Heaven's Rejects MC: Angels and Ashes

Originaltitel: Angels and Ashes (Heaven's Rejects MC Book 2)
Übersetzer: Jazz Winter

Erschienen: 10/2024
Serie: Heaven's Rejects MC
Teil der Serie: 2

Genre: Contemporary Romance, Motorcycle Club Romance, Romantic Thrill
Zusätzlich: Thriller

Location: USA, Kalifornien


Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-706-2
ebook: 978-3-86495-707-9

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Heaven's Rejects MC: Angels and Ashes


Inhaltsangabe

Ihr Mann ist tot. Seine Frau sollte es auch sein.

Ein Jahr nachdem Darcy Kyles Mann auf tragische Weise ums Leben gekommen ist und sie mit zwei Kindern und dem ungeborenen Baby zurückließ, erhält sie einen Brief von ihrem Mann aus dem Grab. Darcy hat mehr Fragen als Antworten und macht sich daran, die Wahrheit über den vermeintlichen Unfall herauszufinden und zu beweisen, dass ihr Mann ermordet wurde. Auch wenn das bedeutet, dass sie sich selbst in Gefahr begibt.

Michael "Raze" Sanders, Präsident des Heaven's Rejects MC, hatte schon immer insgeheim Gefühle für Darcy, aber seine eigene Ehe sowie die Loyalität zu seinem toten ehemaligen Club-Vizepräsidenten und besten Freund haben ihn davon abgehalten, seine Gefühle näher zu analysieren. Doch inzwischen spürt er, dass Darcy die Frau ist, der er sein Herz wieder öffnen möchte.

Nun steckt Darcy ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen, und ihr Leben ist in Gefahr. Raze ist fest entschlossen, sie zu beschützen und sie in seiner Nähe zu behalten, damit er auf sie aufpassen kann während Darcy nach den Schuldigen am Tod ihres Mannes sucht.

Als die Wahrheit aufgedeckt wird, sind weder Raze noch Darcy auf die Antworten vorbereitet. Und ihre Gefühle füreinander werden ihnen zum Verhängnis und zur Rettung zugleich.

Über die Autorin

Avelyn Paige ist eine Wall Street Journal- und USA Today-Bestsellerautorin von Romantic Suspense- und MC Romance-Geschichten. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf pelzigen Kindern in einer Kleinstadt in Indiana.
Wenn sie nicht gerade schreibt, verbringt Avelyn ihre Tage...

Weitere Teile der Heaven's Rejects MC Serie

Leseprobe

 Raze

Die Fahrt vom Hollywood Bowl zum Clubhaus dauert länger als erwartet. Offenbar hat irgendein Vollidot beschlossen, es wäre ein guter Schachzug, mit einem Sattelschlepper auf der Fahrgemeinschaftsspur zu fahren und sich dann querzustellen, als die California Highway Patrol ihn anhalten wollte. Aus meiner einstündigen Fahrt wurden drei Stunden, weil die Leute anscheinend nicht begreifen, dass so ein Scheiß in Kalifornien nicht geht.
Verfickte Idioten.
Als ich um fast zwei Uhr morgens auf dem Gelände des Clubhauses ankomme, fällt mir die Reihe der Harleys auf, die neben der Hintertür parken. Sieht so aus, als wären die meisten meiner Brüder noch spät...

...hier. Ich lenke meine Maschine auf den ersten Parkplatz und senke den Ständer.
Bevor ich von meinem Bike absitzen kann, schwingt die Tür auf und Ratchet tritt heraus. Sein gesamtes Verhalten vermittelt brodelnde Wut.
Fuck, kann ich nicht einmal zu einem normalen Abend ins Clubhaus nach Hause kommen?
Es scheint, als gäbe es hier immer jemanden, dem einer in seine Frühstücksflocken gepisst hat. Seit wann ist dieser MC zu einer Highschool voller hormongesteuerter Teenager mutiert, die auf der Suche nach einer Pussy sind und gegen ihre Eltern rebellieren?
Ich steige von meinem Motorrad, lege den Lederschutz an meinen Beinen ab und verstaue ihn hinten in der Satteltasche. Ratchet nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette und dreht sein Gesicht mit geschlossenen Augen zum Himmel. Vorsichtig nähere ich mich ihm, denn genau wie Hero kann Ratchet Momente voller Instabilität haben und es ist dann besser, sich nicht an ihn heranzuschleichen. Er sieht mich, wirft seine Kippe auf den Boden und tritt sie mit dem Stiefel aus.
„Was geht, Prez? Du siehst aus, als hättest du eine harte Nacht hinter dir.“
Ich seufze. „Das kann man wohl sagen. Erinnere mich daran, Hero das nächste Mal in den Arsch zu treten, wenn ich ihm helfen will. Scheiß Popsänger, Mann.“
Ratchet lacht und schüttelt den Kopf. „Hat sie dir den Lippenstift verpasst, oder hütest du ein Geheimnis, von dem du mir erzählen willst?“
Ich fahre mir mit dem Handrücken über den Mund, nur um dort anschließend einen leuchtend roten Fleck von Michelles Lippenstift zu entdecken. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass sie ihn mir übertragen hatte, doch das würde die Glätte ihrer Lippen erklären.
Bei der Erinnerung daran kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Nee. Aber ihre Managerin war zu einem Ritt bereit.“
Ratchet greift in die Innentasche seiner Kutte und zieht eine Zigarettenpackung hervor, kippt sie nach vorne, um mir eine anzubieten, doch ich winke ab. Er zuckt mit den Schultern, nimmt mit den Lippen eine Kippe heraus, zündet sie an und gönnt sich einen weiteren tiefen Zug.
„Wurde auch Zeit, dass du endlich deinen Schwanz nass machst“, meint er. „Die Jungs und ich wollten gerade Wetten abschließen, mit welcher Schlampe du ins Bett gehst. Mir ist klar, dass die Sache mit Maj dich abgefuckt hat, aber wir haben erwartet, dass du dich durch die Clubhuren arbeitest, sobald sie weg ist.“
„Lass uns nicht über diese Schlampe reden“, knurre ich.
Allein die Erwähnung des Namens meiner Ex-Frau lässt Wut durch meinen Körper strömen. Dieses Miststück hat die Grenzen viel zu oft überschritten, um ihre letzte Indiskretion durchgehen zu lassen. Dani mit einem gefälschten Haftbefehl an ihren verfluchten Stiefbruder auszuliefern, den Vergewaltiger, war eine Sache. Doch meine eigenen Brüder in unserem Bett zu ficken, ging einen Schritt zu weit. Die Entscheidung, nicht nur unsere Ehe, sondern auch ihr Leben zu beenden, war die Schwerste, die ich je getroffen habe.
Maj hatte die Saat der Illoyalität in meinen Club gepflanzt. Auf keinen Fall konnte ich all die harte Arbeit riskieren, die wir in die Legalität dieses Clubs gesteckt hatten, nur weil meine Old Lady ihre Beine nicht geschlossen halten konnte.
Ich hatte sie in die Mojave geschleppt, um sie zu töten, doch als es darauf ankam, konnte ich nicht den Abzug betätigen und der Frau das Leben nehmen, die mir meine Kinder geschenkt hatte.
Zwölf Jahre einer halbwegs glücklichen Ehe hatten mich schwach gemacht, aber die Aufgabe musste dennoch erledigt werden.
Stundenlang hatte ich dort draußen in der Wüste gewartet, bis meine Verstärkung eingetroffen war. Trax hatte mir die Waffe aus der Hand genommen und mich weggeschickt. Gerade als ich meinen Pick-up erreicht hatte, hatte ich den Schuss von der Bergkette widerhallen gehört. Obwohl er in der Clubpolitik oft gegen mich arbeitet, befolgt er stets meine Befehle.
„Was bringt dich dazu, hier draußen zum Kettenraucher zu werden?“, will ich von ihm wissen, weil ich das Thema wechseln muss. „Gibt es etwas, das ich wissen sollte?“
„Nur irgendein Bullshit mit Ricca.“
Seit wir Ricca aus dem Clubhaus des Twisted Tribes befreit und nach Hause gebracht haben, klebt Ratchet regelrecht an ihrer Seite. Ich wäre zwar nicht sonderlich scharf darauf, es mir mit einer Ausgestoßenen des Tribes gemütlich zu machen, aber Ratchet scheint das nicht zu kümmern.
Sie kämpft mit ihren Dämonen aus ihrer Zeit in deren durchgeknallten Spielzimmer, allerdings ist er derjenige, der ihr zurück in die Realität hilft. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass sie seine Old Lady ist.
„Was ist es diesmal?“
„Sie hat mir gesagt, sie will das Clubhaus verlassen und in ein Apartment ziehen.“
„Was ist daran so schlimm? Sie wäre dann kein Problem mehr für uns, wenn sie nicht mehr hier wäre.“
Ratchet starrt mich wütend an.
„Shit, entschuldige, dass ich gefragt habe“, erwidere ich und hebe kapitulierend meine Hände. „Ich weiß, dass du dich für sie verantwortlich fühlst, aber verdammt, vielleicht hilft es ihr ja, ihren kaputten Kopf wieder in Ordnung zu bringen.“
Für einen Moment steht Ratchet einfach schweigend da, dreht sich dann um und geht weg. Ihm ist klar, dass ich recht habe, doch zum ersten Mal seit Langem glaube ich, dass ihm tatsächlich jemand anderer wichtiger ist als er selbst. Ich kann nur hoffen, dass die Sache unsere Clubangelegenheiten nicht weiter abfuckt, nur weil er eine Pussy nicht gehen lassen kann. Ricca ist wegen ihrer Instabilität eine Belastung, und es wäre besser für uns, wenn sie nicht in unserem Clubhaus wäre.
Ich öffne die Hintertür und der Bass der Stereoanlage schlägt mir fast ins Gesicht, als die schweren Schallwellen aus dem Hauptraum hallen. Das Hauptzimmer ist wie eine typische Männerhöhle ausgestattet: abgenutzte Ledersofas, eine gut bestückte Bar und ein Billardtisch, der schon viel zu häufig als Fickfläche benutzt wurde. Aber heute Abend scheint es eine neue Attraktion im Hauptraum zu geben. In der Mitte zwischen den Sofas schwingt sich eine Frau mit nacktem Oberkörper an einer neu installierten Stripperstange herum. Sie springt und schlingt ihre Beine um die Stange, dann rutscht sie langsam nach unten. Die Kerle schreien und brüllen, während ihre Brüste beim Drehen kaum den Boden berühren. Normalerweise würden mich ein hübsches Paar Titten interessieren, allerdings habe ich Rubys schon viel zu oft gesehen, als dass es mich überhaupt neugierig machen würde.
Ich gehe dem Geschehen in der Mitte des Raumes aus dem Weg, schlendere zur Bar und setze mich neben Hero auf einen der Barstühle. Vor ihm stehen vier leere Flaschen. Eigentlich trinkt er nicht viel, also ist offensichtlich, dass die Kacke am Dampfen ist.
Ich klopfe ihm auf die Schulter und lenke seine Aufmerksamkeit auf mich.
„Danke für den Pophurendienst heute. Du hättest mich vorwarnen können, weißt du?“
Heros Gesicht verwandelt sich von einem finsteren Blick in ein Grinsen, während er lacht und den Kopf schüttelt. „Dann wäre ich derjenige gewesen, der so aussieht, als hätten sie darum gebettelt, dass man ihnen die Augen ausquetscht. Du hättest es so oder so getan. Der Verdienst war einfach zu gut. Fünfzig Riesen, nur um dabei zuzusehen, wie eine hübsche Schlampe auf der Bühne herumtanzt und Songs zum Thema Schwanzlutschen singt, ist leicht verdiente Kohle. Hattest du irgendwelche Probleme?“
„Nee. Wie du schon sagtest, es war leicht verdientes Geld. Die kleine Schlampe hat allerdings versucht, mich in ihr Hotelzimmer abzuschleppen.“
Hero wackelt mit den Augenbrauen und ein wissendes Lächeln liegt auf seinen Lippen. „Und?“
„Du kennst die Regeln. Schwänze kommen nicht in die Nähe der Klienten. Außerdem machen Mädels mit Vaterkomplexen zu viel Arbeit und sind sowieso ein mieser Fick.“ Hero lacht herzlich auf, ehe er einen weiteren Schluck von seinem Bier nimmt. „Wusstest du von Rubys Auftritt?“
„Nope. Es ist einfach so passiert. Die Jungs waren hier und haben gewartet, um zu sehen, ob du den Job überlebst. Dann begann das Bier zu fließen und Ruby hat angefangen, sich auszuziehen. Das ist nicht mehr meine Vorstellung von Spaß.“
„Und Dani würde dir die Eier abhacken, wenn sie dich dabei erwischen würde, wie du mit einer anderen Frau verstecken und fick-mich spielen würdest.“
„Kein Scheiß“, erwidert er. „Schwangere Frauen sind gefährlich, Raze. Letztes Wochenende habe ich echt gedacht, sie bringt mich um, nur weil ich gemeint habe, dass wir die Kinderbetten noch nicht aufbauen müssen. Der Blick, den sie mir zugeworfen hat, hätte jeden Mann auf der Stelle ermorden können. Ich bin wirklich froh gewesen, dass der Werkzeugkasten neben mir und nicht neben ihr gestanden hat.“
Ich lache über sein Geständnis. Dani ist eine taffe Frau, und nach allem, was sie durchgemacht hat, ist es absolut verständlich, dass sie ein wenig fordernd ist, während sie Heros Brut austrägt. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie nicht mehr lange, bis der große Tag ansteht.
„Dani ist schon wieder auf dich sauer?“
Hero kippt sein frisches Bier in drei Schlucken runter, bevor er die leere Flasche zu den anderen schiebt. Er fährt sich mit den Händen durch die Haare, während ich auf eine Antwort warte.
„Nee, sie ist nicht sauer, aber ich bin total aufgeschmissen. Du weißt, dass wir Zwillinge bekommen, oder? Nun, wir haben heute herausgefunden, was das Geschlecht des zweiten Babys ist. Dieser kleine Scheißer hat sich monatelang hinter dem anderen versteckt.“
Ich grinse. „Also, was ist es?“
Heros verwirrte Augen treffen auf meine und seine Worte kommen fast wie ein Flüstern heraus. „Ein Mädchen. Ich bekomme zwei verdammte Mädchen.“
Zwei verdammte kleine Mädchen. Ich kann mein Lachen kaum zurückhalten.
„Das ist verflucht noch mal nicht lustig, Raze. Ich werde im Knast landen, bevor die beiden überhaupt sechzehn sein werden. Irgendein Junge wird herumschnüffeln und ich werde im Gefängnis landen, weil ich ihm die Hände gebrochen und den Schwanz abgehackt habe.“
Die Vorstellung, die er mir damit liefert, ist zu komisch. Anstatt darauf etwas zu erwidern, breche ich in schallendes, unkontrolliertes Gelächter aus. Ich klopfe ihm auf die Schulter und lache weiter, während ich aufstehe und weggehe, und ihn in seinem häuslichen Elend schwelgen lasse. Alles, woran ich dabei denken kann, ist, dass Karma gerade dabei ist, Hero in den Arsch zu treten.
Ich melde mich bei Voodoo und Tyson und stelle sicher, dass jeder für seine Sicherheitsjobs diese Woche bereit ist, dann gehe ich wieder nach draußen und zu meinem Bike.
Es ist Zeit, nach Hause zu fahren und mich zu vergewissern, dass die Kids ihren Babysitter nicht umgebracht haben. Die Heimfahrt ist kurz und beide Kinder schlafen tief und fest in ihren Schlafzimmern. Nun, in Harleys Fall ist sie in ihrem Zimmer eingeschlossen und hat einen Bewegungsmelder, der direkt auf ihr Fenster gerichtet ist. Dieses Mädel ist mir viel zu oft entwischt, als dass man ihr noch Freiheiten geben kann. Ich kann nur hoffen, dass ich den beschissenen Wahnsinn, den ihre Mutter ihr hat durchgehen lassen, umkehren kann, bevor es nicht mehr möglich ist. Ich möchte nicht, dass meine Tochter auch nur annähernd so wird wie ihre Mutter und wenn es nötig sein sollte, werde ich Gewalt anwenden.
Ich gehe in mein Schlafzimmer, ziehe meine Kutte und mein Shirt aus und werfe beides über den Stuhl in der Ecke neben dem begehbaren Kleiderschrank. Nachdem ich ebenso meine Jeans und meine Stiefel losgeworden bin, falle ich nur in Boxershorts bekleidet auf mein Bett. Es war ein verflucht langes Jahr und erst seit Kurzem kann ich wieder besser schlafen.
Es fühlt sich an, als wäre ich bereits seit Wochen wach, doch allmählich finde ich meinen Weg zurück in die Normalität.
Ich schlafe tief und fest, als mein Handy klingelt und das Geräusch mich aufschrecken lässt.
Wer zum Teufel ruft mich um diese Uhrzeit an?
Ich krieche aus dem Bett, hole mein Telefon aus der Gesäßtasche meiner Jeans und blinzele auf den Namen auf dem Display. Mit dem Daumen fahre ich über den Bildschirm und nehme den Anruf entgegen.
„Hallo?“
„Raze?“, flüstert die Stimme, mit einem leichten Hauch von Angst darin.
„Dani, was ist los? Geht es dir und den Babys gut?“
„Mit mir ist alles in Ordnung, auch mit den Babys, aber Raze, ich denke, du solltest wissen, dass Darcy gerade in Jaggers Auto weggefahren ist. Sie trägt eine Waffe im Bund ihrer Jeans.“
Mir gefriert das Blut in den Adern. „Was zur Hölle? Wohin wollte sie?“
„Sie hat es mir nicht gesagt, allerdings habe ich den Pass in ihrer Tasche gesehen. Ich habe das Gefühl, sie will nach Mexiko.“
Fuck, genau das, was ich jetzt nicht gebrauchen kann.
Noch eine völlig durchgeknallte Frau, die wild entschlossen ist, Ärger zu machen.
Ich beende mein Gespräch mit Dani, wähle dann Voodoos Nummer und weise ihn an, Jaggers Challenger zu verfolgen. Jagger hat dieses Auto über alles geliebt und Voodoo dazu gebracht, ein Ortungsgerät daran anzubringen, falls es jemals gestohlen werden sollte. Seine Paranoia wird uns jetzt zugutekommen, denn irgendetwas hat Darcy so aufgeschreckt, dass sie den Wagen genommen hat.
Fünf Minuten später meldet sich V wieder und schickt mir den Link zum Ortungsmonitor. Ich schreibe Slider eine Nachricht, in der ich ihm auftrage, als Babysitter im Haus zu erscheinen; dann dusche ich schnell, wechsle meine Kleidung und hole meine kugelsichere Weste aus dem Schrank. Ich habe keine Ahnung, was auf mich zukommen wird, aber ich werde vorbereitet sein. Besonders angesichts der Gewalt, die in den letzten Monaten in Mexiko eskaliert ist.
Aus dem Nachtisch nehme ich mein Schulterholster, das ich mir anlege. Ich stecke in jede Scheide ein Messer, um sie unter meiner Kutte zu verbergen. Eine Schusswaffe über die Grenze zu schmuggeln, ist illegal und würde mich in den mexikanischen Knast bringen. Ich muss also bei den Klingen bleiben. Im schlimmsten Fall kann ich einen unserer Verbündeten um einen Gefallen bitten und mir, wenn es nötig sein sollte, eine Knarre besorgen lassen.
Es wird gefährlich sein, meine Kutte in Mexiko zu tragen, aber ich muss sicherstellen, dass meine Clubzugehörigkeit zu Identifikationszwecken sichtbar bleibt. V wird die ortsansässigen Clubs darüber benachrichtigen, dass ich mich aus privaten Gründen in ihrem Gebiet aufhalten werde, ehe ich dort ankomme.
Hoffen wir einfach mal, dass sie den Willkommensteppich ausrollen und nicht den Leichenbestatter schicken, sollte ich ihnen begegnen.
Ich schnappe mir meine Sachen und gehe in die Garage, als ein Motorrad in die Einfahrt rumpelt. Slider gleitet durch das Seitentor, während meine Harley im Leerlauf ist und ich meine Lederkluft anlege. Ich erkläre ihm seine Aufgaben, werfe ihm den Ersatzhausschlüssel zu und schwinge mein Bein über den Ledersattel meiner Maschine. Er verschwindet im Inneren, und ich nehme mein Handy aus meiner Gesäßtasche und klicke auf Vs Link. Die Tracking-Software benötigt einige Minuten, um sich mit dem eingebauten Gerät des Autos zu verbinden, doch bald erscheint eine Karte mit einem sich bewegenden Symbol.
Und tatsächlich rast Darcy die I-5 in Richtung Süden hinunter und ist bereits südlich von San Diego. Ich fahre aus der Einfahrt, gebe mit meiner Harley Vollgas und eile ihr hinterher. Ich weiß nicht, was diese Frau vorhat, aber allein nach Mexiko zu reisen, ist die beschissenste Idee, die sie je hatte.
Ich hoffe nur, dass ich dort ankomme, ehe sie etwas Dummes anstellt.



Darcy

Die Fahrt durch Los Angeles und San Diego verläuft größtenteils ereignislos. Normalerweise staut sich der Verkehr hier zu jeder Tageszeit, aber heute läuft es in beiden Städten reibungslos. In diesem Teil Kaliforniens ist es nicht ungewöhnlich, dass es um drei Uhr nachts einen fünfstündigen Stau gibt. Da ich aus einem anderen Staat stamme, machen mir der Verkehr und die Breite der Autobahnen Angst. Es hat fast drei Jahre gebraucht, bis ich mich allein auf die Schnellstraßen gewagt habe. Jetzt, so viele Jahre später, fahre ich unbeschwert einen der größten Highways entlang.
Gerade als ich die mexikanische Grenze erreiche, gerate ich in einen Stau. Die Grenzüberquerung wird einige Zeit in Anspruch nehmen, also greife ich in meine Tasche und hole meinen Reisepass und eine Tüte mit gerösteten Schweineschwarten heraus, die ich in einem Supermarkt südlich von San Diego gekauft habe. Das Schild über der Autobahn weist darauf hin, dass ich mehr als zwei Stunden warten muss, um durch die Grenzkontrolle zu kommen.
Ich knabbere an meinem Snack, lasse meine Gedanken zu meinem Ziel schweifen und überlege, was es bedeutet, dass Brent diesen Ort gewählt hat, um etwas für Raze zu verstecken, was auch immer es ist.
Gatito Del Diablo war nur ein Zwischenstopp auf unserer Kneipentour in der Avenida Revolución in Tijuana während der Frühjahrsferien. Die Freundinnen, die ich durch mein Studium an der Universität von Süd-Kalifornien kennengelernt hatte, hatten mir immer wieder erzählt, wie verrückt das Nachtleben von Tijuana war, und damals war ich genauso draufgängerisch wie sie. Ich war dort gewesen, um Spaß zu haben, und hatte keine Ahnung, dass der Besuch dieser schäbigen Eckkneipe mein Leben für immer verändern würde.
„Ich besorge uns noch ein paar Tequila-Shots, Ladys.“
Ich gehe rüber zur alten Holz-Bar und beuge mich weit über die Kante, um mein üppiges Dekolleté zu zeigen und damit die Aufmerksamkeit des Barkeepers zu erregen. Es fühlt sich an wie zwei Sekunden, bis der Barmann ein Tablett mit zehn Gläsern Patron vor mir abstellt. Ich grinse ihn an und werfe ein paar Zwanzig-Dollar-Scheine auf die Theke, drehe mich um und renne direkt in einen betrunkenen Typen hinein, der versucht, zur Musik in der Bar zu tanzen. Die Tequila-Gläser klirren, kippen auf dem Tablett zur Seite und schwappen mir übers Shirt, sodass nicht nur der dünne Stoff, sondern auch mein BH durchnässt wird. Der Kerl entschuldigt sich nicht einmal, während er mit dem Finger durch den verschütteten Tequila fährt und es wagt, mir mit seinen dicken, schwieligen Fingern über das Gesicht reiben zu wollen.
„Was zur Hölle, Alter? Du schuldest mir sechzig Dollar in Form von Tequila, du Scheißkerl“, brülle ich und lasse das Tablett auf den abgenutzten Boden fallen.
Der besoffene Typ lacht und dreht sich einfach um, um wegzugehen, aber ich werde diesen Bastard auf gar keinen Fall laufen lassen, ohne dass er die Getränke bezahlt, die er verschüttet hat. Ich habe mir das gesamte Semester den Arsch aufgerissen und an der Campus-Bar gearbeitet, um für diesen Ausflug zu sparen. Ich werde sicherlich dieses Geld nicht für irgendeinen Idioten verschwenden, der glaubt, er könne meine Drinks verschütten, ohne dafür zu blechen.
Er geht zu den Toiletten in der hinteren Ecke der Bar, und ich stampfe ihm hinterher. Ich greife nach seinem Arm, doch als ich zurückziehe, fliegt seine rechte Faust auf mich zu. Ich versuche, mich aus dem Weg zu ducken, aber eine tätowierte Hand rauscht in mein Blickfeld und blockiert seinen Schlag. Ein großer Kerl tritt zwischen uns und schlägt den betrunkenen Bastard nieder, sodass er auf dem Boden landet. Ich gehe um die Ziegelwand von Mann herum, die vor mir steht, und sehe, wie mein Angreifer auf seinem Arsch sitzt und sich die Hände vor sein blutendes Gesicht hält.
Herrgott, dieser Typ hat einen verdammt guten linken Haken drauf.
„Hat dir deine Mutter dir etwa beigebracht, eine Dame so zu behandeln?“, fragt er mit schroffer Stimme. „Ich glaube, du schuldest dieser Lady eine Runde des besten Tequilas dieser Bar, findest du nicht?“
Der Kerl am Boden stammelt etwas in einer Mischung aus Spanisch und gebrochenem Englisch, während er in seine Tasche greift und ein großes Bündel Geldscheine nach dem tätowierten Mann wirft. Dieser fängt die zerknitterten Scheine mitten in der Luft auf und ihm verpasst dann noch einen Tritt in den Bauch. Zwei Türsteher stürmen herein und trennen die beiden.
„Belästigt er etwa die Lady, Jagger?“
„Ja, Mann. Er hat versucht, sie zu verprügeln. Schafft das Stück Scheiße nach draußen.“
Die Türsteher ziehen ihn vom Boden hoch und machen sich auf den Weg zum Vordereingang. Der tätowierte Kerl dreht sich dann zu mir um und drückt mir das Geld in die Hände, was mich aus meinem Schockzustand reißt.
„Alles okay mit dir?“, fragt er. „Er hat keinen Treffer gelandet, oder?“
Mein Blick wandert von dem Geld in meinen Händen nach oben und ich stelle fest, dass der Typ vor mir verdammt sexy ist. Seine Brust und Arme sind riesig, mit Tattoos bedeckt und muskulös. Sein Brustkorb ist breit und spannt das T-Shirt unter seiner Lederweste. Sein gemeißeltes Kinn ist bärtig, aber es liegt an seinen eisblauen Augen, dass mir der Atem stockt. Blaue Augen waren schon immer mein Kryptonit, doch ich habe noch nie einen so strahlend hellen Blauton gesehen.
Fuck, wenn er mich ansehen und mich bitten würde, nackt Hula-Hoop zu tanzen, würde ich ihm wohl, ohne zu zögern, den Gefallen tun.
Den winzigen grauen Flecken in seinem Bart nach zu urteilen, ist er etwas älter als ich. Er kann jedoch nicht älter als Anfang dreißig sein, schätze ich.
„Bist du stumm, Babe, oder siehst du etwas, das dir gefällt?“, will er mit einem süffisanten Grinsen wissen.
„Nein, mir geht’s gut“, erwidere ich und gebe mich total cool. „Danke, dass du ihn aufgehalten hast. Ich glaube, der Tequila hat meine Reaktionszeit ruiniert. Ich hatte keine Chance, seinem Schlag auszuweichen.“
Er runzelt seine Stirn noch mehr, als ein verwirrter Ausdruck über seine Gesichtszüge huscht. „Wirst du oft geschlagen, Belle? Wenn dem so ist, dann sollten wir beide wohl mal zu deinem alten Herrn fahren, er braucht wohl eine Lektion, wie man eine Lady behandelt.“
Ich schüttele den Kopf, als mich seine blauen Augen anstrahlen. „Nein, Ärger scheint mir bloß zu folgen, wenn ich mit meinen Mädels ausgehe. Ich weiß nicht, ob es an mir oder an ihnen liegt, aber Ärger ist nie weit entfernt“, antworte ich und nicke in die Richtung der ausgelassenen Gruppe von Frauen, die in der Ecke der Bar tanzen und singen. „Warum hast du mich Belle genannt?“
Sein Blick folgt dem Geräusch, bevor er wieder zu mir schaut. Ein Lachen dröhnt durch seine harte Brust. „Ich habe dich wegen deines süßen kleinen Akzents Belle genannt, und du siehst aus wie eine dieser Southern Belles, dieser Südstaatenschönheiten, aus den Filmen. So steif und anständig, bis man sie verärgert hat“, neckt er. „Und ihr scheint definitiv alle Ärger zu verursachen. Jeder einzelne Kerl hier hat seine Augen auf eure Gruppe da drüben gerichtet.“
„Also hast du uns beobachtet, was?“
Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, während ich mein Bestes gebe, sexy zu wirken. Anders als meine Freundinnen habe ich nicht gerade eine Menge Kerle, die mit mir ausgehen wollen. Anscheinend sind temperamentvolle Mädels, die auf sich selbst aufpassen können, nicht ihr Ding. Sie bevorzugen eher die Jungfrau in Nöten, und bisher hatte ich es nicht nötig, diese Rolle zu spielen.
„Nope, nur dich. Ich habe den ganzen Abend an der Bar gesessen und darüber nachgedacht, ob heute mein Glückstag sein könnte. Dieser dumme Hurensohn hat mir im Grunde nur eine Möglichkeit geliefert, mit dir ins Gespräch zu kommen.“
Vor Überraschung bleibt mir der Mund offenstehen. „Du wolltest mit mir reden?“
Er lacht und schüttelt den Kopf. „Warum sollte ein Mann nicht mit der schönsten Frau im Raum sprechen wollen?“
„Du findest mich schön?“
„Engel, du bist das schönste Geschöpf, das ich je gesehen habe. Jetzt denkst du wahrscheinlich, dass ich so einen Scheiß nur von mir gebe, weil ich dir an die Wäsche will, aber so ein alter Kerl wie ich hat normalerweise keine Chancen bei einem Mädel wie dir.“
„Alter Kerl“, wiederhole ich. „So alt kannst du doch noch gar nicht sein.“
„Ich bin alt genug“, lacht er. „Wie wäre es, wenn wir zurück zur Bar gehen und die Getränke ersetzen, die du jetzt auf deinen Klamotten trägst?“
„Klar. Ich hoffe, du magst den Geruch von Tequila. Ich scheine fast die gesamte Flasche abbekommen zu haben.“
Er lacht auf und seine Hände landen direkt an meinem unteren Rücken, um mich zurück zur Bar zu führen. Er rutscht auf einen der Hocker, setzt sich neben mich und bestellt eine Runde Tequila für meine Freundinnen und mich. Für sich ordert er ein frisches Bier. Der Barkeeper erledigt unsere Bestellung rasch, stellt ein Schnapsglas direkt vor mich und schickt die Bedienung mit einem Tablett an den Tisch meiner Kommilitoninnen. Ich halte das kühle Glas an meine Lippen und lasse den Alkohol in meiner Kehle brennen. Mit einem Lachen knalle ich das Schnapsglas zurück auf die Theke.
„Also, wie lautet dein Name?“, will er wissen, nachdem er sich einen Schluck von seinem Bier gegönnt hat. „Ich wette, es ist irgendetwas Nettes, wie Dahlia oder Rose.“
Ich hebe zwei Finger in die Höhe, um den Barkeeper zu signalisieren, dass er eine weitere Runde liefern soll, drehe mich dann zu dem Mann um und lächele. „Mein Name ist Darcy. Ich weiß, er ist nicht so hip und cool wie die meisten Namen heutzutage, aber meine Eltern sind nun mal altmodisch. Ist Jagger dein richtiger Name?“
„Nope, so lautet mein Straßenname. Ich bin eigentlich Brent. Wie gefalle ich dir bisher?“
Die Erinnerung verblasst, als der Grenzverkehr ein wenig nachlässt.
Als Brent und ich das letzte Mal nach Tijuana kamen, benötigten wir zum Überqueren keinen Reisepass, doch nachdem sich die Gesetze geändert hatten, hatte Brent darauf bestanden, dass ich Pässe für die Kids und mich besorgen sollte. Ich habe seine Liebe zu Mexiko nie ganz verstanden, allerdings war er in den letzten Jahren oft wegen Clubangelegenheiten hierhergekommen. Er hatte jedoch immer daran gedacht, meinen Lieblings-Tequila für die seltenen Dates mitzubringen.
Bei der Durchsuchung des Autos sind die Grenzschützer sehr gründlich, aber mit ein bisschen Flirten schaffe ich es, sie abzulenken. Sobald sie fertig sind, überquere ich die Grenze und erreiche problemlos Tijuana. Das GPS führt mich direkt zu der Bar, in der sich vor Jahren mein ganzes Leben verändert hat. Die Straßen sind gesäumt von bunten Lichtern, Palmen, die in sich im Wind wiegen, und Bars. Touristen mit Getränken in den Händen drängen sich in Scharen auf dem Bürgersteig, während die Straßenverkäufer bemüht sind, deren Geldbörsen ein wenig zu erleichtern, indem sie ihre Sachen und Billigschmuck feilbieten.
Ich steige aus dem Wagen, schnappe mir meine Handtasche und verriegele die Autotüren. Normalerweise hätte ich ein bisschen Angst, Betty hier so stehenzulassen, allerdings habe ich nicht vor, lange wegzubleiben.
Sekunden nach Betreten der Bar treffen mich die Erinnerungen, die mein Mann und ich hier erlebt haben. Dieser Laden hat sich im Laufe der Jahre kaum verändert, mit Ausnahme der alten Bar aus Holz, die mit einer glänzenden neuen Chromplatte ergänzt wurde. Ich lasse meinen Blick durch den Innenraum schweifen, während eine vertraute Stimme durch meine Gedanken an die Vergangenheit dringt.
„Señora Darcy“, ruft der Mann hinter dem Tresen. „Ich wusste nicht, dass du kommst.“
Ich gehe auf ihn zu, setze mich auf einen der coolen Vinylhocker und stelle meine Handtasche auf der Bar neben mir ab. „Schön, dich wiederzusehen, Matteo. Ich habe nicht gewusst, ob du dieses Lokal noch betreiben würdest.“
Matteo holt ein paar Schnapsgläser aus dem Regal hinter sich und beginnt sie mit dem Handtuch in seiner Hand zu polieren. „Du weißt doch, dass ich diesen Laden niemals verkaufen würde. Er ist schon viel zu lange in meiner Familie. Ich habe meiner Frau schon gesagt, dass ich hier drin begraben werden möchte, damit ich immer ein Auge darauf behalten kann.“
Bei seinen Worten zucke ich zusammen und in seinem Blick blitzt eine Entschuldigung auf. Er hört mit dem Polieren der Gläser auf, streckt seine Hand aus und legt sie sanft auf meine.
„Es tut mir so leid, Señora Darcy, ich sollte nicht so scherzhaft über den Tod sprechen. Ich war sehr traurig, nachdem ich gehört habe, dass Señor Jagger gestorben ist. Ich wollte kommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, doch ich konnte hier nicht weg.“
Mit meiner freien Hand tätschle ich seinen Handrücken. „Mein Mann wusste, wie sehr er dir am Herzen lag.“
„Ich bin überrascht, dich zu sehen, Señora Darcy. Angesichts dessen, was dieser Ort für dich bedeutet, habe ich angenommen, dass du nie wieder einen Fuß hier hineinsetzen würdest.“
Matteo nimmt seine Hände weg, gießt einen doppelten Tequila in eins der Schnapsgläser und schiebt es in meine Richtung. Ich greife danach, setze an meinen Lippen an und leere es in einem Zug. Während der Alkohol ein vertrautes Brennen in meinem Magen verursacht, schenkt sich Matteo ebenfalls einen Shot ein.
„Ich will ehrlich sein, ich hätte selbst nicht damit gerechnet, dass ich jemals wieder hierherkommen würde, doch mein Mann hat mir einen Brief geschickt, in dem er mich gebeten hat, etwas aus seiner alten Wohnung zu holen. Sie ist doch noch da oben, oder?“
Matteo nickt, wäscht die beiden schmutzigen Gläser ab, bevor er seine Hände trocknet, in die kleine Schublade neben der Kasse greift und einen Bronzeschlüssel herausholt. Ehe er dem Mann am anderen Ende der Bar noch ein Bier einschenkt, drückt er mir den Schlüssel in die Hand.
„Ich habe das Apartment abgeschlossen, als ich das von Señor Jagger gehört habe. Seitdem ist es nicht mehr geöffnet worden. Was auch immer er dort zurückgelassen hat, sollte immer noch da sein.“
Ich bedanke mich bei Matteo, gleite von meinem Platz und gehe zu den Hintertreppen. Bei jeder Stufe nach oben rast mein Herz vor Angst und Erwartung. Das hier war für mich immer eine schöne Erinnerung und nun bin ich unsicher, was mich hinter dieser Tür erwartet. Auf dem Treppenabsatz halte ich inne, ehe ich einen weiteren Schritt auf die Wohnungstür zugehe.
Brent braucht dich jetzt, Darcy. Es ist einer seiner letzten Wünsche, also sei ein großes Mädchen und tu es, egal, welche Geheimnisse du enthüllen magst.
Mit einem tiefen Atemzug schiebe ich den Schlüssel ins Schloss und lausche dem Klicken, als sich die Tür entriegelt. Vorsichtig drehe ich den Knauf, lege die andere Hand gegen das abgenutzte Türblatt und stoße sie auf.
Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit hier überfluten mich, während ich den Anblick vor mir in mich aufnehme.
Du bist das Schönste, was ich je gesehen habe, Darcy. Wie konnte ein alter Mann wie ich so viel Glück haben, ein Stück Himmel auf Erden zu finden?
Dieser Raum hat sich nicht ein bisschen verändert, seit ich ihn zum ersten Mal betreten habe. Noch immer steht das winzige Doppelbett am Südfenster mit diesen schäbigen, blau und weiß karierten Baumwollvorhängen. Ich habe keine Ahnung, wie wir beide darin Platz gefunden haben, doch es hat funktioniert. Drüben in der hinteren Ecke befindet sich ein einzelner Korbstuhl neben einer Leselampe und einer kleinen, verblassten blauen Kommode. Alles ist von einer dicken Staubschicht bedeckt und irgendwie kommt es mir vor, als würde dieser Staub den Glanz der Liebe eindämmen, der in diesem Zimmer einst gestrahlt hat. Der Raum wirkt verlassen, genauso wie ich mich fühle, seit Brents Tod. Dass Matteo ihn nicht weitervermietet hat, überrascht mich.
Ich setze mich auf die dünne Matratze und spüre, wie sehr sie unter meinem Körpergewicht nachgibt. In diesem Zimmer zu sein, weckt so viele Erinnerungen an eine Zeit, die mir verschwommen und so fern vorkommt, als wäre sie fast verloren. Mir ist bewusst, dass die meisten College-Mädels die Erfahrung, mit einem älteren Kerl zu schlafen, oft als betrunkenen Ferien-Fehler abtun, doch für mich hat diese Nacht mit ihm damals unser gemeinsames Leben förmlich in Zement gegossen. Er war genau der Typ Mann, nach dem ich gesucht hatte, und trotz seiner Bedenken wegen des Altersunterschiedes zwischen uns war mir klar, dass er der Richtige für mich war.
Nur wenige Monate später war ich mit einem Biker verheiratet und lebte das Leben, von dem meine Eltern Alpträume bekamen. Es hatte fast zwei Jahre gebraucht, bis sie endlich akzeptiert hatten, dass ich Brent geheiratet hatte und sich daran so schnell nichts mehr ändern würde.
Als sie jedoch mit der Zeit mitbekamen, dass er mir ein gutes Leben bot und den Traum von einem Dutzend Kindern erfüllte, gaben sie ihre Missbilligung auf und hießen ihn als Schwiegersohn willkommen. Brent hatte hart daran gearbeitet, ihre Zustimmung für sich zu gewinnen, denn in seinen Augen stand die Familie immer an erster Stelle. Er sagte stets, ohne sie wäre man nur eine leere Hülle, würde nur existieren.
Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht, erhebe mich vom Bett und durchsuche das Zimmer. Weder unter der Matratze noch in der Wäschekommode oder an jeder anderen offensichtlichen Stelle ist etwas zu finden. Mein Mann war klug und würde sicherlich kein so leicht zu durchschauendes Versteck nutzen. Während ich also weitersuche, fällt mein Blick auf etwas am Boden unter der Kommode. Ich schiebe das wackelige Möbelstück beiseite und entdecke darunter ein neu wirkendes Holzbrett, das sich deutlich von den anderen Dielen unterscheidet. Ich gehe auf die Knie, klopfe darauf und höre, dass es hohl klingt.
Mit den Fingernägeln versuche ich das Fußbodenbrett anzuheben, doch das Ding bewegt sich kein Stück. Mir kommt eine Idee. Ich eile hinunter zur Bar und nehme mir eine Brechstange aus dem Wartungsraum. Damit renne ich die Treppe wieder hinauf, kehre zu der Ecke zurück und hebe das Brecheisen in die Luft. Kurz bevor ich damit auf das Brett einschlagen will, höre ich, wie schwere Schritte am Türrahmen innehalten. Ich drehe mich zu dem Geräusch um, und als ich erkenne, wer dort steht, schnappe ich nach Luft, und das Eisen fällt klirrend neben mir auf den Boden.


Raze

Warum zum Teufel hat Darcy nichts von ihrem kleinen Ausflug erwähnt? Ohne Grund würde sie sich nicht einfach aus dem Staub machen. Offensichtlich hatte sie das dringende Bedürfnis, sich zu bewaffnen, also hätte sie mich unbedingt anrufen müssen, um mir ihre Absichten mitzuteilen. Lange bevor Jagger sein Ticket in die Hölle gelöst hatte, hatte ich ihm mein Wort gegeben, dass ich mich um sie und die Jungs kümmern würde, und ich stehe noch immer zu meinem Versprechen.
Darcys Geheimniskrämerei hat im letzten Jahr massiv zugenommen. Ihr plötzliches Verschwinden von dem Familientreffen des Clubs hatte mich bereits misstrauisch werden lassen, doch als sie Monate später mit ihrem runden Bauch wieder aufgetaucht war, wusste ich, dass sie mir gegenüber nicht ganz ehrlich gewesen war. Tagelang hatte ich in einem Dunst von Wut vor mich hin geschmort, bis ich mich endlich so weit beruhigt hatte, dass ich nachhakte, um sie mit dem zu konfrontieren, was alle von uns gedacht hatten.
„Was machst du hier?“, fragt sie mich.
Darcys zierliche Gestalt ist durch die Schwangerschaft runder geworden. Sie wirkt wie das Mädchen von damals, das an Jaggers Arms hereinspaziert war, nur mit ein wenig mehr auf den Rippen. Ihr dürres, nahezu krank wirkendes Aussehen hat ihre Schönheit verblassen lassen. Ich mag es, wenn meine Mädels gesund sind, und so erging es Jagger auch. Es hätte ihn umgebracht, sie so zu sehen.
Darcys Augen werden bei jedem Schritt, den ich auf sie zugehe, schmaler. Ihr Körper spannt sich an, als ich direkt vor ihr stehen bleibe.
„Ich bin hier, um dich etwas zu fragen.“
Ihre Brauen wölben sich nach oben, und mit vor der Brust verschränkten Armen geht sie intuitiv in eine defensive Haltung. Trotz ihres wachsenden Bauches ist Darcy immer noch der Hitzkopf, den ich bereits seit Jahren kenne. Vielleicht liegt es nur an der Hitze, die mir einen Streich spielt, aber sie wirkt noch schöner, wenn sie schwanger und angepisst ist.
Würde ich ihr das sagen?
Scheiße, nein. Ich mag meine Eier dort, wo sie sind.
„Welche Angelegenheit hast du mit mir zu klären, die es rechtfertigt, dass du den ganzen Weg hierherkommst? Dir ist schon klar, dass es so eine Erfindung namens Handy gibt, die du hättest benutzen können.“
Ihre Worte sind knapp und klingen wütend, was die langsam vor sich hin brodelnde Wut und Erregung in mir nur noch mehr anfacht. Verdammt, ihr freches Mundwerk ist scharf.
„Ich bin nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um mit dir zu streiten, Darcy. Ich muss nur wissen, wessen Kind du austrägst.“
Ihre Augen leuchten vor Zorn, ihre Finger ballen sich zu Fäusten, während sie einen schockierten Atemzug ausstößt. Allein der Anblick, wie sich ihre schwere Brust hebt, sorgt dafür, dass mein Schwanz hart wird.
Wütende Miststücke haben mich noch nie angemacht, daher habe ich keinen Schimmer, warum sich mein bestes Stück gerade in diesem Moment regt. Darcy ist immer noch Jaggers Old Lady, auch wenn er tot ist. Würde ich meinen Ständer in ihr versenken, würde ich das Andenken meines Bruders verletzen. Dennoch scheint mein Schwanz keinerlei Gewissen zu besitzen, sobald es sich um warme Pussys dreht.
„Du hast echt Nerven, mich zu beschuldigen, dass ich mit einem anderen Mann gefickt habe“, blafft sie mich an. „Ich habe meinen Ehemann vor drei Monaten begraben, und dass du glaubst, dass ich sofort einfach weitermache, als sei nichts geschehen, zeigt mir, dass du mich wirklich nicht kennst.“
„Wie zur Hölle hätte ich dich kennenlernen können, Darcy? Seit ihr beide geheiratet habt, hast du dich regelrecht in Jaggers Haus verbarrikadiert und bist nur zu besonderen Anlässen ins Clubhaus gekommen. Das lässt dich nicht gerade zugänglich und herzlich erscheinen, Darlin’.“
Die Spannung in ihrem Körper wächst, ehe sie ihre gekreuzten Arme senkt und die Hände in ihre Hüften stützt. Gott, diese freche Haltung macht mich wütend und erregt mich gleichermaßen.
„Ich bin nicht vorbeigekommen, weil Brent mich nicht in der Nähe dieser Schleimer haben wollte, die du Brüder nennst. Nachdem Trax, dieser Vollidiot aus einem anderen Charter, mich einmal im Clubhaus in die Enge getrieben hatte, wollte Brent, dass ich zuhause bleibe, um mich zu beschützen.“
Allein der Gedanke daran, Trax könnte sie berühren, lässt das Blut in meinen Adern kochen. Diese erste Regel bezüglich Old Ladys lautet: Du steckst deine Finger nicht in den Honigtopf eines anderen. Wir haben Männer schon für wesentlich weniger aus dem Club geworfen.
„Warum seid ihr, Jagger und du, damit nicht zu mir gekommen? Ich hätte dich beschützen können.“
„Brent wollte keinen Stress provozieren und es hat ihn viel mehr beruhigt, zu wissen, dass ich zuhause in Sicherheit war.“
„Ich war sein Clubpräsident. Er hätte zu mir kommen und mich das regeln lassen sollen. Das ist Teil meines verdammten Jobs. Aber jetzt genug von der Ablenkung, Frau, beantworte meine verfluchte Frage.“
Ihre Finger lockern sich und Tränen rollen über ihre Wangen, während sie ihre kleinen Hände um den gerundeten Bauch legt.
„Es ist Brents Baby. Ich habe ein paar Tage vor seinem Tod herausgefunden, dass ich schwanger bin.“
Ein schwerfälliges Seufzen dringt über meine Lippen und ich verspüre den tiefen Drang, sie in eine feste Umarmung an mich zu ziehen. Ich zwinge mich jedoch dazu, standhaft zu bleiben, weil ich, ehrlich gesagt, keine Ahnung habe, wie sie auf diese Art körperlichen Kontakt reagieren würde.
„Warum hast du mich nicht eingeweiht?“, frage ich und Traurigkeit überkommt mich.
Jagger wäre ausgerastet vor Freude, wenn er erfahren hätte, dass er erneut Vater wird. Nach all dem medizinischen Mist, der während Wessons Geburt passiert war, hatte Jagger die Tatsache nicht hinnehmen wollen, dass mehr Kinder zu bekommen zu riskant wäre und sein Traum von einem kleinen Mädchen geplatzt war. Die meisten Männer wie wir wollen Jungs, doch Jagger hatte sich stets eine Tochter gewünscht.
Nach etlichen Gläsern Whiskey im Clubhaus hatte er ständig darüber geredet, dass er zu gern ein kleines Mädchen bekommen würde. Ich für meinen Teil habe ihn deswegen immer für total durchgeknallt erklärt, weil Mädels und ihre hübschen Kleidchen nicht gerade zu unserem Lebensstil passen. Doch jedem das Seine.
Ihr Blick wandert zu ihrem Bauch und die Tränen tropfen von ihrem Gesicht.
„Ich habe nur meinen Eltern von der Schwangerschaft erzählt. Tief im Innern habe ich gedacht, wenn ich es laut aussprechen würde, würde jemand kommen, und mir das Baby wegnehmen, genau wie sie mir meinen Mann genommen haben.“
Ich gehe näher auf sie zu und ergreife ihre Hände.
Sie umklammert meine fest und schaut mir ins Gesicht. Der wütende und zugleich traurige Kummer in ihren Augen bringt mich fast um den Verstand. Sie sollte das nicht allein bewältigen müssen, und ich hasse es, dass sie denkt, die Nähe zum Club würde ihr die einzigen Dinge nehmen, die sie auf dieser Welt noch hat und liebt.
„Bei einem MC geht es um Brüderlichkeit und Familie. Nicht um Clubhuren, Revierkämpfe und all den anderen Bullshit.“ Ich deute auf das Club-Abzeichen auf der Vorderseite meiner Jacke. „Dieses Patch bedeutet, dass wir uns verpflichten und unser Leben dafür geben, die Bindung zu schützen, die wir als Brüder untereinander haben, und dazu gehören auch unsere Familien. Brent hat immer gewollt, dass du Teil dieser Familie bist, weil er wusste, dass wir dich beschützen würden, sobald schlimme Dinge vor unserer Haustüre landen. Ich denke, du solltest wissen, dass ich Jagger ein Versprechen gegeben habe, und ich beabsichtige, es zu halten, Darcy. Wenn du etwas brauchst, möchte ich, dass du mich anrufst. Selbst wenn es sich nur um ein paar zusätzliche Hände zum Windelwechseln oder einen Notfall-Babysitter handelt, ist der Club für dich da. Wir kümmern uns um die Unsrigen, und ich habe vor, sicherzustellen, dass weder du noch die Jungs und dieses neue Baby je wieder Angst haben müsst.“
Die Erinnerung an unsere Konfrontation von damals bleibt in meinem Hinterkopf, während ihr Engelsgesicht in meinem Gedanken langsam verschwimmt. Darcy war schon immer ein echter Hingucker, und nach drei Kindern ist ihr Körper nun perfekt geformt. Sie hat Kurven an den richtigen Stellen und ihr Arsch ist wirklich einen Eintrag ins Buch der Rekorde wert. Ich frage mich, wie es sich wohl anfühlen würde, in ihr zu stecken, während dieser pralle Hintern gegen meine Hüften knallt.
Woher kam das denn?
Ich schüttelte die verbotene Fantasie ab, die sich gerade in meinem Kopf abspielt, und überquere die Grenze zu Mexiko.
Die meisten Menschen würden es mit der schieren Menge an Stahl, die an meinem Körper befestigt ist, niemals über die streng bewachte Grenze schaffen, doch mit ein wenig Schmiergeld und meiner Sicherheitslizenz ist alles möglich.
Ehe ich den Verkehr verlasse, checke ich den Tracker-Link auf meinem Handy und stelle fest, dass der Wagen an einer beliebten Bar in der Stadt angehalten hat.
Warum zur Hölle sollte sie hierherkommen, nur um etwas zu trinken? Den gleichen Tequila oder dieses Pissbier hier kann sie auch zu Hause bekommen.
Irgendetwas hat sie dazu bewogen, ihre Kinder zurückzulassen, und dahinter steckt mehr als nur dieses Höllenloch.
Mit dem Bike schaffe ich es problemlos ins Kneipenviertel der Stadt. Unten auf der Straße entdecke ich Jaggers Wagen, der direkt vor der Bar geparkt steht. Direkt dahinter bleibe ich stehen, stelle den Motor ab, ziehe die Zündschlüssel aus dem Zündschloss und verstaue sie in meiner Jacke.
Auf dem Bürgersteig lache ich in mich hinein.
Darcy hat sich auf den Weg nach Mexiko gemacht, nur um an einem Ort namens „The Devil’s Pussy“ zu landen. Diese Kneipe scheint eher etwas zu sein, was Jagger besuchen würde. Meiner Meinung nach ist Darcy mehr der Typ für Wein- und Käsepartys, als für beschissenes Bier und Montezumas Rache.
In der Bar bemerke ich einen älteren Mexikaner hinter der Theke, der sie mit einem Lappen abwischt. Ich schlendere hinüber und rutsche auf den leeren Barhocker direkt vor ihm.
„Was kann ich Ihnen bringen, Señor?“, fragt er mit nervöser und steifer Stimme.
„Ich suche die Frau, die in dem wunderschönen, draußen geparkten Auto aufgetaucht ist. Hast du sie hier drin gesehen?“
Der Mann schüttelt seinen Kopf, dann dreht er sich um und greift unter der Kasse nach etwas, von dem ich annehme, dass es sich um eine Pistole handelt. Ich ziehe eins meiner langen Kampfmesser aus meinem Schulterholster, wirbele die scharfe Klinge in meiner Hand und ramme sie auf die Theke. Durch das Geräusch dreht sich der Mann auf den Fersen, um mich anzusehen. Sein Blick landet auf meinem Messer und er hebt kapitulierend die Handflächen in die Höhe.
„Ich will keinen Ärger, Señor.“
„Es wird keinen Ärger geben, wenn du mir sagst, wie ich die Frau finden kann. Dein Blick ist automatisch zu dem gewandert, was vermutlich eine Waffe unter der Kasse ist, also weißt du sehr genau, wovon ich rede und ich bin mir verflucht sicher, dass sie dir etwas bedeutet.“
„Ja, ich weiß, wer sie ist“, erwidert er und hält seine Hände weiterhin hocherhoben. „Ihr Ehemann war ein Stammgast hier. Was willst du von der Señora?“
Langsam lasse ich meine Finger über die scharfe Klinge gleiten, ehe ich das Messer zurück in mein Schulterholster stecke. Ich muss ihm zeigen, dass ich nicht vorhabe, ihr Leid zuzufügen, wenn er mir die Auskunft geben soll, die ich benötige.
„Nun, sagen wir einfach, ich war ein guter Freund ihres Mannes. Wirst du mir jetzt verraten, wo ich sie finden kann, oder muss ich mein Messer wieder hervorholen und die Informationen Stück für Stück aus dir herausschneiden?“
Seine Augen weiten sich, sobald meine Hand erneut unter meine Kutte gleitet.
„Sie ist oben in Señor Jaggers Wohnung“, antwortet er und zeigt auf die Rückseite der Bar.
Apartment? Seit wann? Sofern ich weiß, hat Jagger nur eine Immobilie besessen, und zwar das Haus, das er mit seiner Familie geteilt hatte. Der Drecksack hatte sogar vor mir Geheimnisse.
Ich ziehe meine Hand aus der Kutte, erhebe mich und gehe in die von ihm vorgegebene Richtung. Leise stiege ich die Treppe hinauf und ich kann hören, wie Geräusche aus einem der Räume dringen. Die Tür ist einen Spalt offen und mein Blick fällt auf Darcy, die in einer Ecke steht und eine Brechstange hoch über den Kopf hält.
„Würdest du mir vielleicht mal erklären, was du mit einem Brecheisen und einer Waffe in einer Bar in Tijuana machst?“
Das Stemmeisen fällt ihr aus der Hand und landet krachend neben ihr auf dem Boden. Darcy steht geschockt da, während ich den Raum betrete, und bückt sich, um ihr Werkzeug wieder aufzuheben. Ich bin schneller, hebe es auf und halte es ihr entgegen. Sie starrt mich an, als sie mir das Brecheisen wegnimmt.
„Wenn du Urlaub gebraucht hast, Darlin’, hättest du einfach etwas sagen können, statt wegzulaufen.“
„Ich bin nicht weggelaufen, Arschloch“, faucht sie mich an. „Warum zum Teufel bist du hier?“
In meiner Gegenwart ist sie wieder voller Zorn und mein bestes Stück erwacht erneut zum Leben. Wieso zur Hölle hat sie diese Wirkung auf mich und weshalb kann mein Schwanz nicht weich bleiben, wenn die Frau zugegen ist, die ich nicht haben kann? Ich muss zugeben, dass ich mich schon immer zu ihr hingezogen gefühlt habe, und sogar ihr freches Mundwerk hat es mir angetan, doch sie ist immer noch die Witwe meines Bruders. Diese Grenze zu überschreiten, wird in unserem Club nicht gerade positiv betrachtet, und ich habe mit Sicherheit nicht vor, das zu tun, selbst wenn sie sich mir anbieten würde.
„Dani hat angerufen und gemeint, dass du mit einer Waffe im Jeansbund abgehauen wärst. Erzähl mir lieber mal, warum du nicht angerufen hast, um mir mitzuteilen, warum du es nötig hast, nach Mexiko zu verschwinden? Ich bezweifle, dass du in einer Stadt wie dieser nur das Bedürfnis nach einem warmen Bier hattest.“
Sie verdreht die Augen, was das wachsende Problem in meiner Hose nur weiter verschlimmert.
Komm verfickt noch mal wieder runter. Sie ist nicht die Pussy, hinter der du momentan her sein solltest.
„Ich bin wegen dir und meinem verdammten Ehemann hierhergekommen.“
Ich blicke sie verwirrt an, während sie zu ihrer Tasche stampft und dort ein gefaltetes Stück Papier herausreißt.
„Das hier hat heute Morgen an meiner Haustür gehangen und bevor du fragst: Ja, es ist seine Handschrift.“
Sie drückt mir den Brief in die Hand. Ich überfliege ihn kurz und starre auf die verblassten Worte.
Sie hat recht, es handelt sich um seine Handschrift. Wie zum Teufel hat sie nach all der Zeit überhaupt einen Brief von Jagger bekommen können?
Tote Männer schreiben keine Briefe.
„Du weißt, dass ich recht habe. Ich bin wegen der kleinen Bitte hier, die im P.S. vermerkt ist. Ich bin hier, weil er mich gebeten hat, das zu finden, was auch immer er hier für dich versteckt hat.“
Ich falte das Papier wieder zusammen und reiche es an sie zurück, während ich mir die Worte meines verstorbenen Bruders durch den Kopf gehen lasse.
Sie ergeben keinen Sinn, allerdings wächst das Bedürfnis, das zu finden, was er hier verborgen hat, enorm. Ich nehme Darcy das Brecheisen ab und schiebe sie zur Seite.
„Glaubst du, was auch immer er hier versteckt hat, liegt unter dem Boden?“
Sie zeigt auf eine neu wirkende Bodendiele direkt vor mir. „Dieser Teil, genau dort. Es klingt hohl, wenn ich darauf klopfe.“
Ich streife meine Kutte ab, reiche Darcy das abgenutzte Leder, knie mich auf den Boden und stecke die Spitze des Brecheisens in den Spalt zwischen den Fußbodenbrettern. Es braucht ein paar Versuche, doch schließlich löst sich das Brett aus der Versiegelung und springt heraus. Nachdem ich die Diele von allen Seiten gelöst habe, hebele ich sie auf und lege sie neben mich auf den Boden. Mit einer Hand greife ich in das Loch und taste umher, bis meine Finger gegen ein glattes Päckchen stoßen, das in der hinteren Ecke liegt. Ich ziehe es aus dem Versteck und hebe es ins Licht.
Das dicke Kuvert ist mit Staub bedeckt, jedoch immer noch versiegelt. Während ich die Patina wegblase, bleibt Darcys Blick auf den Umschlag fixiert. Ich drehe das Paket um und finde auf der Rückseite meinen Namen in Jaggers vertrauter Handschrift gekritzelt.
Darcy tritt näher und steckt die Hand danach aus, um ihn mir abzunehmen, doch ich entreiße ihr das Päckchen.
„Nun, Darlin’, Jagger hat dir unmissverständlich klargemacht, dass das hier nichts für dich ist. Komm also nicht auf die Idee, es an dich zu nehmen.“
Sie kreuzt mit einem Schnauben verärgert die Arme vor ihrer Brust und in ihrem Blick brennt die Wut wie eine Leuchtfackel.
Ich erhebe mich vom Boden, klemme mir den Umschlag unter den Arm und wische mir den Staub von der Lederhose. Während ich an ihr vorbeigehe, schnappe ich meine Kutte, die sie noch immer festhält, und steuere direkt auf den Ausgang zu.
„Wo zur Hölle willst du hin?“, knurrt sie mir hinterher.
„Nun, Darlin’, dieses Paket und ich werden jetzt nach Hause fahren. Wenn das, was hier drin ist, so schlimm ist, wie ich denke, werde ich einen Teufel tun, und es in irgendeiner Scheißbar in Mexiko öffnen. Und jetzt schaff deinen hübschen kleinen Arsch wieder in das Auto und fahr zurück nach Hause. Dein Part ist erledigt und es ist Zeit, dass du dich wieder um die Kinder kümmerst. Wenn es irgendetwas hier drin gibt, das du wissen solltest, werde ich es dir mitteilen, doch bis dahin ist dieses Paket eine Angelegenheit des Clubs und nicht deine Sache.“