Kings of Retribution MC: Wick (Louisiana Chapter)

Ori­gi­nal­ti­tel: Wick: Kings of Re­tri­bu­ti­on MC , Loui­sia­na (Kings of Re­tri­bu­ti­on Loui­sia­na Book 2)
Über­set­zer: Sven­ja Ohl­sen

Er­schie­nen: 09/2024
Serie: Kings of Re­tri­bu­ti­on MC
Teil der Serie: 12

Genre: Motor­cy­cle Club Ro­mance, Ro­man­tic Thrill
Zu­sätz­lich: Con­tem­pora­ry

Lo­ca­ti­on: USA, Loui­sia­na, New Or­leans


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-710-9
ebook: 978-3-86495-711-6

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Kings of Retribution MC: Wick (Louisiana Chapter)

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In­halts­an­ga­be

Malik "Wick" Daw­son ist der Vi­ze­prä­si­dent des Kings of Re­tri­bu­ti­on MC in New Or­leans. Der Zu­sam­men­halt und die Loya­li­tät der Bru­der­schaft geben ihm ein Ge­fühl von Sinn und Zu­ge­hö­rig­keit, die er nach Jah­ren des Diens­tes für sein Land ver­miss­te.
Aber alle Män­ner haben ihre Dä­mo­nen, und Wick lei­det unter dem Schmerz und der Schuld, sei­nen Ju­gend­freund Da­mi­en ver­lo­ren zu haben, als sie Seite an Seite im Krieg kämpf­ten. Bevor er starb, nahm die­ser Wick das Ver­spre­chen ab, seine klei­ne Schwes­ter Vayda zu be­schüt­zen, falls ihr etwas zu­sto­ßen soll­te.
Seit­dem wacht Wick über die Schwes­ter sei­nes ge­fal­le­nen Ka­me­ra­den.
Dann, eines Nachts, küsst er sie. Das hätte nie pas­sie­ren dür­fen.
Hin- und her­ge­ris­sen zwi­schen sei­nem Ver­lan­gen und sei­nem Ver­spre­chen dis­tan­ziert er sich von Vayda, um dem über­wäl­ti­gen­den Be­dürf­nis zu ent­ge­hen, Vayda für sich zu ge­win­nen.
Als eine Ret­tungs­mis­si­on ge­fähr­det ist und Vay­das Leben auf dem Spiel steht, hält Wick nichts mehr zu­rück. Er macht sich auf die Suche nach ihr - be­reit, jeden Geg­ner zu er­le­di­gen, der sich ihm in den Weg stellt.

Vayda "Te­qui­la" Wil­der ent­stammt einer lan­gen Reihe von Mi­li­tärs: Groß­va­ter, Vater und ihr Bru­der Da­mi­en. Di­rekt nach der High School ver­wirk­lich­te sie ihren Traum, eine der bes­ten Hub­schrau­ber-Pi­lo­tin­nen zu wer­den. Mit ihrer jah­re­lan­gen Er­fah­rung über­nimmt Vayda ge­hei­me Mis­sio­nen und ret­tet zu­sam­men mit dem Kings of Re­tri­bu­ti­on MC un­zäh­li­ge Men­schen­le­ben aus den Fän­gen eines Kar­tells von Men­schen­händ­lern. .
Ein un­ver­gess­li­cher Kuss von Wick ver­än­dert alles.
Vayda ver­gräbt sich tief in die Söld­ner­ar­beit, in der Hoff­nung, dass sie da­durch von dem Mann, den sie liebt, ab­ge­lenkt wird. Doch dann wird sie von dem Kar­tell ge­fan­gen­ge­nom­men.

Wick und der Kings of Re­tri­bu­ti­on MC wer­den zu Vay­das ein­zi­ger Hoff­nung, le­bend die­ser Hölle zu ent­kom­men.

Über die Au­to­rin

Crys­tal Da­ni­els und Sandy Al­va­rez sind ein Schwes­tern-Duo und die USA To­day-Best­sel­ler­au­to­rin­nen der be­lieb­ten "Kings of Re­tri­bu­ti­on MC"-Se­rie.
Seit 2017 hat das Duo zahl­rei­che Ro­ma­ne ver­öf­fent­licht. Ihre ge­mein­sa­me Lei­den­schaft für Bü­cher und das Ge­schich­ten­er­zäh­len führ­te sie auf eine auf­re­gen­de Reise,...

Crys­tal Da­ni­els und Sandy Al­va­rez sind ein Schwes­tern-Duo und die USA To­day-Best­sel­ler­au­to­rin­nen der be­lieb­ten "Kings of Re­tri­bu­ti­on MC"-Se­rie.
Seit 2017 hat das Duo zahl­rei­che Ro­ma­ne ver­öf­fent­licht. Ihre ge­mein­sa­me Lei­den­schaft für Bü­cher und das Ge­schich­ten­er­zäh­len führ­te sie auf eine auf­re­gen­de Reise,...

Wei­te­re Teile der Kings of Re­tri­bu­ti­on MC Serie

Le­se­pro­be

Wick

Ich ver­las­se den High­way und fahre in Rich­tung Twis­ted Thrott­le, der Bar, die ich ge­mein­sam mit mei­nem lang­jäh­ri­gen Freund und Prä­si­den­ten un­se­res Clubs, Riggs, be­trei­be. Die Fahrt von Texas nach New Or­leans dau­ert acht Stun­den. In die­sen acht Stun­den, in denen ich mit mei­nen Ge­dan­ken al­lein bin, geht es mir nicht ge­ra­de bes­ser als vor einer Woche, als ich New Or­leans ver­ließ, um der einen Frau aus dem Weg zu gehen, die sich für immer in meine Seele ge­brannt hat. Als ich vor der Bar an­hal­te, sehe ich die rote KRGT-1, die zwi­schen Novas und Fen­ders Mo­tor­rä­dern steht. Ich weiß,...

...​dass es jetzt am klügs­ten wäre, um­zu­dre­hen und di­rekt zum Club­haus zu fah­ren, aber weil ich an­schei­nend ma­so­chis­tisch ver­an­lagt bin, halte ich an und parke auf mei­nem üb­li­chen Platz; eine von meh­re­ren Park­lü­cken, die für die Be­sit­zer und Club­mit­glie­der re­ser­viert sind.
Ich stel­le den Motor ab und blei­be auf mei­nem Mo­tor­rad sit­zen, wäh­rend ich eine Zi­ga­ret­te aus mei­ner Kutte ziehe und sie an­zün­de. Ein paar Stamm­gäs­te ver­las­sen die Bar und ni­cken mir zu, wäh­rend sie die Stra­ße hin­un­ter­ge­hen. Ein Blick auf meine Uhr zeigt mir, dass es bald Mit­ter­nacht ist. Ich werfe meine Zi­ga­ret­te auf den Bür­ger­steig und stei­ge von mei­ner mit­ter­nachts­blau­en Cust­om Fat Bob, wäh­rend ich die Stim­me in mei­nem Kopf igno­rie­re, die mich auf­for­dert, mich aus dem Staub zu ma­chen, bevor ich die Bar be­tre­te. Ich muss sie nicht ein­mal su­chen, denn ich schei­ne wie ma­gne­tisch von ihr an­ge­zo­gen zu wer­den. Mein Blick bleibt an Vayda hän­gen, so­bald ich ein­tre­te. Als ob sie meine An­we­sen­heit spü­ren könn­te, dreht sie sich auf ihrem Platz an der Bar um und sieht mir in die Augen. Selbst von der an­de­ren Seite des Rau­mes aus kann ich den Auf­ruhr in die­sen bern­stein­far­be­nen Augen er­ken­nen. Meine Fin­ger zu­cken an mei­nen Sei­ten und ich möch­te sie be­rüh­ren. Statt­des­sen schie­be ich mein Be­dürf­nis bei­sei­te und rich­te meine Auf­merk­sam­keit auf Riggs, der an der Bar be­dient. Doch der kurze, ver­letz­te Aus­druck, der über Vay­das Ge­sicht huscht, lässt mich alles an­de­re als kalt.
Als ich mich an die Bar be­ge­be, spürt mein Bru­der meine düs­te­re Stim­mung und reicht mir, ohne ein Wort oder eine boh­ren­de Frage zu ver­lie­ren, einen Whis­key sowie ein kal­tes Bier. Ich nicke ihm zu, setze den Whis­key an die Lip­pen und igno­rie­re das Bren­nen, als der Schnaps meine Kehle hin­un­ter­rinnt. Ich schlie­ße die Augen und lasse mich von der Musik be­rie­seln, die den Raum er­füllt. Auf der klei­nen Bühne am an­de­ren Ende der Bar sitzt Fen­der und zupft auf sei­ner Gi­tar­re herum.
Es gibt Tage, an denen sich der Stru­del der Hölle zu öff­nen droht und mich in die Tie­fen der ewi­gen Ver­damm­nis rei­ßen will; Tage, an denen meine Ver­gan­gen­heit und meine Alb­träu­me mich ganz ver­schlin­gen und mich an die Dä­mo­nen er­in­nern, die in den Schat­ten lau­ern. Heute ist einer die­ser Tage. Ich weiß, dass sie der Grund dafür ist. Vayda zu sehen, er­in­nert mich stän­dig daran, wie ich nicht nur Da­mi­en, son­dern auch sie im Stich ge­las­sen habe.
Vayda tauch­te vor ein paar Wo­chen auf, als im Club und bei Luna, Prez’ Frau, ei­ni­ges im Argen lag. Sie hatte be­schlos­sen, in der Stadt zu blei­ben und es sich im Club­haus ge­müt­lich zu ma­chen.
Vayda Wil­der ist seit ei­ni­gen Jah­ren mit dem Club be­freun­det, aber ich kenne sie, seit sie ein Kind war. Sie ist die klei­ne Schwes­ter mei­nes Ju­gend­freun­des Da­mi­en. Vayda, Da­mi­en und ich sind zu Hause in Texas zu­sam­men auf­ge­wach­sen. Wir kom­men beide aus Mi­li­tär­fa­mi­li­en. Als die Wil­ders in das Haus neben mei­ner Fa­mi­lie ein­zo­gen, wur­den Mr. Wil­der und meine El­tern so­fort Freun­de, eben­so wie ich und Da­mi­en. Un­se­re Väter ar­bei­te­ten auch zu­sam­men. Ich war ein Ein­zel­kind, wäh­rend Da­mi­en eine Schwes­ter hatte: Vayda. Ich merk­te bald, dass, wo immer Da­mi­en war, Vayda nicht weit sein konn­te. Es war nicht schwer, zu er­ken­nen; sie ver­göt­ter­te ihren gro­ßen Bru­der. Um ehr­lich zu sein, stör­te es mich nicht, dass Da­mi­ens klei­ne Schwes­ter immer dabei war, wenn wir un­ter­wegs waren. Es dau­er­te nicht lange, bis sie auch wie eine Schwes­ter für mich wurde. Als Da­mi­en und ich zu­sam­men in un­se­rem High­school-Foot­ball­team spiel­ten, war sie un­se­re größ­te Cheer­lea­de­rin. Keine rich­ti­ge, denn kurze Röcke und Pom­pons waren nicht ihr Stil, aber sie war die Lau­tes­te auf der Tri­bü­ne.
Ich er­in­ne­re mich an ein be­stimm­tes Spiel; es war das Meis­ter­schafts­spiel un­se­rer Schu­le. Ich er­ziel­te einen Touch­down, und als Vayda meine Tri­kot­num­mer rief, dreh­te ich mich zur Tri­bü­ne und grins­te sie breit an. Ich habe sie nie mit mehr als brü­der­li­cher Zu­nei­gung an­ge­schaut, aber Da­mi­en muss in die­sem Mo­ment etwas in mei­nem Ge­sicht ge­se­hen haben, denn er dreh­te sich zu mir um und sagte: „Wenn du ir­gend­et­was mit mei­ner klei­nen Schwes­ter ver­suchst, brin­ge ich dich um.“ Wohl­ge­merkt, er sagte diese Worte mit einem Lä­cheln im Ge­sicht, aber die War­nung in sei­nen Augen war nicht zu über­se­hen.
Als ich das un­ver­wech­sel­ba­re La­chen am Ende der Bar höre, lasse ich meine Ge­dan­ken an die Ver­gan­gen­heit hin­ter mir und rich­te meine Auf­merk­sam­keit auf Vayda, die auf einem Ho­cker neben Nova sitzt. Ich ver­kramp­fe mich und knir­sche mit den Zäh­nen bei dem An­blick mei­nes Bru­ders, der sich dicht zu ihr her­über­lehnt und dann etwas sagt, das sie zum Lä­cheln bringt. Die Bier­fla­sche in mei­ner Hand droht unter dem schraub­stock­ar­ti­gen Griff zu zer­bers­ten, mit dem ich sie fest­hal­te.
Bes­ser diese Fla­sche als Novas Kopf.
„Was zum Teu­fel knurrst du so vor dich hin, Wick?“, brummt Riggs hin­ter der Theke. „Du siehst aus, als wür­dest du gleich einen ver­damm­ten Schlag­an­fall be­kom­men.“
Ich werfe Riggs mei­nen düs­ters­ten Blick zu. Er legt den Kopf schief und schaut an das Ende der Bar, wohin ich eben noch ge­schaut hatte. Dann sieht mich der Bas­tard mit einem ver­fluch­ten Grin­sen an. Ich habe große Lust, ihm die Fres­se zu po­lie­ren. „Du weißt, dass er dich ab­sicht­lich ver­ar­schen will? Cain würde sich nie an deine Frau ran­ma­chen, egal, was für eine ver­damm­te männ­li­che Hure er ist.“ Cain, der im Club aus of­fen­sicht­li­chen Grün­den als Nova, kurz für Ca­sa­no­va, be­kannt ist, ist Riggs’ Zwil­lings­bru­der. Au­ßer­dem ist er eine Ner­ven­sä­ge.
Ich nehme einen Schluck von mei­nem Bier. „Ich weiß nicht, wovon du re­dest, Prez. Vayda ist nicht meine Frau.“
Riggs schüt­telt den Kopf, nimmt die leere Fla­sche, die ich ihm ent­ge­gen­schie­be, und wirft sie in den Müll­ei­mer unter der Bar. „Das glaubt dir keine Sau.“ Riggs holt ein fri­sches, kal­tes Bier her­vor und stellt es vor mir ab. Ich nehme es mit einem fins­te­ren Blick ent­ge­gen. Riggs weist mich auf meine Lügen hin, weil er mich bes­ser kennt als jeder an­de­re und mei­nen Schwach­sinn durch­schaut. Ich hasse das ver­dammt noch mal. Ich kenne ihn, seit wir zu­sam­men bei den Spe­cial Forces waren. Er ist auch der ein­zi­ge Bru­der, der von Da­mi­en weiß und von dem Tag, an dem ich es ver­mas­selt und mei­nen bes­ten Freund ge­tö­tet habe. „Ich er­ken­ne es an der Art, wie du sie an­siehst, Bru­der. Ich wage auch eine wilde Ver­mu­tung und be­haup­te, dass sie der Grund dafür ist, dass du die letz­te Woche nicht in der Stadt warst.“
Ich grun­ze le­dig­lich.
„Lass dir nur nicht zu lange Zeit, dei­nen Scheiß zu­sam­men­zu­krie­gen.“ Mit die­sen ab­schlie­ßen­den Wor­ten geht Riggs davon. So un­gern ich es auch zu­ge­be, er hat nicht un­recht. Vor einer Woche habe ich mich ent­schul­digt, um meine Mut­ter in Texas zu be­su­chen. Die Wahr­heit war, dass mir Vay­das stän­di­ge Nähe unter die Haut ging. Ich muss­te gehen, bevor ich etwas Dum­mes tat. Zum Bei­spiel, sie für mich zu be­an­spru­chen. Sie zu fi­cken. Jedem Wich­ser in die­ser Bar zei­gen, dass sie zu mir ge­hört.
Als ich ein wei­te­res Mal zum Ende der Bar schaue, be­geg­ne ich aber­mals Vay­das Blick. Augen in der Farbe von Whis­key und Son­nen­schein. Sie starrt mich un­ver­blümt an. Die An­zie­hungs­kraft, die wir für­ein­an­der emp­fin­den, ist kein Ge­heim­nis, aber wenn sie die Wahr­heit über meine Rolle bei dem, was ihrem Bru­der pas­siert ist, her­aus­fän­de, würde sie mich nicht so an­se­hen, wie sie es jetzt tut. Mein Schwanz drückt gegen den Reiß­ver­schluss mei­ner Jeans, als sie ihr Bier an die Lip­pen führt, einen Schluck nimmt und dann mit der Zunge über ihre Un­ter­lip­pe fährt. Vayda ist sexy, ohne sich an­stren­gen zu müs­sen. Ver­dammt, sie macht mich stein­hart, wenn ich le­dig­lich die­sel­be Luft atme wie sie. Ich schütt­le diese Ge­dan­ken ab, wende mich um und stehe auf.
„Haust du ab, Bru­der?“, fragt Riggs.
„Ja. Ich bin noch müde von der Heim­fahrt. Ich bin auf dem Weg zu­rück ins Club­haus.“ Ich klop­fe mit den Fin­ger­knö­cheln auf die Theke und mache auf dem Ab­satz kehrt. Es kos­tet mich all meine Selbst­be­herr­schung, nicht zu­rück­zu­bli­cken, als ich aus der Tür des Twis­ted Thrott­le trete.

Als ich vor dem Club­haus, das di­rekt am Fluss liegt, vor­fah­re, joggt der Pro­s­pect des Clubs, Ever­est, der drau­ßen steht und mich kom­men sieht, zum Tor, zieht es auf und lässt mich ein. Ich parke, stel­le den Motor ab und stei­ge von mei­nem Mo­tor­rad. „Ist das Tor wie­der ka­putt?“, frage ich Ever­est.
Er nickt. „Ja. Das ver­damm­te Ding hat stän­dig einen Kurz­schluss. Kiwi wird sich das mor­gen mal an­se­hen.“
Mit einem kur­zen Ni­cken gehe ich ins Club­haus. Ever­est ist jetzt seit über einem Jahr bei den Kings und auf dem bes­ten Weg, sich sein Patch zu ver­die­nen. Riggs hat die Art und Weise, wie Ever­est die Si­tua­ti­on mit Luna ge­meis­tert hat, zur Kennt­nis ge­nom­men; er wird den Jun­gen bald auf­neh­men. Ever­est ist der­zeit unser ein­zi­ger Pro­s­pect. Nach­dem Lunas Ex, Rex Sul­li­van, der in­zwi­schen ver­stor­be­ne Prä­si­dent von Sa­va­ge Out­law, un­se­ren an­de­ren An­wär­ter, Track, ge­tö­tet hat, hatte es der Club nicht eilig, einen Er­satz zu fin­den.
So­bald ich das Club­haus be­tre­te, be­grüßt mich Josie hin­ter der Theke mit einem war­men Lä­cheln. Josie ist eines von zwei Club­mäd­chen. Sie ist klein und hat die Art von Kur­ven, die jedem Mann das Was­ser im Mund zu­sam­men­lau­fen las­sen. Au­ßer­dem trägt sie eine rote Lo­cken­pracht. „Hallo, Frem­der.“
„Hey, Süße. Wo sind denn alle?“, frage ich und setze mich.
Josie wirft den Lap­pen, mit dem sie ge­putzt hat, bei­sei­te und stützt sich mit den Ell­bo­gen auf der Theke ab. „Sie sind alle aus­ge­gan­gen. Heute Abend sind nur Pay­ton, Ever­est und ich hier.“ Josie mus­tert mich einen Mo­ment lang und fragt dann: „Geht es dir gut, Wick?“
Ich fahre mir mit den Hän­den über mein Ge­sicht und stel­le fest, dass eine Rasur fäl­lig ist. „Es waren ein paar lange Wo­chen, Dar­ling. Das ist alles.“
„Ja, das denke ich mir. Du weißt, ich bin da, wenn du dar­über reden willst.“ Josie wirft mir einen wis­sen­den Blick zu. Of­fen­bar hat jeder meine Stim­mung mit­be­kom­men und ge­merkt, wie sehr mich Vay­das An­we­sen­heit ver­un­si­chert hat. Zum Glück wech­selt Josie das Thema. „Und, wie geht es dei­ner Mom? Hat­test du eine gute Reise nach Hause?“ Josie kommt hin­ter der Bar her­vor und setzt sich auf den Ho­cker neben mich.
„Ihr und Pop geht es gut. Sie hat ihn end­lich davon über­zeugt, mit ihr nach Ka­li­for­ni­en zu fah­ren. Ich habe ihnen bei den Rei­se­vor­be­rei­tun­gen ge­hol­fen und dafür ge­sorgt, dass die Nach­barn vor­bei­kom­men, um die Post ab­zu­ho­len, wäh­rend sie weg sind.“
„Das ist toll von dir, Wick. Ich hoffe, sie haben eine groß­ar­ti­ge Zeit.“ Josie schenkt mir ein auf­rich­ti­ges Lä­cheln. Das ist etwas, was ich an un­se­ren bei­den Club­mäd­chen, Pay­ton und Josie, be­wun­de­re. Beide sind ver­dammt für­sorg­lich, dul­den kein Drama und fan­gen auch kei­nes an. Sie sind ent­spannt und neh­men ihre Ar­beit hier im Club­haus ernst.
Josie tät­schelt mir den Ober­schen­kel. „Kann ich dir etwas zu trin­ken holen, oder gehst du jetzt schla­fen?“
Ich will ge­ra­de Jo­sies An­ge­bot auf einen Drink ab­leh­nen und in mein Zim­mer gehen, als die Tür zum Club­haus auf­springt. Nova schrei­tet hin­durch und Vayda schlen­dert hin­ter ihm her­ein. Er geht wei­ter auf die Bar zu, wäh­rend Vayda in­ne­hält. Die Zeit bleibt für einen Mo­ment ste­hen, als ich ihren An­blick von Kopf bis Fuß in mich auf­neh­me, die ge­sam­ten etwa einen Meter fünf­und­sieb­zig. Sie trägt ein Paar Jeans­shorts, die ihre lan­gen, durch­trai­nier­ten Beine zei­gen, und schwar­ze Com­bat Boots. Mein Blick wan­dert nach oben, wo sich ihre vol­len Brüs­te gegen das jä­ger­grü­ne Top, das sie trägt, ab­zeich­nen, dann noch wei­ter hin­auf, wo ihre di­cken nacht­schwar­zen Haare in sanf­ten Wel­len den obe­ren Teil ihrer Schul­tern küs­sen, bevor er auf ihren Augen lan­det. Augen, in denen in die­sem Mo­ment ein ver­letz­ter Aus­druck steht, wäh­rend sie mich kurz an­blickt und dann schnell nach unten schaut, wo Jo­sies Hand auf mei­nem Ober­schen­kel ruht. Nur für den Bruch­teil einer Se­kun­de ist die­ser Aus­druck sicht­bar. Josie muss die­sen Blick eben­falls ge­se­hen haben, denn sie nimmt ihre Hand von mir, als hätte sie sich ver­brannt. Wie ge­sagt, die Mäd­chen wol­len wirk­lich kein Drama.
„Es tut mir leid, Wick“, ent­schul­digt sich Josie im sel­ben Mo­ment, als Vayda sich wort­los nach oben zu­rück­zieht.
„Es muss dir nicht leid­tun, Dar­ling.“ Ich stehe auf und küsse Josie auf den Kopf. Als ich den Raum durch­que­re und zur Tür hin­aus­ge­he, ruft Nova mir hin­ter­her.
„Es ist auch schön, dich zu sehen, Bru­der.“
„Fick dich“, er­wi­de­re ich in dem­sel­ben ne­cki­schen Ton, was Nova zum La­chen bringt. Ich hatte ge­plant, heute Nacht im Club­haus zu über­nach­ten, aber ich traue mir nicht, wenn Vayda unter dem­sel­ben Dach schläft.
Ich stei­ge auf mein Bike, star­te es und lasse den Motor auf­heu­len. Als ich zum Fens­ter im zwei­ten Stock hin­auf­schaue, durch das Licht scheint, sehe ich Vayda, die auf mich her­ab­blickt. Wir star­ren uns ei­ni­ge Se­kun­den lang ge­gen­sei­tig an. Dies­mal ist sie die Erste, die die Ver­bin­dung un­ter­bricht. Kopf­schüt­telnd klap­pe ich den Stän­der hoch und fahre vom Park­platz des Club­hau­ses.

Der Weg zu mir nach Hause ist kurz. Ich wohne etwa zehn Mi­nu­ten vom Club­haus ent­fernt. Ich habe mein Haus zwei Jahre nach mei­nem Bei­tritt zum Club ge­kauft. Als ich es das erste Mal sah, wuss­te ich so­fort, dass ich es haben muss­te. Ich kauf­te das Haus im vik­to­ria­ni­schen Stil von 1936 zu einem Spott­preis. Riggs hatte ver­sucht, mir den Kauf des bau­fäl­li­gen Ge­bäu­des aus­zu­re­den, aber ich be­stand dar­auf. Ich er­zähl­te mei­nem Freund nicht, warum ich das Haus wirk­lich woll­te. Ich er­zähl­te ihm nicht, dass Vayda, als sie drei­zehn war, davon träum­te, zu hei­ra­ten und in einem blau­en vik­to­ria­ni­schen Haus mit schwar­zen Fens­ter­lä­den zu woh­nen. Sie hatte schon da­mals sehr kon­kre­te Vor­stel­lun­gen. Mit der Hilfe mei­ner Brü­der haben wir das alte Haus in knapp ein­ein­halb Jah­ren re­stau­riert. Es ist zwei­hun­dert­acht­zig Qua­drat­me­ter groß, hat vier Schlaf­zim­mer, drei Bäder und eine kom­plett er­neu­er­te Küche mit einem an­gren­zen­den Win­ter­gar­ten mit de­cken­ho­hen Fens­tern.
Ich fahre in die Ein­fahrt und lenke mein Bike in die an­ge­bau­te Ga­ra­ge, bevor ich ab­stei­ge und die Küche durch den Sei­ten­ein­gang be­tre­te. Ich schal­te das Licht zu mei­ner Rech­ten ein, um das Haus zu be­leuch­ten, und gebe den Code in die Alarm­an­la­ge ein. Dann werfe ich meine Schlüs­sel auf den Tre­sen, gehe um die Kü­chen­in­sel herum und steue­re auf den Kühl­schrank zu. Ich öffne ihn und seuf­ze, als mich nichts als gäh­nen­de Leere und ein paar Bier­fla­schen emp­fan­gen. Eine davon grei­fe ich mir, öffne den De­ckel und nehme einen Schluck, wäh­rend ich durch den Tür­bo­gen ins Wohn­zim­mer gehe. Ich blei­be ste­hen und star­re auf den rie­si­gen, lee­ren Raum. Mein gan­zes Haus steht leer, bis auf mein Schlaf­zim­mer und einen klei­nen Tisch in der Küche.
Meh­re­re mei­ner Brü­der haben mich von Zeit zu Zeit auf­ge­zo­gen und ge­fragt, warum ich so ein rie­si­ges Haus habe, aber mir nicht die Mühe mache, es ein­zu­rich­ten. Meine Aus­re­de ist immer die glei­che: Ich habe keine Zeit. Die Wahr­heit ist, dass ich mich nicht wohl dabei fühle, es fer­tig­zu­stel­len. Die­ser Ort ist Vay­das Traum­haus. Ein Teil von mir fühlt, dass es nicht meine Auf­ga­be ist. Das Per­ver­se an der gan­zen Si­tua­ti­on ist, dass sie keine Ah­nung hat, dass die­ser Ort exis­tiert. Sie würde mich wahr­schein­lich für ver­rückt hal­ten, wenn sie es wüss­te. Ich meine, Vayda er­in­nert sich wahr­schein­lich nicht ein­mal mehr an das Ge­spräch, das sie mit drei­zehn mit mir hatte.
Ich schütt­le die Er­in­ne­run­gen an die Ver­gan­gen­heit ab, durch­que­re das Wohn­zim­mer und stei­ge die Trep­pe hin­auf zum Ende des Flurs, wo sich mein Schlaf­zim­mer be­fin­det. Meine Kutte strei­fe ich ab und lege sie über den Stuhl neben dem Bett.
Als ich ins Bad gehe, um zu du­schen, ziehe ich mein T-Shirt und meine Jeans aus und werfe sie auf den Boden. Vor dem Spie­gel be­trach­te ich die Nar­ben, die sich über die linke Seite mei­nes Un­ter­leibs und ent­lang mei­ner Rip­pen bis zu mei­nem Rü­cken zie­hen. Meine Nar­ben sind za­ckig und sehen böse aus. Au­ßer­dem er­in­nern sie mich an den schlimms­ten Tag mei­nes Le­bens. Der Tag, an dem mir der Teu­fel per­sön­lich einen Be­such ab­stat­te­te und meine Zu­kunft für immer ver­än­der­te.
Nach­dem ich ge­duscht habe, ziehe ich mir eine graue Jog­ging­ho­se an und gehe zu dem Schreib­tisch, den ich vor dem Fens­ter auf­ge­baut habe. Da ich weiß, dass ich heute Nacht nicht viel Schlaf fin­den werde, be­schlie­ße ich, den Com­pu­ter hoch­zu­fah­ren und die Buch­hal­tung für den Club und die Bar zu ma­chen.
Als ich mit drei­ßig Jah­ren aus dem ak­ti­ven Dienst aus­schied, stürz­te ich mich kopf­über in die Fort­füh­rung mei­ner Aus­bil­dung. Nach­dem ich die High­school ab­ge­schlos­sen hatte, boten mir meh­re­re Col­le­ges Sti­pen­di­en an, dar­un­ter auch die Co­lum­bia. Die Uni war je­doch nicht meine Be­ru­fung. Mei­nem Land zu die­nen, das war es, was ich mit mei­nem Leben an­fan­gen woll­te. So­bald mein Traum zu Ende war, habe ich mei­nen gan­zen Ehr­geiz in etwas ge­steckt, in dem ich in der Schu­le her­vor­ra­gend war. Ich konn­te schon immer gut mit Zah­len um­ge­hen. Zah­len er­ge­ben für mich Sinn. Also ging ich, ohne zu zö­gern, wie­der zur Uni und mach­te mei­nen Ba­che­lor-Ab­schluss in Ma­the­ma­tik an der Uni­ver­si­ty of Ca­li­for­nia-Ber­ke­ley. Ich brauch­te vier Jahre, bis ich mei­nen Ab­schluss in der Ta­sche hatte. Als ich fer­tig war, wuss­te ich nicht, in wel­che Rich­tung ich als Nächs­tes gehen soll­te.
Zu die­sem Zeit­punkt trat Riggs wie­der in mein Leben. Er und ich hat­ten in mei­nen letz­ten bei­den Jah­ren bei den Spe­cial Forces zu­sam­men ge­dient. Nach mei­nem Aus­schei­den aus dem Dienst hat­ten wir hin und wie­der Kon­takt ge­hal­ten, aber als er mich eines Tages an­rief und mich nach New Or­leans ein­lud, er­griff ich die Chan­ce, mei­nen Freund wie­der­zu­se­hen. Als ich hier ankam, er­zähl­te mir Riggs, was er seit­her ge­macht hatte, wie er in Mon­ta­na ge­lebt hatte und dem MC bei­ge­tre­ten war. Kurz nach­dem er Mit­glied der Kings ge­wor­den war, wurde sein Groß­va­ter krank, und er muss­te sei­nen Club für län­ge­re Zeit ver­las­sen.
Der Grün­dungs­prä­si­dent der Kings of Re­tri­bu­ti­on, Jake De­la­ne, un­ter­brei­te­te ihm ein An­ge­bot, das Riggs nicht ab­leh­nen konn­te: ein zwei­tes Chap­ter hier in Loui­sia­na er­öff­nen. Riggs’ ers­ter Anruf war an mich ge­rich­tet. Er sagte, es gäbe kei­nen bes­se­ren Mann, den er an sei­ner Seite haben woll­te. Er bot mir den Pos­ten als sein Vi­ze­prä­si­dent an. Ich habe so­fort zu­ge­sagt. Von da an wuss­te ich, dass die Kings of Re­tri­bu­ti­on meine Be­stim­mung waren. Ich werde Riggs und mei­nen Brü­dern für immer dank­bar sein. Mein Club gibt mir einen Sinn. Ich würde mein Leben für meine Brü­der geben und weiß, dass sie das­sel­be für mich tun wür­den.


Te­qui­la

Nach­dem ich die Nacht schlecht ge­schla­fen habe, be­schlie­ße ich, schnell zu du­schen, bevor ich mich zum Schieß­stand auf­ma­che. Viel­leicht hel­fen ein paar Schieß­übun­gen, meine Wut zu be­sänf­ti­gen.
Wem will ich hier etwas vor­ma­chen? Ich bin wü­tend, weil mich die Ei­fer­sucht im Griff hat, nach­dem ich Malik mit einem der Club­mäd­chen ge­se­hen habe. Also nehme ich ein frü­he­res An­ge­bot der Jungs an, packe meine Aus­rüs­tung ein, schnal­le sie auf mein Bike und fahre in Rich­tung Stadt.
Vor dem Laden für mi­li­tä­ri­sche und Out­door-Aus­rüs­tung, der dem Club ge­hört, parke ich mein Mo­tor­rad neben den an­de­ren. Ich werfe mir die Ta­sche über die Schul­ter und gehe hin­ein, wo ich Ever­est so­fort hin­ter dem Tre­sen ent­de­cke. „Hey, Te­qui­la.“
Ich be­grü­ße ihn mit einem Lä­cheln und frage: „Sind die Jungs hin­ten?“
„Ja. Geh ein­fach durch.“
Er macht sich wie­der an die Ar­beit, ich durch­que­re den Raum und öffne die Tür, die zum über­dach­ten Schieß­stand auf der Rück­sei­te des La­dens führt. Es ist tat­säch­lich das erste Mal, dass ich mir die Zeit nehme, den Schieß­stand zu nut­zen, seit Riggs und seine Män­ner den Laden er­öff­net haben.
Als ich um die Ecke biege, komme ich in einen klei­ne­ren Raum, der durch ein gro­ßes Fens­ter ab­ge­trennt ist und einen Blick auf den Schieß­stand bie­tet. So­fort ent­de­cke ich Nova, Fen­der und Kiwi, lege meine Aus­rüs­tung auf den lee­ren Tisch im Raum und packe meine Waffe aus. Mit ihr an der Seite und ein paar Schach­teln Mu­ni­ti­on in der Hand be­tre­te ich den Schieß­stand.
Nova schaut zu mir her­über. Er setzt seine Waffe ab, nimmt sei­nen Ge­hör­schutz her­un­ter und lässt die Kopf­hö­rer um sei­nen Hals hän­gen. „Hey, Schön­heit. Willst du uns deine be­rüch­tig­ten Schieß­küns­te vor­füh­ren, von denen wir alle schon so viel ge­hört haben?“ Er schenkt mir sein cha­rak­te­ris­ti­sches Grin­sen, bei dem einem ganz an­ders wird.
„Habt ihr Angst, dass ich euch zeige, wo’s lang­geht, Jungs?“, spot­te ich amü­siert.
„Das sind harte Worte.“
Un­be­ein­druckt zucke ich mit den Schul­tern und tue so, als würde ich meine Nägel be­wun­dern. „Wenn ich ge­win­ne, schul­dest du mir einen Drink und musst mein Bike wa­schen und po­lie­ren.“
„Nur, falls du be­reit bist, das Glei­che zu tun, wenn du ver­lierst“, gibt er zu­rück.
„Si­cher.“
„Dann zeig mal, was du kannst“, sagt Nova in spie­le­ri­schem Ton und grinst.
Ich trete in einen der ab­ge­trenn­ten Be­rei­che, lege meine Waffe und Mu­ni­ti­on auf das Regal vor mir und be­gin­ne, meine Waffe zu laden. Es dau­ert nicht lange, bis Kiwi und Fen­der zu uns sto­ßen.
„Oh, ver­dammt.“ Ich schaue über meine linke Schul­ter, und Fen­der reibt seine Hand­flä­chen an­ein­an­der. „Wir wer­den gleich sehen, wie Nova in den Arsch ge­tre­ten wird.“
„Mo­ment mal“, mischt sich Kiwi ein. „Wir müs­sen den Scheiß do­ku­men­tie­ren.“ Als ich an Fen­der vor­bei­schaue, sehe ich, dass Kiwi sein Handy in die Luft hält, und ich lache.
Eine neue Ziel­schei­be wird auf­ge­hängt, ich si­che­re meine Waffe und trete zur Seite. Mit einer Geste, dass Nova mei­nen Platz ein­neh­men soll, sage ich zu ihm: „Ladys first.“
Nova ist ein guter Sports­mann und wirft la­chend den Kopf zu­rück. „Lass dir vom Meis­ter zei­gen, wie man es macht.“ Er schrei­tet auf mich zu, nimmt mei­nen Platz ein und zieht seine Waffe aus dem Hols­ter. Er zielt und gibt drei Schüs­se ab. Dann legt er die Waffe ab und drückt den Knopf zu sei­ner Rech­ten, wor­auf­hin die Ziel­schei­be die Gasse hin­un­ter in un­se­re Rich­tung saust. Nova hält sie ein paar Meter vor uns an und ver­schränkt die Arme vor der Brust.
Ich nicke. „Nicht schlecht.“ Ich be­gut­ach­te seine Schüs­se. Zwei in den Kopf und einer in den obe­ren Brust­be­reich. „Gar nicht mal schlecht“, wie­der­ho­le ich, be­ein­druckt von sei­nem Kön­nen. „Schick sie zu­rück.“
So­bald er den Knopf drückt, wird die Sil­hou­et­te klei­ner, wäh­rend sie sich rück­wärts be­wegt. Er hält sie etwa auf hal­ber Stre­cke an, ein biss­chen näher, als er sie hatte. „Noch wei­ter.“ Ich ziehe eine Au­gen­braue hoch, und er grinst, wäh­rend Fen­der und Kiwi hin­ter uns ki­chern. Erst als die Ziel­schei­be das Ende der Bahn er­reicht und nicht mehr wei­ter­kann, bin ich zu­frie­den. „Das ist gut so.“
Nova tritt zur Seite, und ich nehme Hal­tung an. Ich halte meine Waffe vor mir, rich­te sie auf mein Ziel und drü­cke den Abzug. Nach­dem ich meh­re­re Schüs­se ab­ge­feu­ert habe, ste­cke ich meine Waffe in den Half­ter und drü­cke den Rück­hol­knopf. Je näher die Ziel­schei­be kommt, desto mehr grin­se ich. Ich habe je eine Kugel in jede Mar­kie­rung, die Nova ge­macht hat, ge­schos­sen. Somit habe ich seine Ein­schuss­lö­cher ver­grö­ßert, die er be­reits in das Pa­pier ge­bal­lert hatte, bevor ich den Rest mei­nes Ma­ga­zins in die Mitte der Sil­hou­et­te ge­leert habe.
„Hei­li­ge Schei­ße, Mann. Siehst du, wie sau­ber die Schüs­se sind?“ Fen­der sticht mit sei­nem Fin­ger durch das Ein­schuss­loch in der Mitte. „Du hast jede Kugel mit Prä­zi­si­on durch die vor­he­ri­ge Mar­kie­rung ge­schos­sen.“
Nova zieht die Ziel­schei­be aus dem Clip. „Schei­ße.“ Er wen­det sich an Kiwi. „Hast du das alles ge­filmt?“
„Ver­dammt rich­tig, das habe ich.“ Kiwi strahlt.
„Gut.“ Nova dreht sich wie­der zu mir um. „Das waren ver­dammt be­ein­dru­cken­de Schüs­se. Ge­nau­so be­ein­dru­ckend wie deine Trink­küns­te. Zu­min­dest habe ich das ge­hört.“
„Danke.“ Die Män­ner fol­gen mir in den an­de­ren Raum, wo ich eine Fla­sche kal­tes Was­ser aus mei­ner Ta­sche hole. „Wollt ihr mich auch in die­ser Dis­zi­plin her­aus­for­dern?“ Ich drehe den De­ckel der Fla­sche auf.
„Im Trin­ken meinst du?“ Nova sieht mich an. „Auf kei­nen Fall. Ich habe alles über deine Trink­küns­te ge­hört. Spar dir den Spaß für einen an­de­ren Trot­tel, der es nicht bes­ser weiß.“
Nach­dem ich einen Schluck Was­ser ge­trun­ken habe, ant­wor­te ich: „Riggs hat dich also auf­ge­klärt.“
„Mo­ment mal. Hat diese Ge­schich­te etwas mit dem Ur­sprung dei­nes Spitz­na­mens Te­qui­la zu tun?“ Kiwi mischt sich ein, und ich nicke. „Die muss ich hören. Er­zähl mal!“
Ich zucke mit den Schul­tern. „Da gibt es nicht viel zu er­zäh­len. An einem Wo­chen­en­de, wäh­rend eines Kurz­ur­laubs zwi­schen zwei Ein­sät­zen, ging ich mit ein paar Jungs aus. Ein ein­fa­ches Trink­spiel wurde zu einem Wett­be­werb zwi­schen uns und einer an­de­ren Ein­heit. Wir durf­ten uns einen Mann aus ihrer Grup­pe aus­su­chen und an­ders­her­um. Na­tür­lich ent­schie­den sie sich für die Per­son, die sie für das schwächs­te Glied hiel­ten.“ Ich halte inne, hole eine wei­te­re Waffe aus mei­ner Ta­sche und lege die so­eben be­nutz­te in ihr Etui. „Je­den­falls wähl­ten sie Te­qui­la als ihr be­vor­zug­tes Gift. Ich bin gegen einen Sol­da­ten an­ge­tre­ten, der so groß wie ein Kühl­schrank war. Wer zu­erst kot­zen würde, hätte ver­lo­ren.“ Ich grin­se, als ich an diese Nacht zu­rück­den­ke. „Na ja, was soll ich sagen, ihr Mann hat nicht mit mir mit­hal­ten kön­nen.“ Was ich nicht er­zäh­le, ist, dass ich die ganze Nacht den Preis dafür be­zahlt habe, als ich in meine Un­ter­kunft zu­rück­kehr­te.
Wir gehen zum Schieß­stand zu­rück und ver­brin­gen eine wei­te­re Stun­de damit, zu schie­ßen und uns ge­gen­sei­tig an­zu­sta­cheln. Das war die Me­di­zin, die ich brauch­te, um mei­nen Stress ab­zu­bau­en und Malik für eine Weile halb­wegs zu ver­ges­sen.
Als ich mit den Jungs nach drau­ßen gehe, schnal­le ich meine Ta­sche um und schwin­ge mein Bein über meine Ma­schi­ne. Nova setzt seine Son­nen­bril­le auf, nach­dem er das Glei­che getan hat. „Wie wäre es, wenn wir un­se­re Är­sche rüber zum Twis­ted Thrott­le schwin­gen“, schlägt er vor und sieht mich an. „Ich schul­de dir noch einen Drink und eine Mo­tor­rad­wä­sche.“

Zwei Wo­chen. So lange ist mein letz­ter Ein­satz her, also soll­te ich mich nicht be­schwe­ren, dass ich nun auf dem Weg zum Club­haus bin, um mei­nen Kram zu pa­cken und mich auf den Weg zu ma­chen, nach­dem ich einen Anruf von Scott er­hal­ten habe. Ich diene mei­nem Land, seit ich die High­school ab­ge­schlos­sen habe. Ich bin immer noch im ak­ti­ven Dienst, aber die meis­ten mei­ner Mis­sio­nen sind ver­deckt. Bei einem die­ser Ein­sät­ze lern­te ich Riggs ken­nen, und Malik dien­te zu­fäl­lig neben ihm. Seit­dem habe ich ei­ni­ge wei­te­re Mis­sio­nen mit ihnen ab­ge­schlos­sen.
Ich habe die letz­ten paar Wo­chen hier in New Or­leans ver­bracht, zu­sam­men mit mei­ner zwei­ten Fa­mi­lie, dem Kings of Re­tri­bu­ti­on MC. Es gab sogar ein wenig Ac­tion; das heißt, ich habe in mei­ner ers­ten Nacht in der Stadt eine Schlam­pe ver­prü­gelt, aber hey, was soll ich sagen? Lais­sez les bon temps rou­ler, wie man in Loui­sia­na sagt, ge­nie­ße das Leben in vol­len Zügen.
Dann ist da noch Malik, oder Wick, wie ihn seine Brü­der nen­nen. Un­über­seh­bar, wie ein Son­nen­strahl. Doch gleich­zei­tig scheint er jedes biss­chen Spaß so­fort zu ver­der­ben, so­bald ich mich amü­sie­ren möch­te. Ihm und Riggs ge­hört eine Bar in der Bour­bon Street na­mens Twis­ted Thrott­le. Dort gibt es immer Live-Mu­sik, und ich muss nie für meine Drinks be­zah­len. Das heißt, bis Malik be­schließt, dass ich genug habe, und mich raus­schmeißt. Spiel­ver­der­ber. Zu allem Über­fluss wirft er au­ßer­dem jedem Mann, der auch nur in meine Rich­tung schaut, so­fort einen mör­de­ri­schen Blick zu, um ihn zu ver­schre­cken. Für wen zum Teu­fel hält er sich ei­gent­lich? Er will mich nicht. Das hat er schon vor lan­ger Zeit klar­ge­stellt.
Ich drehe den Gas­he­bel und nehme Fahrt auf, der heiße, feuch­te Wind leckt an mei­ner nack­ten Haut, wäh­rend ich die Stra­ße hin­un­ter­sau­se. Die ganze Si­tua­ti­on zwi­schen Malik und mir ist, nun ja, kom­pli­ziert. Die Er­in­ne­rung an den Ge­schmack sei­nes Kus­ses lässt mich meine Ober­schen­kel gegen das vi­brie­ren­de Mo­tor­rad zwi­schen mei­nen Bei­nen pres­sen. Der Kuss, der wäh­rend einer Mis­si­on vor mehr als einem Jahr statt­fand. Der, von dem Malik sagte, dass er ein Feh­ler war. Ich um­fas­se mein Bike ein wenig fes­ter und tue mein Bes­tes, um dem An­sturm der Ge­füh­le zu ent­ge­hen, die ver­su­chen, das Leben aus mir her­aus­zu­sau­gen.
Ich halte lang­sam an, gebe den Si­cher­heits­code ein und warte, bis sich das mas­si­ve Me­tall­tor öff­net, dann parke ich mein Mo­tor­rad neben Ma­liks. „Toll“, sage ich au­gen­rol­lend, wäh­rend ich den Motor ab­stel­le.
Er­leich­te­rung über­kommt mich, als ich durch die Ein­gangs­tür trete und den Ge­mein­schafts­be­reich leer vor­fin­de. Ich tue mein Bes­tes, um Malik nicht über den Weg zu lau­fen, und jogge die Trep­pe hin­auf, di­rekt auf mein Zim­mer zu. Da ich weiß, dass sein Zim­mer nur zwei Türen wei­ter ist, packe ich die we­ni­gen Sa­chen, die ich mit­ge­bracht habe, schnell in meine Sport­ta­sche.
Ich halte kurz inne und be­trach­te mich im Ganz­kör­per­spie­gel, der neben der Schlaf­zim­mer­tür an der Wand lehnt; meine Haut glänzt noch immer vor Schweiß von der Hitze des Som­mers in Loui­sia­na.
Wäh­rend ich so in den Spie­gel star­re, scheint es fast, als würde mein Bru­der dar­aus zu­rück­bli­cken. Es ver­geht kein Tag, an dem ich nicht an Da­mi­en denke. Es ist elf Jahre her, dass wir ihn ver­lo­ren haben, aber an man­chen Tagen fühlt es sich an, als wäre es erst ges­tern ge­we­sen, als ich eine schwar­ze Li­mou­si­ne in un­se­re Ein­fahrt fah­ren sah.
Ich schlie­ße die Augen, kämp­fe gegen die Trä­nen an und schlu­cke meine Ge­füh­le her­un­ter.
„Haust du ab?“ Ma­liks keh­li­ge Stim­me durch­bricht die Stil­le und reißt mich aus mei­nen Er­in­ne­run­gen.
Als ich die Augen öffne, sehe ich ihn am Tür­rah­men leh­nen, sein gro­ßer Kör­per nimmt die ge­sam­te Brei­te der Tür­öff­nung ein. Einen Mo­ment lang kon­zen­trie­re ich mich auf seine erd­brau­nen Augen und die Art und Weise, wie das Son­nen­licht, das durch das Schlaf­zim­mer­fens­ter fällt, warme Kup­fer­tö­ne um seine Pu­pil­len herum ein­fängt. „Ich bin noch nie vor etwas ab­ge­hau­en.“
Un­ver­hoh­len und offen be­trach­te ich ihn. Er trägt schwar­ze Jeans, schwar­ze Com­bat Boots und nichts unter sei­ner Kutte. Sein An­blick ist so schön und süß wie Honig, und ich ge­nie­ße ihn, bis ich mei­nen Blick schließ­lich wie­der zu sei­nen Augen glei­ten lasse. Der Ge­ruch von Par­füm steigt mir in die Nase, so­bald ich einen Schritt auf ihn zu­ge­he, und er­in­nert mich an ges­tern und daran, wie ver­traut und eng er mit Josie war. Das soll­te mich nicht stö­ren, aber das tut es. Ich ver­ste­cke meine Ei­fer­sucht und werfe mir meine Ta­sche über die Schul­ter.
„Scott hat an­ge­ru­fen, ich habe um zwei­und­zwan­zig Uhr ein Brie­fing.“ Malik tritt einen Schritt zu­rück, damit ich in den Flur gehen kann. Ich spüre seine An­we­sen­heit hin­ter mir, als ich die Trep­pe hin­un­ter­stei­ge.
„Weißt du, wo er dich hin­schickt?“, fragt Malik, wäh­rend er mir folgt.
„Nö.“ Im Eil­tem­po durch­que­re ich den Raum. „Du weißt, wie Scott ar­bei­tet. Er rückt mit nichts her­aus, bis wir sei­nen Auf­ent­halts­ort er­reicht haben.“
„Hast du vor, dei­nen Vater zu sehen, bevor du los­fährst?“
Ich ziehe die Tür auf, und mir wird plötz­lich ganz weich ums Herz, als er mei­nen Daddy er­wähnt. „Ja.“
„Grüß ihn von mir. Sag ihm, dass ich vor­ha­be, ihn bald zu be­su­chen.“ Malik hält die Tür knapp über mei­nem Kopf fest.
Ich schaue über meine Schul­ter und lä­che­le. Ich kann auf Malik wegen vie­ler Dinge wü­tend sein, aber er küm­mert sich um mei­nen Vater, als wäre er sein ei­ge­ner. Und das al­lein be­deu­tet mir schon alles. „Das werde ich.“ Ich drehe mich um, gehe zu mei­nem Bike und lasse Malik in der Tür ste­hen. Ich spüre, wie er mich be­ob­ach­tet, wäh­rend ich meine Ta­sche fest­schnal­le, mein Haar nach hin­ten strei­che, mei­nen Helm über den Kopf stül­pe und dann mein Bein über mein Mo­tor­rad schwin­ge.
„Vayda“, ruft Malik, und ich sehe ihn an. „Pass auf dich auf.“
„Immer.“

Nach stun­den­lan­ger Fahrt er­rei­che ich Scotts Stand­ort, nicht sein Zu­hau­se, son­dern seine Ein­satz­zen­tra­le. Mir fal­len auch die drei an­de­ren Fahr­zeu­ge auf, die in der Nähe ge­parkt haben, und ich weiß so­fort, mit wem ich bei die­sem Auf­trag zu­sam­men­ar­bei­te. Nach­dem ich mein Mo­tor­rad neben sei­nem schwar­zen Jeep ge­parkt habe, steue­re ich auf den Sei­ten­ein­gang des Ge­bäu­des zu und drü­cke den Knopf einer Tür­klin­gel, die mit einer Ka­me­ra aus­ge­stat­tet ist.
Eine tiefe Stim­me er­tönt aus dem Laut­spre­cher. „Was immer du ver­kaufst, ich will es, Süße.“ Ich bre­che in La­chen aus, dann höre ich, wie die Tür­schlös­ser ent­rie­gelt wer­den, und ziehe sie auf. Drin­nen sehe ich Tra­vis alias Cow­boy, der sich in sei­nem Stuhl zu­rück­lehnt und seine Stie­fel auf die Tisch­plat­te vor den Si­cher­heits­mo­ni­to­ren ge­legt hat. Er wirft mir einen Blick zu, bevor er auf­steht. „Es ist schon eine Weile her. Wie geht’s dir, Süße?“ Er be­grüßt mich mit einem war­men Lä­cheln, bevor er mich um­armt.
„Mir geht es gut.“
„Oh, ver­dammt.“ Eine an­de­re Stim­me hallt von der Be­ton­wand wider. Ich drehe mich um und sehe Burks, den wir Pre­acher nen­nen, weil er die Bibel immer bei sich trägt. Hin­ter ihm be­tritt Thor­stad den Raum, aber seine Freun­de nen­nen ihn Thor. „Te­qui­la.“ Pre­acher kommt auf uns zu, und ich schen­ke ihm ein Lä­cheln.
„Pre­acher, ich dach­te, du wür­dest deine Stie­fel an den Nagel hän­gen“, er­wäh­ne ich, weil ich weiß, dass die Krank­heit sei­ner Schwes­ter ihren Tri­but ge­for­dert hat. Und da ich weiß, dass Krebs die ganze Fa­mi­lie zer­rüt­ten kann, würde ich es ver­ste­hen, wenn er sich end­gül­tig von all dem zu­rück­zie­hen würde.
„Jetzt, wo Ariel auf die Be­hand­lung an­spricht, hat sie dar­auf be­stan­den, dass ich wie­der raus­ge­he.“ Seine Augen leuch­ten auf, wenn er an sie denkt, und mein Herz schmerzt ein wenig, weil ich diese Ver­bin­dung zu Da­mi­en ver­mis­se.
„Deine Schwes­ter ist eine star­ke, junge Frau. Wenn ir­gend­je­mand dem Krebs in den Hin­tern tre­ten kann, dann sie“, sage ich von gan­zem Her­zen. Ich werfe einen Blick über Pre­achers Schul­ter und winke Thor zu. „Hey, Gro­ßer.“
„Schön, dich zu sehen, Te­qui­la.“ Er nickt kurz.
„Nun, da ihr vier euer rühr­se­li­ges Wie­der­se­hen hin­ter euch habt, lasst uns die Show be­gin­nen.“ Scott be­tritt den Raum mit einem Sech­ser­pack Bier in der einen und einem Sta­pel Do­ku­men­te in der an­de­ren Hand. Als wir uns um den klei­nen Kar­ten­tisch in der Mitte des Raums ver­sam­melt haben, reicht Scott die Fla­schen herum, wäh­rend wir die Stüh­le her­an­zie­hen und Platz neh­men. Dann hän­digt er jedem von uns einen Ak­ten­ord­ner aus. „Sa­tel­li­ten­bil­der schei­nen ein klei­nes Lager des Kar­tells in Me­xi­ko auf der an­de­ren Seite des Rio Gran­de zu zei­gen. Eine un­se­rer Quel­len sagt uns, dass sie meh­re­re junge Frau­en haben, die der­zeit an die­sem Ort fest­ge­hal­ten wer­den.“
„Die­ser ver­damm­te Hau­fen mensch­li­cher Schei­ße macht mich krank.“ Cow­boy schaut fins­ter drein, wäh­rend er die Bil­der durch­geht. Junge Mäd­chen, die nicht älter als acht­zehn zu sein schei­nen und auf die Waf­fen ge­rich­tet sind, wäh­rend sie in ein altes La­ger­ge­bäu­de ge­führt wer­den. „Ich würde sie am liebs­ten alle fes­seln, kas­trie­ren, ihnen die Schwän­ze in den Hals ste­cken und zu­se­hen, wie sie daran er­sti­cken“, wet­tert er und schließt den Ord­ner.
„Aber die Frau­en sind nicht der Grund für diese Mis­si­on. Zu­min­dest nicht an ers­ter Stel­le für un­se­re Kun­den“, fährt Scott fort und wir alle vier sind ent­rüs­tet.
„Was zum Teu­fel, Scott?“, wet­te­re ich.
Er hebt die Hand zur Be­schwich­ti­gung. „Hört zu. Wir wis­sen alle, dass die Be­frei­ung der Frau­en obers­te Prio­ri­tät hat, aber diese Män­ner sind Teil einer viel grö­ße­ren Or­ga­ni­sa­ti­on. Der An­füh­rer selbst, Ar­turo Cor­tez, be­sitzt das frag­li­che Grund­stück“, klärt Scott uns auf.
„Ar­turo The But­cher Cor­tez, der Schläch­ter?“ Ich bli­cke von den Luft­bil­dern auf, die vor mir lie­gen. Mir ge­friert das Blut in den Adern. Die­ser Kerl ist skru­pel­los. Man nennt ihn den Schläch­ter, weil er alle ab­schlach­tet, die ihm in die Quere kom­men. Man mun­kelt, dass er auch dafür be­zahlt wird. Der kran­ke Wich­ser.
„Genau“, be­stä­tigt Scott. „Er hält diese Frau­en di­rekt in sei­nem ei­ge­nen Hin­ter­hof fest. Wir holen nicht nur die Frau­en da raus, son­dern neh­men ihn auch noch fest. Wir schal­ten einen der drei größ­ten Dro­gen­ba­ro­ne und Men­schen­händ­ler der Welt aus.“ Wir schau­en uns alle an. Das ist eine ver­dammt große Sache. Diese Mis­si­on ist viel mehr als nur eine ein­fa­che Ret­tungs­ak­ti­on. Wir wer­den ge­be­ten, dabei zu hel­fen, eines der größ­ten Kar­tel­le der Ge­schich­te zu zer­schla­gen.
Nach­dem ich die nächs­ten Stun­den damit ver­bracht habe, jedes De­tail un­se­rer Mis­si­on durch­zu­ge­hen, be­kom­me ich die Er­laub­nis, für ein paar Stun­den zu ver­schwin­den, bevor es los­geht.

Ich schwin­ge mich auf mein Mo­tor­rad und fahre fünf­und­drei­ßig Mi­nu­ten, bis ich in eine ver­trau­te Ein­fahrt ein­bie­ge. Die Haus­tür öff­net sich, bevor ich den Motor ab­stel­len kann, und mein Vater tritt auf die Ve­ran­da hin­aus. Mein gan­zes Wesen ent­spannt sich in dem Mo­ment, in dem ich die Trep­pe hin­auf und in seine war­ten­den Arme laufe. „Hey, Daddy.“
„Hey, Pump­kin. Ich habe mich schon ge­fragt, wann du mich be­su­chen kommst.“ Bei sei­nem Ko­se­na­men für mich muss ich lä­cheln. Pump­kin, klei­ner Kür­bis, seit ich den­ken kann, hat er mich so ge­nannt. Er drückt mich noch ein­mal, bevor er sich von mir löst. „Lass mich dich mal an­se­hen.“
„Ich sehe auch nicht an­ders aus als vor vier Wo­chen.“ Ich lache, dann werde ich düs­ter. „Ich kann nicht lange blei­ben.“ Mein Vater sieht mich einen Mo­ment lang an und war­tet dar­auf, dass ich mehr In­for­ma­tio­nen preis­ge­be. „Ich fahre gleich mor­gen früh.“ Er weiß von mei­ner Ar­beit, und als Ex-Mi­li­tär weiß er auch, dass ich nicht wei­ter dar­über spre­chen kann.
„Ich habe noch Reste im Kühl­schrank. Bleib we­nigs­tens zum Abend­es­sen.“ Er geht hin­ein, und ich folge ihm. „Wie geht es Scott?“, fragt er, als ich die Tür schlie­ße und ihm in die Küche folge.
„Es geht ihm gut.“
Dad nickt, wäh­rend er in den Kühl­schrank greift und die übrig ge­blie­be­nen Ripp­chen und eine Schüs­sel mit Mak­ka­ro­ni und Käse her­aus­holt. „Wie war New Or­leans? Und Malik?“
Und da ist sie. Ich hatte mich schon ge­fragt, wie lange es dau­ern würde, bis er diese Frage stellt. „Es war toll“, sage ich mit etwas zu viel Zy­nis­mus im Ton. „Malik lässt grü­ßen und will uns bald be­su­chen.“
Mein Vater seufzt. „Das geht schon viel zu lange so, Pump­kin. Ich weiß nicht, was zwi­schen dir und Malik los ist, aber ich wünsch­te, ihr wür­det das klä­ren.“
„Zwi­schen uns ist nichts, Daddy.“
„Blöd­sinn.“ Er stellt un­se­re Tel­ler auf den Tisch, nach­dem er sie in der Mi­kro­wel­le auf­ge­wärmt hat, und war­tet, bis ich Platz ge­nom­men habe. „Da ist etwas zwi­schen euch bei­den. Ich höre es an eurer Stim­me, wenn ihr über die an­de­re Per­son sprecht.“
Ich hebe meine Gabel an. „Daddy, ich bin nicht hier, um mir einen Vor­trag über Malik an­zu­hö­ren“, sage ich ein wenig zu frech.
„Vayda.“ Mein Vater wirft mir einen Blick zu, den ich nur zu gut kenne, um mir zu sagen, dass ich mich zü­geln soll.
„Tut mir leid, Daddy.“
Er legt seine Hand auf mei­nen Arm. „Pump­kin. Ihr kennt euch schon sehr lange. Was auch immer es ist, räumt es aus dem Weg. Malik ist ein guter Mensch. Er wird es viel­leicht nie zu­ge­ben, aber eure Freund­schaft ist ihm wich­tig.“
Ich denke über seine Worte nach, wäh­rend wir essen. Ich wünsch­te, es wäre so ein­fach. Mein Vater hat recht. Malik ist ein guter Mann, das war er schon immer. Aber Malik kämpft gegen das, was wir beide wol­len. Er läuft vor sei­nen Ge­füh­len davon – vor mir. Und so gerne ich das auch mei­nem Vater er­zäh­len würde, ich kann es nicht.

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