Lost in Life: Ich brauche dich

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Teil der Serie: 3
Originaltitel: –
Übersetzung: –
Location: USA
Buchtyp: Roman
Veröffentlichung: 08/2025
Preis eBook: 7,99 € (D)
Preis Print: 16,90 € (D)
ISBN eBook: 978-3-86495-741-3
ISBN Print: 978-3-86495-740-6
Inhaltsangabe

Wenn dein Herz für das Spiel schlägt, aber die Vergangenheit dich einholt …

Mia Harvey hätte nie gedacht, dass sie ausgerechnet mit dem Mann zusammenarbeiten muss, der das Leben ihres Bruders, einem Profi-Eishockeyspieler, beinahe zerstört hätte.

Daniel Blake, ein rauer, vorbestrafter Einzelgänger mit einer dunklen Vergangenheit, hat Mias Bruder brutal zusammengeschlagen. Doch das Schicksal zwingt Mia und Daniel, miteinander zu arbeiten – und was als unfreiwillige Zusammenarbeit beginnt, entwickelt sich zu einer unerwarteten Nähe, die mehr zu entfachen droht, als Mia sich je hätte vorstellen können.

Daniel ist kein Eishockeyprofi – er ist ein Bad Boy, der mit seiner Vergangenheit ringt. Doch als er die Chance bekommt, sich im Eishockey eine Zukunft zu erkämpfen, ist er entschlossen, alles zu geben. Der Weg ins Team der Detroit Hunters ist steinig, der Druck auf dem Eis unerbittlich – und seine Chance, sich zu beweisen, könnte auch seine einzige Chance auf eine bessere Zukunft sein.

Während Mia und Daniel in ihrem Projekt zusammenarbeiten, wachsen die Spannungen zwischen ihnen – und die Grenzen zwischen Abneigung und Anziehung verschwimmen. Doch jede Entscheidung, die Daniel trifft, könnte ihre gemeinsame Zukunft gefährden.

Als ein folgenschwerer Fehler seine Zukunft und ihre gemeinsame Chance bedroht, müssen Mia und Daniel entscheiden, ob sie den Kampf um Liebe und Vertrauen gewinnen können – oder alles verlieren. Im Spiel um Ruhm und eine zweite Chance muss Daniel mehr riskieren, als er je für möglich gehalten hätte.

Im dritten Teil ihrer bewegenden New Adult-Reihe rund um das Team der Detroit Hunters erzählt Leah Docks mitreißend von den Herausforderungen des Erwachsenwerdens, von Verlust, Neuanfang, Freundschaft und der Kraft der Liebe. Denn manchmal muss man im Leben erst verloren gehen, um sich selbst zu finden.

Dan versuchte zu begreifen, was hier mit ihm geschah. Ihm wurde von jemandem geholfen, von dem er es am wenigsten erwartet hätte. Er war in einem Haus willkommen, in dem er nie hätte sein dürfen. Und er war eine ganze Nacht lang weit weg vom versoffenen Gelalle, den schweren Schlägen und brennenden Erniedrigungen seines Vaters. Mit einem Kloß im Hals sah er auf die Klamotten in seiner Hand, strich mit dem Daumen über die weiche Baumwolle, blickte dann zur Couch hinüber, auf der er heute Nacht schlafen würde, und konnte kaum glauben, dass das gerade real war.
Wenig später betrat er das Badezimmer. Als das Licht anging, verschlug es ihm die Sprache. Mehrere LED-Lämpchen leuchteten von der Decke hinab und funkelten wie Diamanten. Der Raum war hell, sauber und fast viermal so groß wie das Bad bei ihm zu Hause. An der Wand, rechts von ihm, erstreckten sich Badschränke und Regale. In einem dieser Regale entdeckte er die Badetücher, von denen Nick gesprochen haben musste. Im rechten Winkel zum Regal stand eine gepolsterte Bank an einer deckenhohen, gemusterten Milchglaswand, die eine geräumige, bodentiefe Dusche umgab. In einer separaten Nische befand sich die Toilette und auf der gegenüberliegenden Seite glänzte ein langer Waschtisch mit zwei Waschbecken.
Als Dans Blick höher glitt und er in dem großen Spiegel auf sein Spiegelbild traf, erschrak er regelrecht. Wie in Trance legte er die Klamotten, die Nick ihm zum Wechseln gegeben hatte, auf die gepolsterte Bank und trat näher an den Spiegel heran. Er betrachtete sein von blauen Flecken übersätes Gesicht, das getrocknete Blut an der Augenbraue und im Mundwinkel sowie eine Schramme an der linken Wange.
„Der Alte hat sich dieses Mal ja richtig Mühe gegeben“, murmelte er verächtlich, während er sein Gesicht nach links und rechts neigte, um alle Spuren seiner Misshandlungen zu erfassen. Dann griff er sich in den Nacken und zog sich sein verstaubtes und durchgeschwitztes T-Shirt über den Kopf. Sein Blick glitt im Spiegel über weitere Hämatome auf seinem Oberkörper, die weitestgehend mit seinen vielen Tattoos verschmolzen. Doch ein riesiger dunkelvioletter Fleck rechts unterhalb seiner Brust war kaum zu übersehen, und es war exakt die Stelle, die bei jeder kleinen Bewegung furchtbar schmerzte.
Während er vorsichtig mit den Fingern darüberstrich und sich mit schmerzverzogenem Gesicht an die Tritte erinnerte, die sein Vater ihm verpasst hatte, spürte er, wie Wut und Hass auf diesen Menschen in ihm aufstiegen und ihm die Luft zum Atmen nahmen. Er wollte den unerträglichen Schmerz in seinem Inneren herausschreien, wollte um sich schlagen, all seine Abscheu auf seinen Vater herauslassen, doch er griff nur mit verkrampften Fingern an den Waschtisch, kniff seine Augen fest zusammen und versuchte, diese dunklen, alles vernichtenden Gefühle zu unterdrücken. Er durfte die Kontrolle über sich selbst nicht verlieren, durfte nicht zulassen, dass sein Vater gewann, indem er ihn endgültig brach.

Dan entledigte sich seiner restlichen Sachen, legte sie ebenfalls auf die gepolsterte Bank und betrat die Dusche. Ein warmer, breiter Wasserstrahl traf auf seinen Kopf und lief über sein Gesicht und seinen Körper. Eine angenehme Entspannung begann so intensiv durch seine verkrampften Muskeln zu rieseln, dass er tief aufstöhnte. Er drehte an einigen Griffen, stellte die Wassertemperatur höher, verstärkte den Wasserdruck, stemmte dann seine beiden Arme gegen die Wand, senkte seinen Kopf tief zwischen seine Schultern und ließ den Wasserstrahl auf seinen Nacken und die Schultern hämmern. Mit geschlossenen Augen genoss er das stetige Nachlassen der krampfhaften Anspannung in seinem Körper.
Während er die angenehme Wärme und den entspannenden Druck des Wasserstrahls genoss, wurde plötzlich die Badezimmertür aufgerissen und jemand betrat mit hektischen Schritten den Raum. Dan verkrampfte sich augenblicklich und riss die Augen auf.
„Nicht erschrecken, ich bin’s nur!“, drang eine melodische, weibliche Stimme durch das Plätschern des Wassers zu ihm durch. Sein Herz begann in einem unnatürlich schnellen Rhythmus zu galoppieren, aber nicht, weil er sich ertappt fühlte oder erschrocken war, sondern weil diese Stimme direkt in seinen Schritt schoss.
„Keine Sorge, ich gucke dir auch nichts weg. Ich muss hier nur dringend an meine Sachen, und bis du irgendwann mal fertig wirst, kann ich einfach nicht warten. Jayla kommt mich jeden Moment abholen.“
Bitte, was? Langsam drehte er den Kopf zur Glaswand, hinter deren Muster aus Milchglas er fast vollständig verdeckt war. Vereinzelte Lücken in dem Design gaben ihm den Blick auf die Frau frei, deren Stimme seinen Schwanz zum Zucken brachte. Er hörte sie zwar reden und konnte an ihrem Profil auch erkennen, dass sie ihre Lippen bewegte, doch er verstand kein einziges Wort. Viel zu sehr war er von diesen langen braunen Haaren abgelenkt, die wellig über ihre nackten Schultern fielen. Dan neigte seinen Kopf und sah genauer hin. Sein Blick glitt über ihren Rücken, der durch ihre langen Haare und die Schnürung der Bänder ihres knappen Oberteils hervorblitzte. Er wollte unbedingt sehen, was sie außer diesem noch trug. Sein Blick wanderte tiefer, doch da verdichtete sich der Dampf in der Dusche und er konnte nur schemenhaft etwas Kurzes, einen Minirock oder eine Shorts, erkennen.
Eine Bewegung ließ seinen Blick wieder hochschießen. Sie hatte ihre Arme angehoben, um sich mit den Fingern durch die Haarsträhnen zu fahren und ihre Mähne aufzulockern. Das Schütteln ihrer Haare hypnotisierte ihn regelrecht. Dann nahm er die Rundungen ihrer Oberweite wahr, die sich unter dem knappen Oberteil abzeichneten und bei jeder ihrer Bewegungen leicht mitschwangen. Dan presste seine Handflächen fester gegen die Fliesen der Duschwand, weil er den starken Drang verspürte, ihre Brüste mit seinen Händen zu umschließen. Mit offenem Mund starrte er sie an und konnte gerade noch einen Fluch unterdrücken, als sie plötzlich ihre Brüste mit den Händen ergriff und sie in ihrem Ausschnitt zurechtrückte. Fuck, hallte es laut in seinem Kopf, und er presste seine Zähne fest aufeinander, um bei diesem erregenden Anblick nicht laut zu stöhnen.
„So, Brüderchen, jetzt hast du das Bad wieder ganz für dich allein“, ertönte erneut diese unglaubliche Stimme, bevor die Frau so schnell wieder verschwand, wie sie aufgetaucht war.
Keuchend stieß Dan die angehaltene Luft aus. Sein Puls raste, die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich und er fragte sich, was das gerade gewesen war. Er neigte seinen Kopf und sah an sich hinab. Mit einem genervten Schnauben verdrehte er die Augen, als er seine Erektion bemerkte.
Einige Minuten später kehrte Dan in Nicks Zimmer zurück und ärgerte sich immer noch darüber, dass er sich wie ein Teenager unter der Dusche einen runterholen musste, um das Bild von der Frau, und wie sie ihre Brüste knetete, aus dem Kopf zu bekommen. Klar, hatte er auch versucht, sich wie ein Mann mit kaltem Wasser abzukühlen, aber das hatte genauso wenig geholfen, denn sowohl ihr Anblick vor seinem inneren Auge als auch die Hitze in seinem Körper hatten ihn trotzdem nicht losgelassen und ihn wahnsinnig gemacht. Er entschied sich nach dem Duschen sogar, auf das T-Shirt zu verzichten und lediglich die Jogginghose anzuziehen, damit wenigstens die Klimaanlage im Haus seine erhitzte Haut kühlen konnte.
Er schloss grummelnd die Tür hinter sich und erstarrte in seiner Bewegung. Die Couch war bereits bezogen und lockte mit einem sehr weich aussehenden Kissen und einer schneeweißen Decke. Doch ehe er sich bewusst werden konnte, wie müde und kaputt er eigentlich war, drang ein köstlicher Duft in seine Nase und sein Blick fiel auf einen gedeckten Beistelltisch neben der Couch, von dem dieser betörende Duft ausging. Er kam näher, sah das Essen dort stehen und ließ sich auf dem Sofa direkt am Tisch nieder. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, während er auf ein großes Stück Fleisch und Kartoffeln starrte, die mit einer dampfenden Champignonsauce überzogen waren. Neben dem Teller standen noch ein Schälchen Gurkensalat, ein Trinkglas und eine volle Wasserflasche.
Wie auf Kommando knurrte sein Magen und Dan wurde bewusst, dass er heute den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Er ergriff das neben dem Teller liegende Besteck und stürzte sich auf das Essen. Als das zarte, saftige Fleisch auf seiner Zunge zerfiel, schloss er für einen Moment die Augen und gab ein genüssliches Stöhnen von sich. Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wann er jemals so etwas Leckeres gegessen hatte.
Bei ihm zu Hause gab es nie selbstgekochtes Essen, nur Dosengerichte, billigen Fertigfraß oder Brote, wenn man sich selbst welche belegt hatte. Seine Mutter war permanent auf Drogen und zu high, um sich um die Mahlzeiten oder den Haushalt zu kümmern, und seinen Vater sah er nur saufen. Soweit Dan sich erinnern konnte, war er immer nur auf sich allein gestellt gewesen und hatte sich größtenteils selbst versorgen müssen. Wenn es zu Hause nichts zu essen gab, bekam er in den Suppenküchen der Stadt etwas Warmes oder blieb einfach hungrig.
Das Jugendamt hatte zwar früh mitbekommen, dass in seiner Familie etwas nicht stimmte, und hatte sich eingeschaltet, indem es Hausbesuche durchführte, um eine Kindeswohlgefährdung zu überprüfen. Oft hatten ihn die Mitarbeiter direkt mitgenommen, weil sich ihre Befürchtungen bewahrheitet hatten, und ihn von einer Pflegefamilie in die andere gesteckt, doch geholfen hatte das alles nicht. Im Gegenteil, er hatte ständig fremde Menschen um sich herum, musste sich immer wieder an neue Umgebungen gewöhnen, die Pflegeeltern waren entweder mit ihm überfordert oder wollten nur das Geld vom Staat kassieren und scherten sich einen Dreck um ihn. Doch am schlimmsten waren die Momente, wenn sein Vater ihn zurückholte. Dan hatte sich ständig gefragt, wie ihm das immer wieder gelingen konnte, bis er mitbekommen hatte, wie dieser die zuständige Sachbearbeiterin vom Jugendamt fickte. Danach wurde der Erlass des Amtes zum Schutz der Familienerhaltung aufgehoben und Dan landete wieder bei seinen Eltern und unter den Fäusten seines Vaters.
Durch die dramatischen Zustände in seinem Elternhaus, die Misshandlungen und Vernachlässigungen, aber auch durch sein Umfeld geriet er als Heranwachsender schnell auf die schiefe Bahn. Er hatte Einbrüche und Diebstähle verübt, wäre beinahe in die Drogenszene abgerutscht, und die Anzeigen wegen Sachbeschädigungen und Körperverletzungen begannen sich zu häufen.
Nachdem er mit einundzwanzig Jahren seine Volljährigkeit erlangt hatte, wurden die Strafen für seine Vergehen härter, und anstatt des Jugendamtes kümmerte sich von nun an ein Bewährungshelfer um ihn. Anfangs hatte er große Schwierigkeiten damit gehabt, weil er endlich selbst über sein Leben bestimmen wollte. Also ignorierte er Gerichtstermine, verweigerte die ihm auferlegten Schulungs- sowie Arbeitsmaßnahmen und rebellierte gegen den ihm zugewiesenen Sozialarbeiter. Doch schnell bemerkte er, dass er nur durch eine gute Zusammenarbeit mit der Justiz einem direkten Weg ins Gefängnis entgehen konnte. Daher beugte er sich seinem Schicksal und versuchte, so gut es ging, alle seine Auflagen zu befolgen. Mittlerweile blieben ihm nur noch wenige Monate bis zum Auslaufen seiner Bewährungsstrafe.
Dan kratzte die letzten Essensreste vom Teller, leckte die Gabel ab, stellte das Geschirr ordentlich zusammen und lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzen auf der Couch zurück. Er wusste nicht wieso, aber eine innere Ruhe breitete sich plötzlich in ihm aus, und er war beinahe glücklich, wären da nicht diese höllischen Schmerzen in seiner rechten Körperhälfte. Er sah an sich herunter und tastete die violett verfärbte Stelle an seiner Rippe ab. Hoffentlich ist nichts gebrochen, dachte er sich.
In dem Moment betrat Nick das Zimmer und Dan konnte sehen, dass sein Blick für einen Augenblick auf dem riesigen Hämatom hängengeblieben war. Dan mochte es nicht, wenn jemand ihn in so einem Zustand sah. Er hasste es selbst, sich so zu sehen, denn dadurch wurde der Beweis für sein jämmerliches Leben umso sichtbarer. Er beugte sich vor und stützte sich mit den Unterarmen auf den Knien ab, um die Spuren seiner Misshandlungen weitestgehend zu verdecken. Dabei durchzuckte ihn ein dermaßen heftiger Schmerz, dass er Mühe hatte, ein Schnaufen zu unterdrücken. Nick schien das bemerkt zu haben, denn er war vor ihm stehengeblieben und sah ihn prüfend an. Dan hatte keinen Bock auf Mitleid oder unnötige Fragen und versuchte daher, direkt abzulenken.
„Gutes Essen habt ihr hier“, gab er anerkennend von sich.
„Danke. Ich gebe das Kompliment an meine Mutter weiter. Das wird sie bestimmt freuen“, erwiderte Nick mit einem leichten Schmunzeln, trat an eine Kommode heran und öffnete eine der Schubladen.
„Sag ihr bloß nicht, von wem das kam, sonst kippt die Freude direkt“, murmelte Dan, und Nicks Schmunzeln vertiefte sich zu einem Grinsen. Den Spruch ließ er jedoch unkommentiert.
„Hier“, sagte er lediglich und reichte Dan eine Salbe sowie eine Packung Aspirin, die er aus der Schublade herausgeholt hatte, bevor er sie wieder schloss.
Stirnrunzelnd starrte Blake auf die Arzneimittel in Nicks Hand.
„Die Salbe wirkt schmerzlindernd und abschwellend bei Prellungen und ähnlichen … stumpfen Verletzungen. Und Aspirin hilft dir zusätzlich gegen die Schmerzen“, erklärte Nick.
Dan wusste, wofür das Zeug gut war, und hätte vor Erleichterung beinahe geheult. Gleichzeitig war er beeindruckt, dass sein Gegenüber scheinbar mit nur einem Blick und ohne blöde Fragen zu stellen die richtigen Schlüsse über seinen Zustand gezogen hatte.
Er streckte seine Hand aus und nahm die Medikamente entgegen.
„Warum hilfst du mir?“, fragte er misstrauisch.
Nick atmete tief durch, setzte sich auf sein Bett und zuckte mit den Schultern. „Warum hilft man jemandem? Aus Nächstenliebe nehme ich mal an.“
„Ich bin ja nicht irgendjemand“, warf Dan ein und konnte an Nicks ernst gewordenem Gesichtsausdruck erkennen, dass er verstand, worauf er hinauswollte. Hier saß ein mieser Schläger, der gerade Hilfe von seinem Opfer bekam.
„In deinem Fall fühle ich mich sogar dazu verleitet, zu sagen, weil ich kein Arschloch bin, der nachtritt, wenn jemand schon am Boden liegt …“
Dan senkte schuldbewusst den Blick. Diesen verbalen Seitenhieb hatte er verdient, und er bereute nichts so sehr wie seinen Ausraster bei der Schlägerei mit Nick. Dabei hatte das alles nichts mit Nick Harvey zu tun, auch nichts mit seiner damaligen Provokation. Das Problem lag einzig und allein an der geschundenen Seele eines Mannes, der in seinem Leben nichts als Gewalt kennengelernt hatte und für einen kurzen Moment ausgetickt war.
Dan wusste, dass er sich entschuldigen musste, dass er sich entschuldigen wollte. Doch ehe er etwas sagen konnte, sprach Nick weiter: „… aber so bin ich nicht. Ich tue meistens das, was ich für richtig halte. Einfach an dir vorbeizugehen und dich dort liegen zu lassen, hat sich für mich nicht richtig angefühlt. Und ich mag es nicht, wenn sich etwas falsch anfühlt. Wenn man also die Möglichkeit hat, etwas Richtiges zu tun, warum sollte man es dann nicht machen? Außerdem gefällt mir das befriedigende Gefühl nach einer guten Tat. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich dir helfe: purer Egoismus.“
In Dan machte sich große Verwirrung breit. Er hatte bisher noch nie jemanden getroffen, der ihm ohne jegliche Hintergedanken, nur aus Freude an einem guten Gefühl, half. Müsste man in so einem Fall eigentlich nicht misstrauisch werden? Dan hatte in seinem Leben früh gelernt, niemandem blind zu vertrauen und sich auf niemanden zu verlassen. Er hatte ein ausgezeichnetes Gespür für Heuchler und Blender entwickelt. Doch während er Nicks Worte auf sich wirken ließ, schrillten keine Alarmglocken in seinem Kopf und seine Nackenhaare stellten sich nicht warnend auf. Im Gegenteil, die innere Ruhe, die bereits beim Betreten dieses Hauses begonnen hatte, sich in ihm auszubreiten, füllte ihn mittlerweile komplett aus. Das daraus resultierende, ungewohnte Gefühl, sich vor nichts fürchten und auch nicht permanent auf der Hut sein zu müssen, war sehr beruhigend und entspannend.
„Danke“, sagte Dan schließlich.
Einige Augenblicke später warf er sich zwei Aspirin ein und begann, die Schmerzsalbe auf seiner rechten Körperseite zu verreiben.
„Passiert das oft?“, hörte er Nick plötzlich fragen und hielt kurz in seiner Bewegung inne. Er sah nicht zu ihm auf, weil er auf das Mitleid und die Betroffenheit, die er bereits in der Stimme vernehmen konnte und die er sicherlich auch in seinem Blick gesehen hätte, gut verzichten konnte. Und ganz bestimmt wollte er nicht über die Übergriffe seines Vaters sprechen, wollte niemandem einen Einblick in sein kaputtes Leben geben. Doch …
„Früher, fast täglich. Mittlerweile nur noch, wenn ich nicht rechtzeitig abhauen kann“, rutschte es ihm dennoch heraus, und völlig irritiert über seine eigene Offenheit kniff er die Lippen zusammen und fuhr mit dem Auftragen der Salbe fort.
Er hörte, wie Nick einen Laut von sich gab, um vermutlich eine weitere Frage zu stellen oder irgendeinen Kommentar abzugeben, daher sah er schnell auf und gab ihm mit einem raschen Kopfschütteln zu verstehen, dass er nicht über dieses Thema reden wollte. Nick schien seine stumme Bitte nicht nur zu verstehen, sondern auch zu respektieren, denn er nickte lediglich und wünschte ihm schließlich eine gute Nacht.
Dan trank den Rest Wasser aus, der von seiner Tabletteneinnahme übriggeblieben war, und machte es sich auf der Couch bequem. Augenblicklich überrollte ihn eine bleierne Müdigkeit und kurz darauf schlief er auch schon ein.

 

Ein knirschendes Geräusch von Gummischlappen, die über altes, abgenutztes Linoleum schaben, drang durch die nächtliche Dunkelheit an Dans Ohren. Ein Geräusch, das ihn in Sekundenschnelle nicht nur in höchste Alarmbereitschaft, sondern auch in lähmende Schockstarre versetzte. Ein Geräusch, das ihm sofort kalten Schweiß aus allen Poren trieb, weil es nahendes Unheil ankündigte. All seine Sinne fokussierten sich nun auf Schritte, die auf dem Flur zu hören waren, auf die Türklinke, die heruntergedrückt wurde, und auf das laute Knarren von Scharnieren, als die Tür aufgestoßen wurde. Zu dem knirschenden Schlappengeräusch gesellte sich nun schweres, röchelndes Keuchen. Ein beißender Alkoholgestank schoss Dan in die Nase, und sein bereits verkrampfter Magen drehte sich vor Ekel.
„Hier steckst du also, du dreckiger, kleiner Pisser“, ertönte plötzlich die Stimme seines Vaters dicht an seinem Ohr.
Dan riss die Augen weit auf und starrte schwer atmend auf eine weiße Zimmerdecke, auf die die Strahlen der Morgensonne durch ein großes Fenster feine Muster warfen. Ihm fiel sofort auf, dass das nicht seine Zimmerdecke war. Nach der erleichternden Erkenntnis, nur beschissen geträumt zu haben, huschte für einen kurzen Augenblick Verwirrung über sein Gesicht, da er in diesem Moment nicht wusste, wo er war. Doch in der nächsten Sekunde fielen ihm die Geschehnisse des vergangenen Abends wieder ein. Er blickte zur gegenüberliegenden Zimmerseite, zu Nicks Bett, welches jedoch leer war. Die Funkuhr auf dem Nachtschränkchen neben dem Bett zeigte sieben Uhr an. Dan erhob sich, schob die Beine von der Couch, setzte sich aufrecht hin und stellte dabei fest, dass seine Schmerzen deutlich nachgelassen hatten.
Er rieb sich mit den Händen den restlichen Schlaf aus dem Gesicht, fuhr sich mit den Fingern mehrmals durch die kurzen, schwarzen Haare und nahm dann die Wasserflasche vom kleinen Beistelltisch, um den morgendlichen Durst zu löschen. Da bemerkte er, dass das Geschirr vom gestrigen Abendessen abgeräumt war. Seine Mundwinkel zuckten kurz, als er sich eingestand, dass ihm das Leben in einem Hotel durchaus gefallen könnte.
Die Tür zum Zimmer wurde plötzlich aufgerissen.
„Nick, kann ich mir dein …“
Mia stürmte in den Raum und erstarrte mitten in der Bewegung, als sie einen unbekannten, halbnackten Kerl, lediglich in einer Jogginghose bekleidet, auf Nicks Couch sitzen sah. Sofort bemerkte sie die vielen Tattoos, die als geschwungene Linien, verschnörkelte Schriftzüge und ornamentähnliche Symbole seine Arme von den Handgelenken bis zu den Schultern zierten. Ihr Bruder Nick trug ja schon beeindruckende Tattoos am Körper, doch dieser Mann war schon fast ein Gemälde. Bei all den kunstvollen Werken aus dunkler Tinte entgingen ihr auch die beachtlichen Muskeln nicht, die sich unter der Haut an seinen Oberarmen abzeichneten. Die Begeisterung über diesen appetitlichen Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen.
Ihr neugieriger Blick wanderte höher und erreichte schließlich das Gesicht des Unbekannten. Mia stutzte. So unbekannt erschien ihr dieses Gesicht gar nicht. Sie runzelte die Stirn, während sie überlegte, wo sie diese scharfkantigen Gesichtszüge, die geraden, stark betonten Augenbrauen, diese markant geschnittene Nase und die eckigen Konturen der breiten Kinnpartie, die mit dunklen Bartstoppeln überzogen war, schon mal gesehen hatte. Im Mundwinkel seiner recht sexy ausgeprägten Lippen bemerkte sie eine verkrustete Wunde, die von einer leichten Schwellung und bläulichen Verfärbung umgeben war.
Plötzlich schlug die Erinnerung wie eine Bombe in ihr Gedächtnis ein. Vor ihrem inneren Auge tauchte ein Foto auf, das sie in der Akte des Anwalts gesehen hatte, der Nick in dem Fall der Schlägerei vertrat. Darauf war genau dieses Gesicht abgebildet. Ihre Atmung überschlug sich und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, als sie Daniel Blake erkannte.
Ihr Blick schoss zu seinen Augen, aus denen er sie neugierig musterte. Sie machte instinktiv einen Schritt rückwärts und wollte gerade aufschreien, als die Stimme ihres Bruders an ihre Ohren drang.
„Mia, was machst du hier?“
Nick ging an ihr vorbei, warf eine Sporttasche auf sein Bett und begann, sie mit sauberen Klamotten zu füllen.
„Nick!“ Ihre Stimme hatte einen leichten Anflug von Panik. Sie drehte sich zu ihm, während sie mit ausgestrecktem Finger hinter sich zur Couch zeigte. „Ich glaub, ich sehe nicht richtig. Das ist doch … Ist das nicht? Ist das …?“, stotterte sie.
Nick schloss den Reißverschluss der Sporttasche und drehte sich um. Sein Blick streifte kurz den Kerl hinter ihr, bevor er ihre Vermutung in einem ruhigen Ton bestätigte: „Daniel Blake, ja.“
Ihre Kinnlade klappte herunter, und sie trat näher an ihren Bruder heran.
„Spinnst du? Was macht der denn in deinem Zimmer?“, fragte sie entsetzt.
„Wäre es dir lieber, ich wäre in deinem?“, ertönte daraufhin eine dunkle, raue Stimme hinter ihr.
Langsam drehte Mia sich um. Dabei spürte sie deutlich, wie ein erregender Schauer durch den Klang dieser Wahnsinnsstimme auf ihrer Haut ausgelöst wurde, und sie bis in die Zehenspitzen erschütterte. Sowohl diese unerwartet heftige Reaktion ihres Körpers auf seinen Bariton als auch die Tatsache, dass sein provokanter Blick in Kombination mit den schwarzen, durchgewuschelten Haaren so verflucht sexy aussah, empfand sie als höchst schockierend. Wie konnte sie einen Schlägertypen attraktiv finden, der ihren Bruder so übel zugerichtet hatte, und auf seine Stimme mit einem feuchten Höschen reagieren? What the fuck?! Sie musste ihn hassen, verabscheuen, wie Luft behandeln. Und genau das entschied sie sich auch zu tun: Sie ignorierte sowohl ihn als auch seinen dämlichen Spruch und wendete sich wieder Nick zu.
„Wissen Mom und Dad davon?“
„Entspann dich, Mia“, entgegnete er mit einem unterdrückten Augenrollen. „Dan ist mein Gast“, fügte er gelassen hinzu.
„Dan?!“ Mia blinzelte irritiert, weil Nick über den Kerl sprach, als wären die beiden best buddys forever. Was sollte das? Sie öffnete bereits den Mund, um etwas darauf zu erwidern.
„Was willst du hier überhaupt?“, fragte Nick unerwartet und bremste sie, ehe sie komplett ausflippen konnte.
„Ähm …“ Sie stutzte, weil sie mit einem so plötzlichen Themenwechsel nicht gerechnet hatte, und klappte ihren Mund ein paarmal auf und zu, während sie sich innerlich sammelte. Sie blendete schließlich Nicks zweifelhaften Gast aus und konzentrierte sich darauf, seine Frage zu beantworten.
„Ich wollte fragen, ob ich mir dein Ladekabel borgen kann. Ich habe meins bei Jayla vergessen.“
„Klar“, sagte er und sah sich suchend um.
„Hier“, erklang erneut diese unglaubliche Stimme hinter ihr, und sie bemerkte, dass Nick seinen Blick hinter ihre Schulter richtete und mit einem „Ah, ja“ hinter sie deutete.
Innerlich augenrollend drehte sie sich um und sah, wie der Kerl sein Smartphone vom Kabel zog und ihr das Teil reichte. Sie starrte auf seine ausgestreckte Hand, die so groß war, dass das Ladekabel darin regelrecht verschwand. Während sie auf die Hand starrte, schoss ihr wie aus heiterem Himmel eine koreanische Studie in den Sinn, von der ihr neulich ihre beste Freundin Jayla erzählt hatte und die besagte, dass sich die Penislänge eines Mannes an der Größe seiner Hand ablesen ließe und … Halt! Stopp! WAS?! Sie hatte gerade doch nicht allen Ernstes von seiner Hand auf seine Schwanzlänge schließen wollen. Großer Gott! Was war nur los mit ihr?
Als sie krampfhaft versuchte, ihre vom Weg abgekommenen Gedanken zu bändigen, wurde ihr Blick von seiner breiten Brust, die ebenfalls mit kräftigen Muskeln bepackt und mit zahlreichen Tattoos bedeckt war, wie magisch angezogen. Von ihrem Blickwinkel aus konnte sie einen Drachenkopf erkennen, Flammen und … was genau war das? Ineinander verflochtene Dornenranken? Sie neigte ihren Kopf, kräuselte nachdenklich ihre Augenbrauen und folgte mit ihrem Blick den schwungvollen Linien an seinem Oberkörper hinab. Ohne es bemerkt zu haben, war sie am Bund seiner Hose angekommen.
„Gefällt dir, was du siehst?“, riss ein rauer Bariton, gepaart mit einem Hauch Heiserkeit, sie aus ihren Gedanken.
Ihre Augen weiteten sich, als ihr bewusst wurde, dass sie gerade tatsächlich auf seinen Schritt starrte und erneut die koreanische Studie … Argh!!!
Mia hob rasch den Blick und sah ihm ins Gesicht. Mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue und einem schmunzelnden Zug um seine Lippen verspottete er sie ganz offensichtlich. Rasende Wut erfüllte sie. Sie presste die Lippen fest aufeinander, zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und … riss ihm das Ladekabel aus der Hand. Dann wirbelte sie zu Nick herum.
„Du hast sie doch nicht alle“, zischte sie und stürmte aus dem Raum.
Die Tür zum benachbarten Zimmer fiel mit einem lauten Knall zu. Dan verarbeitete gerade den Anblick des knackigen Hinterns in den knappen Hotpants, den er die ganze Zeit vor der Nase gehabt hatte, bevor dieser heiße Wirbelwind aus der Tür flitzte. Etwas so verflucht Scharfes zu sehen, ohne es anfassen zu können, glich Folter.
„Falls du noch ins Bad möchtest, würde ich dir raten, es jetzt zu tun, bevor meine Schwester es für Stunden blockiert“, ertönte Nicks Stimme und holte ihn aus seinen Gedanken.
Dan erhob sich nickend von der Couch, streifte sich das weiße T-Shirt über, das er gestern von Nick bekommen hatte, und verschwand im Badezimmer.

Mia stand in ihrem Zimmer und bebte vor Wut, wobei sie noch unschlüssig war, gegen wen sich ihre Wut richtete. Gegen ihren Bruder, weil er so leichtsinnig gewesen war, einen brutalen Schläger ins Haus zu lassen? Gegen Daniel Blake, weil er Nick verprügelt hatte und dann seelenruhig auf seiner Couch saß? Oder war sie wütend auf sich selbst, weil sie ihren verräterischen Körper, der erstaunlich heftig auf diesen Gast reagierte, nicht unter Kontrolle hatte? Ein Beben erfasste sie, als sie an diese rauchige Stimme, diese großen Hände und diesen intensiven Blick denken musste. Gott, bei ihr hatten noch nie die Nippel geprickelt, wenn ein Kerl sie angestarrt hatte. Warum passierte es dann jetzt? Warum hatte sie das Gefühl gehabt, nackt vor ihm zu stehen und sogar Gefallen daran zu finden?
Mit einem genervten Schnauben riss sie ihren Kleiderschrank auf und suchte sich ihr Outfit zusammen. Wirre Gedanken über die merkwürdige Situation in Nicks Zimmer kreisten in ihrem Kopf, während sie sich in eine enge Jeans zwängte und eine luftige Bluse anzog. Die einzige Erklärung für diese starke Anziehungskraft, die sie bei Blake verspürt hatte, konnte nur ihre kranke Vorliebe für tätowierte Männer sein. Immerhin hatte bereits ein einziger Blick auf diesen krassen Oberkörper gereicht, und ihr war das Wasser im Mund zusammengelaufen. Aber das war auch völlig okay gewesen, bevor sie wusste, wer da vor ihr saß. Nett anzusehen war er ja. Doch nachdem sie ihn erkannt hatte, hätten ihre Vernunft und die Loyalität ihrem Bruder gegenüber Abneigung und Verachtung für diesen Kerl hervorrufen müssen. Immerhin hatte er Leid über ihre Familie gebracht. Nick hatte wochenlang mit Schmerzen im Krankenhaus gelegen, hatte um seine Eishockeykarriere bangen müssen, und sie hatte nun nichts Besseres zu tun, als den Kerl, der dafür verantwortlich war, anzuschmachten, nur weil er tätowiert war.
Innerlich über sich selbst schimpfend, machte sie sich für ihre Morgentoilette auf den Weg ins Bad. Die Tür zu Nicks Zimmer war nur angelehnt, und sie spürte, wie ihr Herz plötzlich höher zu schlagen begann und Aufregung in ihr hochkroch, als sie im Vorbeigehen versuchte, durch den Türspalt zu schielen. Warum zum Teufel wollte sie denn jetzt unbedingt hindurchsehen? Wollte sie ihn sehen? Mia, reiß dich zusammen, verlangte eine mahnende Stimme in ihrem Kopf.
Ein Augenrollen unterdrückend riss sie ihren Kopf herum und prallte gegen eine Wand, die sowohl hart als auch weich und warm war. Vor Schreck weiteten sich ihre Augen, doch das Adrenalin, das gerade noch durch ihre Adern rasen wollte, löste sich in Nichts auf, und ihr entglitt ein erleichtertes Seufzen, als sie Nicks weißes T-Shirt vor ihrer Nase bemerkte.
„Oah, Nick, musst du hier im Weg ste…?“
Ihr genervtes Augenrollen brachte sie dazu, hochzusehen, und die Frage blieb ihr im Hals stecken, denn sie war nicht in ihren Bruder hineingerannt, sondern in Daniel Blake. Und sie stand so dicht an ihn gedrängt, dass kein Blatt Papier zwischen sie passen würde. Ihr Gesicht war in Höhe seiner breiten Brust, weil er – verflucht, wie groß war er? Er müsste wie Nick an die eins neunzig groß sein, denn ihrem Bruder reichte sie auch nur bis zur Brust.
Musste dieser Typ eigentlich alle äußerlichen Eigenschaften, die für sie einen absoluten Traummann ausmachten, in sich vereinen: tätowiert, muskulös, groß.
Neben seiner enormen Körpergröße und der unglaublichen Hitze, die von ihm ausging, fesselte sie aber vor allem sein Blick, in dem etwas Dunkles, Dominantes und Animalisches lauerte.
„Hi“, raunte er in einem Ton, der verdammt gut zu diesem Blick passte und jegliche Muskeln in ihrem Unterleib sich vor Lust zusammenziehen ließ. Zudem nahm sie einen festen, warmen Druck an ihrem Rücken wahr, von dem ein angenehmes Kribbeln über ihre Haut kroch. War das eine Hand? O mein Gott, es war seine Hand! Diese Erkenntnis rüttelte sie regelrecht wach, sie taumelte blinzelnd zurück und stieß ihn von sich.
„Fass mich nicht an!“, fauchte sie empört, drängte sich an ihm vorbei und verschwand im Badezimmer.

***

„Ich fahre ins Fitnessstudio an der Park Avenue. Soll ich dich auf dem Weg dorthin irgendwo absetzen?“, fragte Nick, als sie das Haus verließen und auf seinen Wagen zusteuerten.
Dan schüttelte den Kopf.
„Danke, aber ich muss in eine andere Richtung.“
Musste er nicht, doch er fand, dass Nick auch so schon genug für ihn getan hatte, und er wollte ihm nicht noch mehr Umstände machen. Außerdem nagte das schlechte Gewissen für das, was er Nick angetan hatte, an ihm. Die Schlägerei kam zwischen ihnen zwar nicht zur Sprache, doch dass Harvey ihn dafür verurteilte, weitergemacht zu haben, nachdem er schon am Boden gelegen hatte, war eindeutig. Immerhin hatte er etwas in diese Richtung erwähnt.
Dan hatte dafür sogar vollstes Verständnis. Er hasste sich ja selbst dafür. In seiner Brust zog sich alles schmerzhaft zusammen, als er an den besagten Abend zurückdachte, an Nicks blutüberströmtes Gesicht, auf das er immer wieder eingeschlagen hatte. Beschämt über diese Erinnerung kniff er die Augen zusammen, doch da tauchte das Bild von Nick, wie er sich gestern besorgt zu ihm hinuntergebeugt und ihm seine Hand gereicht hatte, vor seinem inneren Auge auf, und die erdrückenden Gewissensbisse brachen wie eine Steinlawine über ihm zusammen.
„Nick?“
Dieser schloss gerade den Kofferraum, nachdem er seine Sporttasche darin verstaut hatte, und sah fragend zu ihm auf.
„Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe“, gab Dan aufrichtig zu. Er wusste, dass sein Verhalten das Allerletzte gewesen war, und es dafür keine Entschuldigung gab. Doch es war ihm wichtig, Nick wissen zu lassen, dass er seinen Ausraster bereute.
Nick sah ihn einige Augenblicke lang abschätzend an, bis er schließlich langsam nickte und Dans Entschuldigung mit einem Handschlag annahm.

Leah Docks
Leah Docks ist das Pseudonym einer Autorin, die im Jahre 1983 geboren wurde und mit ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern im schönen Düsseldorf lebt. Sie hat ihr sicheres Angestelltendasein aufgegeben, um sich mit einem eigenen Unternehmen selbst zu verwirklichen. [...]
Leah Docks
Leah Docks ist das Pseudonym einer Autorin, die im Jahre 1983 geboren wurde und mit ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern im schönen Düsseldorf lebt. Sie hat ihr sicheres Angestelltendasein aufgegeben, um sich mit einem eigenen Unternehmen selbst zu verwirklichen. [...]

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