Pittsburgh Titans: Bain

Ori­gi­nal­ti­tel: Bain: A Pitts­burgh Ti­tans Novel
Über­set­zer: Joy Fra­ser

Er­schie­nen: 05/2024
Serie: Pitts­burgh Ti­tans
Teil der Serie: 9

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Sport Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Pitts­burgh


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-690-4
ebook: 978-3-86495-691-1

Preis:
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Pittsburgh Titans: Bain


In­halts­an­ga­be

Bain Hill­ridge ist neu bei den Ti­tans und baut Be­zie­hun­gen zu sei­nem neuen Team auf, so­wohl auf als auch neben dem Eis. Wenn er doch nur die Fin­ger von der klei­nen Schwes­ter sei­nes Team­kol­le­gen las­sen könn­te ...

Ob­wohl ich gerne für die Ari­zo­na Ven­ge­an­ce ge­spielt habe, bin ich be­geis­tert, ein Teil des Ver­mächt­nis­ses zu wer­den, das die Pitts­burgh Ti­tans auf­bau­en. Ich möch­te dem Team, das wie Phö­nix aus der Asche auf­er­stan­den ist, hel­fen, die Meis­ter­schaft zu ge­win­nen. Und ich freue mich auch dar­auf, Mit­glied einer neuen Eis­ho­ckey-Fa­mi­lie zu wer­den. Bei einem Abend mit mei­nen neuen Freun­den lerne ich die klei­ne Schwes­ter un­se­res Goa­lies, Drake McGinn, ken­nen, und ich kann ihr nicht wi­der­ste­hen.

Keira und ich füh­len uns so­fort zu­ein­an­der hin­ge­zo­gen und schnell geben wir un­se­rer Lei­den­schaft nach. Ob­wohl Drake seine Schwes­ter für tabu er­klärt hat, lasse ich mich nicht ab­schre­cken, denn ich be­kom­me grund­sätz­lich alles, was ich will. Ich höre nicht auf Dra­kes War­nun­gen und ge­nie­ße es sogar, ihn bei jeder Ge­le­gen­heit zu pro­vo­zie­ren. Das ist zu einem mei­ner Lieb­lings­hob­bys ge­wor­den, ab­ge­se­hen davon, seine Schwes­ter dazu zu brin­gen, im Bett mei­nen Namen zu schrei­en.

Als die Dinge mit Keira immer hei­ßer wer­den, ent­wi­ckeln sich Ge­füh­le, die die Sache etwas kom­pli­zier­ter ma­chen, als wir be­ab­sich­tigt hat­ten. Bis eines Tages etwas pas­siert, das un­se­rer Be­zie­hung eine eis­kal­te Du­sche ver­passt. Plötz­lich müs­sen wir neue Prio­ri­tä­ten set­zen, ob­wohl wir beide nie mehr woll­ten als eine heiße Af­fä­re. Doch noch ein­mal nimmt das Schick­sal eine an­de­re Wen­dung.

Vor schwie­ri­gen Ent­schei­dun­gen ste­hend, wis­sen Keira und ich, dass unser Leben nie wie­der so sein wird wie zuvor.

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der Pitts­burgh Ti­tans Serie

Le­se­pro­be

Kiera

„Ich bin müde, Tante Kiera.“
Jake zerrt an mei­ner Hand und sieht zu mir auf. Als äl­tes­ter von Dra­kes drei Jungs und im Alter von sie­ben Jah­ren ist er kein Jam­mer­lap­pen. Er hilft, sich um seine jün­ge­ren Zwil­lings­brü­der Colby und Tan­ner zu küm­mern. Aber man muss be­rück­sich­ti­gen, dass es für die Jungs an­stren­gend ist, ihrem Vater beim Eis­ho­ckey­spie­len zu­zu­se­hen. Die Kin­der gehen nicht zu vie­len Spie­len, vor allem, weil es dann sehr spät wird.
Doch bei Nach­mit­tags­spie­len am Wo­chen­en­de wie heute sieht Drake sie gern auf der Tri­bü­ne, und sie sind über­glück­lich, dabei zu sein. Drake hat vier Dau­er­sitz­plät­ze...

...​direkt hin­ter dem Tor der Ti­tans, das er zwei­mal wäh­rend eines Spiels ver­tei­digt. Im ers­ten und im drit­ten Drit­tel. So kann er den Jungs in den Wer­be­un­ter­bre­chun­gen zu­zwin­kern. Das ist zwar süß, aber sie dre­hen alle drei jedes Mal durch, wenn er das tut, und sind kaum wie­der zu be­ru­hi­gen.
Alle drei stan­den die ganze Zeit an der Ple­xi­glas­schei­be und sahen zu, wie ihr Vater einen Schuss nach dem an­de­ren ab­wehr­te. Lei­der gin­gen zwei Schüs­se ins Netz, und das ein­zi­ge Tor, das Stone Highs­mith im drit­ten Drit­tel er­ziel­te, reich­te nicht aus, um das Spiel zu ge­win­nen. Jetzt sind alle drei Jungs müde und schlecht ge­launt, weil Daddy ver­lo­ren hat.
Ich lege die Hände auf Col­bys und Tan­ners Rü­cken und führe sie durch die Fa­mi­li­en­lo­ge zu den Stüh­len und Sofas. „Setzt euch. Dad wird gleich da sein.“ So­bald die Jungs sit­zen, ent­sper­re ich mein Te­le­fon und über­ge­be es Jake. Er na­vi­giert ge­konnt zur Dis­ney+-App, wo ich ei­ni­ge Filme für sie her­un­ter­ge­la­den habe. Ich habe keine Ah­nung, wie El­tern oder Ba­by­sit­ter je­mals ohne diese Art der Kin­der­be­schäf­ti­gung über­lebt haben. „Wollt ihr etwas essen oder trin­ken?“ In der Fa­mi­li­en­lo­ge der Ti­tans gibt es ein Bü­fett und Ge­trän­ke für die Zeit vor und nach dem Spiel. Nor­ma­ler­wei­se kom­men die Spie­ler hier her, um ihre Fa­mi­li­en­mit­glie­der zu tref­fen. Bri­en­ne er­scheint oft vor dem Spiel und stellt sich den Leu­ten vor, die sie noch nicht kennt.
An Tagen wie die­sen, wenn die Jungs hier sind, er­war­te ich, dass sie jeden Mo­ment zur Über­ga­be kommt. Sie wird ein Auge auf die Kids haben, bis Drake ge­duscht ist, aber wahr­schein­lich gibt sie heute nach dem Spiel ein kur­zes In­ter­view.
„Kekse“, sagt Colby mit leuch­ten­den, hoff­nungs­vol­len Augen.
„Ka­rot­ten­stäb­chen“, ant­wor­te ich. Er rümpft die Nase. „Ich be­sor­ge euch einen Tel­ler, den ihr euch tei­len könnt.“ Ich weiß, dass Drake und Bri­en­ne mit den Jungs in einem Re­stau­rant zu Abend essen wer­den, also gebe ich le­dig­lich etwas Roh­kost auf einen Tel­ler und dazu einen Ranch-Dip, der sie zum Essen ani­mie­ren wird. Ich schnap­pe mir Was­ser­fla­schen und stel­le sie auf dem Couch­tisch ab. Die drei Jungs sind über mein Te­le­fon ge­beugt, schau­en Toy Story und igno­rie­ren das Essen.
Mein Magen knurrt, denn ich habe seit dem Mit­tag nichts zu mir ge­nom­men. Ich werde nicht mit der Bande zum Abend­es­sen aus­ge­hen. Bri­en­ne hat mich zwar ein­ge­la­den, doch ich habe ab­ge­lehnt, um ihnen mehr pri­va­te Zeit als Fa­mi­lie zu gön­nen. Weil ich die Er­satz­be­treue­rin der Jungs bin, bin ich so oft mit ihnen zu­sam­men, dass ich ver­su­che, ihnen so viel Raum wie mög­lich zur Fes­ti­gung ihrer Bin­dung zu geben. Es ist erst ein paar Wo­chen her, dass sie alle bei Bri­en­ne ein­ge­zo­gen sind. Die Jungs sol­len sich wohl und si­cher füh­len, vor allem, wenn man be­denkt, was ihre leib­li­che Mut­ter in den letz­ten Jah­ren alles durch­ein­an­der­ge­wir­belt hat. Es scheint, dass sie für immer fort ist, denn wir haben seit Mo­na­ten nichts mehr von ihr ge­hört.
Ich habe die Ein­la­dung zum Abend­es­sen auch des­halb ab­ge­lehnt, weil ich mich dar­auf freue, den Abend für mich zu haben. Die Ar­beits­wo­che be­ginnt mor­gen früh. Ich muss die Jungs nach der Schu­le ab­ho­len und auf sie auf­pas­sen, bis Bri­en­ne oder Drake nach Hause kom­men.
Das Beste ist, dass ich heute nicht ko­chen muss, weil es hier Essen gibt. Ich gehe zu­rück zum Bü­fett und sehe, wie ein Pär­chen das An­ge­bot be­trach­tet. Ein Mann und eine Frau, die Ende fünf­zig zu sein schei­nen. Ich habe sie hier noch nie ge­se­hen, aber sie könn­ten die El­tern von einem der Spie­ler sein.
„Hallo“, sage ich fröh­lich, wäh­rend ich mir einen lee­ren Tel­ler nehme.
Beide lä­cheln mich an und der Mann nickt zu den sil­ber­nen Be­häl­tern auf dem Bü­fett. „Das ist eine nette Idee. So etwas Ähn­li­ches wurde in Ari­zo­na auch ge­macht.“
„Aah“, sage ich mit einem wis­sen­den Blick. „Sie müs­sen Bains El­tern sein.“
Der su­per­hei­ße Eis­ho­ckey­spie­ler, mit dem ich vor ein paar Tagen auf der Weih­nachts­fei­er der Ti­tans ein in­ter­es­san­tes Ge­spräch hatte.
„Ja“, sagt sein Vater und hält mir die Hand hin. Sein Lä­cheln wird brei­ter. „Ich bin Dave Hill­ridge und das ist meine Frau Shei­la.“
Ich schüt­te­le ihre Hände. „Kiera McGinn. Drake ist mein Bru­der.“
Dave ver­zieht leicht den Mund. „Er hatte ein schwe­res Spiel.“
Das stimmt. Er muss­te acht­und­drei­ßig Tor­schüs­se ab­weh­ren, wäh­rend wir nur drei­ßig gegen un­se­ren Geg­ner ge­schafft haben. „Das ge­hört zum Spiel, nicht wahr? Aber Drake kann ziem­lich be­son­nen sein.“
„Unser Bain nicht“, sagt Shei­la und kommt näher, um zu flüs­tern. „Er nimmt das alles ziem­lich per­sön­lich.“
In­ter­es­sant. Ich habe eine ent­spann­te Aus­strah­lung von ihm emp­fan­gen, als wir uns tra­fen. Nicht, dass man nach einer Nie­der­la­ge wirk­lich ent­spannt sein könn­te. Der Wett­kampf­geist ist bei die­sen Jungs sehr aus­ge­prägt, aber schon in die­sen we­ni­gen Mi­nu­ten des gest­ri­gen Ge­sprächs konn­te ich fest­stel­len, dass Bain selbst­be­wusst und aus­ge­gli­chen ist. Ich nehme an, dass eine Nie­der­la­ge trotz­dem schwer auf sei­nen Schul­tern las­tet. Er ist ein Ver­tei­di­ger und seine Auf­ga­be ist es, keine Schüs­se zu­zu­las­sen.
Und dann däm­mert mir etwas. Ich könn­te ihn wie­der­se­hen. Jeden Mo­ment. Auf­re­gung durch­strömt mich. Ich habe mir vor­ge­stellt, dass wir uns ir­gend­wann wie­der­se­hen wür­den, aber ich hätte nicht ge­dacht, dass es so bald sein würde. Ich gehe nur sel­ten zu den Spie­len, meist bin ich die­je­ni­ge, die abends auf die Jungs auf­passt, weil Bri­en­ne hier sein muss.
„Hast du ihn schon ken­nen­ge­lernt?“, fragt Shei­la und geht, wie in dem Sport üb­lich, di­rekt zum Du über.
Ich blin­ze­le und lä­che­le. „Ja, tat­säch­lich. Auf der Weih­nachts­fei­er, aber nur kurz.“
„Er ist Sin­gle, weißt du“, sagt sie ver­schmitzt.
Ihr Mann rollt mit den Augen und mur­melt etwas vor sich hin.
Ich sehe Bri­en­ne und Drake durch in die Loge kom­men und stel­le den Tel­ler wie­der ab. „Tut mir leid, aber mein Bru­der ist ge­ra­de ge­kom­men und ich muss ihm die Kin­der über­ge­ben. Es war wirk­lich schön, euch ken­nen­zu­ler­nen.“
„Wir hof­fen, dich bald wie­der­zu­se­hen“, sagt Shei­la. „Wir leben in Vir­gi­nia und pla­nen, so viele Spie­le wie mög­lich zu be­su­chen. Wir sind so froh, Bain wie­der an der Ost­küs­te zu haben.“
„Ich freue mich auch dar­auf, euch wie­der­zu­se­hen.“
Ich trete zu­rück und mein Herz rast ein wenig, weil Bains Mut­ter ein­fach so mit der Kup­pe­lei an­fängt. Dar­auf habe ich keine Lust, und nach dem, was ich über ihren Sohn er­fah­ren habe, steht er da eben­falls nicht drauf.
Ich lä­che­le in­ner­lich, als ich zu den Jungs gehe, und er­in­ne­re mich an das Ge­spräch mit Bain. Er und ich schei­nen uns ähn­lich zu sein, kei­ner von uns ist an etwas Erns­tem in­ter­es­siert. Seit ich hier­her­ge­zo­gen bin, hatte ich er­staun­lich viel Pech, je­man­den für eine nette Af­fä­re zu fin­den. Viel­leicht ist er der Rich­ti­ge. Zu­ge­ge­ben, ich hatte mit der Ar­beit und den Kin­dern un­glaub­lich viel zu tun, aber jetzt, wo Drake mit Bri­en­ne zu­sam­men ist, sind die Jungs an den Aben­den, an denen er bei Aus­wärts­spie­len ist, bei ihr.
Ich tref­fe mei­nen Bru­der an der Couch und um­ar­me ihn vol­ler Mit­ge­fühl. „Tut mir leid wegen des Spiels, Brü­der­chen.“
Er drückt mich. „Danke.“
Mein Blick schweift zu Bri­en­ne und ich teile mein Mit­ge­fühl auch mit ihr. Es ist ihr Team, also schmerzt sie die Nie­der­la­ge ge­nau­so. Sie lä­chelt blass und streckt ab­we­send ihre Hand aus, um über Col­bys Haar zu strei­chen. Er lä­chelt sie an. Mein Herz macht einen Salto, da Bri­en­ne frü­her Angst vor Kin­dern hatte. Jetzt beten die Jungs sie an und sie ist eine wun­der­ba­re Mut­ter. Ich habe keine Zwei­fel daran, dass Drake ihr einen An­trag ma­chen wird. Es gab eine Zeit, in der ich nicht dach­te, dass er noch ein­mal hei­ra­ten würde, weil seine erste Ehe so schlecht ge­we­sen ist. Aber Bri­en­ne ist eine ein­ma­li­ge Frau, und ich weiß, dass er sie nie wie­der gehen las­sen wird.
„Bist du si­cher, dass du nicht mit uns zu Abend essen willst?“, fragt Bri­en­ne.
„Ja, komm doch mit“, bit­tet mich Drake.
Ich schüt­te­le den Kopf. „Nichts gegen euch oder die Ben­gel, aber ich will Zeit für mich haben. Ich gehe zum Bü­fett, schla­ge mir den Bauch voll und fahre dann nach Hause, um Wein zu trin­ken und mir eine Serie rein­zu­zie­hen.“
„Das hört sich echt gut an.“ Bri­en­ne seufzt.
Es fol­gen noch mehr Um­ar­mun­gen, vor allem von mir für meine Nef­fen, die das Wich­tigs­te in mei­nem Leben sind. Ich ver­spre­che, dass wir in den In­door-Tram­po­lin­park gehen wer­den, wenn ich sie mor­gen von der Schu­le ab­ho­le, was mich au­gen­blick­lich zu ihrer Lieb­lings­tan­te macht.
Nun, ich bin au­ßer­dem ihre ein­zi­ge Tante, aber hätte ich Ri­va­lin­nen, wäre ich die Sie­ge­rin.
Als sie zur Tür hin­aus­ge­hen und ich wie­der am Bü­fett stehe, sehe ich, dass Bains El­tern nicht mehr da sind. Ich bin ent­täuscht, denn ich hatte mich dar­auf ge­freut, Bain we­nigs­tens zu Ge­sicht zu be­kom­men, ihm viel­leicht ein fre­ches Au­gen­zwin­kern zu­zu­wer­fen.
Die Loge ist in­zwi­schen fast leer. Ki­rills Fa­mi­lie ist zu Be­such und sie essen alle noch an einem der Ti­sche auf der an­de­ren Seite des Raums. Die Kell­ner wu­seln herum und räu­men leere Tel­ler und Glä­ser ab. Sie be­gin­nen, die Es­sens­sta­tio­nen ab­zu­bau­en.
Ich gehe schnell durch und hole mir ein ge­grill­tes Schwei­ne­ko­te­lett, ge­misch­tes Ge­mü­se und meine Schwä­che: ein fri­sches Bröt­chen mit But­ter. Ich setze mich an den nächst­ge­le­ge­nen Tisch und scrol­le durch mein Handy, wäh­rend ich esse. Ich reiße mir ein Stück knusp­ri­ges Bröt­chen ab und mache mir nicht ein­mal die Mühe, das Mes­ser zu be­nut­zen. Dann ziehe ich es durch die wei­che But­ter auf mei­nem Tel­ler und ste­cke es in den Mund.
Da fällt ein Schat­ten auf mei­nen Tisch. Ich hebe den Kopf und meine Augen wei­ten sich, als ich Bain neben mir ste­hen sehe. Er ist frisch ge­duscht und trägt einen dun­kel­blau­en Anzug.
Mein Gott. Er ist groß. Sogar in der Nacht der Weih­nachts­fei­er über­rag­te er mich, und ich hatte su­per­ho­he Ab­sät­ze an. Mein Mund ist voll mit But­ter und Bröt­chen, aber ich schaf­fe es, ein kur­zes „Hi“ zu mur­meln, und kaue dann hek­tisch.
Er grinst und zieht sich einen Stuhl heran. Ich schlu­cke mein Essen her­un­ter. Bevor ich meine Ser­vi­et­te zum Mund füh­ren kann, be­rührt Bain mit dem Fin­ger mei­nen Mund­win­kel. Ich brau­che kei­nen Spie­gel, um zu wis­sen, dass dort But­ter klebt. Ich werde fast ohn­mäch­tig, als er den Fin­ger über meine Un­ter­lip­pe glei­ten lässt und ihn dann in mei­nen Mund schiebt. Ich re­agie­re in­stink­tiv, sauge sanft an der Spit­ze, und mein Atem stockt, weil ich sehe, wie sein Blick be­gie­rig wird.
Er zieht sei­nen Fin­ger zu­rück. „Wirst du mich ohr­fei­gen, wenn ich sage, dass mein Fin­ger in dei­nem Mund schmut­zi­ge Fan­ta­si­en aus­löst?“
Ich schaue mich kurz um. „Wo sind deine El­tern?“
Bain deu­tet hin­ter sich. „Drau­ßen im Flur. Ich habe ihnen ge­sagt, dass ich dich be­grü­ßen möch­te. Meine Mut­ter hat in­ner­halb von zwan­zig Se­kun­den gleich drei­mal er­wähnt, wie hübsch du bist und dass ich dich um ein Date bit­ten soll.“
Ich bin geis­tig kaum in der Lage, ihm zu fol­gen, weil ich noch viel zu an­ge­törnt bin von sei­nem Fin­ger in mei­nem Mund. Wir haben nicht ein­mal fünf Mi­nu­ten mit­ein­an­der ge­spro­chen und schon bin ich be­reit, auf sei­nen Schoß zu krab­beln und ver­sau­te Dinge zu tun.
„Also, was denkst du?“
„Was?“ Mein Ver­stand ist ver­wirrt, meine Zunge schwer.
Er grinst, weil er weiß, dass er mich über­rum­pelt hat. „Über ein Date.“
Ich muss mich ei­ni­ger­ma­ßen unter Kon­trol­le be­kom­men. Mit der Ser­vi­et­te tupfe ich mir die Lip­pen ab, damit ich eine Se­kun­de Zeit zum Nach­den­ken habe. „Ich glau­be nicht, dass das eine gute Idee ist.“
Bains Augen blit­zen ver­schmitzt auf. „Weil dein Bru­der mich um­brin­gen würde? Coen hat mich schon auf der Weih­nachts­fei­er ge­warnt, als ich dich an­ge­starrt habe.“
Wärme brei­tet sich in mei­ner Brust aus. Dass Coen an Bains Blick er­kann­te, dass die­ser sich zu mir hin­ge­zo­gen fühl­te, sagt mir, dass sein Blick heiß und be­gehr­lich ge­we­sen sein muss. „Mein Bru­der hat nichts damit zu tun“, sage ich schließ­lich.
„Warum gehst du dann nicht mit mir aus? Es würde ganz si­cher Spaß ma­chen.“
„Das glau­be ich gern. Aber die Wahr­heit ist … du könn­test mit je­man­dem wie mir nicht um­ge­hen.“
„O Baby. Ich könn­te mit einer Hand auf dem Rü­cken mit dir um­ge­hen. Sogar mit bei­den Hän­den. Dafür brau­che ich nur mei­nen Mund.“
Ich un­ter­drü­cke ein Stöh­nen an­ge­sichts die­ser Fan­ta­sie. „Ich date nie­man­den.“
„Wit­zig“, sin­niert er und er­hebt sich von sei­nem Stuhl. „Ich auch nicht. Aber für dich würde ich eine Aus­nah­me ma­chen.“
Ich möch­te Ja sagen, doch ich spüre, dass die­ser Mann Pro­ble­me be­deu­tet. Er ist der Typ, von dem man ab­hän­gig wer­den könn­te, und ich bin nicht be­reit, mich so hef­tig fal­len zu las­sen.
Zu­min­dest glau­be ich, dass ich es nicht bin.
Er könn­te al­ler­dings eine Kost­pro­be wert sein.
„Gehst du zur Sil­ves­ter­par­ty in Stevies Bar?“, frage ich.
Bain grinst und seine Grüb­chen kom­men zum Vor­schein. „Ich habe dar­über nach­ge­dacht, aber wenn du hin­gehst, werde ich be­stimmt da sein.“
„Ich ziehe es in Er­wä­gung.“
„Okay, gut“, sagt er, geht ein paar Schrit­te zu­rück und deu­tet er­neut auf die Tür. „Meine El­tern war­ten und ich muss los. Viel­leicht sehen wir uns ja an Sil­ves­ter.“
„Viel­leicht.“
Er schenkt mir ein ver­ruch­tes Lä­cheln. „Du weißt, dass es eine Tra­di­ti­on gibt, wenn die Uhr zwölf schlägt, ja?“
„Ich habe davon ge­hört.“
„Ich werde dir an Sil­ves­ter mehr dar­über er­zäh­len.“
„Wenn ich über­haupt hin­ge­he.“
„Klar. Und falls ich auch komme. Bin mir noch nicht si­cher.“
„Es ist de­fi­ni­tiv nur ein Viel­leicht“, ant­wor­te ich und un­ter­drü­cke ein La­chen.
Er zwin­kert mir zu, sein Grin­sen ist char­mant. Dann dreht er sich weg und ver­lässt den Raum.
Ich star­re ihm nach, viel­leicht so, wie er mir auf der Party nach­ge­se­hen hat. Eins steht fest: Wir wer­den beide auf der Sil­ves­ter­fei­er auf­tau­chen. 

Bain

Ich hatte Kiera ge­sagt, dass ich viel­leicht zu der Sil­ves­ter­par­ty in Stevies Bar kom­men würde, aber es gab gar kei­nen Zwei­fel mehr. Ich hatte be­reits zu­ge­sagt, da ich Teil eines Plans war, der Hen­d­rix dazu brin­gen soll­te, sei­nen Kopf aus dem Sand zu zie­hen. Was er glück­li­cher­wei­se auch getan hat.
Die Frage bleibt: Wird Kiera noch auf­tau­chen?
Unser Ge­plän­kel war lus­tig, die Sti­che­lei­en und Flirts reich­ten von schel­misch bis hin zum un­ver­blüm­ten Ge­ständ­nis der ge­gen­sei­ti­gen An­zie­hung. Ich war si­cher, dass wir etwas mit­ein­an­der an­fan­gen wür­den, aber wäh­rend ich an mei­nem Bier nippe und auf der Uhr zu­se­he, wie die Mi­nu­ten ver­ge­hen, bin ich mir nicht mehr so si­cher.
„Du wirkst ab­we­send“, sagt Hen­d­rix.
„Du nicht“, ant­wor­te ich und be­trach­te mei­nen Freund. Noch vor zwei Tagen war er ein ver­damm­tes Wrack, weil er sich wegen eines gro­ßen Miss­ver­ständ­nis­ses von Stevie ge­trennt hatte. Ich spre­che von Be­trug, Drama und In­tri­gen. Hen­d­rix war zu stur, um über das hin­weg­zu­se­hen, was sei­ner Mei­nung nach pas­siert war. Coen, Stone und ich nah­men es auf uns, ihm die Wahr­heit zu ver­deut­li­chen. Dass Stevie ihn nicht be­tro­gen hat. Das ging nur, indem wir ihn auf den Leim führ­ten. Wir dis­ku­tier­ten dar­über, Sil­ves­ter in Stevies Bar zu ver­brin­gen, was ihn völ­lig aus­ras­ten ließ. Er nann­te sie eine Be­trü­ge­rin. Wir ver­si­cher­ten ihm, dass das nicht stimmt, und mach­ten ihn schließ­lich neu­gie­rig dar­auf, die Wahr­heit über die Ge­scheh­nis­se er­fah­ren zu wol­len. Und jetzt sind wir hier, fast das ge­sam­te Team, um das neue Jahr ein­zu­läu­ten.
Hen­d­rix’ Blick schweift über die Bar und bleibt an Stevie hän­gen. Sie ar­bei­tet heute Abend nicht, aber ab und zu springt sie ein, wenn die Be­die­nun­gen zu viel zu tun haben. So­lan­ge sie selbst etwas trinkt, wird sie kei­nen Al­ko­hol aus­schen­ken, doch sie hilft beim Ab­wasch der Glä­ser und beim Ab­kas­sie­ren der Kun­den.
„Es sieht so aus, als ob ihr beide wie­der auf dem rich­ti­gen Weg seid“, stel­le ich fest.
„Zum Glück ist sie ein ver­söhn­li­cher Mensch“, sagt Hen­d­rix tro­cken. „Ich war so ein Arsch, dass ein Teil von mir immer noch nicht ganz si­cher ist, ob ich sie wirk­lich wie­der­ha­be.“
Stevie schenkt ein Was­ser ein und lä­chelt ihn an.
Ich klop­fe ihm auf die Schul­ter. „O ja, und wie du sie wie­der­hast.“
Hen­d­rix’ Ge­sichts­aus­druck wird dümm­lich, als er in ihre Rich­tung lä­chelt, und ich rolle mit den Augen. Ich habe nie ver­stan­den, wie ein Mann sich so in eine Frau ver­lie­ben kann, aber was weiß ich schon? Ich bin jung und son­die­re noch den Markt. Mein ei­ge­ner Ge­sichts­aus­druck reicht von Be­lus­ti­gung bis zu ab­ge­dreh­tem Ver­gnü­gen, doch nie sehe ich der­ar­tig lie­bes­krank aus.
„Viel­leicht soll­te ich noch etwas Bes­se­res ma­chen“, über­legt er.
„Bes­ser als ihr Ta­ge­buch von einem be­scheu­er­ten Re­por­ter zu­rück­zu­be­kom­men?“
Er wen­det den Blick nicht von Stevie ab. „Meinst du, das reicht?“
Meine Auf­merk­sam­keit wird von etwas Wich­ti­ge­rem in An­spruch ge­nom­men. Kiera ist ge­ra­de ge­kom­men. Ich lasse Hen­d­rix’ Frage un­be­ant­wor­tet und schla­ge mich durch die Menge zu ihr durch. Nur, um dann scharf nach links zur Bar ab­zu­bie­gen, weil ihr ver­damm­ter Bru­der hin­ter ihr her­ein­kommt und mit Bri­en­ne Händ­chen hält.
Tja, Mist. Das wirft meine Pläne über den Hau­fen, mit Kiera zu flir­ten und sie zu ver­füh­ren, damit wir heute Abend zu­sam­men nach Hause gehen kön­nen. Ihren Bru­der hier­zu­ha­ben, macht das schwie­rig, aber nicht un­mög­lich.
An der Bar be­stel­le ich ein Bier, und so­bald ich es in der Hand habe, gehe ich zu den Bil­lard­ti­schen. Auf zwei von ihnen lau­fen Dop­pel­spie­le, auf dem drit­ten spie­len Cam­den und Boone. Ich stel­le mein Bier auf einen Steh­tisch und schaue ihnen beim 9-Ball-Spie­len zu. Fos­ter und Ki­rill ge­sel­len sich zu uns, und in der nächs­ten Stun­de tre­ten wir ab­wech­selnd ge­gen­ein­an­der an.
Es ist ein amü­san­ter Abend, und ich nutze die Zeit, um mich mit mei­nen neuen Team­kol­le­gen an­zu­freun­den. Wir al­lein­ste­hen­den Män­ner bil­den eine Grup­pe, und ei­ni­ge von ihnen che­cken die Frau­en in die­ser Bar ab.
Ich be­hal­te Kiera im Auge, wäh­rend sie her­um­läuft und mit ver­schie­de­nen Leu­ten spricht. Sie fühlt sich unter den Spie­lern sicht­lich wohl, und ich frage mich, ob sie be­reits mit einem von ihnen aus­ge­gan­gen ist. Drake ist erst in die­ser Sai­son zum Team ge­sto­ßen, also liegt es nahe, dass Kiera auch erst seit dem Zeit­punkt hier ist. Lei­der weiß ich nicht viel über sie, außer dass ich mich ex­trem zu ihr hin­ge­zo­gen fühle.
Kör­per­li­che An­zie­hung soll­te nicht das Ein­zi­ge sein, was mich dazu bringt, sie an­zu­bag­gern, und das ist es auch nicht. Al­lein der klei­ne ver­ba­le Aus­tausch mit ihr war amü­sant. Sie war lus­tig, schlag­fer­tig und ko­kett. Zwi­schen uns herrsch­te das un­ter­schwel­li­ge Knis­tern se­xu­el­ler Span­nung. Ich fühle mich ver­dammt noch mal mehr zu ihr hin­ge­zo­gen als je zuvor zu einer Frau, und ich hatte durch­aus eine Menge schö­ner Frau­en.
Viel­leicht liegt es daran, dass sie un­er­reich­bar ist, weil sie sich nicht so­fort auf mich stürzt und ihr Bru­der ein Hin­der­nis dar­stellt. Viel­leicht muss ich sie nur ein­mal fi­cken, um sie aus mei­nen Ge­dan­ken zu be­kom­men. Wir haben zwar über ein Date ge­spro­chen, aber das will ich ei­gent­lich gar nicht, und sie eben­falls nicht. Ich glau­be, darin sind wir uns einig.
Jetzt brau­che ich nur noch eine Ge­le­gen­heit, um heute Abend etwas Zeit mit ihr zu ver­brin­gen.

***

Ich sehe zu, wie Fos­ter und Ki­rill eine Par­tie Pool-Bil­lard spie­len. Cam­den und ich plau­dern am Steh­tisch und zu­fäl­lig spielt Kiera mit Stevie am Nach­bar­tisch ein Dop­pel gegen Drake und Hen­d­rix. Lei­der kann ich wegen Drake kein Ge­spräch mit Kiera be­gin­nen, also muss ich mich damit be­gnü­gen, sie zu be­ob­ach­ten.
Ich bin wirk­lich scharf auf sie.
Sie ist ver­dammt sexy in der Jeans mit Ris­sen an den Ober­schen­keln und Knien und mit den brau­nen Win­ter­stie­feln. Sie trägt eine lo­cke­re weiße Bluse, die in die Hose ge­steckt ist und mit einem brau­nen Le­der­gür­tel ab­ge­run­det wird. Ihr herr­li­ches blon­des Haar hängt ihr über die Schul­tern und fällt ihr über den Rü­cken, aber am bes­ten ge­fällt mir, dass die obers­ten drei Knöp­fe der Bluse offen sind. Jedes Mal, wenn sie sich am an­de­ren Ende des Bil­lard­ti­sches be­fin­det und sich bückt, be­kom­me ich einen schö­nen Blick auf ihre Brüs­te.
Na­tür­lich haben alle an­de­ren An­we­sen­den die glei­che Aus­sicht, aber wenn ich mich um­schaue, schaut nie­mand so hin wie ich. Ich nehme an, das liegt daran, dass ihr Bru­der neben uns steht, oder viel­leicht bin ich auch der ein­zi­ge ver­damm­te Per­ver­se. Doch diese Frau macht mich ver­rückt. Wüss­te ich es nicht bes­ser, würde ich den­ken, dass sie mir ab­sicht­lich eine Show bie­tet, denn ab und zu wan­dert ihr Blick zu mir, als würde sie sich ver­ge­wis­sern, dass ich zu­schaue.
„Du bist dran“, sagt Kiera, wäh­rend sie Stevie einen Bil­lard­stock reicht.
Die Kon­stel­la­ti­on ist in­ter­es­sant. Ich weiß, dass Stevie eine un­glaub­lich gute Spie­le­rin ist, aber Kiera lei­der nicht. Die Frau­en kön­nen sich je­doch ganz gut gegen Drake und Hen­d­rix be­haup­ten, die beide recht an­stän­dig spie­len kön­nen.
„Ich hole uns noch eine Runde“, sagt Drake zu sei­ner Schwes­ter.
Er geht weg, und mein Herz klopft, als Kiera zu mir her­über­schlen­dert. Da Cam­den auf der an­de­ren Seite des Ti­sches steht und Hen­d­rix und Stevie in der Nähe sind, kann ich nicht offen flir­ten, aber ich schaf­fe es trotz­dem, mein In­ter­es­se ihr ge­gen­über deut­lich zu ma­chen. „Schön, dass du da bist.“
„Dito“, ant­wor­tet sie, den Blick auf Stevie ge­hef­tet, wäh­rend diese wei­ter­spielt.
Stevie ver­senkt die Fünf sau­ber und flir­tet mit Hen­d­rix. Ich miss­gön­ne es ihnen nicht, denn ich möch­te das­sel­be tun. La­chend geht Stevie zu Hen­d­rix und krallt sich in sein Shirt. Sie zieht ihn für einen schnel­len Kuss zu sich heran, doch er lässt sie nicht wie­der gehen. Ich kann die Worte nicht ganz ver­ste­hen, aber seine Lip­pen lesen.
Ich liebe dich.
Kiera kommt näher und sagt: „Ekel­haft, nicht wahr?“
„Ich kann kaum hin­se­hen“, wit­ze­le ich und wir grin­sen uns an. Sie fin­det Hen­d­rix und Stevie nied­lich, genau wie ich, aber wir mögen beide die öf­fent­li­che Zur­schau­stel­lung von Zärt­lich­kei­ten nicht be­son­ders. So ist das eben bei Men­schen, die sich dem Sin­gle­le­ben ver­schrie­ben haben.
Hen­d­rix lässt Stevie los. „Er­lö­se uns von un­se­rem Elend.“
Und das tut sie. Als Drake mit den Ge­trän­ken zu­rück­kommt, ver­senkt Stevie sau­ber die Acht.
„Ver­dammt“, mur­melt Drake und reicht die Ge­trän­ke wei­ter. Dann holt er seine Brief­ta­sche her­aus und gibt Kiera einen Zwan­zi­ger.
„Du hast ge­dacht, ich wäre eine Be­las­tung für Stevie, oder?“ Kiera küsst den Geld­schein.
Drake schnaubt. „Ich dach­te, Hen­d­rix und ich hät­ten mit dir als Stevies Part­ner we­nigs­tens eine Chan­ce.“
„Willst du dop­pelt oder nichts?“, fragt Kiera ihren Bru­der, und der Spott ist nicht zu über­hö­ren.
Ich merke, dass die bei­den sich na­he­ste­hen, aber sie kon­kur­rie­ren auch gern mit­ein­an­der.
„Auf kei­nen Fall“, sagt Drake, und sein Blick wan­dert zu Bri­en­ne, die am Ne­ben­tisch mit ei­ni­gen von Stevies Stamm­kun­den Bil­lard spielt. „Ich werde mei­ner Frau beim Spie­len zu­se­hen.“
Kiera dreht sich zu mir um. Ihre Augen fun­keln sie­ges­si­cher, als sie kurz Cam­den an­sieht und dann wie­der mich. „Kommt schon … wer spielt mit?“
Die Frage rich­te­te sich an uns beide, aber ich ant­wor­te schnel­ler. „Ich bin dabei.“
Als ich Geld aus mei­ner Ta­sche fi­sche, um zu zah­len, wirft mir Drake einen eis­kal­ten, war­nen­den Blick zu. Ich ver­su­che, lo­cker zu grin­sen. „Ent­spann dich, Alter. Es ist nur ein Bil­lard­spiel.“
„Achte nicht auf ihn“, sagt Kiera und grinst. „Er ist sauer, weil er ge­ra­de zwan­zig Dol­lar an mich ver­lo­ren hat.“
„Bist du dabei?“, frage ich Hen­d­rix, aber er schüt­telt den Kopf und zieht Stevie an sich.
Ich be­we­ge mich um den Tisch herum und gehe in die Hocke, um vier Vier­tel­dol­lar in den Schlitz zu ste­cken und die Ku­geln frei­zu­ge­ben.
Kiera stellt sich an meine Seite. „Sieht so aus, als wären es nur wir beide.“
„Dar­auf warte ich schon den gan­zen Abend.“
Sie geht in die Hocke und tut so, als woll­te sie mir hel­fen, die Mün­zen ein­zu­wer­fen. „Mir ge­fällt, wie du mich be­ob­ach­tet hast.“
O Gott. Diese ge­flüs­ter­ten Worte haben es in sich, und ich muss auf­ste­hen, um von ihr weg­zu­kom­men, denn wenn sie so wei­ter­re­det, werde ich sie lei­der in den Toi­let­ten­be­reich zer­ren, und das würde ihrem Bru­der si­cher nicht ge­fal­len.
Ich gehe zum Steh­tisch und sehe zu, wie Kiera die Ku­geln auf­baut. Cam­den ist weg und Hen­d­rix und Stevie sind in­ein­an­der ver­schlun­gen. Kiera hebt den Blick zu mir, wäh­rend sie über den Tisch ge­beugt ist und genau weiß, dass ihre Bluse offen steht und ich di­rekt hin­ein­se­hen kann. Ich wende den Blick nicht ab, son­dern nehme, was sie mir an­bie­tet.
Als sie fer­tig ist, rich­te ich meine Spiel­ku­gel aus. Kiera kommt sehr nahe, und ich drehe den Hals, um mit ihr zu reden. „Ent­schul­di­ge bitte?“
Sie wirft mir einen un­schul­di­gen Blick zu.
„Ich kann mich nicht kon­zen­trie­ren, wenn du so nah bist“, knur­re ich.
„Warum denn nicht?“
„Du weißt, warum.“ Ich ver­su­che, sie zu igno­rie­ren, wäh­rend ich mich vor­beu­ge.
Kiera rückt noch näher und setzt sich halb auf den Tisch. Mein Blick schweift zu ihrem Bru­der hin­über, aber Drake ist voll und ganz mit Bri­en­ne be­schäf­tigt und sieht nicht her.
Ich sehe Kiera an. „Du lenkst mich wohl gern ab.“
„Das ist meine Rache. Als du mir den Fin­ger in den Mund ge­steckt hast, hat mich das ziem­lich durch­ein­an­der­ge­bracht.“
Ich kann nicht an­ders, als zu la­chen, und das löst einen Teil der se­xu­el­len Span­nung. Ich ziehe den Bil­lard­stock zu­rück, stoße zu und die weiße Kugel treibt den Auf­bau aus­ein­an­der. Zwei Volle und eine Halbe ver­sin­ken in den Ta­schen. Ich bin immer noch dran und nutze meine Chan­ce. „Darf ich heute Abend mit dir nach Hause kom­men?“
„Ja“, ant­wor­tet sie schlicht.
Meine An­span­nung ent­weicht, und ich werde lo­cke­rer. „Gut.“ Ich wende mich dem Tisch zu, doch da kommt mir ein Ge­dan­ke. Ich schaue noch ein­mal zu Drake hin­über und stel­le fest, dass seine Auf­merk­sam­keit immer noch auf Bri­en­ne ge­rich­tet ist. Als mein Blick wie­der auf Kiera fällt, sage ich: „Ich weiß, wir haben viel ge­flir­tet und uns ge­neckt, aber ich bin wirk­lich nicht auf der Suche nach einer Be­zie­hung. Was auch immer das zwi­schen uns ist … es ist ganz zwang­los, rich­tig?“
Kiera ver­zieht das Ge­sicht. „Bitte! Al­lein bei dem Ge­dan­ken an eine Be­zie­hung wird mir schlecht. Mir geht es um nichts wei­ter als hei­ßen Sex. Da­nach gehen wir un­se­rer Wege.“
Hm. Ich bin mir nicht si­cher, was ich davon halte, dass es eine ein­ma­li­ge Sache sein soll, aber dar­über mache ich mir spä­ter Ge­dan­ken. „Klingt, als wären wir uns einig.“
Plötz­lich wird die Juke­box aus­ge­schal­tet und je­mand ruft: „Es ist gleich so weit!“
Stevie hat über­all in der Bar Fern­se­her, und die Laut­stär­ke ist hoch­ge­dreht. Di­rekt ge­gen­über von uns ist einer an der Wand be­fes­tigt, der die öf­fent­li­che Party am Times Squa­re über­trägt, um Mit­ter­nacht nicht zu ver­pas­sen. Die Uhr oben links auf dem Bild­schirm zeigt etwa drei­ßig Se­kun­den vor zwölf an.
Scha­de, dass ich Kiera nicht küs­sen kann, wenn das neue Jahr be­ginnt. Die Sache muss unter uns blei­ben.
Pär­chen tre­ten Arm in Arm vor die Fern­se­her. Ich igno­rie­re das alles und gehe um den Tisch herum, um mei­nen nächs­ten Stoß zu ma­chen, den ich ver­mas­se­le. Ich rei­che Kiera den Queue und ge­nie­ße es, sie zu be­ob­ach­ten, an­statt den Count­down zu ver­fol­gen. Sie ist eine lau­si­ge Spie­le­rin, den­noch rich­te ich meine Augen lie­ber auf sie als auf ir­gend­et­was an­de­res.
Alle in der Bar be­gin­nen zu zäh­len. „Zehn … neun … acht …“
Sie schießt da­ne­ben, und als sie mir den Stock über­reicht, ist Mit­ter­nacht. Alle ju­beln, trö­ten und küs­sen sich.
Ich nehme den Bil­lard­queue von ihr ent­ge­gen, meine Hand schließt sich um ihre und lässt sie für ei­ni­ge Mo­men­te nicht los, wäh­rend wir uns in die Augen schau­en. Ich hoffe, sie sieht mir an, dass ich es spä­ter wie­der­gut­ma­chen werde … dass ich sie nicht küs­sen konn­te.
Doch wir be­rüh­ren ein­an­der, und aus ir­gend­ei­nem selt­sa­men Grund kann ich mich an keine an­de­re Sil­ves­ter­par­ty er­in­nern, auf der ich je­mals war. Ich weiß nur, dass ich die­sen Mo­ment nie ver­ges­sen werde, denn es ist das zar­tes­te Vor­spiel für das, was spä­ter zwi­schen uns ex­plo­die­ren wird.