Pittsburgh Titans: Camden

Ori­gi­nal­ti­tel: Cam­den: A Pitts­burgh Ti­tans Team Novel
Über­set­zer: Joy Fra­ser

Er­schie­nen: 11/2023
Serie: Pitts­burgh Ti­tans
Teil der Serie: 8

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Sport Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Pitts­burgh


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-644-7
ebook: 978-3-86495-645-4

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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und allen gän­gi­gen On­line­händ­lern und im Buch­han­del

Pittsburgh Titans: Camden


In­halts­an­ga­be

Cam­den Poe ist der letz­te der drei Spie­ler, die in der Nacht des Un­glücks nicht im Mann­schafts­flug­zeug saßen. Nach außen hin hat er sich gut an das Leben nach dem Crash ge­wöhnt, aber in­ner­lich ringt er mit Schuld­ge­füh­len.

Die Ka­ta­stro­phe, bei der die Pitts­burgh Ti­tans ums Leben kamen, hat meine ganze Welt ver­än­dert. Meine Mann­schafts­ka­me­ra­den waren mehr als nur meine Freun­de - sie waren meine Brü­der. Ich habe mit dem Rest der Na­ti­on um sie ge­trau­ert, aber dann habe ich das getan, was man mir bei­ge­bracht hat ... ich habe wei­ter­ge­macht. Ich kon­zen­trier­te mich dar­auf, mit dem neu auf­ge­bau­ten Team auf das Eis zu­rück­zu­keh­ren und die Tra­gö­die hin­ter mir zu las­sen. In An­be­tracht der Um­stän­de habe ich mich gut an­ge­passt. Zu­min­dest dach­te ich das. Jetzt werde ich von Alb­träu­men ge­plagt und mein Spiel hat dar­un­ter ge­lit­ten. An­ge­sichts des Ri­si­kos, mei­nen Platz im Team zu ver­lie­ren, muss ich mich zu­sam­men­rei­ßen, und zwar schnell.

Mein Kum­pel und Team­kol­le­ge Mitch Brandt ist bei dem Un­fall ums Leben ge­kom­men und hat seine Frau Da­ni­ca und sei­nen Sohn Tra­vis zu­rück­ge­las­sen, die vor den Trüm­mern ihres Le­bens ste­hen. Nach­dem ich Da­ni­ca bei einer Selbst­hil­fe­grup­pe wie­der­ge­trof­fen habe, will ich ihr und ihrem Sohn hel­fen. Was als Freund­schaft be­ginnt, wird zu mehr - und wir stel­len uns die Frage, ob wir diese Chan­ce ver­dient haben.

Ich bin und her ge­ris­sen zwi­schen dem Ge­fühl, dass ich mich in eine un­glaub­li­che Frau ver­liebt habe, und dass diese Frau aus­ge­rech­net die Witwe mei­nes toten Freun­des ist. Doch mit Da­ni­ca habe ich mei­nen in­ne­ren Frie­den zu­rück­ge­won­nen. Jetzt muss ich das Selbst­ver­trau­en in mir selbst fin­den, um meine Un­si­cher­hei­ten zu über­win­den und ihr zu ver­deut­li­chen, wie wich­tig sie mir ist. Denn wenn ich das nicht tue, ver­lie­re ich das Ein­zi­ge, was mich wirk­lich glück­lich macht.

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der Pitts­burgh Ti­tans Serie

Le­se­pro­be

Da­ni­ca

Ich stehe vom Tisch auf, nehme meine leere Was­ser­fla­sche und werfe sie in den Pa­pier­korb. Ich beuge mich nach hin­ten, die Hände in die Hüf­ten ge­stemmt, und stöh­ne auf, als mich die Mus­keln in mei­nem schmer­zen­den Rü­cken an­schrei­en, bevor meine Wir­bel­säu­le knackt. Ich habe am Kü­chen­tisch ge­ses­sen und ge­ar­bei­tet, und der Stuhl ist in kei­ner Weise er­go­no­misch güns­tig.
Mein Magen knurrt, und ich sehe, dass es fast Mit­tag ist. Ich habe nicht ge­früh­stückt, weil mir die Zeit ent­glit­ten ist. Das pas­siert in letz­ter Zeit häu­fig, da ich einen Voll­zeit­job habe, den ich wäh­rend der Ar­beit erst lerne, ein Kind al­lein...

...​erziehe, das Haus sau­ber hal­ten muss und dafür sorge, dass die Mahl­zei­ten ei­ni­ger­ma­ßen re­gel­mä­ßig und ge­sund sind. Wenn das alles er­le­digt ist, bleibt nur noch wenig Zeit, und an man­chen Tagen ver­ges­se ich bis zum Abend­es­sen, zu essen.
Na­tür­lich mache ich das nor­ma­ler­wei­se wie­der wett, indem ich etwas esse, was mir über­haupt nicht gut­tut, wie zum Bei­spiel einen gro­ßen Tel­ler Nu­deln, und dann fühle ich mich be­schis­sen. Ich bin über­rascht, dass mein Kör­per in den ver­gan­ge­nen Wo­chen noch nicht re­bel­liert hat, wäh­rend ich ver­sucht habe, alles unter einen Hut zu brin­gen.
We­nigs­tens trin­ke ich Was­ser, aber nur, weil ich auf mei­nem Handy einen stünd­li­chen Alarm ein­ge­stellt habe, der mich ans Trin­ken er­in­nert. Ich dach­te, dass die­ser Alarm mich auch zum Essen an­spor­nen würde, aber bis­her hat das nicht funk­tio­niert. Wenn der Alarm er­tönt, nehme ich pflicht­be­wusst die Was­ser­fla­sche in die Hand und trin­ke. Und wenn ich ge­ra­de mit etwas be­schäf­tigt bin, er­tap­pe ich mich dabei, dass ich mir sage: „Du machst dir ein Sand­wich, wenn du mit die­ser einen Sache fer­tig bist.“ Drei Stun­den spä­ter stel­le ich dann fest, dass ich nichts ge­ges­sen habe und mein Magen droht, sich selbst zu ver­dau­en.
Ich gehe an die Trep­pe und rufe nach oben. „Tra­vis, Mit­tag­es­sen?“
Er ant­wor­tet nicht.
„Tra­vis!“
Nichts.
Mit einem Seuf­zer stap­fe ich die stei­le Trep­pe hin­auf, ein Mar­ken­zei­chen der Rei­hen­häu­ser aus dem frü­hen zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert. Die Stu­fen knar­ren und äch­zen. Daran muss­te ich mich erst ein­mal ge­wöh­nen, als wir ein­zo­gen. Es war ein ziem­li­cher Kul­tur­schock, von un­se­rem mo­der­nen Haus in die­ses klei­ne zwei­stö­cki­ge Rei­hen­haus mit nicht fer­tig aus­ge­bau­tem Kel­ler zu zie­hen, aber ich habe sei­nen Charme zu schät­zen ge­lernt.
Tra­vis’ Schlaf­zim­mer ist die erste Tür rechts, und an der Au­ßen­sei­te ist eine Tafel an­ge­bracht, auf der in gro­ßen Block­buch­sta­ben „NICHT STÖ­REN“ steht.
Ich igno­rie­re den Be­fehl und klop­fe an die Tür, bevor ich sie einen Spalt weit öffne, um hin­ein­zu­spä­hen. Tra­vis hat Kopf­hö­rer auf und spielt ein Vi­deo­spiel. Ich trete ein und er be­merkt mich aus dem Au­gen­win­kel.
Er nimmt die Kopf­hö­rer ab. „Was gibt’s?“
„Ich will Mit­tag­es­sen ma­chen. Da ich das Früh­stück ver­passt habe und du nur eine Schüs­sel Müsli hat­test, dach­te ich an French Toast mit Speck. Klingt das gut?“
„Yep. Ruf mich, wenn es fer­tig ist.“
„Okay.“
Tra­vis hat den gan­zen Vor­mit­tag damit ver­bracht, drau­ßen im Neu­schnee zu spie­len, der über Nacht ge­fal­len ist. Es waren ins­ge­samt nur etwa fünf Zen­ti­me­ter, aber genug, dass Tra­vis und ich einen re­spek­ta­blen Schnee­mann im Gar­ten bauen konn­ten.
In der Küche nehme ich das fri­sche Brot her­aus und lege es auf das Schnei­de­brett. Ich suche nach mei­nem ge­zack­ten Brot­mes­ser, als mein Te­le­fon mit einer ein­ge­hen­den Nach­richt klin­gelt. Ich grei­fe in meine Ho­sen­ta­sche und sehe, dass sie von Cam­den ist, was mich selt­sa­mer­wei­se leicht wu­schig macht.

Cam­den: Hast du mal eine Schnee­schau­fel für mich?

Ich ziehe die Au­gen­brau­en zu­sam­men und über­le­ge, warum in aller Welt er sich eine Schnee­schau­fel von mir lei­hen will. Ich dach­te, er wohnt in einer Ei­gen­tums­woh­nung in der In­nen­stadt, aber ich könn­te mich irren. Viel­leicht hat er ein Haus ge­kauft. Wenn das der Fall ist, warum soll­te er dann nicht ein­fach selbst eine Schau­fel kau­fen?

Ich: Ja, na­tür­lich.

Dann füge ich ein Emoji mit einem lä­cheln­den Ge­sicht hinzu.

Seine Ant­wort kommt schnell.

Cam­den: Wo ist deine Schau­fel?

Ich lehne mich mit der Hüfte an den Tre­sen und über­le­ge, was Cam­den wohl vor­hat. Mir fällt nichts ein, also frage ich ihn.

Ich: Warum willst du das wis­sen?

Cam­den: Weil ich auf dei­ner Ve­ran­da stehe und sie für dich frei­schau­feln möch­te.

Ich fühle mich wie elek­tri­siert. Ich eile zur Haus­tür und werfe mein Handy im Vor­bei­ge­hen auf den Kü­chen­tisch. Tat­säch­lich sehe ich durch die mit Eis­blu­men be­schla­ge­nen Glas­schei­ben eine brei­te Ge­stalt vor der Tür. Ich reiße die Tür auf und sehe Cam­den, der mich an­grinst. „Was machst du denn hier?“, frage ich er­staunt.
„Ich will deine Trep­pe zur Ve­ran­da frei­schau­feln. Die ist eine Ge­fahr. Je­mand könn­te aus­rut­schen und sich den Hals bre­chen.“
„Das ist lieb von dir, aber wir gehen gar nicht durch die Vor­der­tür. Wir kom­men durch die Hin­ter­tür rein.“
„Das mag stim­men, aber ich wette, du hast auch eine Hin­ter­trep­pe, die frei­ge­schau­felt wer­den muss, nicht wahr? Au­ßer­dem hast du eine Ga­ra­ge, und ich wette, dass der Schnee vor dem Tor auch ge­räumt wer­den muss, damit du mor­gen raus­fah­ren kannst. Also werde ich das gleich mit er­le­di­gen.“
Ich bin über­wäl­tigt, dass er so freund­lich ist, mir auf diese Weise zu hel­fen. „Das musst du nicht tun.“
„Un­sinn“, sagt er und tritt über die Schwel­le, was mich ein paar Schrit­te zu­rück­drängt. Er schließt die Tür und schaut auf seine Stie­fel hin­un­ter. Sie sind mit Schnee be­deckt, der auf mei­nen Tep­pich fällt. „Das tut mir leid. Ich hätte den Schnee ab­strei­fen sol­len, aber da er bis zur Tür reicht, ist das ziem­lich schwie­rig.“
Ich lache und schüt­te­le den Kopf. „Du bist ver­rückt.“
„Ich bin ent­schlos­sen“, er­wi­dert er. „Wo ist die Schau­fel?“
„In der Ga­ra­ge“, sage ich und zeige über meine Schul­ter in Rich­tung der Hin­ter­tür in der Küche. Sie führt in einen klei­nen ein­ge­zäun­ten Gar­ten, der sich zwi­schen dem Haus und der frei­ste­hen­den Ga­ra­ge in der hin­te­ren Gasse be­fin­det.
„Per­fekt.“ Er lä­chelt, mit wei­ßen, ge­ra­den Zäh­nen wie ein Film­star, der nie das Elend eines Schlag­schus­ses ins Ge­sicht er­lebt hat.
Er fühlt sich wie zu Hause und geht zur Hin­ter­tür. Als er sie öff­nen will, komme ich end­lich wie­der zu mir. „Ich mache ge­ra­de French Toast. Magst du mit­es­sen?“
„Das wäre toll“, sagt er, ohne mich an­zu­se­hen. „Ruf mich ein­fach, wenn es fer­tig ist.“
Und dann ist er ver­schwun­den.
„Alle wol­len, dass ich sie rufe, wenn das Essen fer­tig ist“, mur­me­le ich, aber in­ner­lich ki­che­re ich.
Durch das Kü­chen­fens­ter kann ich Cam­den dabei be­ob­ach­ten, wie er meine Hin­ter­trep­pe vom Schnee be­freit, ver­mut­lich nach­dem er vor dem Ga­ra­gen­tor ge­schau­felt hat, das ich aus die­ser Po­si­ti­on nicht sehen kann.
Der Speck ist fer­tig, und ich bin ge­ra­de dabei, das Brot in die Ei­mas­se zu tun­ken, als er die Hin­ter­tür öff­net.
„Was da­ge­gen, wenn ich die vor­de­re Trep­pe mache? Ich werde ein paar Schnee­ber­ge hin­ter­las­sen.“
„Na­tür­lich habe ich nichts da­ge­gen“, sage ich und winke ihn her­ein. „Aber lass die Schau­fel drau­ßen und zieh deine Stie­fel aus. Es wird nicht lange dau­ern, bis ich die erste La­dung French Toast fer­tig habe, und du kannst erst essen, bevor du wie­der raus­gehst.“
„Klingt gut.“
Er zieht seine Hand­schu­he und seine Strick­müt­ze aus. Sein braun-blon­des Haar steht in ver­schie­de­ne Rich­tun­gen vom Kopf ab und die Mut­ter in mir möch­te es glät­ten. Das Fun­keln in sei­nen brau­nen Augen zeugt von sei­ner le­bens­lus­ti­gen Art, die ich jedes Mal sehe, wenn ich Tra­vis an­se­he. Der Frau in mir ist je­doch sehr wohl be­wusst, dass Cam­den kein Junge mehr ist.
„Was willst du trin­ken?“, frage ich, als er seine Jacke aus­zieht und sie über die Lehne eines Kü­chen­stuhls hängt.
„Hast du Kaf­fee?“
„Klar. Ich mache eine Kanne.“
„Das kann ich über­neh­men“, sagt er leicht­hin.
Wäh­rend Cam­den Kaf­fee auf­setzt, lege ich die di­cken Brot­schei­ben auf die elek­tri­sche Grill­plat­te. Wäh­rend der Kaf­fee brüht, lehnt sich Cam­den mit ver­schränk­ten Armen an den Tre­sen und sieht mir zu.
„Wo ist Tra­vis?“, fragt er.
Ich nicke nach oben. „Er spielt ein Vi­deo­spiel.“
„Ich nehme an, er hat den Mor­gen drau­ßen ver­bracht. Ich habe den Schnee­mann ge­se­hen.“
„Das war eine ge­mein­sa­me Leis­tung. Aber ich muss­te noch etwas ar­bei­ten, und er war froh, eine Weile vor dem Bild­schirm zu sit­zen. Ich bin si­cher, er wird spä­ter wie­der raus­ge­hen.“
Ich schaf­fe es, vier Schei­ben Toast auf die Grill­plat­te zu legen, als Cam­den sagt: „Darf ich dir eine per­sön­li­che Frage stel­len?“
Das er­schreckt mich so sehr, dass ich zu­sam­men­zu­cke. Nicht, dass ich mich ver­schlos­sen oder gar ab­ge­schreckt fühle, aber das habe ich nicht er­war­tet, schon gar nicht mit die­sem lei­sen Ton der Be­sorg­nis.
„Na klar“, ant­wor­te ich.
Cam­den brei­tet seine Arme aus und stützt sich mit den Hand­flä­chen auf den Tre­sen neben sei­nen Hüf­ten. Er blickt sich im Haus um und be­geg­net dann mei­nem Blick. „Geht es dir gut?“
Ich neige den Kopf, denn gut ist in mei­nem Leben ein sub­jek­ti­ver Be­griff. „Wie meinst du das?“
Sein Lä­cheln ist leicht ge­quält. „Es geht mich wahr­schein­lich nichts an, aber mir ist auf­ge­fal­len, wie sehr sich dein Le­bens­stil seit Mitchs Tod ver­än­dert hat. Frü­her hast du in einem präch­ti­gen Haus ge­wohnt und einen gro­ßen Wagen ge­fah­ren. Aber jetzt nicht mehr. Also frage ich mich, ob es dir fi­nan­zi­ell gut geht oder ob du Hilfe brauchst.“
Hitze krib­belt in mir und ver­brennt fast meine Wan­gen. Un­will­kür­lich neige ich den Kopf und wende mich wie­der dem French Toast zu. Mit dem Pfan­nen­wen­der hebe ich eine Ecke des Toasts an, um zu sehen, wie braun er ist. Er ist noch nicht be­reit zum Wen­den, was be­deu­tet, dass ich mich nicht damit be­schäf­ti­gen kann, sei­ner Frage aus­zu­wei­chen.
Mein Zö­gern ver­an­lasst ihn, hin­zu­zu­fü­gen: „Sag mir, wenn ich die Klap­pe hal­ten soll, Dani. Ich will nichts in dich hin­ein­in­ter­pre­tie­ren, ich will nur wis­sen, ob es dir gut geht.“
Ich atme tief durch und drehe den Kopf in seine Rich­tung. „Wir waren fi­nan­zi­ell nicht gut vor­be­rei­tet, als Mitch starb, also muss­te ich ein paar Än­de­run­gen vor­neh­men.“
Cam­den run­zelt die Stirn, und ich bin si­cher, er ist ver­wirrt. Er weiß ver­dammt gut, was Mitch als Pro­fi­sport­ler ver­dient hat. „Was meinst du?“
„Wir hat­ten un­se­re Tes­ta­men­te ge­macht und eine Le­bens­ver­si­che­rung ab­ge­schlos­sen. Für all das war ge­sorgt, aber nie­mand spricht über die prak­ti­schen Fol­gen des Todes. Sagen wir ein­fach, ich war nicht dar­auf vor­be­rei­tet, ohne ihn fi­nan­zi­ell zu über­le­ben.“
Cam­den sagt nichts, son­dern be­trach­tet mich mit of­fe­ner Neu­gier­de, die mit Be­sorg­nis ver­bun­den ist.
„Wir hat­ten na­tür­lich Geld. Du weißt am bes­ten, wie hoch das Ge­halt von Mitch war. Aber wir haben in un­se­rer jun­gen Ehe nicht die klügs­ten Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen, was wir mit die­sem Geld ge­macht haben. Es gab viel zu viele Rech­nun­gen, viele Ex­tra­va­gan­zen. Als er starb, war ich ohne Ein­kom­men und konn­te den­sel­ben Le­bens­stil nicht mehr auf­recht­er­hal­ten.“
Sein Kie­fer spannt sich an. „Du hast das Haus in Ed­ge­worth ver­kauft, weil du es dir nicht mehr leis­ten konn­test?“
„Wenn es nur das Haus ge­we­sen wäre, wäre es ein­fa­cher ge­we­sen, aber wir hat­ten das Strand­haus unten in North Ca­ro­li­na und die Ei­gen­tums­woh­nung in Lake Tahoe. Mitch hatte seine prot­zi­gen Autos und er kauf­te mir viel zu teu­ren Schmuck. Also habe ich das alles ver­kauft.“
„Die Autos auch?“, fragt er.
Er weiß genau, dass Mitch eine Ga­ra­ge mit fünf Autos hatte, dar­un­ter ein Aston Mar­tin Vul­can, ein Lam­bor­ghi­ni Urus und ein 67er Ford Mus­tang Shel­by. Das waren seine Spaß­au­tos. Im All­tag fuhr er einen Range Rover und ich fahre einen Esca­la­de.
„Al­lein die Raten für das Auto und die Ver­si­che­rung wür­den mein der­zei­ti­ges Ge­halt auf­fres­sen. Wenn ich dann noch drei Häu­ser zu un­ter­hal­ten hätte, könn­te ich nicht über­le­ben.“
Cam­den nickt, ein lang­sa­mes, be­stä­ti­gen­des Ni­cken. „Dann war es gut, dass du das getan hast.“
Ich schaue unter die Ecke des ge­bra­te­nen Toasts und halte ihn für be­reit zum Wen­den. Mit dem Blick auf die Auf­ga­be, die vor mir liegt, fällt es mir leich­ter, zu spre­chen. „Ich hätte noch ein paar Jahre lang von den Er­trä­gen der Le­bens­ver­si­che­rung leben kön­nen, aber ich war lang­fris­tig ori­en­tiert und wuss­te, dass ich das nicht würde durch­hal­ten kön­nen. Ich muss­te mich auf das Wich­tigs­te be­schrän­ken, und das war, Tra­vis auf eine gute Schu­le zu schi­cken und einen Col­le­ge-Fonds an­zu­le­gen.“ Ich schaue zu Cam­den hin­über und lä­che­le. „Wir hat­ten nicht ein­mal einen Col­le­ge-Fonds für ihn, weil wir davon aus­gin­gen, dass wir immer genug Geld haben wür­den, um einen Scheck aus­stel­len zu kön­nen, wo auch immer er spä­ter stu­die­ren woll­te.“
Er er­wi­dert mein Lä­cheln ver­ständ­nis­voll. „Hin­ter­her ist man immer klü­ger, nicht wahr?“
„Ja“, ant­wor­te ich leise und wende mich wie­der dem French Toast zu. „Ich dach­te, wir wür­den das Rich­ti­ge tun. Wir haben viel Geld in die Al­ters­vor­sor­ge ge­steckt, aber das kann man nicht auf­lö­sen, ohne eine Stra­fe zah­len zu müs­sen. Und wir hat­ten ei­ni­ge Er­spar­nis­se, aber das meis­te Geld steck­te in den Häu­sern, und die Autos waren fi­nan­ziert. Es ist so al­bern, das jetzt zu sagen, aber wir sahen keine Ge­fahr darin, unser Geld aus­zu­ge­ben.“
„Ich bin neu­gie­rig“, sagt er und wirft einen kur­zen Blick auf die Kaf­fee­ma­schi­ne, um zu sehen, ob sie noch brüht. „Hast du nie daran ge­dacht, nach Mas­sa­chu­setts zu­rück­zu­keh­ren? Ich kenne ja eure Fa­mi­li­en. Ich weiß, dass sie dich gern wie­der dort ge­habt hät­ten. Sie hät­ten sich um dich ge­küm­mert, bis du wie­der auf den Bei­nen bist.“
Ich nicke und lä­che­le sanft. „Ich habe lange dar­über nach­ge­dacht, zu­rück­zu­ge­hen. Ver­dammt, ich denke immer noch dar­über nach. Meine El­tern und meine Schwes­ter Reba hät­ten es gern ge­se­hen, wenn ich nach Hause ge­kom­men wäre. Aber wir haben hier in Pitts­burgh Wur­zeln ge­schla­gen. Tra­vis liebt seine Schu­le, und Har­ring­ton ist so erst­klas­sig. Ich habe ein biss­chen ge­rech­net – und in Mathe war ich in der Schu­le immer sehr gut – und er­rech­net, was ich tun muss, um es hier zu schaf­fen. Also habe ich die Häu­ser, die Autos und den Schmuck ver­kauft und das Geld zu­sam­men mit der Le­bens­ver­si­che­rung zur Bank ge­bracht.“
Der Dau­men mei­ner lin­ken Hand reibt ab­we­send an mei­nem Ring­fin­ger. Der Ver­lo­bungs­ring und der Ehe­ring sind weg­ge­packt, zu­sam­men mit dem ein­zi­gen an­de­ren Schmuck­stück, das ich auf­be­wahrt habe. Ein Me­dail­lon, das Mitch mir zu mei­nem acht­zehn­ten Ge­burts­tag ge­schenkt hat.
„Ich finde es be­wun­derns­wert, wie du dich an­ge­passt hast, um deine Ziele zu er­rei­chen.“ Cam­den stößt sich von der Theke ab und stellt sich neben mich. Ich sehe auf und finde Trost in sei­nem Blick. „Ich wünsch­te, ich hätte es ge­wusst. Ich fühle mich schreck­lich, weil ich es nicht wuss­te, und das liegt an mir. Ich hätte hel­fen kön­nen. Ich kann dir immer noch hel­fen, wenn du es brauchst.“
Ohne dass ich es will, streckt sich meine Hand aus und sucht seine. „Du bist sehr lieb, aber ich würde das nie ver­lan­gen. Wenn du dich da­durch bes­ser fühlst, Bri­en­ne hat mir von An­fang an ge­hol­fen, alles zu re­geln. Sie hat mir Rat­schlä­ge ge­ge­ben, wie ich mich in eine star­ke fi­nan­zi­el­le Po­si­ti­on brin­gen kann, damit ich mich mit mei­ner Ent­schei­dung, hier­zu­blei­ben, wohl­füh­le.“
„Sie ist eine er­staun­li­che Frau. Sie hat viel für die ganze Or­ga­ni­sa­ti­on getan.“
„Das stimmt“, sage ich mit Be­wun­de­rung.
Cam­den kramt in einem Schrank nach Tas­sen, wäh­rend ich den French Toast auf einen Tel­ler lege. Schnell tau­che ich eine wei­te­re La­dung Brot in die Ei­mi­schung und lege sie auf die Grill­plat­te.
„Ich rufe Tra­vis“, sage ich, wäh­rend ich den Spa­tel ab­le­ge.
„Wie trinkst du dei­nen Kaf­fee?“, fragt Cam­den.
„Mit viel Sahne und Zu­cker.“
„Das ist nicht sehr spe­zi­fisch.“
Ich grin­se ihn an. „Sagen wir es mal so … es kann gar nicht genug davon drin sein.“
Cam­den rümpft die Nase. „Okay.“
Ich eile die Trep­pe hin­auf und nehme zwei Stu­fen auf ein­mal. Ich klop­fe kurz an und be­tre­te Tra­vis’ Zim­mer. Über­ra­schen­der­wei­se liegt er auf dem Bett und liest ein Buch. Mein Herz macht einen klei­nen Hüp­fer, denn Tra­vis liest nicht be­son­ders gern.
Er sieht mich an. „Ist das Essen fer­tig?“
„Ja. Und wir haben Über­ra­schungs­be­such.“
„Wer ist es denn?“, fragt Tra­vis und rollt sich vom Bett.
„Komm run­ter und sieh selbst.“
Tra­vis nimmt das als Her­aus­for­de­rung, stürmt an mir vor­bei und saust mit der Ge­schwin­dig­keit einer Lo­ko­mo­ti­ve die Trep­pe hin­un­ter. Ich bin kaum unten an­ge­kom­men, als ich ihn sagen höre:
„Cam­den! Was machst du denn hier?“
Als ich um die Ecke biege, sehe ich, wie sie sich mit einem Fis­t­bump be­grü­ßen.
„Ich bin ge­kom­men, um dei­ner Mut­ter beim Schnee­schau­feln zu hel­fen“, sagt Cam­den, wäh­rend er sich an den Tre­sen lehnt und an sei­nem Kaf­fee nippt. „Und bevor ich gehe, über­prü­fe ich noch die Rauch­mel­der. Ich zeige dir, wie man die Bat­te­ri­en wech­selt, dann kannst du das nächs­tes Jahr über­neh­men.“
„Wirk­lich?“, fragt Tra­vis.
Ich bin si­cher, dass die Vor­stel­lung, auf eine Lei­ter zu klet­tern, weit­aus mehr An­zie­hungs­kraft auf ihn hat, als mir lieb ist.
„Ich brin­ge dir auch bei, wie man Schnee schau­felt, nach­dem wir ge­ges­sen haben.“
Tra­vis ver­zieht das Ge­sicht und seine Ant­wort ist halb­her­zig. „Oh … okay.“
Cam­den lacht und sein Blick glei­tet zu mir hin­über. „Wenn du noch etwas im Haus brauchst, sag mir Be­scheid, bevor ich gehe. Ich über­le­ge mir dann, wann ich zu­rück­kom­me und mich darum küm­me­re.“
„Okay“, sage ich leise und mein Herz er­wärmt sich vor Dank­bar­keit. Ich gehe zur Grill­plat­te und nicke in Rich­tung Tisch. „Setz dich.“
Tra­vis fängt an, Cam­den das Ohr ab­zu­quas­seln, wäh­rend ich zwei Tel­ler mit French Toast und Speck be­la­de. Ich stel­le mich an die Plat­te und be­ar­bei­te die zu­sätz­li­chen Schei­ben, denn ich kenne den Ap­pe­tit mei­nes Soh­nes, und wenn Cam­dens Ap­pe­tit dem von Mitch äh­nelt, wer­den sie das alles ver­schlin­gen. Ich schaf­fe es, selbst zwei Schei­ben zu essen, wäh­rend ich koche.
Nach­dem wir fer­tig sind, räume ich die Küche auf, wäh­rend Tra­vis Cam­den mit der vor­de­ren Trep­pe hilft.
Als sie wie­der rein­kom­men, setze ich mich wie­der an mei­nen Lap­top, um wei­ter­zu­ar­bei­ten.
Sie sind mit­ten im Ge­spräch, und ich höre, was Cam­den sagt, als sie die Haus­tür schlie­ßen. „Er­in­ne­re mich beim Trai­ning diese Woche daran. Wir wer­den daran ar­bei­ten, wenn ich wie­der in der Stadt bin.“
„Super.“
Tra­vis’ Ge­sicht ist von der Kälte ge­rö­tet, aber ich kann sehen, wie seine Augen vor Freu­de dar­über auf­leuch­ten, mit Cam­den über Eis­ho­ckey zu reden. Das ver­ur­sacht einen win­zi­gen Schmerz in mei­ner Brust, denn das ist etwas, das ihm ge­fehlt hat.
Cam­den reicht Tra­vis die Schau­fel. „Tu mir einen Ge­fal­len, Kum­pel, und bring sie zu­rück in die Ga­ra­ge.“
„Okay“, sagt Tra­vis, wäh­rend er die Schau­fel nimmt und ich mich vom Tisch er­he­be.
Ich klop­fe ihm im Vor­bei­ge­hen auf den Hin­tern. „Gut ge­macht, Klei­ner.“
„Danke, Mom.“
Als Tra­vis durch die Hin­ter­tür ver­schwun­den ist, gehe ich auf Cam­den im Foyer zu. Er deu­tet mit dem Dau­men über die Schul­ter auf die Tür. „Ich gehe jetzt.“
„Ich kann dir nicht genug dafür dan­ken, dass du ge­kom­men bist, um den Schnee zu räu­men. Das war wirk­lich nett und un­er­war­tet und …“
Cam­den lä­chelt und winkt ab. „Ein Danke reicht völ­lig. Und du hast mir etwas zu essen ge­ge­ben, also habe ich das bes­se­re Ende er­wischt.“
La­chend neige ich den Kopf. „Nun, dann … vie­len Dank.“
„Je­der­zeit. Nächs­te Woche haben wir drei Aus­wärts­spie­le, der Zeit­plan ist also eng, aber wenn wir zu­rück­kom­men, haben wir sie­ben Tage am Stück spiel­frei. Wir wer­den trai­nie­ren, aber das ist eine gute Zeit für mich, um deine Bat­te­ri­en zu tau­schen …“
„Du musst das wirk­lich nicht …“, will ich sagen, aber Cam­dens Ge­sichts­aus­druck bringt mich dazu, den Mund zu schlie­ßen.
„Nimm das Hilfs­an­ge­bot ein­fach an, Dani“, schimpft Cam­den. „Das tun Freun­de nun mal für­ein­an­der, okay?“
Ich stoße einen Atem­zug aus und lache ner­vös. „Okay. Ich bin nicht gut darin, Hilfe an­zu­neh­men, also dop­pel­tes Dan­ke­schön.“
„Und deine Ga­ra­ge“, sagt er und nickt wie­der in Rich­tung Hin­ter­tür. „Sie ist eine To­des­fal­le mit den über­all ge­sta­pel­ten Kis­ten. Sie muss auf­ge­räumt wer­den. Auch dabei werde ich hel­fen.“
Ich schwei­ge einen Mo­ment und kämp­fe mit mei­nem Be­dürf­nis, stark zu sein und das An­ge­bot nicht an­zu­neh­men. Aber da ist noch die Frau in mir, die tat­säch­lich Hilfe braucht und ein auf­rich­ti­ges An­ge­bot er­kennt, wenn es ihr un­ter­brei­tet wird. „Ich bin wirk­lich froh, dass wir uns wie­der­ge­fun­den haben, Cam­den. Ich weiß zu schät­zen, was du tust, nicht nur um mir zu hel­fen, son­dern auch Tra­vis. Ich weiß, Mitch wäre dir sehr dank­bar.“
„Das freut mich“, sagt er und greift nach der Tür­klin­ke. „Mache eine Liste mit allem, was sonst noch getan wer­den muss. Ich küm­me­re mich nächs­te Woche darum.“
Ich ste­cke meine Hände in die Ge­säß­ta­schen mei­ner Jeans. „Wird ge­macht.“
Cam­den lä­chelt, nickt und macht sich auf den Weg zur Tür.
„Das Grup­pen­tref­fen fin­det heute Abend wie­der statt. Dies­mal bei Coach West zu Hause. Es wird eine Piz­za-Par­ty.“
„Ja, das hat er mir beim mor­gend­li­chen Trai­ning er­zählt. Aber ich habe schon etwas an­de­res vor.“
Im letz­ten Jahr hatte ich ver­ges­sen, was für ein guter Kerl Cam­den ist, da wir uns nicht oft ge­se­hen haben, und das hat er in der letz­ten Woche be­wie­sen, als er mir ge­hol­fen hat. Aber ich merke, dass er mehr als nur ein wenig zu­rück­hal­tend ist, wenn es um den Un­fall geht. Er hat sich letz­te Woche bei Stone nicht wohl­ge­fühlt und ver­mei­det de­fi­ni­tiv eine Rück­kehr. Aber es steht mir nicht zu, ihn zu ir­gend­et­was zu drän­gen, also schen­ke ich ihm ein Lä­cheln. „Klar. Kein Pro­blem. Ich hoffe, du weißt, dass du bei allen je­der­zeit will­kom­men bist.“
„Ja“, ant­wor­tet er un­be­küm­mert. „Ich gehe jetzt bes­ser.“
Ich hebe meine Hand zum Ab­schied und Cam­den geht hin­aus, wäh­rend Tra­vis durch die Hin­ter­tür stürmt.
„Hast du die Ga­ra­ge auch ab­ge­schlos­sen?“, frage ich.
„Ja. Kann ich wie­der hoch­ge­hen und Vi­deo­spie­le spie­len?“
„Wenn du deine Mom um­armst“, sage ich und schä­me mich nicht im Ge­rings­ten, Zu­nei­gung durch Er­pres­sung zu er­lan­gen.
Tra­vis ist gut ge­launt und kommt be­reit­wil­lig zu mir, mit einem Grin­sen im Ge­sicht.
„Ich liebe dich, Kum­pel.“
„Ich liebe dich auch, Mom“, ant­wor­tet er und legt sei­nen Kopf auf meine Schul­ter.
Nächs­tes Jahr um diese Zeit wird er so groß sein wie ich.

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