Ein Biker für Noelle

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Originaltitel: A Biker for Noelle (Thirteen Bikers for Christmas)
Übersetzung: –
Buchtyp: Novelle
Veröffentlichung: 12/2025
Preis eBook: 5,99
Preis Print: 12,90
ISBN eBook: 978-3-86495-818-2
ISBN Print: 978-3-86495-817-5
Inhaltsangabe

Noelle

Ich musste fliehen, um meinen kleinen Bruder zu retten.
Mit nichts als ein paar Taschen im Kofferraum meines alten Autos suchten wir Zuflucht fernab unserer Vergangenheit. Unser Weg führte uns nach Ember Falls, Montana – ein verschneites Nest voller Lichterglanz, Mistelzweige und der Hoffnung auf einen Neuanfang.
Wir brauchen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern ich benötige auch dringend Arbeit.
Als ich die Stellenanzeige der Bar sehe, ahne ich nicht, dass dieser Ort mein Leben verändern wird …

Easy

Weihnachten in Ember Falls bedeutet volle Straßen, volle Kassen und ein ruhiges Leben – genau wie meine Clubbrüder vom Devil’s Punishers MC und ich es mögen.
Bis sie in in meine Bar kommt, um sich zu bewerben: Noelle.
Sie gehört nicht in meine Welt, aber das hält mich nicht davon ab, sie zu wollen … und zu beschützen.

Doch als ein dunkler Fremder in die Stadt kommt und meine Familie bedroht, verwandelt sich das friedliche Ember Falls in ein Schlachtfeld.
Ich werde Noelle nicht verlieren – und wenn es mich mein Leben kostet.

Eine herzerwärmende Weihnachtsromanze aus der Welt der Motorradclubs von den USA Today-Bestsellerautorinnen Crystal Daniels & Sandy Alvarez.

Eazy

Immer mehr Leute strömen in die Bar, und mir fällt auf, dass Shelly, die neue Kellnerin, die wir vergangene Woche eingestellt haben, nirgends zu sehen ist. Ich schaue Charlie an. „Wo zur Hölle ist Shelly?“
„Nicht hier und nicht in Ember Falls.“ Charlie beginnt, leere Flaschen von einem Tisch in der Nähe abzuräumen. „Nach dem, was Dave Lisa erzählt hat, die es mir erzählt hat, hat sie ihren Mistkerl von einem Freund verlassen und ist mit einem großen dunkelhaarigen Trucker durchgebrannt, der auf der Durchreise war.“
Ich schüttle den Kopf. In einer Kleinstadt kann man sich darauf verlassen, dass sich Klatsch wie ein Lauffeuer verbreitet und Geheimnisse schwer zu bewahren sind. Irgendjemand beobachtet irgendwo immer alles.
Es ist gut, dass wir das AUSHILFE-GESUCHT-Schild nie abnehmen, auch wenn es uns heute Abend nichts nützt.
Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und bemerke eine Frau, die die Bar betritt. Ihr langes dunkles Haar fällt in Wellen ihren Rücken hinab und umrahmt ihr Gesicht. Nervös und mit leicht gerunzelter Stirn sieht sie sich im Raum um, und ich kann meine Augen nicht von ihr abwenden. Dann trifft ihr Blick kurz auf meinen, was mir die Luft zum Atmen nimmt und einen unerwarteten Schauer über den Rücken jagt. Doch sobald sie ihren Blick auf die Bar richtet, ist der Zauber gebrochen.
Was zum Teufel war das?
Ich beobachte, wie sie sich zur Bar begibt. Sie lehnt sich an den Tresen und erregt Brewers Aufmerksamkeit. Er beugt sich zu ihr – zu nah für meinen Geschmack – und lächelt. Das gefällt mir nicht.
Aufmerksam beobachte ich, wie Brewer in meine Richtung deutet. Sie dreht den Kopf, und unsere Blicke treffen sich erneut. Als sie auf mich zukommt, kann ich nicht anders, als zu bemerken, wie sie nervös an sich herumzupft und wie unsicher sie wirkt, als wäre sie sich ihrer selbst und ihrer Umgebung nicht sicher.
Zögernd bleibt sie vor mir stehen, ihre Augen spiegeln Unsicherheit wider. „Ich … ähm … habe das AUSHILFE-GESUCHT-Schild draußen gesehen“, murmelt sie leise. „Der Gentleman an der Bar hat mich zu Ihnen geschickt.“ Ihr Blick verharrt unverwandt auf mir.
Rooster lacht. „Brewer, ein Gentleman?“ Er schüttelt den Kopf und stößt sich von der Wand ab. „Muss mal für kleine Jungs.“ Er verschwindet im nahe gelegenen Flur.
Ich mustere die Schönheit mit den haselnussbraunen Augen. „Wie alt bist du, Schätzchen? Wir können hier keine Minderjährigen einstellen oder bewirten.“
Sie hält meinem Blick entschlossen stand. „Alt genug, um hier hereinzukommen und nach einem Job zu fragen.“ Ihre mutige, aber nervöse Antwort entfacht meine Neugier nur noch mehr.
„Hast du irgendwelche Erfahrung?“
„Ich lerne schnell“, antwortet sie prompt.
„Wie heißt du, Schätzchen?“, frage ich.
„Noelle“, sagt sie mit leichtem Akzent.
Noelle.
„Woher kommst du, Noelle?“ Ich versuche, ihren Akzent einzuordnen.
„Texas.“
„Du bist weit weg von zu Hause, Süße“, fügt Poet hinzu, als er mit seiner Gitarre aufsteht. „Wenn es nach mir ginge, würde ich dich einstellen. Wir könnten hier noch ein hübsches Gesicht gebrauchen.“ Er zwinkert Noelle zu, was mich dazu bringt, ihm am liebsten meinen Stiefel in der Größe achtundvierzig in den Hintern rammen zu wollen. Und um die Sache noch schlimmer zu machen, bemerkt Poet, dass ich leicht gereizt bin, was sonst nie vorkommt, bevor er grinsend Richtung Bühne schlendert.
„Komm schon, Eazy. Ich könnte die Hilfe gebrauchen“, fleht Charlie, als die Band zu spielen beginnt und die Menge lauter wird. „Biiitteee“, bettelt sie und zieht das Wort in die Länge.
Ich nicke und lehne mich in meinem Stuhl zurück, dabei mustere ich Noelle aufmerksam. Ich weiß nichts über diese Frau außer ihrem Namen und woher sie kommt, aber ich kann die Verzweiflung in ihren Augen sehen. „Kannst du heute Abend anfangen?“
„Ja“, sagt sie eifrig.
„Wenn du die Nacht überstehst, werden wir morgen über eine dauerhafte Anstellung sprechen. Charlie hier …“ Ich winke sie heran. „… wird dir alles zeigen.“
Charlie überreicht unserem neuen Mädchen den Haufen leerer Bierflaschen, die sie in den Händen hält. „Keine Sorge. Du schaffst das schon. Ach, und nur zur Warnung … manchmal werden diese Männer etwas handgreiflich, und wenn das passiert, dann sagst du einfach …“
„Dann sagst du es mir“, knurre ich besitzergreifend.

Noelle

Nachdem ich Charlie kurz geholfen habe, wische ich mir schnell die Hände an meiner Jeans ab und sage zu ihr: „Ich muss mein Handy holen. Ich habe es im Auto gelassen.“ Ich nutze diese Ausrede, um nach Zack zu sehen und ihn über die Situation zu informieren.
„Klar, Süße. Komm zu mir, wenn du fertig bist, dann zeige ich dir den Rest“, sagt sie mit einem warmen Lächeln, als sie mit einem Tablett voller Biere durch die Bar geht.
Ich bahne mir geschickt einen Weg durch die lebhafte Menge und trete aus der Bar. Die kühle Nachtluft hüllt mich ein und lässt mich erschaudern. Mit schnellen Schritten eile ich über den schwach beleuchteten Parkplatz zu meinem Auto, in dem mein Bruder in ein Spiel vertieft auf das Handy starrt.
Ich klopfe an das Fenster, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er schaut auf, schenkt mir ein Lächeln und entriegelt dann die Tür, um sie zu öffnen.
„Hey, Buddy“, sage ich und hocke mich hin, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. „Alles in Ordnung?“
„Ja. Wie lange brauchst du noch?“, fragt Zack.
„Ich habe den Job“, sage ich mit strahlendem Lächeln. „Sie brauchen Hilfe, also fange ich schon heute Abend an. Ist es für dich in Ordnung, noch eine Weile hier zu sitzen, während ich uns etwas Geld verdiene?“
Zack zuckt mit den Schultern. „Ich schätze schon.“
Ihn hier draußen allein zu lassen, ist nicht ideal, aber ihn in die Bar mitzunehmen auch nicht. Außerdem habe ich meinem neuen Chef noch nichts von Zack erzählt. „Ich komme gleich wieder, um nach dir zu sehen. Die Türen bleiben verriegelt, verstanden?“
Zack nickt. „Verstanden.“
Ich umarme ihn kurz, schließe dann die Tür und warte, bis ich höre, wie er die Türen verriegelt, bevor ich wieder in die Bar gehe.
Wenn ich an Bars denke, stelle ich mir immer diese schäbigen Spelunken vor, die Rob normalerweise aufsucht. Brewer’s ist ganz anders. Sicher, einige der Gäste wirken etwas rau, aber in der Bar selbst herrscht eine entspannte Atmosphäre. Die sanft leuchtenden Lichter zusammen mit dem rustikalen und dennoch modernen Interieur sind beeindruckend.
Auf der einen Seite der Bar gibt es eine Reihe von Stühlen und Sofas zum Entspannen, zusammen mit mehreren Billardtischen. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich eine von Tischen umgebene Bühne für Live-Musik. So wie die Bar aussieht, besteht kein Zweifel daran, dass der Besitzer stolz auf sein Etablissement ist.
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in Erwägung ziehen würde, in einer Bar zu arbeiten, wenn man meine Vergangenheit mit Zacks Vater bedenkt und die Tatsache, dass ich unzählige Male gerufen wurde, um ihn aus irgendwelchen zwielichtigen Kneipen abzuholen, aus denen er rausgeworfen wurde. Aber letzten Endes würde ich alles für meinen Bruder tun.
Ich habe mein Glück kaum fassen können, als Eazy mir einen Job anbot. Anfangs war ich etwas besorgt, Getränke servieren zu müssen, aber obwohl es einige wild aussehende Männer unter den Gästen gibt, sind die Besucher freundlich und respektvoll. Als ein paar Typen zudringlich oder flirtend wurden, reichte ein Blick meines neuen Chefs und ihr Verhalten änderte sich. Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich keine Erfahrung hätte, aber bereit wäre zu lernen. Zu meinem Glück, war jemand bereit, mir eine Chance zu geben.
Mein erster Eindruck von Eazy hat mich an meiner Entscheidung zweifeln lassen, das Brewer’s überhaupt betreten zu haben. Der Mann ist mindestens einen Meter neunzig groß und hat dunkles Haar, breite Schultern und tätowierte Arme. Eazy strahlt Autorität aus. Er ist schroff und spricht in einem sachlichen Ton, aber wann immer er mich anspricht, wird sein Verhalten sanfter. Und Gott, wie er mich mit diesen smaragdgrünen Augen ansieht, das bringt meine Nerven jedes Mal zum Flattern. Noch nie in meinem Leben hat mich ein Mann so angesehen wie mein neuer Chef, und ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Meine mangelnde Erfahrung mit Männern macht es mir unmöglich, aus der Anziehung zwischen uns schlau zu werden. Andererseits könnte die Anziehung, die ich verspüre, auch einseitig sein.
Ich werfe einen Blick über meine Schulter und sehe Eazy an der Bar stehen. Er fixiert mich mit seinem durchdringenden Blick, und mein Magen füllt sich mit Schmetterlingen.
Was für ein Name ist Eazy überhaupt?
Ich habe mich schon mehr als einmal über seinen eigenartigen Namen gewundert. Genauso wie bei seinem Freund Brewer. Mein Blick schweift über sein Gesicht und wandert dann nach unten, wo sich sein T-Shirt eng über seiner Brust spannt. Mir entgehen nicht die Tattoos, die unter dem Kragen hervorschauen und sich an seinem Hals hinaufziehen. Ich beobachte, wie sich die Muskeln seiner Arme anspannen, als er sein Körpergewicht gegen die Bar lehnt. Selbst aus sechs Metern Entfernung kann ich sehen, wie seine Knöchel weiß werden vom Griff um die Bartheke. Dieser Anblick lässt meinen Blick wieder zu seinem Gesicht wandern. Meine Lippen öffnen sich leicht mit einem Keuchen, als ich den wilden Ausdruck bemerke, der mich an Ort und Stelle fesselt. Plötzlich kann ich weder atmen noch mich bewegen oder denken.
„Entschuldigung, kleine Lady.“
Jemand reißt mich aus meiner Trance, indem er mir auf die Schulter tippt.
„Ja?“ Ich betrachte den älteren Herrn, der an einem Tisch zu meiner Linken sitzt.
„Ist eines davon für mich?“ Er nickt mit dem Kinn zum Tablett.“
„O mein Gott.“ Ich beeile mich, sein Bier vor ihm abzustellen. „Es tut mir so leid. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.“
Der alte Mann schmunzelt. „Keine Sorge, junge Dame.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Getränk. „Es ist dein erster Abend. Sei nicht so streng mit dir selbst.“
„Ist es so offensichtlich?“ Ich ziehe eine Grimasse.
„Überhaupt nicht. Ich bin fast jeden Abend hier und sehe dich heute zum ersten Mal. Du machst deine Sache sehr gut, Schätzchen.“ Der alte Mann zieht seine Geldbörse heraus und legt ein paar Scheine auf mein Tablett.
Das lockere Auftreten des Mannes bringt mich zum Lächeln, und ich entspanne mich.
„Mach einfach weiter so und bring mir in etwa zwanzig Minuten noch eines.“
„Geht klar.“ Ich lasse den alten Mann in Ruhe sein Bier genießen und mache mich daran, die restlichen Bestellungen zu servieren.
Glücklicherweise ist Eazy mit einem Gast am anderen Ende der Bar beschäftigt, als ich nach vorne zurückkehre.
„Ich hab gesehen, wie du dich mit Harold unterhalten hast.“ Charlie rutscht neben mich und lässt sich auf einen Hocker fallen.
„Harold?“, frage ich.
Charlie nickt in Richtung des älteren Mannes, mit dem ich kurz zuvor gesprochen habe. „Das ist Harold. Er ist ein Schatz. Er ist fast jeden Abend hier.“
Ich lächle. „Oh. Er war nett zu mir, nachdem er mich dabei erwischt hat, als ich wie ein Dummkopf in Gedanken versunken war.“
„Hmm …“ Charlie grinst verschmitzt. „Ich hab’s gesehen.“
Mein Lächeln verschwindet. „Was meinst du?“
Sie stupst mich mit ihrer Schulter an. „Ich meine, ich hab gesehen, wie du und Eazy euch angesehen habt, als wolltet ihr euch hier und jetzt gegenseitig die Kleider vom Leib reißen.“
Mein Mund klappt auf, und ich spüre, wie mir Hitze ins Gesicht steigt. „O mein Gott“, bringe ich hervor. „Bist du verrückt?“
Charlie ist eine Kellnerin hier im Brewer’s und hat mich heute Abend unter ihre Fittiche genommen. Sie ist eine atemberaubende Rothaarige mit den längsten Beinen, die ich je bei einer Frau gesehen habe, und hat üppige Kurven, sodass sich jeder Mann im Raum nach ihr umdreht, wenn sie vorbeigeht. „Ich bin vielleicht verrückt, aber nicht blind.“
Ich schüttle den Kopf. „Eazy schaut mich überhaupt nicht auf irgendeine Weise an. Er achtet nur darauf, dass ich meine Arbeit richtig mache. Ich kann von Glück reden, wenn er mich nach heute Abend nicht feuert.“
Charlie verengt die Augen. „Dich feuern? Wofür?“
„Erstens bin ich nicht so schnell wie du. Ich habe vier Bestellungen vermasselt. Und ich bin gestolpert, habe mein Tablett fallen lassen und Bier über die Schuhe von irgendeinem Typen verschüttet.“
Charlie winkt ab. „Das war Greg. Er ist cool, also mach dir keinen Kopf deswegen. Du machst das super. Ich schleppe seit Jahren Getränke, und es vergeht keine Woche, in der ich nicht ein oder zwei Bier verschütte.“
„Charlie“, ruft Eazy laut, was mich zusammenzucken lässt. „Die Gäste am Tisch hinten warten darauf, dass du ihre Bestellung aufnimmst.“
Ich schaue hinüber und sehe, wie Eazy in unsere Richtung kommt.
Charlie verdreht die Augen. „Ja, ja. Ich bin schon dabei.“
Kurz bevor sie weggeht, stupst Charlie mich mit ihrem Ellbogen an und zwinkert. Ich wende meine Aufmerksamkeit wieder Eazy zu, der mir gegenübersteht. Seine Hüfte hat er gegen die Bar gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Diesmal weiche ich seinem Blick aus, damit ich nicht wieder dabei erwischt werde, wie ich ihn anstarre. „Wie läuft’s?“, fragt er.
„Ziemlich gut, denke ich. Ist es immer so voll?“
Eazy nickt. „Ja. Das ist normal für diese Jahreszeit. Wir haben verdammt viele Auswärtige, die zum Skifahren kommen, und Familien, die über die Feiertage eine Auszeit suchen.“
„Das kann ich mir vorstellen. Ich habe noch nicht alles gesehen, aber das, was ich bisher von Ember Falls gesehen habe, ist es wunderschön.“
„Das stimmt“, pflichtet er mir bei.
Ich warte einen Moment, um zu sehen, ob er noch mehr sagt, aber er tut es nicht. Stattdessen steht er einfach da und mustert mich auf eine Art und Weise, die mich glauben lässt, er könne direkt durch mich hindurch und all meine Geheimnisse sehen. Es ist beunruhigend, und ich beginne, nervös zu werden. Zum Glück rettet mich ein neuer Gast, der sich an die Bar setzt und Eazys Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bevor er weggeht, lehnt er sich über die Theke. „Mach dreißig Minuten Pause, Baby. Charlie übernimmt deine Tische.“
Er geht davon und lässt mich benommen zurück.
Hat er mich gerade Baby genannt?
Ich schüttle die unzähligen Gefühle ab, die ein gewisser Jemand in mir ausgelöst hat, und gehe nach draußen, um nach Zack zu sehen. Als ich ein Vierundzwanzig-Stunden-Diner auf der anderen Straßenseite entdecke, ziehe ich meinen Mantel eng um meinen Körper, um mich vor der Kälte zu schützen, und jogge über den Parkplatz, dankbar für das Trinkgeld, das ich verdient habe, damit Zack eine warme Mahlzeit bekommen kann.
Als ich eintrete, werde ich von Weihnachtsmusik und dem Geruch nach gebratenem Hähnchen überwältigt. Einige Gäste genießen ein spätes Abendessen, und ein älterer Herr sitzt an der Theke und nippt an einer Kaffeetasse. Manche Leute beäugen mich neugierig, aber ihre Blicke verweilen nur kurz.
Sekunden später erscheint eine Kellnerin aus dem hinteren Bereich. „Na, hallo.“
Ich setze mich auf einen Hocker an der Theke, und sie reicht mir eine Speisekarte. „Kann ich etwas zum Mitnehmen bestellen?“, frage ich.
Die Kellnerin, die Mitte bis Ende dreißig zu sein scheint, lächelt. „Aber natürlich, Schätzchen.“
Ich studiere die Speisekarte. „Kann ich gebratenes Hähnchen mit Makkaroni und Käse und einer Portion Brokkoli als Beilage bekommen?“ Ich halte inne, gehe die verschiedenen Dessertoptionen durch, und beschließe, uns etwas zu gönnen. Zack liebt Süßes wie jedes andere Kind und verdient eine Belohnung. „Und ich nehme auch noch ein Stück German Chocolate Cake.“
Die Kellnerin schreibt meine Bestellung auf. „Wäre das dann alles?“
Ich nicke. „Ja. Danke.“
„In Ordnung. Ich bin gleich mit Ihrem Essen zurück.“
Fünfzehn Minuten später kommt die Kellnerin mit meinem Essen zurück und verpackt es in einen To-go-Behälter. Sie rechnet ab, und ich bezahle schnell und hinterlasse ihr fünf Dollar Trinkgeld. Ich versuche, nicht daran zu denken, dass ich die Hälfte meines Trinkgeldes ausgegeben habe, und konzentriere mich darauf, zu Zack zurückzukehren. Die Augen meines Bruders leuchten auf, als ich mich auf den Fahrersitz gleiten lasse. Ich atme erleichtert auf, als ich feststelle, dass die Heizung noch funktioniert.
„Was ist das?“, fragt er und schaut auf die Tüte in meiner Hand.
Ich reiche sie ihm. „Hier.“
Zack öffnet zuerst die kleinere Box, und ich sehe, wie ihm beim Anblick des Kuchens regelrecht das Wasser im Mund zusammenläuft. „Nein, junger Mann. Den Kuchen gibt es zum Schluss. Ich habe dir Hähnchen mit Makkaroni besorgt. Und auch etwas Brokkoli. Du musst zumindest dein ganzes Gemüse essen, bevor du den Kuchen bekommst.“
„Ach Mann“, grummelt er.
„Regeln sind Regeln, Buddy.“ Ich grinse, als ich sehe, wie er sich einen riesigen Löffel Makkaroni in den Mund schaufelt.
„Also gut.“ Ich schaue auf meine Uhr. „Meine Zeit ist um, und ich muss wieder rein. Kommst du noch eine Weile allein klar? Musst du auf die Toilette?“
Zack schüttelt den Kopf. „Mir geht’s gut, Nelly.“
„Hier.“ Ich öffne das Handschuhfach und greife nach einem Fläschchen Schmerzmittel. „Nimm die.“ Ich reiche ihm zwei Tabletten. Die Blutergüsse in seinem Gesicht haben noch immer eine schreckliche violette Färbung, aber zumindest ist die Schwellung um sein Auge heute nicht mehr so schlimm. „Ich muss nur noch etwa eine Stunde arbeiten.“ Ich beuge mich vor und küsse meinen Bruder auf den Kopf, bevor ich aus dem Auto steige und zur Bar zurückkehre.
Eine Stunde später verlassen die letzten Gäste die Bar, und Eazy schließt die Tür hinter ihnen ab. Ich folge Charlies Beispiel und wische die Tische ab und sammle die leeren Flaschen ein.
„Na, wie fandest du deinen ersten Abend?“, erkundigt sich Charlie, die mit einem kleinen Mülleimer hinter mich tritt, in dem sie den auf den Tischen zurückgelassenen Müll sammelt.
„Es war gut. Aber meine Füße bringen mich um.“
„Das gehört dazu.“ Sie lacht leise. „Denkst du, dass du morgen wiederkommst?“
Ich kaue auf meiner Unterlippe. „Ja. Also, wenn Eazy möchte, dass ich wiederkomme.“
„Oh, er will dich auf jeden Fall.“
Ich schaue zu Eazy, um sicherzugehen, dass er Charlie nicht gehört hat. „Du musst aufhören, so was zu sagen“, flüstere ich. „Und du liegst falsch. Außerdem habe ich im Moment genug um die Ohren. Dating ist das Letzte, woran ich denke.“
„Eazy datet nicht, sagt er. Und sobald er dich für sich beansprucht hat, wird er dich vögeln.“
„Was zum Teufel redest du da?“, donnert Eazy.
Charlie und ich zucken bei seinem wütenden Tonfall zusammen. „Niemand wird Noelle vögeln.“ Eazys Nasenflügel blähen sich.
„Meine Güte. Beruhig dich mal.“ Vollkommen unbeeindruckt vom Temperament unseres Chefs verdreht Charlie die Augen.
Aber dann sieht Eazy meinen Gesichtsausdruck und seine Haltung entspannt sich, auch wenn das Zucken in seinem Kiefer mir verrät, dass er noch immer gereizt ist.
„Jedenfalls …“, fährt Charlie fort, „… Noelle und ich sind fertig. Es sei denn, du brauchst uns noch.“
„Nein. Ihr könnt gehen.“ Eazy wendet sich mir zu. „Du hast dich heute gut geschlagen. Der Job gehört dir, wenn du ihn willst.“
„Ich will ihn“, sage ich eifrig. Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus und enthüllt perfekte weiße Zähne. „In Ordnung, Baby. Kannst du morgen früher kommen, um ein paar Papiere auszufüllen? Sagen wir gegen dreizehn Uhr?“
Da ist es wieder, er nennt mich Baby. Ist das etwas, das er zu allen Frauen sagt? Charlies verschmitztem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ist das nicht der Fall. „Dreizehn Uhr passt“, quietsche ich.
Fünf Minuten später verlasse ich mit Charlie die Bar. „Das da drüben ist meiner.“ Sie nickt in Richtung des Jeeps, der ein ganzes Stück von meinem Auto entfernt am anderen Ende des Parkplatzes steht.
„Dann sehen wir uns wohl morgen.“ Ich winke ihr kurz zu.
„Gute Nacht, Noelle“, verabschiedet sie sich, als ich schnell zu meinem eigenen Auto gehe. Ich will von hier weg sein, bevor Eazy geht und bevor jemand Zack bemerkt. Wenn irgendjemand herausfindet, dass mein kleiner Bruder die ganze Zeit im Auto gewesen ist, wäre ich zweifellos in ernsthaften Schwierigkeiten. Ich weiß, dass meine Handlungen heute Abend gefährlich gewesen sind, aber ich war verzweifelt.
Als ich mich hinters Steuer setze, wird Zack wach. „Hey. Bist du fertig?“
„Ja, und ich arbeite morgen wieder.“
„Heißt das, wir bleiben hier?“, fragt er hoffnungsvoll.
„Ja, Buddy. Wir bleiben in Ember Falls. Zumindest vorerst.“ Ich greife in meine Tasche und hole das übrige Trinkgeld heraus. Ich zähle siebenunddreißig Dollar. Mir wird flau im Magen. Für Benzin und ein günstiges Hotel brauche ich definitiv mehr. Ich schaue auf die Tankanzeige. Der Tank ist fast leer, wir brauchen Benzin. Ohne Benzin kann ich morgen nicht zur Arbeit kommen. Aber kein Hotel bedeutet, dass wir im Auto schlafen müssen. Tränen brennen in meinen Augen. Ich fühle mich so hilflos.
„Was ist los, Noelle?“
Ich schaue meinen Bruder an und zwinge mich, die Tränen zurückzuhalten. Ich muss für ihn stark sein. „Ich habe genug Geld für Benzin, aber nicht für ein Hotel. Tut mir leid, aber es sieht so aus, als würden wir heute Nacht im Auto schlafen. Aber nur heute Nacht. Ich bin sicher, dass ich morgen genug Trinkgeld bekommen werde, um uns ein Zimmer im Hotel zu nehmen.“ Ich greife nach seiner Hand. „Wir werden das schon schaffen.“
Zack drückt meine Hand zurück. „Ich weiß, dass wir das schaffen, Nelly. Ich glaube an dich.“
Mein Gott, dieses Kind.
„Also los.“ Ich lege meinen Sicherheitsgurt an. „Lass uns tanken. Hol deine Zahnbürste hinten aus deiner Tasche. Du kannst dir an der Tankstelle die Zähne putzen.“
Dreißig Minuten später fahre ich zur Bar zurück und sehe, dass der Parkplatz völlig leer ist. Eazy muss also auch nach Hause gegangen sein. Ich fahre langsam um die Bar herum und entscheide, dass es hinter der Bar abgeschieden genug ist. Ich mache mir gedanklich eine Notiz, den Wecker auf meinem Handy zu stellen, um sicherzustellen, dass ich früh weg bin, bevor mein neuer Chef oder irgendjemand anderes auftaucht.
„Ich werde all unsere Sachen in den Kofferraum räumen, damit du dich auf die Rückbank legen kannst.“
„Aber wir haben nur eine Decke“, wendet Zack ein.
„Ich habe meine Jacke. Mir wird es gut gehen.“
„Nelly …“ Zack will protestieren.
„Los, Buddy. Klettere nach hinten. Ich verspreche, mir wird es gut gehen.“
Zack zögert, aber letztendlich tut er, was ich ihm gesagt habe. Ich stelle den Wecker auf meinem Handy und lasse die Rücklehne meines Sitzes ein wenig herunter. Es dauert nicht lange, bis Zack eingeschlafen ist, und ich atme erleichtert auf. Ich hingegen komme einfach nicht zur Ruhe, was es mir schwer macht, einzuschlafen. Obwohl ich hundemüde bin, bleibe ich unweigerlich in höchster Alarmbereitschaft. Nicht nur, weil Zacks Vater irgendwo da draußen sein könnte, sondern auch, weil es gefährlich ist für eine Frau und ein Kind, im Auto zu schlafen. Ich weiß nicht, wie lange ich hier sitze und auf die Uhr im Armaturenbrett starre, in der Hoffnung, die Zeit möge schneller vergehen.
Plötzlich fällt die Heizung wieder aus.
Als könnte ich nicht noch mehr Pech haben als ohnehin schon.

Eazy

Während ich in der stillen Dunkelheit des Clubhauses liege, muss ich unweigerlich an Noelle denken, die Frau, die mühelos meine Aufmerksamkeit gefesselt hat. Warum hat sie so schnell Einzug in meine Gedanken gehalten? Ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen, als sie sich durch die Bar bewegte. Und die Tatsache, dass ich jedem Mann das Gesicht neu arrangieren wollte, der auf sie aufmerksam wurde, macht mich völlig fertig. Warum fühle ich mich so verdammt besitzergreifend einer Frau gegenüber, die ich gerade erst kennengelernt habe? Es ist Wochen her, seit ich Sex hatte. Vielleicht brauche ich einfach nur eine Pussy.
Vorzugsweise Noelles.
„Fuck.“ Ich fahre mir mit der Hand übers Gesicht. Ich muss diese Frau aus meinem Kopf bekommen.
Meine Augen wandern zu einem Foto an der Wand, das meinen alten Herrn und mich zeigt, aufgenommen von meiner Mutter, als wir auf unseren Harleys Seite an Seite fuhren – meine erste offizielle Fahrt als Clubmitglied. Ein Anflug von Trauer, vermischt mit Wut, durchflutet mein Innerstes, und ich lasse diese Gefühle zu, hauptsächlich, um meine beharrlichen Gedanken an Noelle zu verdrängen.
Ich hätte nie gedacht, dass ich derjenige sein würde, der das Vermächtnis meines Vaters als Präsident unseres Motorradclubs weiterführen würde – zumindest nicht für viele weitere Jahre. Als ich im Club aufwuchs, habe ich alles miterlebt – die unzerstörbare Bruderschaft, die unerschütterliche Loyalität und die berauschende Freiheit der offenen Straße.
Ich habe auch die dunkle Seite des MC-Lebens gesehen – die lauernde Gefahr, die Gewalt und den herzzerreißenden Kummer, wenn Leben verloren gingen.
Ich lasse zu, dass meine Erinnerungen mich verschlingen. Der Tag, an dem wir meinen Vater verloren haben, ist in mein Gedächtnis eingebrannt, als wäre es gestern gewesen. Wir kehrten von einem Bikertreffen in Polson zurück, der Wind peitschte uns ins Gesicht und das donnernde Dröhnen der Motoren vibrierte unter uns. Seiner Natur entsprechend fuhr mein Vater an der Spitze der Gruppe, ein furchtloser Anführer, der dem Club ergeben war. Als wir uns einer scharfen Kurve näherten, streckte sich ein Arm aus dem Fahrerfenster eines entgegenkommenden Trucks, und in der Hand befand sich eine Waffe.
Ein einzelner Schuss.
Mein Vater wich aus.
Mit Entsetzen sah ich zu, wie er durch die Luft geschleudert wurde und hart auf dem unnachgiebigen Asphalt aufschlug.
Die Hälfte der Männer jagte dem Schützen nach. Der Rest von uns eilte an die Seite meines Vaters.
Er rang nach Luft, und unter ihm breitete sich eine Blutlache aus. Ich kämpfte mit einem überwältigenden Gefühl der Hilflosigkeit, und eine Wut, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte, erfüllte mein Inneres, weil es nichts mehr gab, was ich für ihn tun konnte, nichts, was irgendeiner von uns tun konnte, während wir auf die Rettungskräfte warteten. Dort, am Straßenrand, sah ich zu, wie das Leben aus ihm floss. Seine letzten Worte hallen noch immer in meinem Kopf nach.
„Dies ist meine letzte Fahrt.“
Es war nicht der Sturz, der ihn tötete, sondern die Kugel, die durch seinen Rücken eingedrungen war und sein Herz zerrissen hatte. Bevor wir meinen alten Herrn zur letzten Ruhe betteten, bevor wir Zeit hatten, um den Verlust unseres Präsidenten zu trauern, gingen wir auf die Jagd. Den Mistkerl zu fangen und zu töten, der beauftragt wurde, meinen Vater auszuschalten, war nicht genug. Ich wollte jeden einzelnen der Death Reapers tot sehen. Der Club dürstete nach Blut und Rache, und genau das haben wir vollbracht.
Der Tod meines Vaters hinterließ eine klaffende Leere in unserem Leben, aber ich lebe jeden Tag und gebe mein Möglichstes, um sein Andenken zu ehren und den Club zu schützen, der sein Lebensblut war. Es gibt Momente, in denen die Last meiner Verantwortung und die anhaltenden Schuldgefühle, ihn nicht gerettet haben zu können, mich fast erdrücken.
Obwohl meine Mutter noch bei uns ist, ist sie seit seinem Verlust nicht mehr dieselbe. Es fühlt sich an, als wäre ein Teil ihrer Seele zusammen mit der Liebe ihres Lebens zur letzten Ruhe gebettet worden, als wir seinen Sarg in die kalte, unbarmherzige Erde hinabließen.
Bevor ich noch länger über die Vergangenheit nachgrübeln kann, reißt mich ein harsches Klopfen an meiner Tür aus meinen Gedanken. Ich stöhne, als ich mich herumrolle und auf die Uhr schaue. Es ist früh am Morgen, Stunden vor Sonnenaufgang, und ich hatte gehofft, ein paar Stunden dringend benötigten Schlaf zu bekommen. Aber es sieht nicht danach aus, als würde das passieren.
„Was?“, rufe ich mit einer Stimme, die vor Verärgerung ganz rau klingt.
„Es gibt ein Problem“, dringt die Stimme unseres Enforcer Wire durch die Tür. „Wir haben einen Alarm vom Sicherheitssystem der Bar bekommen. Ein Fahrzeug steht hinter dem Gebäude in der Nähe des Lagerraums.“
Eine Welle von Adrenalin durchströmt mich, als ich mich plötzlich hellwach aufsetze. Ich ziehe mir schnell mehrere Schichten Kleidung an, schlüpfe in dicke Socken und steige in meine Stiefel, bevor ich meine Waffe an meine Hüfte schnalle, gefolgt von meiner Lederkutte. Während ich mich zur Tür bewege, höre ich die gedämpften Geräusche der anderen Clubmitglieder, die ebenfalls geweckt wurden und bereit sind loszufahren. Ich reiße die Tür auf, und Wire steht wartend davor. „Hat die Kamera jemanden erwischt, der sich dort herumtreibt?“
„Negativ.“ Er folgt mir, als ich die Treppe hinuntergehe. „Wer auch immer in dem Fahrzeug ist, sitzt noch darin.“
Mit meinen Schlüsseln in der Hand öffne ich die Vordertür. Draußen trifft mich die kalte Nachtluft wie ein Schlag ins Gesicht und lässt mich trotz der vielen Kleiderschichten erschauern. Meine anderen Brüder sitzen bereits auf ihren Motorrädern, deren Motoren zum Leben erwachen, als ich zu meinem Bike gehe.
Ich schwinge ein Bein über mein Motorrad und bereue sofort, dass ich heute nicht mit dem Truck von meinem Haus zum Clubhaus gefahren bin.
Ich lasse den Motor aufheulen, das Geräusch durchschneidet die kalte, klare Luft, und übernehme die Führung, als wir vom Clubhaus wegfahren und auf die Straße einbiegen. Wir bilden eine Formation, unsere Gesichter sind durch Schutzkleidung verdeckt und unsere Körper gegen den beißenden Wind eingemummt, in dem Versuch zu verhindern, dass der Winter in unsere Knochen kriecht.
Das Dröhnen unserer Motoren und das Heulen des Windes erfüllen die Nachtluft, als wir durch die verlassenen Straßen unserer kleinen schlafenden Stadt fahren.
Die Fahrt zur Bar ist nur kurz. Und als wir uns dem Gebäude nähern, sind unsere Sinne in höchster Alarmbereitschaft.
Wir stellen die Motoren ab, steigen von unseren Bikes und nähern uns vorsichtig der Rückseite des Gebäudes. Unsere Schritte werden vom Knirschen des Kieses unter unseren Stiefeln gedämpft, als wir um die Ecke biegen.
Dort, neben dem Lagergebäude geparkt, steht ein verbeultes Auto. Die Scheiben sind von innen beschlagen, wodurch wir keine klare Sicht auf den Eindringling im Inneren haben. Der Motor läuft im Leerlauf.
Wir ziehen unsere Waffen und umzingeln das Auto.
Als ich den Wagen erreiche, wische ich mit der Hand über die Windschutzscheibe auf der Fahrerseite und entferne den Beschlag und das Kondenswasser. Als ich durch einen freigelegten Bereich der Scheibe spähe, verwandelt sich mein Zorn schnell in Verwirrung. Dort, auf dem Fahrersitz, eingehüllt in nur diese dünne, schäbige Jacke, die sie schon vorhin getragen hat, sitzt Noelle, die Frau, die erst vor wenigen Stunden in mein Leben getreten ist.
„Was zum Teufel?“, zische ich, und mein Beschützerinstinkt überkommt mich wie eine Welle, als ich Noelle anstarre.
Sie schaut auf, und ihre Augen weiten sich erschrocken, als sie mich zurückstarren sieht. Ihr Blick wandert zu der Waffe in meiner Hand, und ich stecke sie sofort weg. Ich klopfe an die vereiste Scheibe und warte darauf, dass Noelle sie herunterkurbelt. Ihre Augen bleiben auf mich gerichtet, sie zögert.
„Mach das verdammte Fenster auf“, blaffe ich, was Noelle zusammenzucken lässt. Ihre Augen verengen sich, doch sie gehorcht.
„Ähm, hör zu, ich kann das erklären …“ Sie gibt sich tapfer, aber der Blick in ihren Augen verrät mir, dass sie zu Tode erschrocken ist. Sie ist misstrauisch und hat allen Grund dazu.
Eine Bewegung auf dem Rücksitz zieht die Aufmerksamkeit aller auf sich, und Wire leuchtet mit einer Taschenlampe ins Auto.
„Noelle.“ Der Kopf eines Jungen taucht unter einer Decke auf, und ich zähle die blauen Flecken in seinem Gesicht. Wut kocht in meinem Magen hoch. Sein geschundenes Gesicht bleibt auch den anderen Männern nicht verborgen. Augenblicklich verzehnfacht sich meine Wut, und es kostet mich alle Kraft, mich zu beherrschen.
„Ist schon gut, Buddy“, sagt Noelle, gleichzeitig behält sie mich weiter im Blick.
Der Junge rutscht nach vorn und legt beschützend eine Hand auf Noelles Schulter. „Ich lasse nicht zu, dass Sie meiner Schwester wehtun.“
Schwester?

Crystal Daniels & Sandy Alvarez
Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie. Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. [...]
Crystal Daniels & Sandy Alvarez
Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie. Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. [...]

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