Inhaltsangabe
Killer aus Überzeugung.
Todesengel.
Präsident des Fallen Ravens MC.
Mein Leben gehört der Dunkelheit. Jede Entscheidung, jede Tat sind in Blut und Schuld getränkt. Meine Hände sind besudelt von den Seelen derer, die um ihr Leben gebettelt haben, als es längst zu spät war.
Vergebung? Ist ein Märchen.
Erlösung? Nur ein Traum für andere.
Ich wollte nie gerettet werden. Nur ihren Schmerz sehen. Ihre Angst. Ihr Ende.
Bis ich Sage treffe.
Sie hätte weglaufen sollen. Und vielleicht hätte ich sie sogar gehen lassen. Aber sie bleibt. Sieht, wer ich wirklich bin – und läuft nicht davon.
Ihr erster Fehler.
Ihr zweiter: Sie hat sich mir hingegeben.
Jetzt gehört sie mir. Und ich lasse sie nicht mehr los.
Sie ist alles, was ich nicht verdiene – Licht, Hoffnung, Wärme.
Ich bin der Mann, vor dem man flieht – zerbrochen, verdammt, tödlich.
Doch vielleicht … ist sie mein letzter Funken Menschlichkeit. Meine Rettung.
Als ein verfeindeter MC aus der Asche zurückkehrt – jener, der unseren Präsidenten und Bruder auf dem Gewissen hat – beginnt ein neuer Krieg.
Sie fordern Krieg.
Sie bekommen Hölle.
Und als sie Sage entführen, reißen sie mir das Herz aus der Brust. Jetzt kennt mein Weg nur noch ein Ziel: Rache.
Ich werde nicht ruhen, bis ihr Blut die Straßen von Salem tränkt.
Sie ist mein. Und ich werde vor nichts zurückschrecken, um sie zurückzuholen.
Dunkel. Gefährlich. Heiß. – Der Auftakt zur neuen MC Romance-Reihe der USA Today-Bestsellerautorinnen Sandy Alvarez und Crystal Daniels.
Leseprobe
Salem
Es ist fast Mittag und ich sitze in einer leeren Kirchenbank im Kirchenschiff, das gleichzeitig als unser Gemeinschaftsraum fungiert. Gegenüber befindet sich der Barbereich. Der restliche Raum ist mit ein paar Billardtischen, Ledersofas, einem Flachbildfernseher und einer Stripperstange eingerichtet, wo einst das Altarpodest stand.
Ich sitze allein da, mit einer Zigarette in der einen und einer Whiskeyflasche in der anderen Hand. Mit Harlem zusammen habe ich gestern Nacht hier gepennt, nachdem wir die Folgen der Gewalt im Stripclub beseitigt hatten. Ich hebe die Flasche an meine Lippen und nehme noch einen Schluck. Ich fühle mich unruhig und mir rasen die Gedanken durch den Kopf. Ich nehme einen Zug von meiner Kippe, halte das Nikotin einen Moment in mir und atme dann mit einem schweren Seufzer den Rauch aus. Ich sollte mich eigentlich auf das aktuelle Problem des Clubs konzentrieren: Die Wiederauferstehung der Demon Jokers.
Derzeit wissen wir nicht, wie viele Mitglieder der MC hat und wer der neue Präsident ist. Außerdem sind wir nach dem Vorfall von gestern Abend im Visier der Polizei von Salem. Jemand hat die Behörden angerufen und die Schüsse gemeldet. Ein junger Cop, der seine Macht unter Beweis stellen musste, hat auf mich gewartet, als ich Sage und ihre Freundin zu ihrer Wohnung gefahren hatte. Und bei all dem Ärger, der derzeit auf meinen Schultern lastet, kann ich nur an sie denken.
Sie hat mich im Griff und das gefällt mir verfickt noch mal gar nicht. Gerade überlege ich noch, was ich gegen diese verfluchten Demon Jokers und diesen Sheriff tun soll, der mir im Nacken sitzt, und im nächsten Moment kreisen meine Gedanken einzig um meine Frau in Rot — Sage.
Ich schnippe die halbgerauchte Zigarette vor meine Füße zu Boden und trete sie mit meinem Stiefel aus. Frustration schießt durch meine Adern. Ich lasse mich zurück gegen die Kirchenbank fallen und reibe mir mit den Händen über das Gesicht. „Schlag sie dir endlich aus dem Kopf“, murmle ich.
Hinter mir höre ich Schritte auf dem Holzboden und greife instinktiv nach meiner Knarre.
„Ich bin’s bloß, Prez“, sagt Harlem entspannt.
Er setzt sich neben mich. „Wen willst du dir aus dem Kopf schlagen?“, will er wissen, weil er mich offensichtlich hat reden hören.
Ich reiche ihm die Whiskeyflasche, und er nimmt sie mir aus der Hand. „Verfickt noch mal alles“. Für einen Moment schweige ich.
Er gönnt sich einen Schluck aus der Flasche und stellt sie dann auf den Boden.
„Hast du etwas von Laredo und Baja gehört?“
Harlem drückt seinen Rücken gegen die alte Eichenbank. „Noch nicht.“
Laredo und Baja haben sich heute im Morgengrauen auf den Weg zum letzten bekannten Aufenthaltsort der Demon Jokers gemacht, um unsere aktuelle Bedrohung zu beobachten.
„Glaubst du, wir haben es hier mit etwas Ernstem zu tun?“, will er von mir wissen.
„Mein Bauchgefühl sagt mir, dass unsere Probleme mit diesen Hurensöhnen gerade erst begonnen haben.“
Das Gerumpel von Motorrädern vor der Tür macht Harlem und mich auf den Besuch aufmerksam. Ich stehe auf. Harlem tut es mir gleich und wir gehen gemeinsam nach draußen. Die Nachmittagssonne blendet, nachdem wir in der dunklen Kirche gesessen haben. Juneau und Mystic rollen ihre Bikes neben Harlems und meins, um zu parken, dann steigen sie ab.
Mystic kommt auf mich zu. „Du siehst beschissen aus.“
Ich schnaube. „Danke auch. Wie geht es Lorelei?“, will ich von ihm wissen, da ich weiß, dass sie erkältet war.
Mystic lächelt, wie immer, wenn es um seine kleine Tochter geht. „Das Fieber ist vor ein paar Stunden gesunken.“
„Gut zu hören“, gebe ich nickend zurück.
Mystic verlagert sein Gewicht und verschränkt die Arme vor seiner Brust. „Ich pinkle dir nur ungern in die Frühstücksflocken, aber…“, beginnt er, und ich blicke von ihm zu Juneau.
Ein pulsierender Schmerz macht sich in meinen Schläfen breit. „Spuck’s aus.“ Ich reibe mir die Stirn, um den Druck zu lindern.
„Vor einer Stunde habe ich einen Anruf von Huxley erhalten. Er kommt heute Abend im Club vorbei, um mit dir zu reden, bevor wir eröffnen.“
Na großartig.
Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist der Sheriff, der uns im Nacken sitzt, während wir unsere Geschäfte erledigen. Ich kneife mir in den Nasenrücken. Wenigstens hat uns der Alte vorgewarnt.
Motorradlärm lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den baumgesäumten Feldweg, der zu unserem Clubhaus führt. Es sind Laredo und Baja. Sie halten neben den anderen Bikes und stellen die Motoren ab.
„Alles zur Versammlung“, verkünde ich und gehe voran in unseren Versammlungsraum, den wir das Sanctuary — Heiligtum — nennen. Es handelt sich dabei um einen großen, dunklen Raum ohne Sonnenlicht, wo wir unsere Clubangelegenheiten besprechen. „Erzählt uns, was ihr herausgefunden habt.“ Ich setze mich an den Versammlungstisch.
Laredo blickt in die Runde, während er redet. „Die neuen Mitglieder der Demon Jokers haben sich auf demselben Grundstück verschanzt. Wir konnten nicht sehen, was in dem zweistöckigen Gebäude vor sich ging, weil die meisten Fenster vernagelt sind.“
„Hast du ein paar Zahlen für uns?“, will ich wissen.
„Ohne zu nahe zu kommen und zu riskieren, entdeckt zu werden, haben wir sechs gezählt, die draußen herumlungerten“, erwidert Baja.
„Was die Sicherheit betrifft, machen sie auch keine halben Sachen. Das gesamte Gelände ist von einem drei Meter hohen Elektrozaun umgeben, und die Mitglieder, die wir im Auge hatten, trugen jeweils ein M16 mit sich.“
Laredo hält kurz inne, greift in seine Kutte und zieht sein Handy heraus. Er tippt auf den Bildschirm und schiebt es mir dann über den Tisch entgegen. Ich nehme es und blättere durch die Fotos, die er von dem Clubgelände und den Männern gemacht hat. Ich habe das Gelände nicht mehr gesehen, seit wir nach dem Tod von Chicago und mehreren anderen Mitgliedern der Fallen Ravens das Clubhaus der Demon Jokers mit ihrem eigenen Blut rot gefärbt haben.
Dieser Tag ist ein dunkler Schatten, der uns täglich begleitet. Eine deutliche Mahnung für den Weg, den wir gehen, und die Gefahren, die lauern. Demon Jokers und Fallen Ravens waren jahrelang erbitterte Feinde. Der Hass zwischen Chicago und Mayhem — dem verstorbenen Präsidenten der Demon Jokers — saß tief. Die Demon Jokers hatten null Respekt vor anderen. Die Fallen Ravens sind keine Heiligen und waren es nie. Wir sündigen und brechen die Gesetze der Gesellschaft. Doch die Demon Jokers hatten beschlossen, sich das zu nehmen, was ihnen nicht gehörte. Sie wollten Salem.
In einer Herbstnacht überfielen die Demon Jokers die Häuser mehrerer Fallen Ravens Mitglieder. Sie ermordeten Mystics Vater und vier weitere MC-Mitglieder. Auch Mayhem starb in dieser Nacht, hingerichtet im Schlaf.
In nur einer Nacht verloren wir unseren Präsidenten und mehrerer Clubmitglieder. Wir verloren unsere Brüder — unsere Familie.
Diejenige von uns, die unverletzt geblieben waren, darunter auch Mystic, schwangen sich auf ihre eisernen Rosse und ritten mit Feuerwaffen in die Schlacht, direkt durch die Tore der Hölle.
Ich schaue über den Tisch zu Mystic, und sein verhärteter Gesichtsausdruck verrät mir, dass er die gleiche Erinnerung durchlebt wie ich. In dieser Nacht haben wir viel Blut vergossen und dem Präsidenten der Demon Jokers beim Sterben zugesehen.
Ich vertreibe den Nebel der Vergangenheit aus meinen Gedanken und konzentriere mich. „Ghost lebt nicht weit von dem Gelände der Demon Jokers. Ich rufe ihn an und frage ihn, ob er bereit ist, ein wenig für uns herumzuschnüffeln.“
Ghost, ein pensionierter Spezialagent, führt lieber ein einsames Leben. Wenn nötig hilft er dem Club auch mal. Chicago kannte ihn, daher kenne ich ihn ebenfalls, doch seinen richtigen Namen habe ich bis heute nicht erfahren. Den weiß keiner von uns.
„Wie sieht der Plan aus, während wir auf weitere Informationen warten?“, fragt Mystic mit angespannter Stimme.
Ich sehe mich am Tisch um und achte darauf, jeden meiner Brüder genau zu mustern. „Dieser Club, unsere Familie und unsere Geschäfte haben oberste Priorität. Wir bleiben wachsam. Wenn sie auf einen Kampf aus sind, dann sollen sie den bekommen.“
Die Sonne steht bereits tief am Himmel, als Mystic und ich vor Mystics Cannabis, unserer neunhundertdreißig Quadratmeter großen Marihuana- Anbauanlage, zu unseren Bikes gehen. Das Lagerhaus liegt nur wenige Blocks von unserem Stripclub entfernt. Kurz nach der Legalisierung von Marihuana in diesem Bundesstaat beschloss der MC offiziell in diesen Geschäftsbereich einzusteigen. Mystic hatte schon seit Jahren Produkte angebaut und dem Club damit Geld eingebracht. Jetzt macht er es als legales, steuerzahlendes Unternehmen.
„Was hältst du davon einen eigenen Verkaufsladen zu eröffnen?“ Mystic schwingt sich auf sein Bike. „Im Fenster des Gebäudes gegenüber vom Tattoostudio hängt noch immer ein Schild mit der Aufschrift Zu vermieten.“
Ich steige auf meine Harley. Die Aussicht auf mehr Geld ist verlockend, doch der Zeitpunkt für sein geplantes Abenteuer ist derzeit nicht ideal. Andererseits lässt sich das Leben nicht wegen Unsicherheiten auf Eis legen. Wir sollten auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass die neu aufgekommene Präsenz der Demon Jockers unseren Alltag und unser Leben bedroht.
„Nun?“ Mystic wartet auf eine Antwort.
„Sieht wohl so aus, als würden wir in den Verkauf einsteigen.“
Mystic grinst. Es ist das erste Mal seit dem ganzen Bullshit mit den Demon Jockers, dass er kein verhärtetes, finsteres Gesicht zieht, was völlig untypisch für ihn ist. Allerdings kann ich ihm die düstere Stimmung nicht verdenken, denn mir geht es ähnlich.
„Ich schaue morgen früh bei Darby vorbei und spreche mit ihm über den Mietvertrag für das Gebäude.“
Mein Handy klingelt, und ich ziehe es aus der Innentasche meiner Kutte. Ich wische über das Display und lese eine Nachricht von Laredo.
Laredo: Der Sheriff wartet auf dich.
Ich: Bin in zehn Minuten da.
Ich sehe Mystic an. „Huxley sitzt im Club. Lass uns losfahren.“
Die Fahrt ist kurz. Die Harleys von Harlem, Laredo, Juneau und Baja parken nebeneinander in der Nähe des Stripclubs und wir stellen unsere Bikes neben ihren ab. Sheriff Huxleys Streifenwagen parkt ein paar Plätze weiter nah am Haupteingang des Clubs, doch er sitzt nicht drin.
Mystic und ich gehen hinein und bemerken unsere Brüder mit Huxley an einem Tisch sitzend. Vor dem Bullen steht ein Bier.
„Alkohol im Dienst?“ Ich bleibe neben dem Sheriff stehen und lege ihm eine Hand auf die Schulter.
Er hebt die Flasche und nimmt einen Schluck. „Ich hatte vor einer Stunde schon Feierabend.“ Er sieht mich an, als ich mir einen Stuhl vom Nachbartisch heranziehe und mich ihm gegenüber hinsetze. Mystic schnappt sich ebenfalls einen Stuhl und gesellt sich zu uns.
„Also nicht in offizieller Angelegenheit hier?“ Ich hebe eine Augenbraue, dann gebe ich Aspen hinter der Bar ein Zeichen, mir etwas zu trinken zu bringen.
„Ich bin hier, um sicherzustellen, dass das, was gestern Nacht hier passiert ist, kein Vorbote für die Zukunft ist. Ich will genauso wenig Chaos in unserer Stadt wie du“, erwidert Huxley.
Aspen stellt eine Flasche Bourbon mit einem Tumbler auf den Tisch und geht wieder. Musik ertönt aus den Lautsprechern, und Ariel, eins unserer Mädels, betritt die Bühne und wärmt sich auf, bevor wir für den Abend öffnen. Der Blick des Sheriffs schweift ab, er bewundert sichtlich die Bewegungen der Tänzerin.
Ich gieße mir einen Whiskey ein und lehne mich dann auf dem Stuhl zurück. „Ich habe Ihrem Officer alles erzählt, was er wissen muss.“
Der Sheriff verschränkt die Arme vor seiner Brust. Ein weiteres Mädchen kommt mit einer Reisetasche über der Schulter vorbei, und Huxley sieht ihr in die Augen.
„Hi, Wes“, begrüßt sie ihn und schenkt dem Sheriff ein Lächeln.
Harlem lacht auf und blickt Huxley direkt an. „Sunny, also, huh?“
Huxley wendet sich Harlem zu. „Manche Dinge behält ein Mann besser für sich: Wie viel Geld er verdient, mit welchen Frauen er ins Bett geht und was sein nächster Schritt ist.“ Mit diesen Worten richtet Huxley seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. „Ich bin sicher, da sind wir uns alle einig.“
Ich kippe noch einen Whiskey und genieße den Biss.
Huxley sieht aus wie der Schauspieler Sam Elliot und ist ebenso selbstbewusst, was seine Person und seine Arbeit betrifft. In dieser Stadt ist er die Verkörperung von Recht und Ordnung, und es hilft, dass er mit dem Club und mir ein gegenseitiges Verständnis hat. Ich gehe die Dinge nur anders an.
„Gut gesprochen, Huxley.“ Für einen Moment sitzen wir alle schweigend da, bevor ich frage: „Haben Sie in letzter Zeit zufällig irgendetwas über die Demon Jokers gehört?“ Ich bin neugierig, ob er vielleicht etwas weiß.
Huxley streicht sich über den Schnurrbart. „Kann ich nicht behaupten. Es ist lange her, dass diese Organisation in meiner Gegenwart erwähnt wurde.“ Er blickt zu meinen Männern, dann erneut zu mir. „Hat sich die Frage auf den Vorfall von gestern Abend bezogen?“, bohrt der Sheriff nach.
Ich werde ihn nicht belügen. Er sollte genügend Informationen haben, um über das Geschehen auf dem Laufenden zu bleiben. „Die Demon Jokers sind wieder von den Toten auferstanden.“
Huxley holt tief Luft und stößt sie dann geräuschvoll wieder aus. „Alles klar.“ Er erhebt sich vom Tisch. „Ich werde deine Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.“ Er mustert jeden von uns noch ein letztes Mal. „Was immer ihr auch unternehmt, sorgt dafür, dass dieser Dreck meine Stadt nicht verpestet.“
„Wir scheißen nicht dahin, wo wir essen, Huxley. Du machst damit weiter, was du tust, mein Club macht dasselbe auf seine Weise und wir gehen einander aus dem Weg.“ Meine Worte klingen scharf. Huxleys Pokergesicht verrät nichts, und ich erwarte auch nichts anderes von ihm.
Schweigend dreht er sich um und schlendert lässig durch den Raum und aus dem Stripclub.
„Hast du Ghost erreicht?“, will Laredo wissen.
„Ich habe ihn angerufen, aber noch keine Antwort erhalten. Er wird sich melden.“ Ich gieße mir einen weiteren Whiskey ins Glas.
„Ghost ist ein Typ für sich. Wahrscheinlich ist er gerade mitten im Nirgendwo unterwegs, jagt sein Abendessen und fällt Bäume mit einer Axt“, meint Baja.
Während ich den Geschmack des Whiskeys genieße, den ich soeben getrunken habe, öffnet sich langsam die Eingangstür zum Club und ehe die Person auf der anderen Seite vollständig zum Vorschein kommt, rufe ich: „Wir haben erst in einer Stunde geöffnet.“
„Ähm, Prez.“ Harlem weckt meine Neugier und ich schaue über den Tisch hinweg zu meinem Bruder. Dieser hebt sein Kinn. „Darum willst du dich vielleicht selbst kümmern.“
Ich drehe meinen Kopf in die Richtung, in die er blickt und entdecke meine blauäugige Verführerin von gestern Abend auf die Bar zukommen.
„Was verfickt noch mal?“ Sofort stoße ich mich vom Tisch ab und springe vom Stuhl auf. Rasch eile ich zur Bar. Ich bin wütend, weil die Frau meine Warnung, wegzubleiben, ignoriert hat. „Was zum Teufel machst du hier?“, knurre ich nur wenige Meter von ihr entfernt.
Sages Schritte geraten ins Stocken, doch sie wirft mir einen bösen Blick zu und geht dann weiter, bis sie ihr Ziel erreicht hat. Mich ignoriert sie vollkommen, sieht Aspen an und spricht direkt mit ihr. „Hi.“ Sie lächelt. „Ich habe gestern Abend meine Handtasche hiergelassen — eine schwarze Lederclutch mit einer Goldkette.“
Aspen mustert mich und spürt die Energie, die von mir ausgeht. „Lass mich mal in der Kiste für Fundsachen am Ende der Bar nachsehen.“ Aspen erwidert Sages Lächeln freundlich. „Bin gleich wieder da.“
„Wir scheinen wohl gestern aneinander vorbeigeredet zu haben.“ Mein Kiefer zuckt.
„Du hast dich gestern Abend vollkommen klar ausgedrückt…“ Sie dreht den Kopf und sieht mir in die Augen. Verdammt, ihr glühender Blick macht mich schon wieder hart. „Aber ich brauche meine Sachen, und die befinden sich nun einmal in deinem schönen Etablissement“, erwidert Sage trocken und dreht sich dann zu mir. Ich kann nicht anders, als meine Augen über ihre Kurven schweifen zu lassen.
Sie trägt ein Mötley-Crüe-Shirt, das sich straff über ihre Brüste spannt. Mein Blick wandert weiter nach unten zu ihren zerrissenen Jeans und den Leopardenstiefeln. Ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf ihr makelloses, ungeschminktes Gesicht, eingerahmt von lila gesträhnten Haaren. Sie ist einfach umwerfend.
Und sie riecht so gut, nach einer Blumenwiese und frisch gebackenem Vanillekuchen.
Aspen kehrt vom anderen Ende der Bar zurück und hält die fragliche Tasche in der Hand. Als sie an mir vorübergeht, schnappe ich mir das Ding, ehe Sage danach greifen und wieder verschwinden kann.
„Entschuldigung“, empört sie sich und verzieht das Gesicht. „Das ist meine.“
Ich ignoriere sie, öffne die Handtasche und entdecke ihren Ausweis. Sage Briggs aus Nebraska. Fünfundzwanzig Jahre. Verflucht, sie ist erst fünfundzwanzig. „Ein Mädchen aus dem Mittleren Westen, was?“
Sage entreißt mir ihren Führerschein. „Wühlen Sie immer in Sachen, die Ihnen nicht gehören, Mr. …Ich glaube, gestern hat jemand Sie Salem genannt“, sagt sie frustriert.
Mein Straßenname fühlt sich hier total falsch an, als er ihr über die Lippen kommt. „Nenn mich einfach Ash.“ Ich reiche ihr die Tasche und ignoriere dabei Aspens verblüfften Gesichtsausdruck.
„Ash“, murmelt Sage und scheint meinen Namen auf ihren Lippen förmlich abzutasten. Ich kann es nicht leugnen, wie gern ich ihn von ihr höre.
„Ich lege einfach nur Wert darauf, jeden in der Stadt zu kennen“, fahre ich fort.
Sage mustert mich kurz mit zusammengepressten Lippen. „Nun ja, jetzt wo ich meine Sachen wiederhabe, brauchst du dir keine Sorgen mehr darüber zu machen, mich wiederzusehen.“ Sie will gehen, doch ich strecke die Hand aus, halte sie fest und hindere sie daran. Im selben Moment durchfährt mich eine Art Stromschlag, als ich sie berühre. Sages Mimik nach zu urteilen spürt sie es ebenfalls.
„Meine Warnung gestern Nacht galt nur deiner Sicherheit — es ist nichts Persönliches.“
Sage sieht von meiner Hand, mit der ich sie noch immer festhalte, in meine Augen. „Du hast mich gestern Nacht vor einem möglichen sexuellen Übergriff beschützt und mich aus der Gefahrenzone gebracht, als würde ich zu dir gehören, anstatt meine Freundin und mich gehen zu lassen, wie alle anderen Clubbesucher.“ Sie atmet tief durch und fasst sich wieder. „Ich würde sagen, du hast es sehr persönlich gemacht.“ Damit trifft sie den Nagel auf den Kopf und ich kann nichts davon abstreiten. „Seitdem mache ich mir Sorgen über einen Rachezug. Der Kerl und seine Freunde schienen nicht die Art von Typen zu sein, die sich so etwas gefallen lassen.“
Ich löse meine Hand von ihrer und ziehe sie stattdessen ganz nah zu mir, um sicherzustellen, dass sie mich gut hören kann.
Sage legt den Kopf in den Nacken, um mir ins Gesicht zu sehen. Ihre Pupillen vergrößern sich, und ihre Atmung verändert sich. Ich spüre, wie sich meine Nasenflügel weiten, und ich kann den Hunger in ihren Augen sehen.
Ich muss mich ernsthaft zusammenreißen, sie nicht zu küssen. „Um diese Arschlöcher wurde sich gekümmert.“ Ich hebe meine Hand und streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich würde nie zulassen, dass dir irgendetwas passiert.“
Sage schüttelt den Kopf. „Du kennst mich nicht und ich kenne dich nicht. Wir sind zwei Fremde, die sich unter schrecklichen Umständen kurz begegnet sind, und wir schulden einander nichts.“
Ihre Aussage gefällt mir nicht. Ich merke, dass ich mehr über diese Frau erfahren will. Anstatt impulsiv zu handeln, erwidere ich: „Du hast recht.“ Mein Tonfall ist ausdruckslos.
Sage reagiert auf meine unterkühlte Antwort, indem sie einen Schritt zurücktritt, um Abstand zwischen uns zu schaffen, und ich gebe ihr diesen Raum.
„Ich sollte gehen.“ Sie presst ihre Handtasche an ihre Brust.
„Ich bringe dich nach draußen.“
„Das ist nicht nötig.“
Ich ignoriere ihre Worte. Als wir draußen sind, begleite ich Sage zu ihrem Wagen, einer blauen Limousine. Ich öffne für sie die Fahrertür, und sie lässt sich auf dem Sitz nieder. „Es ist sicher besser; ich …du, wir halten einfach Abstand“, gibt sie von sich und versucht wohl damit uns beide davon zu überzeugen.
„Was wenn ich dir sagen würde, dass ich dich wiedersehen möchte?“ Ich stelle die Frage, sobald sie mir in den Sinn kommt, und überrumple damit uns beide. Ich kann es nicht mehr zurücknehmen. Sage starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an, öffnet die Lippen und presst sie dann wieder aufeinander.
Was zum Teufel ist los mit mir? Lass das.
Ich will sie, aber ich bin nicht gut genug für sie. In meinem Kopf tobt ein Kampf.
Ein Handy klingelt, und Sage greift nach ihrem Smartphone. Zuerst schaut sie auf das Display, dann zu mir, während sie den Anruf entgegennimmt. „Hey.“ Sie spricht leise mit der Person am anderen Ende der Leitung- „Ich bin gerade auf dem Weg zu dir“, sagt sie und behält mich mit ihren blauen Augen noch immer im Blick und fesselt mich. „Okay, bye.“ Sage lässt das Handy sinken und wirft es auf den Beifahrersitz. „Ich muss los.“
„Wir sehen uns.“ Ich schließe die Fahrertür, trete zurück und schaue ihr nach, ehe ich in den Club zurückkehre. Neugierige Blicke folgen mir, als ich auf die Treppe hinauf zu meinem Büro zusteuere.
„Sie geht dir unter die Haut, Prez“, lacht Juneau, als ich an ihm vorbeigehe.
Ich stoße ein Schnauben aus. „Sie ist ziemlich schlagfertig. Diese Frau bedeutet Ärger.“
„Die Art von Ärger, die einen Mann dazu bringt, sich Hals über Kopf zu verlieben“, murmelt Baja leise.
Ich gehe weiter, nehme zwei Stufen auf einmal. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist, dass mich meine Brüder wegen einer Frau aufziehen. Selbst wenn das, was sie sagen, stimmt.