mit dem Kinn auf mich und riet: „Fünfundzwanzig?“
„Fast. Siebenundzwanzig.“
„Aha. Ich bin dreißig, also viel zu alt für dich.“
„Ein Altersunterschied von drei Jahren ist wohl kaum der Rede wert.“
„Mag sein. Aber ich suche einen älteren Mann mit Erfahrung.“
„Vertrau mir. Ich kann jeden älteren Mann unter den Tisch ficken.“
„Ach wirklich?“
„Während ein älterer Mann vielleicht einmal pro Nacht einen Ständer bekommt, halte ich locker drei Runden durch.“
„Lass mich raten. So überheblich, wie du bist, bist du bestimmt ein Sportler oder ein Promi?“
„Mir gehört dieser Klub.“
Ava schnappte nach Luft. „Dir?“
„Meinen Brüdern und mir.“
Statt beeindruckt zu sein, spiegelte sich Entsetzen in ihrem Gesicht wider. „Oh Gott, ich habe den Besitzer eines Klubs angegriffen“, murmelte sie und legte eine Hand an ihre Stirn.
„Deiner Reaktion nach zu urteilen, verhältst du dich normalerweise nicht wie ein Ninja?“
Ein nervöses Kichern kam ihr über die Lippen. „Ich? Meine Güte, nein. Nun, hin und wieder habe ich zudringliche Männer abgewehrt.“
„Deine Technik ist ziemlich beeindruckend.“
„Danke. Zwei Selbstverteidigungskurse für Fortgeschrittene im YMCA.“
„Im YMCA? Darauf wäre ich nie gekommen.“
„Hast du etwa geglaubt, ich bin eine ehemalige Soldatin?“, konterte Ava.
„Bei deinem feurigen Temperament hätte es mich nicht überrascht.“
Ava lachte, und ich stellte fest, wie sehr mir dieser Laut gefiel. „Zweifellos gehört es eigentlich nicht zu deinen Aufgaben, Damen in Not zu retten, oder?“
„Manchmal schon.“ Mit einem Augenzwinkern fügte ich hinzu: „Aber du bist sicher der Meinung, dass du dich nicht in einer Notlage befunden hast.“
„Das ist richtig.“
„Darf ich mich bei dir entschuldigen, indem ich dir einen Drink spendiere?“
„Du gibst einfach nicht auf, was?“
Ich lachte. „Wie ich schon sagte, ich bin ziemlich ausdauernd.“
„Erspar mir das.“
„Die Wahrheit ist, dass die Sprüche normalerweise nicht nötig sind. Für gewöhnlich werfen sich mir die Frauen einfach an den Hals.“
„Ich bin mir sicher, dass sowohl deine Funktion als Klubbesitzer als auch dein gutes Aussehen hilfreich sind.“
„Das ist wahr, aber ich besteche vor allem durch meinen Charme.“
Sie bedachte mich mit einem schiefen Lächeln. „Hör zu, danke, dass du den Typen losgeworden bist und deine Männer mich nicht rausgeworfen haben.“
„Komm schon, ich meine es ernst. Lass mich dir wenigstens einen Drink ausgeben.“
„Ich glaube, ich hatte genügend Aufregung für einen Abend.“
„Von einem Idioten begrapscht zu werden, ist widerlich und erniedrigend, aber als aufregend würde ich es nicht bezeichnen.“
Sie warf ihr dunkles Haar über die Schulter. „Aber dich zu Boden zu werfen, war aufregend.“
Verdammt. Wo hatte diese Frau sich nur mein ganzes Leben lang versteckt? „Wenn ich dir verspreche, dass ich keine dummen Sprüche von mir gebe, um dich ins Bett zu kriegen, trinkst du dann etwas mit mir?“
Sie schürzte die Lippen und musterte mich erneut. „Ein Drink kann wohl nicht schaden.“
Wenn es nach mir ginge, würden wir nicht nur einen Drink nehmen, sondern danach eine Runde auf der Tanzfläche drehen und vielleicht noch etwas zu Abend essen, bevor wir uns die ganze Nacht in den Laken wälzen würden.
Ich lächelte sie an und deutete auf die Bar. „Dann lass uns gehen.“
Ava
Als ich Dare zu Boden geworfen hatte, hätte ich niemals geglaubt, dass wir am Ende zusammen an der Bar landen würden. Trotz seiner großspurigen Art hatte er etwas Liebenswertes an sich, und ich wollte ihn besser kennenlernen. Selbst wenn es nur für eine Nacht war. Ich wusste, dass Nick ein Dankesgebet gen Himmel schicken würde, wenn ich endlich meine Durststrecke beendete.
Wir traten an die Bar und stießen geradewegs auf Nick und die Mädchen. Als sie sahen, dass Dare eine Hand an meinen Rücken gelegt hatte, leuchteten ihre Augen auf. „Entschuldige, dass wir so lange gebraucht haben. Die Schlange vor der Toilette war schier endlos“, erklärte Lexie, während sie den Blick nicht von Dare abwandte.
„Kein Problem.“
Dare blickte zwischen mir und den anderen hin und her. Er streckte ihnen eine Hand entgegen und stellte sich vor: „Ich bin Dare Kavanaugh.“
Nick ergriff sie sofort. „Ich bin Nick. Avas Neffe.“
Als Dare die Stirn runzelte, antwortete ich: „Das ist eine lange Geschichte.“ Ich zeigte auf die Mädchen. „Und das sind Dani und Lexie, meine Nichten.“
Dare schenkte den Mädchen sein charmantestes Lächeln und schüttelte ihnen die Hände. „Freut mich, euch kennenzulernen.“
„Die Freude ist ganz unsererseits“, schwärmte Lexie.
„Ich wollte eurer Tante gerade einen Drink spendieren. Würdet ihr uns gern Gesellschaft leisten?“
Alle drei schüttelten gleichzeitig den Kopf. „Nein, danke. Wir sind schon versorgt“, antwortete Nick.
„Seid ihr sicher? Ich bin Miteigentümer dieses Klubs und kann euch Spirituosen bestellen, die sonst niemand hier bekommt.“
„Sehr lässig“, murmelte ich, woraufhin Dare die Lippen zu einem Grinsen verzog.
Dani riss die Augen auf. „Oh mein Gott, du bist der Besitzer?“
„Ja, zusammen mit drei von meinen Brüdern.“
„Verdammt. Es gibt noch mehr von dir“, murmelte Nick.
Dare warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Aye, wir sind zu fünft, wobei mein jüngster Bruder erst achtzehn ist.“
„Sind deine Brüder Singles?“, fragte Lexie.
„Außer mir nur der Achtzehnjährige.“
„Schade“, meinte sie.
„Würde es helfen, wenn ich dir sage, dass Eamon sich wie ein Dreißigjähriger verhält?“
Lexie rümpfte die Nase. „Er ist trotzdem noch ein Baby.“
Dani wackelte mit den Augenbrauen. „Es hat schon was für sich, sie einzureiten.“
„Dafür ist es in Eamons Fall wohl zu spät.“
„Umso besser“, scherzte Dani.
Ich zeigte mit dem Finger auf sie. „Auf keinen Fall.“
„Er ist volljährig.“
„Gerade so.“
Dani verdrehte die Augen. „Also gut. Dann werde ich mich heute Abend eben zurückhalten.“
„Wie edelmütig von dir“, erwiderte ich.
„Wir wollten sowieso gerade gehen“, sagte Dani.
„Jetzt schon?“, fragte Dare.
Nick hob beschwichtigend die Hände. „Nichts gegen das Bandia. Aber wir kommen so selten aus Gloucester raus und wollen so viel wie möglich vom Nachtleben hier genießen.“
Dare grinste. „Von mir aus könnt ihr gern gehen. Es sei denn, ihr wollt Ava mitnehmen.“
Lexie schüttelte den Kopf. „Oh nein. Darauf würden wir im Traum nicht kommen.“
Nick musterte Dare von oben bis unten. „Du bist doch nicht einer von diesen reichen Typen, die Frauen ausnutzen?“
Ich schnappte entsetzt nach Luft. „Nick!“
„Was denn? Du weißt, dass ich ein Auge auf dich habe.“
„Musst du mich dabei gleich blamieren?“, stöhnte ich.
„Ich bin wegen deiner Frage nicht beleidigt“, warf Dare ein. „Du hast recht, sie zu stellen. Widerliche Typen gibt es in jeder Steuerklasse.“ Er reichte Nick die Hand. „Ich gebe dir mein Wort, dass ich Avas Wünsche respektieren werde. Auch wenn das bedeutet, dass ich mich heute Abend an nichts anderem als an ihrer Gesellschaft erfreuen darf.“
„Wenn du so weiterredest, wirst du überhaupt keine Freude haben.“
Während Dare leise lachte, schüttelte Nick ihm die Hand. „Sie hat es verdient, heute etwas Spaß zu haben.“
„Es wäre mir eine Ehre, ihr diesen zuteilwerden zu lassen.“
Ich versetzte Nick einen spielerischen Schubs. „Also schön, wir sehen uns im Hotel.“
Mit einem Augenzwinkern sagte Nick: „Bis morgen früh.“
„Im Ernst. Verschwinde.“
Während die Mädchen kicherten, winkten sie und Nick mir zum Abschied zu. Sobald sie außer Hörweite waren, seufzte ich. „Es geht doch nichts über ein Treffen mit der Familie beim ersten Date, was?“
„Wenn du gleiche Voraussetzungen schaffen willst, kann ich dir gerne drei meiner Brüder vorstellen. Nun, vielleicht eher zwei. Einer ist bereits mit seiner Frau in der VIP-Lounge zugange. Ein weiterer meiner Brüder ist ebenfalls mit seiner Frau hier. Wahrscheinlich vergnügen sie sich auch gerade irgendwo.“
„Wow. Ich hatte keine Ahnung, dass dieser Klub wie ein Aphrodisiakum wirkt.“
„Er soll dich dazu verleiten, deine Hemmungen bereits beim Betreten abzulegen.“
„Ist das nicht normalerweise in einem Sexklub der Fall? Hier versteckt sich doch nicht irgendwo ein Kerker oder eine Peepshow?“
„Nein. Aber wenn du irgendwann in New York bist, solltest du dem Klub meines Schwagers einen Besuch abstatten. Im Inferno wird alles Mögliche geboten.“
„Herrgott“, murmelte ich.
„Der Klub ist wirklich toll, denn es ist für jede und jeden etwas dabei. Der Himmel ist eher harmlos und nichts im Vergleich zu den Dingen, die in der Hölle praktiziert werden.“
„Das kann ich mir vorstellen.“
Dare neigte den Kopf zur Seite und musterte mich. „So wie es aussieht, kannst du nach unserer Unterhaltung erst recht einen Drink vertragen.“
„Du bist ein guter Beobachter.“
„Bist du an- oder abgetörnt?“
„Wie bitte?“
„Von dem Gespräch über einen Sexklub? Ich könnte mir vorstellen, dass es deine Stimmung nicht gerade gehoben hat, zu hören, wie meine Brüder ihre Frauen vernaschen.“
Mit einer abwinkenden Handbewegung antwortete ich: „Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen.“
„Dann würdest du mich also nicht verurteilen, wenn ich dir erzählen würde, dass ich schon sehr viele Male im Inferno war?“
Ich schüttelte den Kopf. „Was du oder irgendjemand anderes in seinem Privatleben macht, geht mich nichts an. Wenn du gern in einem Sexklub verkehrst, dann nur zu.“
Dare verdrehte betont genüsslich die Augen. „Mann, bin ich froh, dass ich dich heute Abend gerettet habe.“
„Wie ich schon sagte, hatte ich die Situation unter Kontrolle.“
„Ich weiß. Aber es ist eine wahre Freude, dich so verärgert zu sehen. Vor allem, weil deine Brüste in deinem Kleid auf und ab wippen, wenn du vor Frustration keuchen musst.“
„Du bist unmöglich.“
„Unmöglich sexy.“
„Unmöglich nervenaufreibend“, konterte ich.
„Das höre ich nicht zum ersten Mal.“
Ich legte meine Hand auf seine Schulter. „Komm schon. Ich glaube, dein unmögliches Ego kann zur Abkühlung einen Drink vertragen.“
***
Nachdem ich einen Mojito und Dare einen mir unbekannten irischen Whiskey in der Hand hatte, suchten wir uns einen Tisch. Wir steuerten auf eine schummrige Ecke zu, in der ein Pärchen saß. Als die beiden Dare erblickten, schnappten sie sich ihre Getränke und sprangen auf.
„Einschüchternd“, sinnierte ich.
„Wie bitte?“
„Das werde ich zu meinem Repertoire an Wörtern hinzufügen, die auf dich zutreffen. Einschüchternd.“
„Warum?“
„Äh, hast du nicht gesehen, wie das Paar Reißaus genommen hat, als sie dich gesehen haben?“
Er zuckte mit den Schultern. „Das ist mir wohl entgangen.“
„Oder du bist es gewohnt, dass die Leute vor dir zurückschrecken, weil du der große böse Klubbesitzer bist.“
Dare lachte leise. „So hat mich tatsächlich noch nie jemand genannt.“
„Ich meine es ernst.“
„Na schön. Wahrscheinlich bin ich es gewohnt, dass man mich bevorzugt behandelt.“
„Es freut mich zu hören, dass du es zumindest zugeben kannst.“
„Ein weiteres meiner Privilegien ist mein gutes Aussehen“, flachste er.
„Natürlich.“
„Also schön, genug von mir.“
„Du willst nicht nur über dich reden? Das überrascht mich.“
„Sehr witzig. Ich würde gern mehr über die Frau erfahren, die mich in mehr als einer Hinsicht umgehauen hat.“
„Was möchtest du denn wissen?“
„Ich habe gerade deinen Neffen und deine Nichten kennengelernt. Sie könnten deine Geschwister sein.“
Ich nickte. „Das liegt daran, dass wir wie Geschwister aufgewachsen sind. Meine Brüder waren vierundzwanzig und zweiundzwanzig, als ich geboren wurde.“
Dare riss erstaunt die Augen auf. „Wow, und ich dachte, zwischen meinem ältesten und meinem jüngsten Bruder bestünde ein großer Altersunterschied. Die beiden trennen sechzehn Jahre.“
„Ja, wir schlagen euch um Längen.“
„Trotzdem klingt es, als kämen wir aus ähnlichen Familien.“
„Wenn du damit eine laute, übermütige Sippe meinst, in der sich ständig alle in deine Angelegenheiten einmischen, dann hast du wohl recht“, pflichtete ich ihm bei.
„Das war gerade eine perfekte Beschreibung meiner Familie. Vor allem, was das Einmischen angeht. Aus genau diesem Grund hatte ich heute Abend einen Streit mit meinem jüngeren Bruder.“
„Wirklich?“
Mit einem verlegenen Gesichtsausdruck antwortete Dare: „Wir sind sogar handgreiflich geworden.“
Erschrocken riss ich die Augen auf. „Meine Familie ist zwar laut, aber ich kann mich nicht erinnern, wann jemand aus meiner Familie das letzte Mal handgreiflich geworden ist.“
„Im Ernst? Ich habe immer gehört, wie temperamentvoll die Griechen sind.“
„Vielleicht ist das ja nur ein Klischee. So wie, dass alle Iren Trunkenbolde sind“, konterte ich.
Dare warf den Kopf zurück und lachte herzlich. „Tatsächlich trifft das auf meine irische Familie sogar zu.“ Belustigung blitzte in Dares blauen Augen auf. „Du trägst das Herz auf der Zunge, nicht wahr?“
„Wenn du damit meinst, dass ich immer sage, was ich denke und mir nichts gefallen lasse, dann stimmt das wohl.“
„Was machst du sonst so, wenn du nicht gerade jemandem die Leviten liest?“
Ich lachte. „Ich bin Buchhalterin.“
„Im Ernst?“
Ich musterte ihn über den Rand meines Mojito hinweg. „Stimmt damit etwas nicht?“
Dare schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Allerdings sind die meisten Buchhalter, die ich kenne, absolute Langweiler.“
„Leider können wir nicht alle das aufregende Leben eines Klubbesitzers führen.“ Ich versetzte ihm spielerisch einen Klaps auf den Arm. „Vorsicht, Mister.“
„Ich will dich doch nur aufziehen.“
„Was für ein Job hätte deiner Meinung nach denn besser zu mir gepasst?“
„Irgendetwas mit mehr Pep.“
„Du meinst so etwas wie FBI-Agentin?“, schlug ich vor.
„Vielleicht.“
„Spuck es schon aus“, drängte ich lachend.
„Also gut. Ich dachte, du könntest eine internationale Flugbegleiterin sein.“
„Hm, warum überrascht es mich nicht, dass du ausgerechnet einen Dienstleistungsjob ausgewählt hast, der häufig sexualisiert wird?“
Mit einer Grimasse antwortete er: „Scheiße. So habe ich es nicht gemeint.“
„Natürlich nicht.“
„Ganz ehrlich. Flugbegleiter müssen hart durchgreifen können. Hast du schon mal Videos von wütenden Passagieren gesehen?“, argumentierte er.
„Vielleicht solltest du besser das Thema wechseln, solange du noch gute Karten in der Hand hältst“, schlug ich mit einem Lächeln vor.
Er lachte. „Das ist wahrscheinlich eine gute Idee.“
„Wolltest du schon immer einen Klub besitzen?“
„Ja und nein. Normalerweise handeln meine älteren Brüder meist die Verträge aus, denen ich dann zustimme. Vor allem mein ältester Bruder Callum kümmert sich um die geschäftlichen Angelegenheiten.“
Ich beäugte ihn neugierig. „Du wirkst nicht unbedingt wie ein stiller Teilhaber.“
„Nur in Bezug auf die Geschäfte halte ich mich an ihre Entscheidungen.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das für jemanden wie dich befriedigend ist.“
Dare rutschte etwas unruhig auf seinem Sitz hin und her. „Hey, wir haben uns doch gerade erst kennengelernt.“
„Ich kann nicht anders. Ich nenne die Dinge immer beim Namen.“
„Nun, Teufelsweib, das ist alles schön und gut, aber du kennst mich doch gar nicht, oder?“
„Ich muss dich nicht kennen, um dich sehen zu können“, entgegnete ich.
„Mir ist zu Ohren gekommen, dass Griechen gute Wahrsager sind. Bist du denn auch eine Seherin, Ava?“, stichelte er.
Ich schnaubte. „Du versuchst nur, abzulenken. Das überrascht mich nicht.“
Er hob abwehrend die Hände. „Also schön. Ich höre. Was siehst du?“
Während ich ihn durchdringend anstarrte, verlagerte er erneut das Gewicht. Ich nahm an, dass bisher noch nicht viele Menschen versucht hatten, ihn zu durchschauen. Vor allem keine Frauen. Für ihn war es ein Leichtes, sich hinter seinem Geld und seinem Prestige zu verstecken. „Ich sehe jemanden, der oft sein eigenes Glück für das Wohl seiner Familie opfert.“
In Dares Augen wirbelten unzählige Emotionen, von denen Schmerz die vorherrschende war. „Wie kannst du das wissen?“, flüsterte er.
„Weil die griechische Kunst der Hellsichtigkeit nicht völliger Humbug ist, Mr. Kavanaugh.“
„Kannst du mir die Zukunft vorhersagen? Ich würde wirklich gerne wissen, was mich erwartet.“
Ich lachte. „Nein. Meistens bin ich sogar ziemlich schlecht.“
„In meinem Fall hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.“
„Glaub mir, ich habe nicht einmal gesehen, dass mein Mann eine Affäre hatte.“
„Dein Mann?“
„Ex-Mann. Seit heute.“
Dare atmete erleichtert aus. „Herzlichen Glückwunsch.“
„Danke.“
„Lass mich raten. Er hat seine Sekretärin gevögelt?“
„Nein, es war eine achtzehnjährige Schülerin aus seinem Geschichtsunterricht.“
Dare zuckte sichtlich zusammen. „Das hast du sicher nicht kommen sehen.“
„Ich bin nicht Kassandra aus der Mythologie – ich kann nicht in die Zukunft blicken. Aber ich kann Menschen durchschauen. Nun ja, manche Menschen.“ Ich rümpfte die Nase. „Glaub mir, wenn ich hätte vorhersehen können, was passieren würde, hätte ich niemals geheiratet.“
„Wie lange warst du mit ihm zusammen?“
„Fünf Jahre.“
Er schüttelte den Kopf. „Du hast all diese Zeit mit einem verdammten Idioten vergeudet.“
„Nicht alles war schlecht. Wir hatten auch einige gute Jahre. Rückblickend würde ich ihn natürlich nicht noch einmal heiraten, aber es hätte viel schlimmer kommen können.“
„Ich bin überrascht, dass du es so sehen kannst.“
„Vielleicht kommt diese Weisheit mit fortschreitendem Alter. Vor ein paar Jahren hätte ich es sicher nicht so gesehen.“
„Du bist nicht alt.“
„Ich bin älter als du“, neckte ich ihn.
„Aber nicht viel älter.“
„Irgendwie kann ich mir nur schwer vorstellen, dass du mit vielen älteren Frauen zusammen warst.“
Zu meiner Überraschung blitzte ein Anflug von Schmerz in Dares Augen auf. Es passte so gar nicht zu ihm, und ich fragte mich unwillkürlich, ob es in seiner Vergangenheit eine ältere Frau gegeben hatte, die ihn verletzt hatte. Im nächsten Moment wich der gequälte Ausdruck jedoch wieder einer Maske der Unbekümmertheit.
„Ich gebe gern auch anderen Altersklassen eine Chance“, sinnierte er mit einem übermütigen Lächeln.
Plötzlich verspürte ich den unbändigen Wunsch, all die Schichten seiner Fassade abzutragen, um zu dem Mann zu gelangen, den Dare zu verstecken versuchte. Ich wollte ihn finden und dann heilen.
Ich sprang auf und streckte ihm eine Hand entgegen. „Komm schon. Lass uns jung sein und tanzen.“
Mit einem Augenzwinkern antwortete er: „Dein Wunsch ist mir Befehl.“










