Pittsburgh Titans: Boone

Originaltitel: Boone: A Pittsburgh Titans Novel
Übersetzer: Oliver Hoffmann

Erscheint: 12/2024
Serie: Pittsburgh Titans
Teil der Serie: 11

Genre: Contemporary Romance, Sport Romance

Location: USA, Pittsburgh


Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-730-7
ebook: 978-3-86495-731-4

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Pittsburgh Titans: Boone


Inhaltsangabe

Boone Rivers nutzt seinen Ruhm und sein Vermögen als Eishockeyspieler zu seinem Vorteil, aber nicht so, wie es die meisten Leute erwarten würden. So oft es sein voller Terminkalender zulässt, engagiert sich Boone ehrenamtlich und trifft dabei auf einen tapferen Jungen, der Boones Welt auf den Kopf stellt.

Als Spieler der Pittsburgh Titans bin ich begeistert vom Nervenkitzel des Spiels. Ich lebe für den Geruch des Eises, den Jubel der Menge und das Herzklopfen, wenn ich die Arena betrete. Aber sobald ich meine Schlittschuhe ausgezogen habe, konzentriere ich mich darauf, der Stadt Pittsburgh etwas zurückzugeben.

Ich treffe Aiden bei einem Besuch im Kinderkrankenhaus und bin beeindruckt von der inneren Stärke dieses zwölfjährigen Jungen, der um sein Leben kämpft. Bei meinen weiteren Besuchen unterhalten wir uns über Videospiele und Eishockey, bis eines Tages Aidens ältere Schwester in sein Zimmer kommt und mir klar wird, dass hinter dieser Bekanntschaft eine tiefere Bedeutung steckt.

Auf den schmalen Schultern von Lilly Hoffman ruht das Gewicht der Welt. Aidens Krankheit wird nicht besser, sie ist in Gefahr, ihren Job zu verlieren, und ihr Vater ertränkt seine Sorgen in Alkohol. Ich ertappe mich dabei, wie ich Lilly die Last abnehmen möchte, und was als einfacher Akt der Freundschaft beginnt, wird zu so viel mehr. Als wir uns näher kommen, kann ich nicht anders, als mich in diese fürsorgliche und unabhängige Frau mit dem zarten Herzen und dem verletzten, aber noch nicht gebrochenen Geist zu verlieben.

Während wir einer Zukunft voller Ungewissheit entgegensehen, gelobe ich, Lillys Quelle der Stärke und des Trostes zu sein. Lilly und Aiden haben mir erneut gezeigt, wie wichtig es ist, selbst in den dunkelsten Zeiten bedingungslos Liebe zu geben und zu empfangen. Und egal, was als Nächstes passiert, niemand kann uns das nehmen.

Der überaus emotionale elfte Teil rund um das Team der Pittsburgh Titans von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett.

Über die Autorin

Seit ihrem Debütroman im Jahr 2013 hat Sawyer Bennett zahlreiche Bücher von New Adult bis Erotic Romance veröffentlicht und es wiederholt auf die Bestsellerlisten der New York Times und USA Today geschafft.
Sawyer nutzt ihre Erfahrungen als ehemalige Strafverteidigerin in...

Weitere Teile der Pittsburgh Titans Serie

Leseprobe

Lilly

Während Georgie die Vitrinen mit Fleisch, Käse, Nudelsalat und Obst auffüllt, putze ich den Speisebereich gründlich. Ich versprühe Reinigungsmittel, wische Tische und Stühle mit einem Tuch ab und trockne sie mit einem anderen. Alle Krümel, die auf den Boden gefallen sind, fege ich weg. Charles ist hinten und schrubbt die Küche, so schließen wir immer den Mittagsansturm ab. Wir haben noch etwa zwei Stunden Zeit, bis das Geschäft wieder anzieht, wobei unsere Abendkundschaft in der Regel eher Speisen zum Mitnehmen als zum im Deli essen kauft.
Ich räume alles auf mit Ausnahme eines einsamen Bereichs am Tresen, wo Stu an...

...einem Kreuzworträtsel arbeitet, während er zu Mittag isst: Geflügelsalat auf Roggenbrot mit hausgemachten Pommes. Er wohnt gleich um die Ecke und kommt regelmäßig dienstags und donnerstags her, allerdings meist erst nach dem großen Ansturm.
„Alles klar?“, frage ich Stu, als ich mir hinter dem Tresen die Gummihandschuhe ausziehe. Georgie geht zwischen Kühlschrank und Vitrinen hin und her und tauscht teilweise aufgeschnittene Fleischstücke und Käselaibe gegen frische aus. Der Aufschnitt wandert für Sandwiches in die Küche, und die frische Ware ist für Kunden, die am Stück kaufen wollen.
Stu hebt nicht einmal den Kopf von seinem Kreuzworträtsel. „Alles gut.“
Ich gehe nach hinten und werfe die Gummihandschuhe in einen Plastikbehälter, um sie später zu waschen und zu desinfizieren. Charles befindet sich bis zu den Ellbogen in Seifenwasser, und ein geübter Blick verrät mir, dass er hier alles unter Kontrolle hat. Ich fülle den Putzeimer mit Allzweckreiniger und warmem Wasser, lege den Putzlappen hinein und schiebe den Eimer mit einer Hand nach vorn, in der anderen habe ich einen Schrubber. Es dauert dreißig Minuten, die Böden auf Hochglanz zu bringen, und als ich fertig bin, ist Stu weg, und wir sind für einen Moment ohne Kunden.
Ich widerstehe dem Drang, mich in eine der Sitzgruppen fallen zu lassen, um eine fünfminütige Verschnaufpause einzulegen. Ich habe Angst, dass ich nicht mehr aufstehen will, wenn ich mich erst einmal hinsetze, und ich muss die Lohnabrechnung machen. Mir krampft sich beim Gedanken daran der Magen zusammen, denn ich bin sicher, dass ich genug in der Kasse habe, um die Mitarbeiter zu bezahlen, weiß jedoch nicht, ob danach noch etwas übrig sein wird. Ich habe zwar ein kleines Polster an persönlichen Ersparnissen, aber nächste Woche ist die Miete für die Wohnung fällig, und das wird knapp.
Es wird schon klappen, sage ich mir.
Wie immer.
Seufzend schiebe ich den Putzeimer nach hinten. Ich spüle ihn aus und stelle ihn in die Abstellkammer, ehe ich mir im Waschbecken für die Angestellten die Hände wasche.
„Soll ich dir etwas zubereiten?“, fragt Charles, während er einen Stapel von Edelstahlschüsseln abtrocknet.
„Danke, ich habe keinen Hunger“, antworte ich, doch in Wahrheit hängt mir der Magen in den Kniekehlen. Ich habe nicht gefrühstückt, aber ich muss die Lohnabrechnung erledigen, bevor der Abendansturm losgeht. Heute Abend will ich um sechs gehen, damit ich Aiden besuchen kann.
„Lilly“, ruft Georgie durch die Schwingtüren, die die Küche vom Laden trennen. Er streckt den Kopf herein. „Du hast Besuch.“
Stirnrunzelnd greife ich nach Papiertüchern und trockne mir die Hände ab. „Wer ist es denn?“
„Irgend so ein großer Kerl. Hat nach Lilly gefragt.“
Ich verdrehe die Augen. Georgie fackelt zwar nicht alles ab, aber er ist auch nicht gerade der Hellste. „Ich bin gleich da.“ Über die Schulter werfe ich Charles einen Blick zu. „Kommst du mit der Essensvorbereitung klar oder brauchst du meine Hilfe?“
„Ich habe alles unter Kontrolle“, versichert er.
Charles ist ein Geschenk des Himmels. Er sorgt dafür, dass die Küche tadellos läuft, was eine große Entlastung für mich ist, und ich bete jeden Abend für ihn. Ich bete auch dafür, dass Georgie ein wenig Verantwortungsbewusstsein entwickelt, damit ich ihn nicht zu sehr kontrollieren muss.
Als ich durch die Schwingtüren gehe, fällt mein Blick auf Boone, der auf der anderen Seite des Tresens steht. Leicht vorgebeugt betrachtet er die Vitrine mit Pastrami, gekochtem und rohem Schinken, Roastbeef, Putenbrust, Fleischwurst und Salami.
Er mustert mich und richtet sich lächelnd auf. „Hey.“
„Hey“, antworte ich und neige grüßend den Kopf. „Was tun Sie denn hier?“
„Ich war auf dem Weg zu Aiden und dachte, ich schaue mal bei Ihnen vorbei.“
Stirnrunzelnd zupfe ich nervös am Kragen meines T-Shirts – waldgrün, mit unserem Deli-Logo auf der Brusttasche. Plötzlich verspüre ich den Drang, mir die Moni’s-Deli-Baseballmütze vom Kopf zu reißen, weil ich mich darin unattraktiv fühle.
„Bei mir?“, krächze ich.
Boone lächelt, als er lässig an den Tresen tritt und seine Handflächen darauflegt. „Ja, bei Ihnen. Wie geht’s Ihnen?“
Ich sehe mich im Deli um. Es ist leer, keine Kunden, und Georgie ist auf mysteriöse Weise verschwunden. Mein Blick kehrt zu Boone zurück. „Ähm … beschäftigt, schätze ich.“
Boone sieht sich übertrieben langsam um, um den leeren Laden zu begutachten. Seine Lippen kräuseln sich, als er scherzt: „Ja … hier ist ganz schön was los.“
Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. „Um diese Zeit haben wir eine gesegnete Ruhezeit, bevor der Ansturm auf das Abendessen beginnt. Wollen Sie etwas essen?“
„Ähm … ja, ich könnte was essen.“ Sein Blick fällt auf die Speisekarte hinter mir an der Wand. Das Angebot ist einfach, aber lecker. „Ein Reuben-Sandwich.“
Ich gebe die Bestellung ein, während er seine Brieftasche zückt. Ich winke ab. „Sie zahlen nicht.“
Boone ignoriert mich, zückt eine Kreditkarte und hält sie mir hin. „Sie führen ein Geschäft. Klar zahle ich.“
Wir sehen einander einen Moment lang in die Augen, und mir wird klar, dass er sturer ist als ich. Ich greife nach der Kreditkarte, aber er zieht sie zurück. „Haben Sie schon gegessen?“
Einen Augenblick lang bin ich verwirrt, dann schüttle ich langsam den Kopf.
„Essen Sie doch mit mir zu Mittag.“
„Oh, ich kann nicht“, sage ich und deute mit dem Daumen nach hinten. „Ich muss arbeiten.“
„Fünfzehn Minuten, Lilly. Die können Sie erübrigen – ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen wegen ihres Vaters.“
Wie auf ein Stichwort knurrt mein Magen. „In Ordnung … ich esse mit Ihnen.“
Ich versuche, die Kreditkarte zu nehmen, aber er zieht sie erneut zurück. „Nehmen Sie erst Ihre Bestellung auf.“
„Meine brauche ich nicht zu bezahlen. Das ist einer der Vorteile, wenn man einen Feinkostladen hat.“
Boone nickt in Richtung des iPads, das wir als Registrierkasse verwenden. „Machen Sie Ihre Bestellung und lassen Sie mich für uns beide bezahlen.“
Es folgt ein weiterer Kampf der Blicke, doch schließlich gebe ich nach und tippe einmal Truthahn auf Weizenbrot ein.
„Fügen Sie noch zwei Flaschen Wasser und Chips für uns beide dazu“, fordert er mit einem Augenzwinkern.
Ich verdrehe die Augen, kann mir jedoch ein Lächeln nicht verkneifen und tue, was er befiehlt. „Wie kommen Sie darauf, dass ich Wasser in Flaschen mag?“
„Ich weiß nicht“, sagt er, als ich das Pad umdrehe, damit er seine Karte dranhalten kann. „Es ist gesünder als Limo.“
„Sie haben Glück, ich trinke tatsächlich nur Wasser“, schnaube ich.
Der Bildschirm aktualisiert sich und zeigt die Bestellung und einen Platz für seine Unterschrift an. Er gibt ein Trinkgeld von dreißig Dollar ein und hält eine Hand hoch, während er mit der anderen unterschreibt. „Denken Sie nicht mal daran, zu widersprechen.“
Es verschlägt mir die Sprache, denn ich wollte ihn gerade für diese extravagante Geldverschwendung zur Rede stellen. Zumindest für mich sind dreißig Dollar das, aber vielleicht nicht für ihn. Ich bin sicher, er verdient als Eishockeyspieler ein Vermögen.
Während Boone Wasser und Chips aus dem Selbstbedienungsregal und dem Kühlschrank holt, stecke ich den Kopf in die Küche. „Diese Bestellung ist für mich und einen Freund“, rufe ich Charles zu. „Ich mache kurz Pause.“
„Nimm dir Zeit für mehr als eine kurze Pause, Boss“, antwortet Georgie. „Wir haben alles im Griff.“
Ich schenke den beiden ein Lächeln und nicke dankbar. „Nur etwa fünfzehn Minuten.“
Charles und Georgie tauschen einen spöttischen Blick aus, aber Charles murmelt: „Oooh … eine volle Viertelstunde. Wow.“
„Klugscheißer“, brumme ich, während ich die Tür zufallen lasse und mich wieder Boone zuwende. Er hat sich den Tisch ausgesucht, der am weitesten von der Theke entfernt ist, ich nehme an, um ungestört zu sein, da wir über meinen Vater sprechen werden. Eines habe ich über den zudringlichen Eishockeyspieler gelernt: Er ist sehr rücksichtsvoll.
Ich setze mich ihm gegenüber, und Boone reicht mir eine Wasserflasche und eine Chipstüte. Er hat sich für Barbecue-Geschmack entschieden, was mir recht ist. Ich mag alle Sorten, wie die Pölsterchen an meinen Hüften beweisen, aber ich lasse die Tüte geschlossen, bis mein Sandwich da ist.
Boone öffnet seine Tüte, schiebt sich einen Chip in den Mund und starrt mich an.
„Was?“, frage ich, während ich meine Wasserflasche aufdrehe.
„Sie sehen aus, als hätten Sie Schmerzen, weil Sie eine Pause machen“, bemerkt er, nachdem er geschluckt hat.
„Ich habe viel zu tun. Pausen kann ich mir nicht leisten.“
Seine Miene wird weicher. „Tut mir leid. Ich wollte nicht anzweifeln, wie beschäftigt Sie sind. Vermutlich habe ich noch nie einen Menschen getroffen, der so viel Verantwortung trägt wie Sie.“
„Nein“, rufe ich kopfschüttelnd und mit einem entschuldigenden Lächeln. „Mir tut es leid. Ich wollte nicht schnippisch sein – und ja, es fällt mir schwer, still zu sitzen und dabei ständig das Gefühl zu haben, dass ich etwas verpasse. Aber ich weiß, dass es ab und zu sein muss.“
„Dann bin ich froh, dass ich Sie dazu gezwungen habe“, sagt er.
Ich neige den Kopf und ziehe eine Braue hoch. „Sie sind aufdringlich.“
Boone lacht, und mir stockt irgendwie der Atem. Er ist ein unglaublich gutaussehender Mann, doch dieser leichte, fröhliche Ausbruch von Humor macht ihn fast schön. Ich schüttle den Kopf, um diese Gedanken zu verdrängen. „Ehe ich es vergesse: Herzlichen Glückwunsch zum Sichern des ersten Platzes in der Division gestern Abend.“
Boone blinzelt überrascht. „Sie schauen Eishockey?“
„Nein“, gebe ich mit einem verlegenen Lächeln zu. „Aber Aiden, und das haben wir gestern Abend in seinem Zimmer getan. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, mir das Spiel zu erklären, seit er mit Boone Rivers befreundet ist. Wir haben gute Neuigkeiten gefeiert, deshalb war es besonders schön, dass Sie gestern Abend gewonnen haben.“
„Was haben Sie denn gefeiert?“, fragt Boone und greift zu seiner Wasserflasche.
„Ich bin mir nicht mal sicher, was Sie über Aidens Zustand wissen.“
„Aiden hat mir erzählt, dass er mit fünf Jahren an Leukämie erkrankt ist und dass die Krankheit eine Zeit lang in Remission war, aber vor Kurzem wieder aufgetreten ist. Eine weitere Chemotherapie hat nicht geholfen, also haben sie eine Knochenmarktransplantation gemacht.“
Ich nicke zu dieser sehr einfachen Version der Geschichte. „Das war die beste Option.“
„Leider bin ich mir nicht ganz sicher, was das bedeutet“, gibt Boone zu. „Ich versuche immer, Aiden die Gesprächsführung zu überlassen, also stelle ich nicht viele spezifische Fragen. Er hat mir erzählt, dass sie sein Knochenmark sozusagen gesprengt haben, um die Leukämie loszuwerden, dass das aber gleichzeitig alle gesunden Zellen abtötet, weshalb er so anfällig für Infektionen ist.“
Es ist sehr rücksichtsvoll, dass Boone Aiden Gelegenheit zum Reden gibt. Mein Bruder will so normal wie möglich sein, auch wenn er krank in einem Klinikbett liegt. „Wir hoffen, dass das gesunde Knochenmark des Spenders seinen Weg in sein Knochenmark findet und dort neue gesunde Blutzellen bildet.“
„Wie haben Sie einen Spender gefunden?“, fragt Boone.
„Ich konnte spenden. Das ist nur bei einem von vier Familienmitgliedern der Fall, wir hatten also Glück.“
Boone verzieht das Gesicht. „Möchte ich überhaupt wissen, wie die an Ihr Knochenmark gekommen sind?“
„Wahrscheinlich nicht, aber die Entnahme findet unter Narkose statt, das war nicht so schlimm. Jedenfalls hat die Chemo Aidens Knochenmark stark geschädigt und ihn anfällig für Infektionen gemacht.“
„Deshalb durfte er anfangs keine Besucher empfangen.“
„Das stimmt. Er bekommt eine ziemlich heftige Kur mit Antiinfektiva.“
„Was bedeutet das?“
„Antibiotika, Virostatika und Antimykotika, weil er nach der hoch dosierten Chemotherapie vor der Transplantation keine weißen Blutkörperchen mehr hat. Er erhält fast jeden zweiten Tag Bluttransfusionen und muss sich wöchentlich einer Punktion unterziehen, um zu sehen, ob sich sein Knochenmark erholt. Es kann Wochen dauern, bis man weiß, ob die Transplantation anschlägt. Gestern Abend haben wir uns gefreut, denn die letzten Tests haben gezeigt, dass sein Blutzellenwert zwar immer noch niedrig ist, es aber keine Anzeichen von Leukämie zu geben scheint.“
„Heilige Scheiße“, ruft Boone, und seine Hand schießt vor, um meine zu ergreifen. Ich bin so erschrocken über seinen Ausbruch, dass ich zusammenzucke, doch es ist die Tatsache, dass er meine Hand hält, die mein Herz so schnell klopfen lässt. „Das sind ja tolle Neuigkeiten, Lilly. Warum haben Sie mir das nicht gleich erzählt, als ich reinkam?“
Ich grinse und versuche, die Hand wegzuziehen, er jedoch hält sie fest, während er fragt: „Heißt das, er darf aus dem Krankenhaus raus?“
Ich schüttle den Kopf, ohne mein Lächeln einzustellen. „Noch nicht. Es ist am sichersten, wenn er dortbleibt, bis sich sein Knochenmark erholt hat. Das ist die bestmögliche Nachricht, auf die wir sehnsüchtig gewartet haben. Die Heilungsrate bei einer Transplantation liegt bei unter fünfzig Prozent, deshalb ist er sehr wichtig, dass es keine Anzeichen von Leukämie gibt. Jetzt müssen sich lediglich noch seine roten und weißen Blutkörperchen ein wenig erholen.“
Boones Hand zuckt überrascht, doch dann greift er fester zu. „Nur fünfzig Prozent?“, murmelt er nachdenklich. Als sein Daumen sanft über meinen Handrücken streicht, hyperventiliere ich fast. „Ich weiß nicht, ich dachte, die Chance wäre höher und sobald er die Transplantation hat, wäre die Sache geritzt.“
„Eure Bestellung“, sagt Georgie, der uns das Essen bringt. Es ist in weißes Papier eingewickelt, auf dem mit schwarzer Wachskreide die Namen der Sandwiches stehen.
Ich bin sicher, dass Boone mich nur trösten wollte, aber mein Herz klopft wie ein Presslufthammer. Mit einem Lächeln Richtung Georgie ziehe ich die Hand weg. „Ich danke dir.“
„Guten Appetit“, antwortet er fröhlich, bevor er sich hinter den Tresen und in die Küche zurückzieht.
Boone und ich wickeln unsere Sandwiches aus. Ich nehme Servietten aus dem Halter auf dem Tisch und reiche ihm ein paar.
„Das wäre wahrscheinlich ein passender Zeitpunkt, um mit meinem Vater über einen Entzug zu sprechen, meinen Sie nicht? In Anbetracht der guten Nachrichten?“
„Besser früher als später“, sagt er und nimmt eine Hälfte seines Sandwichs auf. „Ich habe von Harlow eine Liste möglicher Anlaufstellen bekommen.“
„Kann er ein ambulantes Programm machen? Ich bin nicht sicher, ob er einer stationären Behandlung zustimmt, da er dann von Aiden getrennt wäre.“
„Genau darüber habe ich mit Harlow gesprochen. Sie hat ein hervorragendes ambulantes Programm gefunden und sogar angerufen, um sicherzugehen, dass die ihn aufnehmen können. Harlow hat Stones Namen fallen lassen, um ein bisschen nachzuhelfen. Aber er braucht wahrscheinlich vorher eine medizinische Entgiftung.“
„Ich nehme an, das heißt, er bekommt Medikamente, um zu entgiften? Wie lange dauert das?“
Boone nickt. „Harlow sagte, fünf bis zehn Tage, je nachdem, wie stark die Symptome sind, und das würde stationär geschehen. Anschließend kann er ins ambulante Programm wechseln.“
Ich spieße ein Stück Truthahn auf, das aus meinem Sandwich hängt, und stecke es in den Mund, während ich nachdenke. Wenn es für meinen Vater einen guten Zeitpunkt gibt, um einen Versuch zu starten, trocken zu werden, dann, wenn es Aiden gut geht. Der Stress einer ungewissen Zukunft hat ihn zum Trinken gebracht. Die Hoffnung, die uns Aidens neueste Testergebnisse schenken, macht dies zum besten Zeitpunkt, um mit meinem Vater darüber zu sprechen.
„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich das Thema bei ihm ansprechen soll“, gestehe ich, bevor ich einen Bissen nehme. Mein ausgehungerter Magen knurrt vor Genugtuung. „Es ist kein Problem, wenn ich wütend auf ihn bin, weil die Worte dann einfach so herauskommen, aber Wut ist nicht der richtige Weg.“
„Inwieweit ist Aiden im Bilde, was vor sich geht?“, will Boone wissen.
„Er weiß Bescheid. Ich versuche, ihn nicht mit diesen Dingen zu überfordern, doch wenn er fragt, antworte ich offen. Ihn anzulügen hat keinen Sinn, und mit seinen fast zwölf Jahren kennt er Dads Probleme ziemlich gut. Ich habe gestern Abend ein wenig mit ihm darüber gesprochen, dass Dad einen Entzug machen muss. Nachdem er betrunken im Krankenhaus aufgetaucht ist, ist es wohl noch dringender geworden.“
„Vielleicht sollten wir das dann in der Familie besprechen.“
„Wir?“, vergewissere ich mich zögernd, denn er hat das schon einmal angeboten. Zum ersten Mal möchte ich auf jemandes Hilfsangebot eingehen.
„Ich werde dabei sein, wenn Sie das wollen.“ Boones intensiver Blick, der zeigt, dass er sich uns verbunden fühlt, bleibt an meinem hängen. „Ich habe Ihren Vater darauf angesprochen, und es macht mir nichts aus, meine Meinung dazu zu sagen.“
„Er respektiert Sie. Wir haben darüber gesprochen, wie er betrunken im Krankenhaus aufgetaucht ist, und er erinnerte sich an das Gespräch, das Sie in seinem Schlafzimmer mit ihm geführt haben. Es hat ihn zum Nachdenken angeregt.“
„Dann bin ich dabei“, sagt Boone leichthin. „Ich habe morgen Vormittag Training, aber danach kann ich jederzeit kommen.“
„Abends? Ich arbeite bis sechs.“
„Passt“, antwortet er, und wir erörtern die Einzelheiten. Während wir unsere Sandwiches und Chips essen, beraten wir, wie wir das Thema am besten ansprechen, damit Dad nicht das Gefühl hat, wir hätten uns gegen ihn verbündet. Wir vereinbaren, uns um halb sieben im Krankenhaus zu treffen.
Als wir mit dem Essen fertig sind, will ich wieder an die Arbeit gehen. Die Gehaltsabrechnung ruft, aber ich kann mir die Frage nicht verkneifen: „Warum tun Sie das?“
Boone hebt eine Augenbraue. „Sie meinen, Ihnen und Ihrem Vater helfen?“
„Natürlich bin ich auch neugierig darauf, mehr darüber zu erfahren, aber ich meinte eigentlich, Kinder im Krankenhaus besuchen. Vor allem auf der Krebsstation. Das ist eine ziemlich belastende Art, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben.“
Ein Lächeln umspielt Boones Lippen, die, wie ich unschwer feststellen kann, voll und weich aussehen. „Meine Mutter Patty ist Ergotherapeutin, und als ich in der Junior High und in der Highschool war, hat sie im Krankenhaus mit Kindern gearbeitet. Nicht nur mit krebskranken, sondern auch mit solchen, die aus irgendeinem Grund auf stationäre Behandlung angewiesen waren. Sie war vielen von ihnen nahe und erzählte daheim von ihnen. Meine Mutter freute sich, wenn eines von ihnen nach Hause durfte, und war am Boden zerstört, wenn eines starb. Ich sah, wie wichtig ihr das war, und wollte in ihre Fußstapfen treten. Sie hat so viel für unsere Familie getan, als mein Vater gegen seine Sucht kämpfte, dass ich Kindern die gleiche Freundlichkeit entgegenbringen wollte, die sie an den Tag gelegt hat, denn das hat ihr immer sehr viel bedeutet. Sie ist die stärkste Frau, die ich kenne, auch wenn Sie ihr den Rang streitig machen.“
Ich erröte bei diesem unerwarteten Kompliment. Die schöne Art und Weise, wie er seine Mutter mit seiner Freizeit ehrt, hat mich so fasziniert, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass er in diesem Zusammenhang die Opfer ansprechen würde, die ich bringe.
Es liegt in meiner Natur, mich aus dem Scheinwerferlicht zu ducken und den Kopf einzuziehen.
„Lilly, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen“, flüstert er, und ich reiße den Kopf hoch und sehe ihn an. „Ich bewundere nur, was Sie alles für Ihre Familie tun, und das in einem so jungen Alter. Ich weiß, das ist nicht leicht.“
„Ehrlich gesagt kenne ich es nicht anders“, gebe ich mit einem freudlosen Lächeln zu. „Nachdem unsere Mom gestorben war, als ich zwölf war, habe ich Aiden die Mutter ersetzt. Bei seiner Krebsdiagnose war ich fünfzehn, und mein Vater brach zusammen, also war ich Vater, Mutter und Ernährerin. Jetzt bin ich zweiundzwanzig und bin Vater, Mutter, Ernährerin und Geschäftsinhaberin, da mein Vater nicht mehr ständig im Laden helfen kann.“
„Sie sind erstaunlich“, sagt Boone. Ich will den Blick abwenden, aber seiner lässt mich nicht los. „Ich werde Sie auf Platz eins der stärksten Frau, die ich kenne, setzen. Doch Sie können nicht Ihr ganzes Leben anderen widmen, ohne auch etwas für sich selbst zu haben. Was tun Sie zum Spaß oder zur Entspannung?“
Ich runzle die Stirn, während ich versuche, mir eine Antwort einfallen zu lassen, damit ich nicht total lahm wirke. Mir fällt nichts ein. „Ich habe für derlei Dinge keine Zeit.“
In Boones Augen blitzt es. Eine Mischung aus Zorn und Anteilnahme, die sich in Entschlossenheit verwandelt. „Dann müssen wir das ändern.“