Ancient Ink: Healer's Need

Ori­gi­nal­ti­tel: Hea­ler's Need (An­ci­ent Ink Book 2Hea­ler's Need (An­ci­ent Ink Book 2)
Über­set­zer: Jazz Win­ter

Er­schie­nen: 05/2022
Serie: An­ci­ent Ink
Teil der Serie: 2

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Dark Ero­ti­ca, Fan­ta­sy Ro­mance
Zu­sätz­lich: Do­mi­nanz & Un­ter­wer­fung

Lo­ca­ti­on: USA


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-528-0
ebook: 978-3-86495-529-7

Preis:
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ebook: 6,99 €[D]

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Ancient Ink: Healer's Need


In­halts­an­ga­be

Wenn dein Jäger gleich­zei­tig dein Schick­sals­ge­fähr­te ist, ist es alles an­de­re als er­schre­ckend, seine Beute zu sein ...

Der Ko­jo­te-Ge­stalt­wand­ler Tate Allen be­ob­ach­tet seine Ge­fähr­tin - stu­diert sie auf jede er­denk­li­che Weise - ehe er den ers­ten Schritt macht. In der Zwi­schen­zeit be­schützt er sie ohne ihr Wis­sen Nacht für Nacht aus der Ferne.

Er wird der­je­ni­ge sein, der sie lehrt, ihre Gaben zu be­nut­zen. Er wird dabei sein, wenn sie sich zum ers­ten Mal ver­wan­delt. Mit ihm an ihrer Seite wird sie ihr und somit auch sein Schick­sal er­fül­len.

Elise Rals­ton weiß um ihre Gabe als Hei­le­rin, aber daran ge­glaubt hat sie nie. Als eins­ti­ges Mob­bing­op­fer geht Elise an­de­ren Men­schen aus dem Weg. Doch Tate er­weckt etwas in ihr, von dem sie nicht ein­mal wuss­te, dass es exis­tiert. Zum ers­ten Mal über­lässt Elise einem Mann die Kon­trol­le über ihren Kör­per und schwelgt in sei­nen Be­rüh­run­gen.

Doch je­mand Un­be­kann­tes ver­folgt Tates Clan und be­droht da­durch mehr als nur die Ver­bin­dung zwi­schen Tate und Elise. Denn Elise ist das Haupt­ziel – Opfer auf­grund der Magie, die in ihr steckt und die sie noch nicht ein­mal er­lernt hat. Tate muss das Böse fin­den und auf­hal­ten, um seine Ge­lieb­te zu be­schüt­zen.

Über die Au­to­rin

Die aus Okla­ho­ma stam­men­de Mut­ter zwei­er hüb­scher Töch­tern ist at­tes­tier­te Lie­bes­ro­man­süch­ti­ge. Ihr bis­he­ri­ger Le­bens­lauf spie­gelt ihre Lei­den­schaft für alles Neue wider: Rhen­na Mor­gan ar­bei­te­te u.a. als Im­mo­bi­li­en­mak­le­rin, Pro­jekt­ma­na­ge­rin sowie beim Radio.

Wie bei den meis­ten Frau­en ist ihr All­tag von mor­gens...

Wei­te­re Teile der An­ci­ent Ink Serie

Le­se­pro­be

So viele Leute. Elise schätz­te, dass es min­des­tens ein­hun­dert Men­schen waren, die in der Schlucht hin­ter Priests gro­ßem Haus mit See­blick von einer Grup­pe zur an­de­ren lie­fen.
An ihrem Platz zwi­schen Jade und Priests Ge­fähr­tin Katy – oder Ka­te­ri, wie Priest dar­auf be­stand, sie zu nen­nen – schwieg Elise und ließ jedes De­tail auf sich wir­ken. Wie zum Bei­spiel die Fa­ckeln, die Katy mit nur einer Hand­be­we­gung an­ge­zün­det hatte. Oder die Baum­wip­fel vol­ler satt­grü­ner Blät­ter, die über ihnen ra­schel­ten. Das be­ru­hi­gen­de Säu­seln einer lo­cke­ren Un­ter­hal­tung, ge­spickt mit ech­tem La­chen, und die Klän­ge einer ent­span­nen­den gut ge­misch­ten Play­list, die über die...

...​Lautspre­cher er­tön­ten und die sie nicht genau be­nen­nen konn­te.
Eine Chan­ce auf einen Neu­an­fang.
End­lich.
Seit ihrem vier­zehn­ten Le­bens­jahr und der bru­ta­len Er­fah­rung, wie grau­sam Mäd­chen im Teen­ager­al­ter sein konn­ten, woll­te Elise ihr Leben neu schrei­ben. Eine Art Wie­der­ho­lung, um zu sehen, ob sie die Dinge beim nächs­ten Mal an­ders hand­ha­ben und am Ende heil her­aus­kom­men würde.
Jetzt war ihre Chan­ce ge­kom­men. Eine neue Stadt, die vier­mal grö­ßer war als die, in der sie auf­ge­wach­sen war. Neue Leute, die nichts von ihrer Ver­gan­gen­heit wuss­ten, und ein Clan von Ge­stalt­wand­lern, die mit ver­schie­de­nen Arten von Magie aus­ge­stat­tet waren. Zu­ge­ge­ben, das Ge­schenk des Schick­sals besaß eine böse Kehr­sei­te. Sie war näm­lich die Haupt­ziel­per­son für einen ab­trün­ni­gen Volán-Wand­ler, von dem alle sag­ten, er wolle sie ent­we­der in Be­sitz neh­men oder ihr die Magie steh­len, die sie sich bis­her noch nicht ein­mal ver­dient hatte.
Eine kräf­ti­ge Hand legte sich auf ihre Schul­ter und im nächs­ten Mo­ment dräng­te sich ein Mann zwi­schen Elise und Jade zu ihrer Lin­ken. „Ladys, ich komme mit weib­li­cher Ver­stär­kung und eis­kal­ten Ge­trän­ken für euch.“
In der Se­kun­de, in der die satte Stim­me er­tön­te und ihre Augen auf dem gro­ßen, blon­den Mann neben ihr ruh­ten, ent­spann­ten sich Eli­ses Mus­keln und sie at­me­te er­leich­tert aus. Nicht viele Män­ner strahl­ten Vibes aus, die ihr das Ge­fühl gaben, sich in ihrer Ge­gen­wart si­cher füh­len zu kön­nen, doch Katys Bru­der Alek war einer von ihnen. Er und Priest. Sie hatte noch immer nicht her­aus­ge­fun­den, warum das der Fall war. Viel­leicht lag es an der Tat­sa­che, dass Priest der Ho­he­pries­ter und Alek der Krie­ger-Pri­mo des Clans war, aber sie hatte kein ein­zi­ges Mal mit dem Be­dürf­nis zu kämp­fen ge­habt, ihnen ge­gen­über vor­sich­tig sein zu müs­sen.
Und dann war da noch Tate.
Das­sel­be leich­te und schwin­del­er­re­gen­de Sum­men, das immer auf den Ge­dan­ken an die­sen Mann folg­te, der ihre wa­chen Stun­den re­gel­recht ver­zehr­te, ent­wi­ckel­te sich ein­mal mehr in ihrem Brust­korb und ließ ihren Puls rasen. Auch bei Tate fühl­te sie sich si­cher.
Auf eine Art je­den­falls.
Nicht auf die brü­der­li­che, Haare zer­zau­sen­de und bä­ren­star­ke Weise, die sie bei Alek und Priest spür­te, son­dern eher wie ein Be­schüt­zer. Es war, als würde ein Teil von ihr mer­ken, dass er so­fort da sein würde, wenn sie ihn brauch­te. Was ei­gent­lich ver­rückt war, denn er kam ihr sel­ten nahe. Schon gar nicht in greif­ba­re Nähe. Und wenn sie in den letz­ten Wo­chen eins über die Volán-Kul­tur ge­lernt hatte, dann, dass diese Men­schen eine kör­per­li­che, lie­be­vol­le Grup­pe waren.
Aber er hatte sie be­ob­ach­tet. Nicht ein ein­zi­ges Mal hatte sie ihn auf fri­scher Tat er­tappt, sie hätte al­ler­dings schwö­ren kön­nen, dass sie es ge­fühlt hatte. Jedes Mal, wenn er ihr Haus be­tre­ten hatte, um ihrer Mut­ter bei der Re­no­vie­rung zu hel­fen, hatte sie es ge­spürt und beim Klang sei­ner Stim­me an­ge­fan­gen zu zit­tern.
Alek deu­te­te mit dem Kopf zu einer dun­kel­haa­ri­gen Frau Ende zwan­zig, die sich neben Katy ge­stellt hatte, und reich­te Jade und Elise je­weils ein kal­tes Bier. „Elise, das ist Sara. Sara, das ist Elise.“
An­statt zur Be­grü­ßung ihre Hand an­zu­bie­ten, schick­te Sara ein ver­le­ge­nes Lä­cheln in Eli­ses Rich­tung und wipp­te halb auf ihren Ze­hen­spit­zen, als wäre sie be­müht, ihre Auf­re­gung im Zaum zu hal­ten.
„Hallo, es ist wirk­lich schön, dich ken­nen­zu­ler­nen. Ich ge­hö­re eben­falls dem Haus der Hei­ler an.“
Ah, das er­klär­te die Auf­re­gung. Priest und alle an­de­ren schie­nen sich si­cher zu sein, dass sie eines Tages die Hei­ler des Clans an­füh­ren würde. „Nun, ich weiß noch nicht, was meine Magie sein wird. Ich hatte meine See­len­su­che noch nicht.“
„Du weißt es noch nicht genau, aber du bist die beste Wahl für un­se­re Hei­ler-Pri­ma“, sagte Sara. „Pri­mos blei­ben fast immer in­ner­halb einer Fa­mi­li­en­li­nie, und nie­mand kann sich daran er­in­nern, dass je­mand au­ßer­halb dei­ner Fa­mi­lie je­mals das Haus der Hei­ler an­ge­führt hat. Wenn du einen Bru­der oder eine Schwes­ter hät­test, wäre es viel­leicht noch nicht ent­schie­den, aber als Ein­zel­kind?“ Sie er­rö­te­te, steck­te ihre Hände in ihre Jeans­ta­schen und zuck­te mit den Schul­tern. „Nun, alle sind ein­fach su­per­auf­ge­regt, dass du hier bist.“
Tat­säch­lich?
Di­rekt hin­ter Sara stan­den drei Paare und un­ter­hiel­ten sich. Zwei der Frau­en wand­ten schnell ihre Bli­cke von Alek und Elise ab, zu­rück zu den an­de­ren um sie herum. Eine Grup­pe äl­te­rer Frau­en saß in be­que­men Ter­ras­sen­stüh­len um eine Feu­er­stel­le herum. Ei­ni­ge von ihnen hat­ten Tel­ler mit Essen auf dem Schoß und un­ter­hiel­ten sich, wäh­rend an­de­re offen und mit glück­li­chem Fun­keln in den Augen in ihre Rich­tung starr­ten – eine von ihnen war Katys Groß­mut­ter Naomi.
Aber es war die Hand­voll Frau­en, die di­rekt hin­ter ihnen in einer Grup­pe zu­sam­men­stan­den, die ihr am här­tes­ten zu­setz­ten. Es waren fünf, um genau zu sein. Jede war un­ge­fähr im Alter von Elise und Jade und so ge­klei­det, dass sie trotz ihrer Läs­sig­keit auf­fie­len. Und sie alle schos­sen miss­traui­sche, fast schon be­rech­nen­de Bli­cke in ihre Rich­tung.
Sie kann­te diese Bli­cke. Sie hatte die Ak­tio­nen er­lit­ten, die un­wei­ger­lich dar­auf folg­ten.
Elise ver­such­te, sich ein wenig hin­ter Aleks brei­ten Kör­per und aus dem Sicht­feld aller zu be­we­gen, doch er pack­te sie mit einem star­ken Arm um ihre Schul­ter und schob sie zu­rück an seine Seite. „Whoa, was ist los?“
So­fort be­merk­te sie den­sel­ben be­sorg­ten Aus­druck auf den Ge­sich­tern der an­de­ren Frau­en, die sich um sie ver­sam­melt hat­ten.
Teu­fel noch mal.
Neu­an­fang.
Neu­an­fang.
Neu­an­fang.
Sie muss­te nichts sein, was sie nicht war, muss­te nicht ver­ber­gen, was sie dach­te oder wie sie aus­sah, um da­zu­zu­ge­hö­ren. Nicht hier. Die­ses Mal nicht. Sie straff­te ihre Schul­tern ein wenig, selbst wenn da­durch ihre Brüs­te noch mehr her­vor­tra­ten, als sie es oh­ne­hin schon taten. „Ich werde un­si­cher, wenn Men­schen mich an­star­ren.“
Katy schnaub­te, aber hin­ter dem Ge­räusch steck­te eine Boots­la­dung Em­pa­thie. „Junge, kann ich die­ses Ge­fühl ver­ste­hen. Der Tag, an dem ich vor den Clan ge­tre­ten bin und wuss­te, dass ich die erste Ma­gie­rin war, seit Dra­ven sein mie­ses Juju hatte wir­ken las­sen und fast alle ge­tö­tet hatte, war einer der schwers­ten in mei­nem Leben.“ Sie legte die Stirn in Fal­ten und blick­te zwi­schen dem Bier in Jades Hand und dem in Eli­ses hin und her. „Und wo zum Teu­fel ist mein Bier?“
So schnell war der pein­li­che Mo­ment vor­bei. Ein­fach unter den Tep­pich ge­kehrt, als wäre es keine große Sache.
Alek lach­te und drück­te Elise fes­ter an sich. „Ich lie­fe­re Bier nur an hüb­sche Mäd­chen aus. Ich meine, du bist hübsch und so, aber du bist meine Schwes­ter, also streicht dich das au­to­ma­tisch von der Lie­fer­lis­te.“
Eine un­be­schreib­li­che Wahr­neh­mung pri­ckel­te unter ihrer Haut, Se­kun­den bevor Tates tiefe und un­heim­lich be­droh­li­che Stim­me dicht hin­ter ihr er­tön­te. „Streich Elise auch von dei­ner Liste.“
Ehe sie sich zu Tate um­dre­hen konn­te, um­klam­mer­te Aleks Arm sie en­er­gi­scher und hielt sie fest. Sie hätte schwö­ren kön­nen, dass Alek grins­te, bevor er die Amü­siert­heit un­ter­drück­te und über seine Schul­ter späh­te. „Oh, hey, Tate. Es wurde auch Zeit, dass du end­lich her­kommst. Ich woll­te ge­ra­de Elise dem Rest des Clans vor­stel­len.“
Katy be­deck­te ihren Mund und senk­te den Kopf.
Saras Augen wei­te­ten sich.
Jade ki­cher­te nur und grins­te, als hätte sie ge­ra­de einen gro­ßen Coup ge­lan­det.
Ein war­nen­des Knur­ren, das ein­deu­tig ani­ma­lisch war, groll­te hin­ter ihr und krib­bel­te ihre Wir­bel­säu­le ent­lang. Jade hatte ihr er­zählt, dass Tates Be­glei­ter ein Berg­ko­jo­te war, groß und mit über­durch­schnitt­li­chen Jagd­fä­hig­kei­ten. Al­ler­dings hatte sie ihn noch nie ge­se­hen. Und ob­wohl die Logik ihr sagte, dass Tate voll­stän­dig ein Mensch war, gab es kei­nen Zwei­fel daran, dass sein Tier sich nahe an der Ober­flä­che be­fand.
„Lass sie los. So­fort.“
Alek drück­te ihre Schul­ter, als woll­te er sie be­ru­hi­gen, dann senk­te er den Arm und dreh­te sich läs­sig um, wobei er sich ein wenig vor sie stell­te. „Bist du si­cher?“
Elise wand­te sich ge­ra­de noch recht­zei­tig um, um ein leich­tes Mus­kel­zu­cken in Tates Kie­fer zu be­mer­ken. Seine Wir­kung auf sie, jedes Mal, wenn sie ihn sah, war wie ein Ein­schlag. Sand­blon­des bis zu den Schul­tern rei­chen­des Haar mit Wel­len, das ihn wir­ken ließ, als wäre er ge­ra­de von einem Tag am Strand her­ein­ge­schlen­dert. Ein vol­ler, gut ge­pfleg­ter Bart, der etwas dunk­ler war als sein Kopf­haar und bei dem sie sich frag­te, wie sich ein Kuss von ihm an­füh­len würde. Ein schlan­ker, aber mus­ku­lö­ser Kör­per, der stets vor töd­li­cher En­er­gie zu knis­tern schien. Ge­klei­det in ein schwar­zes T-Shirt und eine aus­geb­li­che­ne Jeans wirk­te er wie das Raub­tier, das er tat­säch­lich auch war. Sein Auf­tre­ten er­weck­te den An­schein, als wäre er nur eine Na­no­se­kun­de davon ent­fernt, sei­nen Primo an­zu­grei­fen.
Was total ver­rückt war. Er hatte bis­her sel­ten mit ihr ge­spro­chen und ihr seit dem ers­ten Tag ihrer Be­geg­nung kaum in die Augen ge­se­hen. Aber hier stand er nun und führ­te eine stil­le und doch töd­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on von Mann zu Mann, die sie für sich nicht über­set­zen konn­te. An­ge­sichts der amü­sier­ten Mie­nen von Katy, Jade und Sara war sie wohl die Ein­zi­ge, die Un­ter­ti­tel brauch­te.
Tates Na­sen­flü­gel beb­ten und er rück­te näher an Alek heran und schob sich damit gleich­zei­tig zwi­schen Alek und Elise. Seine Worte klan­gen rau und pul­sier­ten vor Kraft. „Reiz mich nicht. Primo oder nicht, ich habe kein Pro­blem damit, gegen dich zu kämp­fen.“
„Das reicht.“ Wann Priest hin­ter Katy auf­ge­taucht war, konn­te Elise nicht sagen, aber die­ses ein­zel­ne Wort vi­brier­te vol­ler Be­fehls­ge­walt, so­dass die ge­sam­te Lich­tung still wurde.
Eine Se­kun­de lang be­weg­ten sich weder Alek noch Tate.
Dann zuck­te ein Mund­win­kel von Alek empor. „Ir­gend­et­was sagt mir, dass ich mir eine Re­tour­kut­sche ver­dient habe, aber ich denke, das war es wert.“
„Das denkst du jetzt“, sagte Priest und sein Ton­fall än­der­te sich in etwas, was eher iro­ni­scher Be­lus­ti­gung äh­nel­te. „Warte, bis er dei­nen Arsch in der Man­gel hat.“
Aleks Grin­sen ver­wan­del­te sich in ein voll­stän­di­ges Lä­cheln, doch er neig­te sei­nen Kopf in still­schwei­gen­der Waf­fen­ru­he zu Tate. „Wenn sie nur halb so toll ist wie die, mit der Tate sein Glück ge­fun­den hat, ist es mir egal, was er aus­teilt.“
„Wer ist toll?“ Die Frage schlüpf­te Elise aus dem Mund, ehe sie über­haupt ge­merkt hatte, dass sie eine Ant­wort woll­te. Die Frus­tra­ti­on, nicht zu wis­sen, was vor sich ging, wäh­rend alle an­de­ren mit eif­ri­ger Neu­gier zu­sa­hen, schür­te ihre Un­ge­duld.
Ein häss­li­ches Knur­ren löste sich aus Tates Kehle.
„Alek“, warn­te Priest.
Alek lach­te ohne Reue auf und hob die Hände, als würde er sich er­ge­ben. „Ja, ja. Ich gehe. Ich gehe.“ Er schnapp­te sich das Bier, das Elise so gut wie ver­ges­sen hatte, aus ihrer Hand und sa­lu­tier­te mit einem fre­chen Glit­zern in den Augen. „Ich glau­be nicht, dass du das brau­chen wirst.“ Dann mus­ter­te er Jade. „Komm schon. Du hast die­sen Schla­mas­sel ver­ur­sacht. Das Min­des­te, was du tun kannst, ist, mir Ge­sell­schaft zu leis­ten, wäh­rend dein Bru­der meine Er­mor­dung plant.“
Zum ers­ten Mal seit Be­ginn der ver­fah­re­nen Si­tua­ti­on löste sich Tates Fokus von Alek und schoss zu Jade. Ob­wohl er nicht mehr aus­sah, als wäre er eine Haa­res­brei­te davon ent­fernt, je­man­den in der Luft zu zer­rei­ßen, war sich Elise nicht si­cher, ob er die glei­che men­ta­le Er­dung ge­fun­den hatte wie Alek.
Jade schien das egal zu sein. Sie ki­cher­te nur und hob ihre Au­gen­brau­en pro­vo­kant in Rich­tung Tate. „Du musst zu­ge­ben, es war ef­fek­tiv.“ Ohne auf eine Er­wi­de­rung zu war­ten, schlen­der­te sie zu Elise, um­arm­te sie freund­lich und flüs­ter­te: „Mach dir keine Sor­gen. Tate küm­mert sich. Ver­spro­chen.“
„Um was küm­mern?“, flüs­ter­te sie zu­rück.
Jade löste sich aus der Um­ar­mung, drück­te Eli­ses Schul­tern und zwin­ker­te ihr zu. „Um alles.“

Ihr Herz schlug in einem hek­ti­schen Takt. Und wie sehr hatte er sich nach die­sem süßen, aber un­schul­di­gen Duft von ihr ge­sehnt! Ihr Kör­per war zum Grei­fen nah und ihr Out­fit stell­te eine Fülle von un­mar­kier­ter Haut zur Schau.
Ob­wohl die Hälf­te des Clans, wenn nicht der ge­sam­te, die Auf­merk­sam­keit auf Tate und seine Ge­fähr­tin ge­rich­tet hatte, waren das die ein­zi­gen Dinge, die er der­zeit ver­ar­bei­ten konn­te. Das – und sei­nen An­spruch auf eine Weise zu er­he­ben, die si­cher­stell­te, dass kein an­de­rer Mann es wagen würde, sich an Elise ran­zu­ma­chen.
Al­ler­dings … Nach dem Ma­nö­ver, das Jade und Alek sich hat­ten ein­fal­len las­sen, um sei­nen Be­schüt­zer­in­stinkt vor aller Augen aus­zu­lö­sen, würde wohl nie­mand von denen, die heute Abend hier ver­sam­melt waren, mehr in­fra­ge stel­len, was sie in Zu­kunft für ihn be­deu­ten würde.
Nun, nie­mand außer Elise.
Neben ihr war­te­ten Priest, Katy und Sara und be­ob­ach­te­ten die Szene. Priest war nur noch da, um si­cher­zu­stel­len, dass Tate sich zu­sam­men­riss, und Katys Ge­sichts­aus­druck – eine Mi­schung aus Sym­pa­thie und Humor – wuss­te er zu schät­zen. Al­ler­dings hätte er gut und gern dar­auf ver­zich­ten kön­nen, dass aus­ge­rech­net Sara einen Platz in der ers­ten Reihe be­kom­men hatte. Sie war ein süßes Mäd­chen. So ehr­lich, offen und auf­rich­tig, wie eine Frau eben sein konn­te, aber lei­der auch sehr ge­schwät­zig Was immer in den fol­gen­den Mi­nu­ten pas­sie­ren würde, wäre am nächs­ten Mor­gen das Fut­ter für Klatsch und Tratsch im ge­sam­ten Clan.
Elise wand­te ihren Blick von Jade und Alek ab, als sie da­von­schlen­der­ten, und späh­te zu­erst über ihre Schul­ter, ehe sie sich kom­plett zu ihm um­dreh­te. „Was war das denn jetzt?“
Eine Frage, die ei­gent­lich ein­fach zu be­ant­wor­ten sein soll­te. Wenn sie mit der Kennt­nis über ihren Clan auf­ge­wach­sen wäre, dann wäre ihr die Ant­wort dar­auf schmerz­lich be­wusst. Nicht, dass ihre Mut­ter nicht ver­sucht hätte, ihr zu er­klä­ren, was es be­deu­te­te, eine Volán zu sein, und was diese zu tun im­stan­de waren. Elise hatte ihr ein­fach nicht ge­glaubt. Und da Jenny ihre Gaben ab­ge­lehnt hatte, konn­te sie kein Wort davon be­wei­sen.
„Alek hat dich an­ge­fasst.“
„Na und?“
Das war der Mo­ment. So­bald er nach­ge­ben und kör­per­li­chen Kon­takt zu ihr her­stel­len würde, würde sie sich eben­so sehr nach sei­ner Be­rüh­rung ver­zeh­ren wie er sich nach ihrer. Sie würde die An­zie­hung zu ihm spü­ren, die als sub­ti­les Seh­nen be­gin­nen und dann zu etwas her­an­wach­sen würde, gegen das kei­ner von ihnen mehr an­kämp­fen konn­te. Es wäre ein un­trenn­ba­res Band, das sie an­ein­an­der­bin­den würde.
Er hatte ver­sucht, ihr Zeit zu geben, mit all den neuen In­for­ma­tio­nen klar­zu­kom­men und sich an ihren Clan und die Gaben ihrer Rasse zu ge­wöh­nen. Doch er hätte sich nicht län­ger zu­rück­hal­ten kön­nen, selbst wenn die Höl­len­hun­de per­sön­lich er­schie­nen wären, um sie alle zu töten. Er at­me­te tief und lang­sam und be­weg­te sich zen­ti­me­ter­wei­se vor­wärts, wobei er dar­auf ach­te­te, sie nicht zu ver­schre­cken.
„Kein Mann be­rührt dich.“ Der Jeans­stoff ihrer Shorts an ihren Hüf­ten pri­ckel­te eine Se­kun­de lang an sei­nen Hand­flä­chen, ehe er seine Hände fes­ter auf die üp­pi­gen Kur­ven drück­te. „Kein Mann außer mir.“
Ihr Atem stock­te, wurde zu einem lei­sen Keu­chen, und ihr Kör­per zuck­te bei dem vor­sich­ti­gen, aber in­ni­gen Kon­takt. Ob es an ihrer Über­ra­schung über seine Worte lag oder an sei­ner Be­rüh­rung oder mög­li­cher­wei­se eine Mi­schung aus bei­dem war, konn­te er nicht sagen, aber die Wir­kung war be­rau­schend.
Ihre vol­len Lip­pen waren ge­öff­net und ihre At­mung war be­schleu­nigt.
Ihre wun­der­schö­nen und aus­drucks­star­ken Augen waren vor Über­ra­schung weit auf­ge­ris­sen, und darin lag eine un­er­schlos­se­ne sinn­li­che Wahr­neh­mung.
Ihr Blick wan­der­te zu sei­nem Mund und sie press­te ihre Hand­flä­chen auf seine Brust­mus­keln. Elise riss sie je­doch na­he­zu ge­nau­so schnell wie­der weg und brach­te sich damit fast aus dem Gleich­ge­wicht.
Tate rück­te näher, zog ihren Kör­per enger zu sich und legte eine Hand auf ihren un­te­ren Rü­cken, die an­de­re plat­zier­te er in ihrem Na­cken. „Ganz ruhig.“
Das Be­dürf­nis, die be­sänf­ti­gen­den Worte mit dem Strei­chen sei­ner Lip­pen über ihren Hals, ihre Stirn oder ihre Wan­gen zu kom­bi­nie­ren, lähm­te ihn bei­na­he. Doch er hielt es in Schach.
Je­doch nur knapp. Ihre Mut­ter hatte na­he­zu be­stä­tigt, dass Eli­ses Ver­gan­gen­heit schwie­rig ge­we­sen war. Und ob­wohl sie dar­auf be­stand, dass die De­tails dar­über pri­vat waren und es an Elise war, davon zu er­zäh­len, hatte sie schmerz­haft deut­lich ge­macht, dass die Nar­ben tief waren. Auf kei­nen Fall würde er diese alten Wun­den wie­der auf­rei­ßen. Nicht, ohne si­cher­zu­stel­len, dass sie an einem Punkt in ihrer Ver­bin­dung an­ge­langt waren, an dem er ihr die Auf­merk­sam­keit schen­ken konn­te, die sie brauch­te, um rich­tig zu hei­len.
Statt­des­sen strei­chel­te er ihre Wir­bel­säu­le ent­lang und kon­zen­trier­te sich auf ihren Duft und auf das Ge­fühl, wie ihr wei­cher Kör­per an sei­nem bebte. „Atme ein­fach. Ich halte dich.“
Ihre Fin­ger­spit­zen stri­chen über seine Tri­zep­se bis hin­auf zu sei­nen Schul­tern, und die Be­rüh­rung war zag­haft und un­si­cher.
Sie be­weg­te sich ge­ra­de weit genug, um sei­nem Blick zu be­geg­nen, und öff­ne­te ihren Mund. Mehr Fra­gen, als er zu be­ant­wor­ten ver­moch­te, ohne sie zu ver­schre­cken, brann­ten in ihren Augen.
„Tate?“ Priests leise An­spra­che ret­te­te ihn, ehe Elise ihre Fra­gen for­mu­lie­ren konn­te. „Bist du okay?“
In den letz­ten zwei Wo­chen war das Lau­fen in Tier­ge­stalt mit Priest in den dun­kels­ten Stun­den der Nacht eines der we­ni­gen Dinge ge­we­sen, die ihn bei Ver­stand ge­hal­ten hat­ten. Das und die Ge­duld, die Priest auf­ge­bracht hatte, wäh­rend er ihm von all den Ängs­ten, die in ihm auf­ka­men, er­zählt hatte. Tate dreh­te sei­nen Kopf, um Priests Blick zu er­wi­dern, und drück­te sanft Eli­ses Na­cken, bevor er sie wi­der­wil­lig los­ließ und sie ihrem ei­ge­nen Wil­len über­ließ. „Wir wer­den es sein.“
Priests Mund­win­kel zuck­ten auf diese selbst­ge­fäl­li­ge Art, wie es nur Ge­fähr­ten taten, die den Spieß­ru­ten­lauf be­reits hin­ter sich hat­ten, und zog Ka­te­ri näher an seine Seite. „Rich­tig. Ihr wer­det es sein.“
Auf der an­de­ren Seite von Priest strahl­te Sara, als hätte sie ge­ra­de er­fah­ren, dass sie den gro­ßen Jack­pot im Lotto ge­won­nen hatte. Ihre Wan­gen waren so ge­rö­tet, dass sie mit denen von Elise lo­cker mit­hal­ten konn­ten. „Wow! Das war so­oooo roman…“
„In­ten­siv!“, un­ter­brach Katy, ehe Sara Tate mit ihrer Aus­sa­ge ein noch viel tie­fe­res Loch gra­ben konn­te, aus dem er wie­der hin­aus­klet­tern muss­te. „Als ich zum ers­ten Mal her­ge­kom­men bin, hat mich die­ses Män­ner­ge­ha­be ein biss­chen ver­rückt ge­macht“, sagte sie zu Elise mit der gan­zen Über­trei­bung einer Frau, die sich mit dem Clan­le­ben aus­kann­te. Was ver­dammt lus­tig war, wenn man be­dach­te, dass sie erst vor an­dert­halb Mo­na­ten zum ers­ten Mal in Priests Tat­too­stu­dio auf­ge­taucht war. Da­mals hatte Katy sich in einer fast iden­ti­schen Si­tua­ti­on wie Elise be­fun­den, da sie zu der Zeit kaum ge­wusst hatte, was es be­deu­te­te, eine Volán zu sein.
Den­noch warf sie ihm einen Kno­chen zu und gab Sara, wie er hoff­te, den guten Rat, ihre Klap­pe zu hal­ten. Er nahm die Hilfe an, dräng­te sich dicht an Elise und legte seine Hand auf ihren un­te­ren Rü­cken. „Tut mir leid, wenn dich die Sache mit Alek er­schreckt hat.“
Elise dreh­te sich, als woll­te sie sich ver­ge­wis­sern, dass seine Hand tat­säch­lich dort ruhte, wo sie sie ver­mu­te­te. Dann be­trach­te­te sie ihn und schien sich nicht si­cher zu sein, ob sie die letz­ten zehn Mi­nu­ten wahr­haf­tig er­lebt oder ihr Kopf auf einer har­ten Un­ter­la­ge ge­le­gen und sie alles nur ge­träumt hatte.
Wie­der ein­mal schritt Katy zur Scha­dens­be­gren­zung hinzu. „Hey, Elise, wie wäre es, wenn wir mor­gen ein wenig Zeit außer Haus ver­brin­gen? Viel­leicht wür­den Priest und Tate uns zur Ein­kaufs­stra­ße in der Stadt be­glei­ten und wir könn­ten ein wenig durch die Ge­schäf­te bum­meln? Sie sind zwar sehr auf Tou­ris­ten aus­ge­legt, aber es macht Spaß und wäre eine un­ter­halt­sa­me Mög­lich­keit, für eine Weile ab­zu­schal­ten.“
„Sie hat am Mitt­woch ihre Ab­schluss­prü­fun­gen“, er­wi­der­te Tate und über­rasch­te sich selbst mit sei­nen Wor­ten.
Elise starr­te ihn an. „Wie kannst du davon wis­sen?“
Weil er sie von dem Tag an ver­folgt hatte, an dem er sie zum ers­ten Mal ge­se­hen hatte? Weil er von dem Ab­schluss, den sie er­wähnt hatte, fas­zi­niert ge­we­sen war und viel Zeit damit ver­bracht hatte, sich zu fra­gen, wie sie dazu ge­kom­men war? Weil er ge­ra­de an­dert­halb Stun­den auf­ge­wen­det hatte, jedes De­tail aus ihrer Mut­ter her­aus­zu­quet­schen, damit er das Rüst­zeug hatte, sie für sich zu ge­win­nen und sie dabei nicht zu ver­let­zen? „Deine Mut­ter hat es er­wähnt, als ich euer Ba­de­zim­mer ge­stri­chen habe“, sagte er statt­des­sen.
„Dann gehen wir eben am Abend nach dei­ner Ab­schluss­prü­fung“, warf Katy ein. „Ma­chen wir eine Feier dar­aus.“
Tate run­zel­te die Stirn.
Katy be­trach­te­te Tates Ge­sichts­aus­druck und er­kann­te schein­bar, dass es viel­leicht nicht die beste Idee war, den ers­ten frei­en Ter­min in Eli­ses Ka­len­der zu be­le­gen. Sie pass­te ihre Pläne an. „Oder am Don­ners­tag? Even­tu­ell Frei­tag?“ Sie we­del­te dabei mit der Hand, als wäre es un­be­deu­tend, und lä­chel­te hoch zu Priest. „Du bist doch fle­xi­bel, oder?“
Priest fand das ganze Un­ter­fan­gen of­fen­sicht­lich mehr als amü­sant, aber er gab sein Bes­tes, sein La­chen zu un­ter­drü­cken. „Wir wer­den das schon klä­ren, miha­ra.“ Er drück­te ihre Schul­ter und nick­te Tate zu. „Ich denke, wir las­sen dich jetzt mal in Ruhe, damit du Elise allen vor­stel­len kannst.“ Zum Glück rich­te­te Priest da­nach seine Auf­merk­sam­keit auf Sara und küm­mer­te sich um die letz­te ver­blie­be­ne Kom­pli­ka­ti­on, wo er ge­ra­de dabei war. „Wie wäre es, wenn du mei­ner Ge­fähr­tin hilfst, die Runde zu ma­chen und si­cher­zu­stel­len, dass jeder das hat, was er braucht?“
Wäh­rend sie schein­bar die Bot­schaft ka­piert hatte, dass sie ihre Of­fen­ba­run­gen für sich be­hal­ten soll­te, leuch­te­ten Saras Augen an­ge­sichts der Ge­le­gen­heit, ihre Be­ob­ach­tun­gen aus ers­ter Hand über­all zu ver­brei­ten. „Sehr gerne!“ Sie grins­te Elise an und wink­te zum Ab­schied. „Es war wirk­lich schön, dich ken­nen­zu­ler­nen. Meine Hei­lerma­gie ist nicht so be­ein­dru­ckend. Nicht an­nä­hernd das, wozu Va­nes­sa heute fähig ist oder was du nach dei­ner See­len­su­che be­herr­schen wirst, aber wenn du je­mals etwas brauchst … Ir­gend­et­was … Ich helfe gerne.“
Mit einem Kopf­schüt­teln und einem letz­ten mit­lei­di­gen Lä­cheln, das Tate galt, führ­te Priest sie fort und hielt Katy fest an sei­ner Seite.
„Du bist ein Rock­star und wuss­test es nicht ein­mal“, sagte Tate und hoff­te, das Ge­spräch auf neu­tra­ler Ebene hal­ten zu kön­nen.
Es funk­tio­nier­te, denn Elise run­zel­te die Stirn und be­ob­ach­te­te Saras Vor­an­schrei­ten beim Wech­sel von einer Grup­pe zur nächs­ten. „Sie denkt, ich werde der Primo der Hei­ler.“
„Jeder glaubt, dass du die Prima der Hei­ler wirst. Mich ein­ge­schlos­sen.“
Das Stirn­run­zeln ver­än­der­te sich zu etwas, was einem fins­te­ren Blick näher kam, und ihr Fokus schien ab­zu­drif­ten, als hät­ten sich ihre Ge­dan­ken selbst­stän­dig ge­macht. Als wäre die Ak­ti­vi­tät um sie herum nur zu­sätz­li­cher Input. Der sub­ti­le sprach­li­che Un­ter­schied zwi­schen Primo und Prima war ihr de­fi­ni­tiv nicht auf­ge­fal­len. „Ich bin mir nicht si­cher, wie ich mich dabei fühle.“ Sie sah ihn über ihre Schul­tern hin­weg an und steck­te ihre Fin­ger­spit­zen in die Vor­der­ta­schen ihrer Shorts. „Ich weiß fast nichts über un­se­ren Clan. Und viel­leicht möch­te die­ser Hüter nicht, dass un­se­re Fa­mi­lie den Pri­mo-Sta­tus be­hält, nach­dem Mom ihre Gaben ab­ge­lehnt hat.“
„Prima.“
Die Kor­rek­tur wisch­te die Frus­tra­ti­on lange genug aus ihrem Ge­sicht, um Neu­gier auf­kom­men zu las­sen. „Was?“
„Bei Frau­en heißt es Prima.“ Er ließ sei­nen Blick an ihr ent­lang wan­dern und ge­noss ge­mäch­lich jede Kurve und jedes Tal auf dem Weg. Der BH, den sie trug, hob ihre er­staun­li­chen Tit­ten zu einem be­ein­dru­cken­den De­kol­leté an. Das brach­te ihn fast dazu, Alek noch ein­mal töten zu wol­len, weil er so nah bei ihr ge­stan­den und die­sen An­blick ge­nos­sen hatte. „Und du bist zu ein­hun­dert Pro­zent weib­lich.“
Für den Bruch­teil einer Se­kun­de re­agier­te sie dar­auf, zog ihre Schul­tern wie zu einem sub­ti­len An­ge­bot leicht zu­rück, al­ler­dings be­zwei­fel­te er, dass sie es über­haupt wahr­nahm. Ge­nau­so schnell wir­bel­te sie herum und woll­te sich ent­fer­nen.
Tate pack­te sie beim Hand­ge­lenk, ehe sie Ab­stand ge­win­nen konn­te. „Bitte nicht.“
Unter sei­nen Fin­gern raste ihr Puls. Ihr Ge­ruch hatte einen Hauch Schär­fe an­ge­nom­men, die mit der Angst ein­her­ging, doch da misch­te sich noch eine wei­te­re Note hin­ein: ein reich­hal­ti­ger, be­rau­schen­der Duft von Er­re­gung. Schwach, aber er war da.
Sie woll­te ihn.
Sie hatte auf sei­nen mus­tern­den Blick re­agiert.
Und sie hatte den losen, aber be­stimm­ten Griff an ihrem Hand­ge­lenk nicht ab­ge­schüt­telt.
Sie hatte ein­fach keine Ah­nung, wie sie mit den Nach­be­ben um­ge­hen soll­te. Und Schei­ße, wenn ihn das nicht dazu brin­gen würde, sei­nen Tri­umph in die Welt hin­aus zu heu­len und sie fort­zu­schaf­fen, egal wer es mit­be­kam.
Er drück­te seine Fin­ger nur so fest zu, dass er ihre Re­ak­ti­on ab­schät­zen konn­te. Und um die Wahr­heit sei­ner Worte mit einer kör­per­li­chen Be­rüh­rung zu kom­bi­nie­ren. „Ich will dich in mei­ner Nähe.“
Sie zit­ter­te und kon­zen­trier­te sich für zu viele qual­vol­le Se­kun­den auf den ein­zi­gen Kon­takt­punkt ihrer Kör­per, dann rich­te­te sie ihre ge­wei­te­ten Augen auf ihn. „Warum jetzt? Du hast kaum ein Wort mit mir ge­wech­selt, seit ich her­ge­zo­gen bin.“
Ein Lä­cheln brei­te­te sich auf sei­nem Ge­sicht aus. Die Tat­sa­che, dass sie ver­se­hent­lich zu­ge­ge­ben hatte, seine Nähe zu wol­len, brach­te ihn schnel­ler zu die­ser Re­ak­ti­on, als dass er es hätte ver­ber­gen kön­nen.
Er strich mit dem Dau­men über ihren Puls und trat näher. „Etwas zu wol­len und dafür be­reit zu sein, sind zwei ver­schie­de­ne Dinge.“
„Und jetzt bist du be­reit?“ Die Worte kamen ein wenig frech über ihre Lip­pen, wie eine köst­li­che Her­aus­for­de­rung, die mit ech­ter Neu­gier ge­spickt war.
Und sein Tier lieb­te es. „Ich war an dem Tag be­reit, als ich dich sah.“
Er gab der Ver­su­chung nach, ihr Kinn nach­zu­zeich­nen, und um­fass­te ihren Na­cken. Ihr Haar war dick, wie ein sei­di­ges Ge­wicht auf sei­nem Hand­rü­cken. Es brach­te ihn dazu, seine Hand darin ver­gra­ben und ihr Ge­sicht zu einem Kuss nei­gen zu wol­len. „Das War­ten war für dich. Um dir Zeit zu geben, dich ein­zu­ge­wöh­nen.“
Gott, diese Augen. Sie waren so groß und aus­drucks­stark, vol­ler an­ge­neh­mer Über­ra­schung und von einer Zer­brech­lich­keit, die ihn dazu brach­te, sie in Watte pa­cken und die ganze ver­damm­te Welt in Schach hal­ten zu wol­len.
Er konn­te es kaum er­war­ten, sie mit schwe­ren Li­dern und be­nom­men vor Lust zu sehen. Zu be­ob­ach­ten, was sich hin­ter ihnen be­weg­te, wenn er das erste Mal in sie ein­drin­gen würde.
„Was ist, wenn ich immer noch nicht be­reit bin?“, flüs­ter­te sie bei­na­he.
In ihm ver­stumm­te sein Ko­jo­te und stieß ein kur­zes Schnau­ben aus. Es soll­te eine War­nung und ein hef­ti­ger Schubs sein, um seine ent­glei­sen­den Ge­dan­ken auf Kurs zu hal­ten. Elise war nicht der schüch­ter­ne Typ Frau. Wenn sie es wagte, eine sol­che Frage zu stel­len, würde sie das nicht tun, um zu flir­ten. Sie würde diese auch nicht als un­schul­di­ge Her­aus­for­de­rung mas­kie­ren, wie es ei­ni­ge der an­de­ren, ag­gres­si­ve­ren Clan­frau­en ma­chen wür­den.
Sie würde jedes Wort ernst mei­nen. Und ver­dammt, wenn das nicht schei­ße für ihn war, denn er war ab­so­lut dafür, sie so tak­til wie mög­lich dar­auf vor­zu­be­rei­ten.
Er füll­te seine Nase mit ihrem Duft und zwang sich, seine Fin­ger von ihrem Na­cken zu lösen. „Es ist immer deine Ent­schei­dung, miha­ra.“
In der Se­kun­de, als er den Kör­per­kon­takt ver­lor und aus ihrem per­sön­li­chen Raum trat, setz­te sich eine kalte Leere, die er noch nie zuvor ver­spürt hatte, in sei­ner Brust fest.
Seine Bes­tie win­sel­te und lief auf und ab, wäh­rend sie gegen den­sel­ben Drang an­kämpf­te, sie zu neh­men und für sich zu be­an­spru­chen, wie er auch in ihm brann­te.
Aber dies hier war eine lange Jagd. Die längs­te und wich­tigs­te in sei­nem Leben. Sie zu drän­gen und zu ver­su­chen, ihre Ka­pi­tu­la­ti­on zu for­cie­ren, könn­te kurz­fris­tig schnel­ler und höl­lisch be­frie­di­gend sein, aber es würde nicht die Grund­la­ge schaf­fen, die er woll­te. Die Basis, die sie brauch­te, um sich zwi­schen ihnen zu be­haup­ten. Er streck­te seine Hand aus. „Willst du meine Ge­sell­schaft?“
Von all den Kämp­fen, in die er je ver­strickt ge­we­sen war, von allen ver­rück­ten, auf­re­gen­den Stunts, die er in sei­nem Leben ab­ge­zo­gen hatte, hatte kei­ner die rohe Ent­hül­lung die­ses Mo­ments er­zeugt. Diese ma­gen­ver­dre­hen­de Angst, wäh­rend Elise mit of­fe­ner Un­ent­schlos­sen­heit auf seine Hand blick­te.
Seine Lun­gen brann­ten vor Ver­lan­gen nach mehr Luft und seine Mus­keln schmerz­ten. Das Zie­hen und Ste­chen war nicht an­ders, als wenn er seine Fin­ger ab­sicht­lich auf eine heiße Herd­plat­te ge­legt hätte. Aber er hielt seine Hand still und aus­ge­streckt. Seine Atem­zü­ge blie­ben ruhig und gleich­mä­ßig.
Sie starr­te auf seine Hand­flä­che, schluck­te schwer und rieb ihre Fin­ger an ihren Hüf­ten.
„Ver­trau mir, Elise. Es ist nur eine Party. Lass mich dich allen vor­stel­len, damit sie dich ken­nen­ler­nen kön­nen.“
Sie be­geg­ne­te sei­nem Blick. Eine so star­ke Un­si­cher­heit spie­gel­te sich in ihrem fe­en­haf­ten Ge­sicht wider, dass sein gan­zer Kör­per sich zu wapp­nen schien und sich auf ihren Ab­gang vor­be­rei­te­te.
Statt­des­sen legte sie lang­sam ihre Hand in seine. Ihre Fin­ger­spit­zen zit­ter­ten, wäh­rend sie über seine Han­din­nen­flä­che glit­ten. „Ich bin nicht so gut in Ge­sell­schafts­din­gen.“
Sein Herz schien sich wie­der in Be­we­gung zu set­zen und zum ers­ten Mal seit Tagen fühl­te er sich aus­ge­gli­chen.
Grenz­nor­mal. Es war so, als ob ihre Ak­zep­tanz ihn nicht nur ge­packt und vom Auge des Tor­na­dos weg­ge­ris­sen hätte, son­dern ein völ­lig neues Ter­rain zum Er­kun­den er­öff­net hätte.
„Du musst darin nicht groß­ar­tig sein.“ Er ver­schränk­te seine Fin­ger mit ihren. Er­leich­te­rung und Ent­schlos­sen­heit jag­ten eine neue Ad­re­na­lin­wel­le durch sei­nen Kreis­lauf, wäh­rend er sie näher zu sich zog und sie ins Ge­tüm­mel der Party führ­te. „Ich bin ein Meis­ter darin. Lehn dich ein­fach zu­rück und ge­nieß es.“
Er be­gann mit einer Grup­pe be­freun­de­ter Paare, die schon eine Weile zu­sam­men und im Alter von Priest oder sogar älter waren. Als sie sich ihnen an­schlos­sen, wurde der Griff, mit dem sie seine Hand hielt, schmerz­haft fest, und ihr Bei­trag zur Un­ter­hal­tung blieb ein­sil­big. Doch nach­dem sie sich von den Leu­ten ver­ab­schie­det hat­ten, ent­spann­te Elise sich so weit, dass sie lo­cker an sei­ner Seite schlen­der­te und ein klei­nes Lä­cheln auf den Lip­pen trug.
Die nächs­te An­samm­lung von Men­schen war ein­fa­cher. Katys Groß­mut­ter, Naomi, und einer der äl­tes­ten Krie­ger des Clans, Gar­rett, zogen sie wie eine Lieb­lings­en­ke­lin in warme Um­ar­mun­gen und über­nah­men es, sie den an­de­ren um sie herum vor­zu­stel­len.
Zum Vor­teil für Tate hat­ten all die Um­ar­mun­gen und das Hän­de­schüt­teln Elise dazu ge­zwun­gen, seine Hand los­zu­las­sen. Die Tat­sa­che nutz­te er so­fort aus und stell­te sich eng neben sie, um einen Arm um ihre Tail­le zu legen, nach­dem all die Be­grü­ßun­gen vor­bei waren.
Sie nahm einen tie­fen Atem­zug. Ein kaum wahr­nehm­ba­res Keu­chen, das für jeden un­ent­deckt ge­blie­ben wäre, der seine ge­schärf­ten Wand­ler­sin­ne noch nicht er­hal­ten hatte. Doch da die Men­schen um sie herum alle ihre See­len­su­che schon vor Jah­ren be­ant­wor­tet hat­ten und jeder von ihnen seit weit mehr als ein­hun­dert Jah­ren am Leben war, be­ka­men es alle mit. Sie dreh­ten viel­leicht nicht die Köpfe zu ihr um und nah­men es offen zur Kennt­nis, aber das kurze Lä­cheln und leise Ki­chern nach ihrer un­schul­di­gen Re­ak­ti­on weck­te of­fen­sicht­lich schö­ne Er­in­ne­run­gen in ihnen.
Selbst wenn sie sich zu ihr um­ge­dreht und ge­zeigt hät­ten, dass sie es be­merkt hat­ten, Elise hätte es wahr­schein­lich über­se­hen. Sie war of­fen­sicht­lich zu durch­ein­an­der, ver­schränk­te zu­erst die Arme vor ihrer Brust und steck­te dann ihre Fin­ger­spit­zen in die Vor­der­ta­schen ihrer Jeans­shorts.
Mit einem Lä­cheln, von dem er hoff­te, dass sie es nicht be­merk­te, neig­te er sich zu ihr und mur­mel­te: „Es ist in Ord­nung, mich zu be­rüh­ren, miha­ra.“
Sie blick­te durch ihre lan­gen Wim­pern zu ihm auf und mus­ter­te dann die Leute, die sich in der Schlucht ver­sam­melt hat­ten, als such­te sie nach Bei­spie­len, an denen sie sich ori­en­tie­ren konn­te.
Tate strich mit der Hand über die üp­pi­ge Kurve an ihrer Hüfte. Es war ein sanf­tes, lie­be­vol­les Strei­cheln, ob­wohl er sie in Wirk­lich­keit vor sich zie­hen und an sich drü­cken woll­te, damit sie sich an ihn leh­nen konn­te. „Leg dei­nen Arm um meine Tail­le. Finde her­aus, wie es sich an­fühlt.“
Das dar­auf­fol­gen­de Zö­gern war bei Wei­tem nicht so lang und schmerz­haft wie zuvor das War­ten dar­auf, dass sie end­lich seine Hand nahm. Aber das Ge­fühl ihrer Fin­ger­spit­zen, die auf sei­nem Rü­cken zag­haft von einer Hüfte zur an­de­ren glit­ten? Das war ein ganz an­de­res Maß an Fol­ter. Vor allem, als sie sich trau­te, sich näher an ihn zu schmie­gen, und als ihre freie Hand leicht auf seine Brust drück­te. „So zum Bei­spiel?“
Ja.
Nein.
Er war hin- und her­ge­ris­sen. Ein Teil von ihm be­stand dar­auf, dass es klü­ger wäre, ihr Zeit zu las­sen und sie er­kun­den zu las­sen, wie sie es woll­te. Wäh­rend der an­de­re Part in ihm gegen die Ver­su­chung kämpf­te, sie an sich zu zie­hen und ihren Mund zu ver­schlin­gen.
Ge­duld.
Sein Be­glei­ter hätte diese Mög­lich­keit viel­leicht un­ter­stützt, aber sogar das Selbst­ver­trau­en sei­nes Ko­jo­ten schwank­te. Ge­dul­dig zu sein er­reich­te in­zwi­schen ein Level von Schmerz und Frus­tra­ti­on.
„Per­fekt“, er­wi­der­te er statt­des­sen. Und es war keine Lüge. Na­tür­lich war es nicht so viel, wie er sich er­sehn­te, aber ohne die An­span­nung, wäh­rend er sie zuvor an sich ge­drückt und be­ru­higt hatte, konn­te er jetzt die­sen Kör­per­kon­takt ge­nie­ßen. Eben­so konn­te er die Ge­sprä­che um sie herum als blo­ßes Hin­ter­grund­rau­schen von sich ab­pral­len las­sen und sich dar­auf kon­zen­trie­ren, wie nach­gie­big und weich ihr Kör­per sich an sei­nem an­fühl­te und wie per­fekt er zu ihm pass­te. Konn­te den Druck ihrer Brüs­te an sei­ner Seite spü­ren. Eben­so fo­kus­sier­te er sich auf das Kit­zeln ihrer Haare an sei­nem Kinn und die Wärme ihrer Haut, die er durch ihr Tanktop und die Jeans wahr­nahm.
Er ver­lor sich darin, alles in sich auf­zu­sau­gen, so­dass er kaum die über­mä­ßig kecke und fe­mi­ni­ne Stim­me auf sei­ner an­de­ren Seite wahr­nahm. „Hey, Tate. Willst du uns deine Freun­din nicht vor­stel­len?“
Elise ver­steif­te sich in sei­ner Um­ar­mung, ihre Fin­ger­spit­zen press­ten sich fes­ter gegen seine Brust und ihr har­ter, teil­nahms­lo­ser Blick wan­der­te in die Rich­tung, aus der die Worte ge­kom­men waren.
In we­ni­ger als einer Se­kun­de ge­rie­ten so­wohl Mann als auch Tier in Alarm­be­reit­schaft, und sein Ge­hirn ver­knüpf­te schließ­lich die Stim­me mit der­je­ni­gen, der sie ge­hör­te. Tate legte sei­nen Arm fest um Elise und drück­te be­ru­hi­gend ihre Hüfte, ehe er sich mit ihr um­dreh­te, um den Neu­an­kömm­ling an­zu­se­hen.
„Hallo, Nessa.“ Wäh­rend er sie be­grüß­te, stell­te er je­doch fest, dass nicht nur eine Per­son auf die Grup­pe zu­ge­schlen­dert war. Es war schon schlimm genug, dass er Elise je­man­dem vor­stel­len muss­te, mit dem er mal intim ge­we­sen war, ehe er die Chan­ce dazu ge­habt hatte, es mit ihr ge­we­sen zu sein. Doch an­schei­nend würde er es auch noch mit Nes­sas Tratsch­trupp im Schlepp­tau be­wäl­ti­gen müs­sen. Um genau zu sein, waren es vier vom Trupp und alle starr­ten mit kal­ku­lie­ren­den Mie­nen Elise an, die sich an seine Seite schmieg­te.
Er neig­te sei­nen Kopf in Rich­tung der Trup­pe. „Ladys.“
Als Er­wi­de­rung bekam er alles von La­chen bis hin zu ver­schmitz­tem Lä­cheln, doch es war Nessa, die das Ge­spräch in Gang hielt. „Und? Wer ist deine Freun­din?“
Selt­sam. Frü­her hatte er Nessa um­wer­fend at­trak­tiv ge­fun­den. Mit ihrem küh­len blon­den Haar, den hüb­schen blau­en Augen und der ger­ten­schlan­ken Figur war sie de­fi­ni­tiv ein Au­gen­schmaus. Al­ler­dings hatte sich nach ein paar Dates mit ihr her­aus­ge­stellt, dass hin­ter ihrer Schön­heit kei­ner­lei Tiefe steck­te.
Er be­ob­ach­te­te den zu­rück­hal­ten­den Ge­sichts­aus­druck von Elise, und der­sel­be Stolz, der ihn jedes Mal fast er­stickt hatte, als er sie an die­sem Abend vor­ge­stellt hatte, ließ seine Brust an­schwel­len. „Das ist Elise Rals­ton. Sie ist ge­ra­de aus Loui­sia­na her­ge­zo­gen.“
Er senk­te seine Stim­me in der Hoff­nung, der Ton­fall würde hel­fen, das in Elise zu be­ru­hi­gen, was dazu ge­führt hatte, dass sie sich so an­spann­te. „Elise, das sind ei­ni­ge der Hei­ler und Seher un­se­res Clans. Bren, Taya, Day­cie, Renda und Nessa.“
„Ei­gent­lich heißt es Va­nes­sa. Nur meine Freun­de nen­nen mich Nessa.“
Die Bis­sig­keit in ihren zu­cker­süß be­ton­ten Wor­ten schlug einem wie ein ei­si­ger Wind bei Tem­pe­ra­tu­ren unter null Grad ins Ge­sicht. Wenn Elise die kaum ver­steck­te Spit­ze be­merkt hatte, zeig­te sie es nicht. Sie löste ein­fach ihre Hand von Tates Brust­korb, rich­te­te sich zu ihrer vol­len Größe von ein Meter sie­ben­und­fünf­zig auf und hob ihr Kinn. „Nett, dich ken­nen­zu­ler­nen.“
Bren, eine Se­he­rin und die freund­lichs­te in der Trup­pe, neig­te ihren Kopf zur Seite und lä­chel­te neu­tral. „Wo in Loui­sia­na hast du ge­lebt?“
Elise mus­ter­te Bren einen Mo­ment lang, wie ein schlau­es Tier, das daran ge­wöhnt war, ge­fähr­li­che An­grei­fer ein­zu­schät­zen und ihnen aus­zu­wei­chen. „Butte la Rose.“
„Wo ist das?“, woll­te Renda wis­sen.
„Etwas au­ßer­halb von Laf­ay­et­te“, er­wi­der­te Elise, und die kurz an­ge­bun­de­ne Ant­wort lud nicht ge­ra­de dazu ein, hin­sicht­lich ihrer Hei­mat­stadt tie­fer ins De­tail zu gehen.
Day­cie spiel­te mit dem Stroh­halm, der aus ihrem roten Ge­trän­ke­be­cher lugte, und schal­te­te sich den­noch ein. „Sara hat er­zählt, dass du aus der Hei­ler-Pri­mo-Fa­mi­lie stammst, aber ich dach­te, deren Nach­na­me wäre Ral­li­on.“
„Ral­li­on ist der Nach­nah­me ihrer Fa­mi­lie“, er­wi­der­te Tate, bevor Elise es konn­te. Was auch immer dazu ge­führt hatte, dass Elise kurz davor war, zu flüch­ten, ge­fiel weder ihm noch sei­nem Be­glei­ter. Sie wür­den beide die un­an­ge­neh­me Si­tua­ti­on, wenn nötig mit allen Mit­teln, be­en­den. „Sie nen­nen sich jetzt Rals­ton.“
„Nun ja, nur weil sie aus der frü­he­ren Linie stammt, heißt das noch lange nicht, dass sie die Prima sein wird“, sagte Nessa. „Ich meine, ihre Mut­ter hat ihre Gaben nicht an­ge­nom­men, also könn­te der Hüter die Dinge an eine an­de­re Fa­mi­li­en­li­nie geben. Warum die Ehre in einer Fa­mi­lie be­las­sen, die es nicht zu schät­zen weiß? Und ist nicht dein Vater ein Sin­gu­ra? Du wirst wahr­schein­lich noch nicht ein­mal eine See­len­su­che be­kom­men, oder?“
Und da war sie. Die ät­zen­de At­ta­cke, die seine Ge­fähr­tin be­reits hatte kom­men sehen. Er hatte einen ver­flucht mie­sen Job er­le­digt, um sie ab­zu­blo­cken. Ja, er hatte Jade schimp­fen und wei­nen ge­hört, als an­de­re Mäd­chen ver­sucht hat­ten, die­sen hin­ter­häl­ti­gen Bull­s­hit mit ihr ab­zu­zie­hen, wäh­rend sie auf­wuchs. Er hatte sogar mit­be­kom­men, wie Nessa und ihre Crew schlecht über an­de­re ge­re­det hat­ten, wohl weil sie sie auf der High­school als Kon­kur­ren­tin­nen be­trach­tet hat­ten, aber jetzt? Ver­dammt noch mal, sie waren alle Mitte bis Ende zwan­zig und keine vier­zehn und vol­ler Hor­mo­ne mehr.
Neben ihm wurde Elise ge­spens­tisch still, der zuvor auf­ge­reg­te Rhyth­mus ihres Herz­schlags ver­wan­del­te sich in den eines Krie­gers vor dem Kampf. Sogar die En­er­gie um sie herum schien sich in ein un­durch­dring­li­ches Schild zu ver­wan­deln. „Ob mir Magie ge­ge­ben wird oder nicht oder wel­chen Titel ich tra­gen werde, de­fi­niert mich nicht. Cha­rak­ter al­ler­dings schon.“
Stil­le.
Die Frau­en um Nessa hör­ten eine nach der an­de­ren auf zu lä­cheln und sahen zu ihrer furcht­lo­sen An­füh­re­rin, als hät­ten sie ihren Steu­er­mann voll­stän­dig ver­lo­ren.
Nessa warf einen Blick auf die Äl­tes­ten neben ihr, die ihre Un­ter­hal­tung wegen des sich vor ihnen ent­fal­te­ten Dra­mas un­ter­bro­chen hat­ten. Dann stieß sie ein lau­tes, un­be­hol­fe­nes La­chen aus, das nur Men­schen vor­be­hal­ten war, die sich ge­sell­schaft­lich in die Schei­ße ge­rit­ten hat­ten. „Ich glau­be, was ich ge­sagt habe, kam falsch rüber. Ich dach­te nur, du fühlst dich viel­leicht etwas unter Druck ge­setzt und ich woll­te nur auf ei­ni­ge an­de­re Mög­lich­kei­ten hin­wei­sen. Ich meine, die Prima der Hei­ler zu sein, ist eine große Sache, und du weißt so gut wie gar nichts über uns.“
„So ging es Katy an­fangs auch und sie ist die Ge­fähr­tin von Priest“, sagte Tate. „Ganz zu schwei­gen davon, dass sie eine der ers­ten Ma­gie­rin­nen seit Jah­ren ist. Du willst mit Mög­lich­kei­ten um dich wer­fen? Viel­leicht hat der Hüter sich dazu ent­schlos­sen, uns Pri­mos zu geben, die keine Stö­cke im Arsch haben und mit etwas Mensch­lich­keit funk­tio­nie­ren kön­nen.“
„Ach komm schon, Tate“, er­wi­der­te Va­nes­sa. „Du weißt, dass ich es nicht böse ge­meint habe.“ Sie kam näher auf ihn zu und hatte tat­säch­lich die Dreis­tig­keit, mit ihren Fin­gern ver­trau­ens­voll über sei­nen Arm zu strei­chen. „Du kennst mich doch.“
Elise zuck­te zu­sam­men, eine schwa­che Be­we­gung, die sie er­staun­lich gut vor allen an­de­ren ver­ber­gen konn­te, doch sie drück­te sich an ihn. Und er spür­te den Schmerz darin.
Sie ver­such­te, sich aus dem Schutz sei­nes Armes her­aus­zu­be­we­gen, doch Tate zog sie fes­ter an sich. „Ich habe eine Frau neben mir, und du wagst es, mich vor ihr zu be­rüh­ren? Sie ist neu in un­se­rem Clan und ent­stammt einer an­ge­se­he­nen Fa­mi­lie, aber du hast ihr den mit Ab­stand käl­tes­ten Emp­fang von allen am heu­ti­gen Abend hier be­rei­tet. Schlim­mer noch, du ver­suchst, die Krän­kun­gen, die du aus­ge­teilt hast, als Miss­ver­ständ­nis­se ab­zu­tun, um dein Ge­sicht zu wah­ren, an­statt sie ein­zu­ge­ste­hen. An­schei­nend kenne ich dich nicht. Und nur um das klar­zu­stel­len: Jedes Recht, mich zu be­rüh­ren, das du ein­mal hat­test, ist Ge­schich­te.“
Sein Blick glitt zu Jade, die sich an den Rand der Menge ge­schlän­gelt hatte. Sie stand da mit hüft­breit aus­ein­an­der­ge­stell­ten Füßen, die Arme vor ihrer Brust ver­schränkt und ein stol­zes Grin­sen auf ihrem Ge­sicht. Sie moch­te für den Clan eine Se­he­rin sein, doch in die­sem Mo­ment wirk­te sie eher wie eine Krie­ge­rin, die ab­wäg­te, ob sie sich ein­mi­schen und den Frau­en in den Hin­tern tre­ten soll­te oder nicht. So wü­tend er auch war, ein Teil woll­te ab­war­ten und sehen, ob sie es tat­säch­lich tun würde.
Aber Elise brauch­te ihn jetzt mehr, und das am bes­ten, ohne dass der Groß­teil des Clans dabei zu­schau­te. „Ich glau­be, wir sind hier fer­tig.“
Er führ­te Elise von der Grup­pe fort, warf aber einen letz­ten Blick über die Schul­ter, als er ging. „War nett, mit dir zu plau­dern … Va­nes­sa.“