Jameson Force Security Group: Codename: Revenge

Ori­gi­nal­ti­tel: Code Name: Re­ven­ge (Ja­me­son Force Se­cu­ri­ty Book #9)
Über­set­zer: Oli­ver Hoff­mann

Er­schie­nen: 10/2022
Serie: Ja­me­son Force Se­cu­ri­ty Group
Teil der Serie: 9

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Ro­man­tic Thrill

Lo­ca­ti­on: USA, Pitts­burgh, Miami


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-570-9
ebook: 978-3-86495-571-6

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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und allen gän­gi­gen On­line­händ­lern und im Buch­han­del

Jameson Force Security Group: Codename: Revenge


In­halts­an­ga­be

Nen­nen Sie mich ein­fach Dozer Bur­ney.
Ich bin eine Hälf­te des ge­nia­len, hoch­in­tel­li­gen­ten Duos, das die Ja­me­son Force Se­cu­ri­ty Group an der Spit­ze der Si­cher­heits­tech­no­lo­gie hält.
Mein be­ruf­li­cher Wech­sel von der NASA zur Ja­me­son Force Se­cu­ri­ty Group führt mich zu­rück an die Ost­küs­te der USA, und somit zu den Men­schen, die mir am meis­ten be­deu­ten.

Seit dem Col­le­ge ist Jes­si­ca An­der­son meine beste Freun­din. Die al­lein­er­zie­hen­de Mut­ter, die sich einst mit einem über­aus ge­fähr­li­chen Mann ein­ge­las­sen und der Po­li­zei ge­hol­fen hat, die­sen hin­ter Git­ter zu brin­gen, lebt seit­dem ein ru­hi­ges Leben mit ihrer Toch­ter in Miami. Bei­der Si­cher­heit hängt davon ab, dass er ein­ge­sperrt bleibt.
Als ich die In­for­ma­ti­on er­hal­te, dass er aus dem Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis ge­flo­hen ist, weiß ich, dass er sich an Jes­si­ca rä­chen will.

Jetzt ist es ein Wett­lauf mit der Zeit, um Jes­si­ca vor ihm zu er­rei­chen.

Sie mit mei­nem Leben zu be­schüt­zen, ist für mich selbst­ver­ständ­lich, denn ins­ge­heim liebe ich Jes­si­ca be­reits seit un­se­rem Ken­nen­ler­nen.
Und wenn wir beide le­bend hier her­aus­kom­men, werde ich dafür sor­gen, dass sie von mei­ner Liebe weiß – jeden Tag für den Rest un­se­res Le­bens.

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der Ja­me­son Force Se­cu­ri­ty Group Serie

Le­se­pro­be

Jes­si­ca

Es war ein an­ge­neh­mer Traum. Einer von denen, aus denen man nicht auf­wa­chen will, al­ler­dings kann ich mich nicht mehr an die Ein­zel­hei­ten er­in­nern. Es ging um einen Mann – ich konn­te sein Ge­sicht nicht sehen, aber wir gin­gen zu­sam­men an einem Strand spa­zie­ren, und es fühl­te sich ein­fach rich­tig an.
Fried­lich.
Ich be­mü­he mich, die­ses Ge­fühl fest­zu­hal­ten, doch ein lau­tes Klop­fen an der Haus­tür ver­an­lasst mich, lang­sam die Augen zu öff­nen. Es ist noch nicht Tag, aber das bläu­lich-graue Licht, das durch meine Ja­lou­si­en dringt, ver­rät mir, dass der Mor­gen naht.
Gäh­nend drehe ich mich um und schaue auf...

...​die Di­gi­tal­uhr auf mei­nem Nacht­tisch. Die roten Zif­fern schei­nen wü­tend zu ver­kün­den, dass es kurz nach sechs Uhr mor­gens ist und dass um diese Zeit nie­mand an die Tür klop­fen soll­te.
Es sei denn, es han­delt sich um einen Not­fall.
Ich sprin­ge aus dem Bett und falle bei­na­he auf die Nase, weil sich mein Bein im Bett­la­ken ver­hed­dert hat. Nach­dem ich es be­freit habe, taum­le ich zur Tür und stoße mit der Schul­ter hart gegen den Holz­rah­men.
„Schei­ße“, knur­re ich, wäh­rend ich den kur­zen Flur ent­lang­ei­le, durchs Wohn­zim­mer laufe und fast mit dem Ge­sicht gegen den Tür­spi­on stoße, um zu sehen, wer da drau­ßen ist.
Er­leich­te­rung dar­über, keine Po­li­zei­uni­form zu sehen, durch­strömt mich.
Dann Ver­wir­rung.
Vor der Tür steht Dozer, und ich kann mir beim bes­ten Wil­len nicht vor­stel­len, warum er so früh am Mor­gen un­an­ge­mel­det auf­taucht.
Nicht, dass er nicht will­kom­men wäre.
Dozer ist hier immer will­kom­men.
Ich schlie­ße die Tür auf und öffne sie schnell. Noch ehe ich fra­gen kann, was er hier will, stößt er mich zu­rück und folgt mir ins Haus. Als er die Tür schließt, will ich eine Lampe ein­schal­ten, aber er sagt scharf: „Mach kein Licht an.“
„Was zur Hölle soll das, Doze?“, frage ich, meine ers­ten Worte, nach­dem ich den Schock sei­ner plötz­li­chen An­we­sen­heit über­wun­den habe.
So­bald er die Tür ge­schlos­sen hat, dreht er sich zu mir um und mus­tert mich im schwa­chen Licht. In der Hitze Mia­mis schla­fe ich nor­ma­ler­wei­se in Sa­tin-Shorts und einem Top. Ich trage sogar ein pas­sen­des Sei­den­tuch im Haar. Das ist halb so schlimm, weil Dozer eben Dozer ist und er in mir nur eine Freun­din sieht, also ist es ihm egal, was ich an­ha­be.
Aber ein Mäd­chen darf ja schließ­lich hof­fen, und jetzt wünsch­te ich, ich hätte das Tuch nicht um den Kopf. Ich be­fin­ge­re es ner­vös.
„Du musst Thea we­cken, und an­schlie­ßend zieht ihr euch an. Packt schnell das Nö­tigs­te ein, dann gehen wir.“
„Was ist …“
„Ivan Bo­rovs­ky ist aus dem Ge­fäng­nis ge­türmt. Wir müs­sen hier weg.“ Dozer geht an mir vor­bei in den Flur. „Ich wecke Thea, du machst dich schon mal ans Pa­cken.“
„Warte. Mach mal lang­sam – er­klär mir erst mal, was los ist.“
„Im Auto“, er­wi­dert Dozer, was mich nervt. Ich lasse mich un­gern ab­kan­zeln, schon gar nicht von Dozer.
Ich mache Licht im Flur, als er Theas Tür er­reicht. „Sie ist nicht hier. Thea über­nach­tet heute bei mei­ner Mut­ter.“
Dozer bleibt ste­hen und dreht sich zu mir um, als es ihm däm­mert. „Gi­gi-Nacht.“
Ich nicke lä­chelnd. „Gi­gi-Nacht.“
Seit Theas Ge­burt ist sie fast jeden Sams­tag­abend bei mei­ner Mut­ter, oder bes­ser ge­sagt, bei ihrer Gigi. Sie la­ckie­ren sich ge­gen­sei­tig die Fin­ger­nä­gel, sehen sich Filme an und essen schreck­lich viel Junk­food, aber Thea liebt es sehr und er­in­nert sich lie­be­voll an jeden die­ser Be­su­che.
Dozer schimpft nicht mit mir, weil ich das Licht im Flur an­ma­che, und ich schimp­fe nicht mit ihm, weil er mich wie­der so an­sieht. Wir sind schließ­lich Freun­de. Das ist ver­mut­lich alles, was wir je sein wer­den, doch ich habe mir immer etwas an­de­res ge­wünscht.
Doch ich nehme, was er mir gibt, und bin dank­bar dafür, denn die­ser Mann war bei jedem wich­ti­gen Er­eig­nis in mei­nem Leben für mich da, seit wir mit acht­zehn aufs Col­le­ge ge­gan­gen sind. Ich kann mich auf ihn ver­las­sen, und er liebt Thea, als wäre sie seine ei­ge­ne Toch­ter.
Dozer sieht mir in die Augen. „Wir müs­sen deine Mut­ter an­ru­fen. Ich woll­te ei­gent­lich dort vor­bei­fah­ren und sie ab­ho­len, aber um Zeit zu spa­ren, soll­te sie uns in dem Hotel tref­fen, das ich ge­bucht habe. Zieh dich an und pack eine Ta­sche. Ich rufe deine Mut­ter an.“
„Dozer!“, rufe ich pa­nisch. Ich habe ihn noch nie so kon­zen­triert ge­se­hen, und seine fest zu­sam­men ge­bis­se­nen Zähne ver­ra­ten mir, dass er tief be­sorgt ist. „Nimm dir bitte eine Mi­nu­te Zeit und er­klär mir alles. Dann lege ich los.“
Mit einem Stoß­seuf­zer fährt er sich mit der Hand über den kah­len Kopf, schlägt einen Mo­ment lang die Augen nie­der, als wolle er seine Ge­dan­ken sam­meln. Nach­dem er mei­nen Blick wie­der er­wi­dert, ist sei­ner nicht we­ni­ger be­un­ru­higt als vor­hin auf mei­ner Tür­schwel­le.
„Du hast ge­sagt, Bo­rovs­ky sei ent­kom­men?“, frage ich. „Wie? Wann?“
„Ers­te­res weiß ich nicht, aber ich habe die Mel­dung vor etwa sie­ben Stun­den er­hal­ten.“
Ich denke über die Zeit­ab­läu­fe nach und kon­zen­trie­re mich dabei vor allem auf die Tat­sa­che, dass Dozer sich ganz schön be­eilt haben muss, um so schnell von Pitts­burgh hier­her zu kom­men. „Du glaubst, er kommt her, um sich an mir zu rä­chen?“
„Nein, ich weiß es“, sagt Dozer är­ger­lich, „und du weißt es auch. Mein Gott, JJ … Er war von dir be­ses­sen. Deine Aus­sa­ge bei der Po­li­zei war der größt­mög­li­che Ver­rat. Er hat sogar aus dem Ge­fäng­nis her­aus ver­sucht, dich er­mor­den zu las­sen.“
Ich winke ab. „Alles nur An­ge­be­rei. Der Ver­such wurde ver­hin­dert, und in den letz­ten fünf Jah­ren hat er die Füße still­ge­hal­ten.“
Das scheint Dozer wü­tend zu ma­chen – eine Emo­ti­on, die ich bis­her nur ein ein­zi­ges Mal in sei­nem Ge­sicht ge­se­hen habe, und da­mals galt sie zum Glück Chase, nicht mir. Mit einem Schritt steht er vor mir, und ich muss den Kopf in den Na­cken legen, um ihn an­zu­se­hen. Seine dunk­len Augen sind von etwas ge­trübt, das ich als Angst be­zeich­nen würde. „Die­ser Mann hat dir an­läss­lich sei­ner Ver­ur­tei­lung im Ge­richts­saal ge­droht. Er sagte, er würde dich jagen und aus­wei­den. Du nimmst das viel­leicht nicht ernst, aber bist du be­reit, Theas Leben zu ris­kie­ren, wenn ich recht habe und du falsch liegst?“
Bei die­sem Ge­dan­ken ge­friert mir re­gel­recht das Blut in den Adern. „Glaubst du, er kommt wirk­lich her?“
Dozer nickt ent­schie­den. „Die Wahr­schein­lich­keit ist zu­min­dest sehr hoch. Wir müs­sen dich nur ir­gend­wo si­cher ver­ste­cken, bis er wie­der ge­fasst wird.“
„Aber wo?“, will ich wis­sen.
„Erst mal fah­ren wir in ein Hotel, aber vor allem dür­fen wir jetzt keine Zeit mehr ver­lie­ren, JJ.“ Dozer ist einer der we­ni­gen, die mich so nen­nen. Mein vol­ler Name ist Jes­si­ca Jayne An­der­son. Ge­le­gen­heits­be­kannt­schaf­ten nen­nen mich Jes­si­ca, viele mei­ner Freun­de Jess, aber die ein­zi­gen bei­den Men­schen auf der Welt, die mich JJ nen­nen, sind meine Mut­ter und Dozer, und es drückt ent­we­der Zu­nei­gung oder Groll aus.
„Wie viel muss ich pa­cken?“, frage ich.
„Für min­des­tens eine Woche“, er­wi­dert er und geht zum Zim­mer mei­ner Toch­ter. „Ich rufe deine Mut­ter an, wäh­rend ich Theas Zeug packe, und dann bre­chen wir auf.“
„Okay“, ant­wor­te ich, wobei seine Dring­lich­keit meine Panik noch ver­stärkt. Ich bin froh, dass Dozer meine Mut­ter an­ruft – ihm wird sie zu­hö­ren, ohne Fra­gen zu stel­len. Sie hält ihn für den Nabel der Welt und wird viel schnel­ler re­agie­ren als ich, nur weil Dozer etwas sagt.
Ich laufe in mein Zim­mer und fühle mich ver­lo­ren. Ist Ivan wirk­lich hin­ter mir her?
Es ist selt­sam, nach all den Jah­ren an ihn zu den­ken. Nach sei­ner Ver­ur­tei­lung habe ich ihn aus mei­nem Leben ge­stri­chen und bin wei­ter­ge­zo­gen. Na­tür­lich war er da­mals nicht Ivan Bo­rovs­ky für mich. Er war ein Be­trü­ger, der auf den Namen Alex Smith hörte. Er ließ mich glau­ben, er sei ein se­riö­ser Ge­schäfts­mann, war aber in Wirk­lich­keit ein hö­he­res Mit­glied eines rus­si­schen Ver­bre­cher­syn­di­kats mit Sitz hier in Miami.
Er ist au­ßer­dem ein Kil­ler.
Ich schau­de­re beim Ge­dan­ken daran, wie leicht ich hätte ster­ben kön­nen, als ich die Wahr­heit über ihn er­fuhr. Eine Welle des Ab­scheus und des Selbst­has­ses er­füllt mich, wenn ich daran denke, dass ich mit die­sem Mann intim ge­we­sen bin.
„Wenn du pas­sen­de Kla­mot­ten für kal­tes Wet­ter hast, pack die auch ein“, ruft Dozer aus Theas Zim­mer. Das reißt mich aus mei­nen Grü­be­lei­en, und ich gehe zur Kom­mo­de.
„Fah­ren wir denn nach Nor­den?“, rufe ich zu­rück.
„Viel­leicht“, sagt er nur, und ich weiß, dass wir im Mo­ment weder Zeit noch En­er­gie auf diese De­tails ver­schwen­den dür­fen. Dozer ist der klügs­te Mann, den ich kenne. Viel klü­ger als die meis­ten an­de­ren Men­schen auf die­ser Welt. Er weiß schon nach we­ni­gen Stun­den, dass Bo­rovs­ky ge­türmt ist, und er hat die­ses Su­per­hirn, das wahr­schein­lich schon alle Wahr­schein­lich­kei­ten von Ivans nächs­tem Schritt durch­ge­spielt hat.
Ich ver­traue dar­auf, dass er recht hat und die Zeit drängt.
Zu­nächst schnap­pe ich mir ein paar Kla­mot­ten zum Um­zie­hen, und da wir ei­gent­lich auf der Flucht sind, ent­schei­de ich mich für prak­ti­sche Klei­dung. Trai­nings­legg­ins, ein Tanktop, ein Ka­pu­zen­pul­li mit Reiß­ver­schluss und meine Lauf­schu­he.
Im Bad nehme ich das Tuch vom Kopf und mas­sie­re leicht meine Kopf­haut, um die vie­len dunk­len Lo­cken, die in alle Rich­tun­gen sprie­ßen, auf­zu­lo­ckern. Um zu ver­mei­den, dass mir die Blase platzt, gehe ich pin­keln, wa­sche mir dann die Hände und putze die Zähne. Im Bad hole ich einen Kul­tur­beu­tel unter dem Wasch­be­cken her­vor und räume meine vie­len Ma­ke-up- und Haut­pfle­ge­pro­duk­te hin­ein.
Aus dem Schrank hole ich mei­nen Kof­fer und werfe Kla­mot­ten hin­ein, wobei ich mich auf prak­ti­sche statt auf mo­di­sche As­pek­te kon­zen­trie­re. Ehe ich fer­tig bin, steht Dozer wie­der im Zim­mer. „Das reicht. Gehen wir.“
Ich wi­der­spre­che nicht. Was fehlt, kann ich un­ter­wegs kau­fen.
Dozer geht zu mei­nem Kof­fer und wirft einen Arm voll Kla­mot­ten auf meine. Ich läch­le, als ich sehe, dass er Theas rosa Lieb­lings­ted­dy in der Hand hat. Sie hat zwar nicht mehr das Be­dürf­nis, vor dem Ein­schla­fen mit ihm zu ku­scheln, aber er liegt immer auf ihrem Bett, und Dozer weiß, dass er sie trös­ten wird. Ich habe das Ge­fühl, dass wir furcht­er­re­gen­de Tage vor uns haben.
Nach­dem ich mei­nen Kul­tur­beu­tel auf die Klei­dung ge­wor­fen habe, schlie­ße ich mei­nen Kof­fer. „Hast du meine Mut­ter er­reicht?“
„Sie wird uns am Hotel tref­fen, wo wir heute Nacht blei­ben wer­den, wäh­rend wir die Sach­la­ge klä­ren.“
Ich drehe mich zu ihm um, aber da nimmt mir Dozer schon den Kof­fer ab. Ich folge ihm zur Haus­tür, wo ich mein Handy und meine Schlüs­sel in die Hand­ta­sche ste­cke und sie mir über die Schul­ter werfe.
Als Dozer mir, an­statt die Tür zu öff­nen, den Ted­dy­bä­ren reicht und eine Pis­to­le aus einem Brust­hols­ter unter sei­ner Jacke zieht, bin ich wie vom Don­ner ge­rührt. Er schiebt die Vor­hän­ge zur Seite und linst in die früh­mor­gend­li­che Däm­me­rung hin­aus.
„Eine Waffe?“, flüs­te­re ich, ohne zu wis­sen warum. Aber er hat eine Waffe, und jetzt habe ich Angst, dass je­mand vor der Tür ste­hen könn­te. „Du trägst eine Waffe?“
„Eine reine Vor­sichts­maß­nah­me“, ant­wor­tet er leise.
„Seit wann trägst du bitte eine Waffe?“ Mein Ton wird leicht schrill, ob­wohl ich immer noch leise rede.
Do­zers Blick schweift durch den Vor­gar­ten. „Nor­ma­ler­wei­se trage ich keine. Aber ich weiß, wie man sie be­nutzt, und ich gehe kein Ri­si­ko ein.“
„Ivan kann noch nicht hier sein. Es ist schlicht un­mög­lich für ihn, in die­ser kur­zen Zeit von New York nach Miami zu rei­sen.“
„Er muss nicht hier sein, um dich zu krie­gen.“ Ein Schau­er durch­fährt meine Brust. Ivan Bo­rovs­ky hat viele kri­mi­nel­le Freun­de und Fa­mi­li­en­mit­glie­der, auf die er sich ver­las­sen kann. Sie wären mehr als glück­lich, mich zu ent­füh­ren und fest­zu­hal­ten, bis er kommt.
„Schei­ße“, mur­me­le ich und lege die Hand auf Do­zers Rü­cken. Ich drü­cke mich dicht an ihn, als wäre seine bloße An­we­sen­heit schon Schutz genug. „Siehst du drau­ßen je­man­den?“
„Nein.“ Er lässt die Vor­hän­ge los und wen­det sich zu mir um, so­dass wir prak­tisch Nase an Nase ste­hen. Ich trete zu­rück, um ihm Platz zu ma­chen, wäh­rend er auf mich her­un­ter­starrt. „Geh schnell zu dem SUV hin­ter dei­nem Wagen. Ich habe den Motor lau­fen las­sen. Setz dich auf den Bei­fah­rer­sitz und ver­rie­ge­le die Tür. Ich werde di­rekt hin­ter dir sein.“
„Ich drehe durch“, flüs­te­re ich.
„Du schaffst das schon“, sagt er, nimmt mei­nen Ell­bo­gen und drückt ihn. Dann schiebt er mich zur Tür.
Ich öffne sie und trete auf die Ve­ran­da, Dozer folgt mir. Dann grei­fe ich nach mei­nen Schlüs­seln, um meine Tür ab­zu­schlie­ßen, aber Dozer schüt­telt den Kopf. „Steig ein. Rasch.“
Ich weiß, dass er nur ef­fi­zi­ent sein will und dass sich nie­mand hin­ter einem Busch ver­steckt, sonst hätte Dozer mich nicht aus dem Haus ge­las­sen, aber die Tat­sa­che, dass er nicht ein­mal will, dass ich mir ein paar Se­kun­den Zeit nehme, um meine Tür ab­zu­schlie­ßen, bringt mich an den Rand eines Ner­ven­zu­sam­men­bruchs, als ob jeden Mo­ment ein Auto vol­ler rus­si­scher Ma­fio­si die Stra­ße ent­lang­kom­men würde.
Ich tue, was Dozer sagt, und höre seine Schrit­te hin­ter mir auf dem Geh­steig, der meine Ve­ran­da mit der Ein­fahrt ver­bin­det. Er hat einen Chevy Sub­ur­ban ge­mie­tet, und ohne zu zö­gern öffne ich die Tür und sprin­ge prak­tisch vom Tritt­brett auf den Vor­der­sitz. Ich schlie­ße die Tür und be­ob­ach­te, wie Dozer vorne ums Auto geht und seine Augen die Ge­gend ab­su­chen.
Er öff­net die hin­te­re Tür, wirft un­se­ren Kof­fer hin­ein und knallt sie zu. Dann geht er zur Fah­rer­tür, und ge­ra­de als er sie öff­net, sehe ich, wie zwei Män­ner aus einer Li­mou­si­ne auf der an­de­ren Stra­ßen­sei­te aus­stei­gen und eine klei­ne Stra­ße ent­lang gehen. Sie sind ganz ein­deu­tig auf dem Weg zu uns.
„Ent­schul­di­gen Sie“, ruft einer von ihnen und ver­sucht, höf­lich und hilf­los zu­gleich zu klin­gen.
Dozer wir­belt mit ge­zo­ge­ner Waffe zu ihnen herum, und ich bin über­rascht, wie schnell er sich be­wegt.
Kei­ner der Män­ner hat Angst, dass eine Waffe auf sie ge­rich­tet ist, was mir sagt, dass sie nicht auf einer Spa­zier­fahrt sind und nach dem Weg fra­gen wol­len.
Einer von ihnen greift hin­ter sei­nen Rü­cken, aber Dozer knurrt ihn an: „Das würde ich nicht tun.“
Beide Män­ner heben lang­sam die Hände, wäh­rend sie wei­ter in un­se­re Rich­tung kom­men und so tun, als ob sie keine Waffe bei sich hät­ten. Einer der bei­den grinst höh­nisch. „Was wol­len Sie mit der Waffe?“
„Ach, wis­sen Sie“, sagt Dozer höf­lich und mit war­nen­dem Un­ter­ton. „Nur für den Fall, dass die Rus­sen­ma­fia hier in der Ge­gend auf­taucht.“
Wenn ich nicht sol­che Angst hätte, würde ich laut auf­la­chen. Es sind ein­deu­tig Ivans Män­ner, denn sie sehen über­haupt nicht ein­ge­schüch­tert aus, und die letz­te Be­mer­kung wischt ihnen das Grin­sen aus dem Ge­sicht.
Lang­sam kom­men sie wei­ter auf uns zu und er­rei­chen den Bür­ger­steig in we­ni­ger als zwei Me­tern Ent­fer­nung.
„Geben Sie uns ein­fach das Mäd­chen, und Sie kön­nen wei­ter­fah­ren“, sagt einer von ihnen.
„Ste­hen­blei­ben, oder ich schie­ße“, ant­wor­tet Dozer.
„Oh Gott“, stöh­ne ich, weil ich Angst habe, dass Dozer über­for­dert ist. Sie sind zu zweit – aus­ge­bil­de­te Kil­ler, kein Zwei­fel – und er ist al­lein, ein ehe­ma­li­ger NA­SA-Wis­sen­schaft­ler, der den gan­zen Tag am Schreib­tisch sitzt. „Soll ich die Po­li­zei rufen?“
„Nein“, ant­wor­tet er ruhig, die Waffe immer noch auf die bei­den Män­ner ge­rich­tet. Er warnt die bei­den Rus­sen: „Kei­nen Schritt wei­ter, sonst schie­ße ich einem von euch ins Bein.“
„Sie wür­den auf einen un­be­waff­ne­ten Mann schie­ßen, der einen net­ten Mor­gen­spa­zier­gang in der Nach­bar­schaft macht?“, fragt einer der Män­ner, und jetzt höre ich den un­ver­kenn­ba­ren rus­si­schen Ak­zent, den sie zuvor un­ter­drückt hat­ten.
„Ja“, ant­wor­tet Dozer, be­wegt seine Waffe leicht nach rechts und rich­tet sie auf den Mann, der ge­ra­de die Frage ge­stellt hat. „Aber wir wis­sen au­ßer­dem beide, dass Sie be­waff­net sind.“
Um zu sehen, ob Dozer blufft, macht der Mann einen wei­te­ren Schritt nach vorn.
Dozer senkt die Waffe leicht und drückt ab. Der Knall des Schus­ses zer­reißt die Luft, und ich un­ter­drü­cke einen Schrei.
Lei­der tut der Mann, der ge­ra­de eine Kugel ins Schien­bein be­kom­men hat, das Ge­gen­teil und fällt brül­lend vor Schmer­zen zu Boden.
Der an­de­re Mann weicht zu­rück, of­fen­sicht­lich auf der Hut vor dem Hünen, der ge­ra­de ohne große Pro­vo­ka­ti­on auf sei­nen Kum­pel ge­schos­sen hat.
„Auf den Boden“, be­fiehlt Dozer und nickt dem sich auf dem Bür­ger­steig win­den­den Mann zu. „Auf den Bauch.“
Ohne zu zö­gern, ge­horcht der zwei­te Russe und wirft sich auf den Bür­ger­steig.
„Wenn du auf­steht, ehe wir außer Sicht sind, schie­ße ich noch­mal.“ Der Kerl starrt ihn an, wäh­rend der Ver­letz­te wim­mert und seine Hände auf das blu­ten­de Loch in sei­nem Bein presst.
Dozer nimmt auf dem Fah­rer­sitz Platz, schwingt die Beine in den Wagen und schließt die Tür, wobei er die Waffe in der Hand be­hält, wäh­rend er den Gang ein­legt.
Bei­na­he er­war­te ich, dass er aus der Ein­fahrt her­aus­fährt, aber er lenk­te den Wagen ruhig rück­wärts, wobei seine Augen zwi­schen den Män­nern auf dem Boden und dem Rück­spie­gel hin und her hu­schen, um si­cher­zu­stel­len, dass nichts hin­ter uns ist.
Ich drehe mich auf dem Sitz, schaue zu­rück und sage: „Du kannst los­fah­ren.“
Dozer ver­traut auf mein Wort und lenkt den gro­ßen SUV auf die Stra­ße, so­dass die Män­ner auf sei­ner Seite des Fahr­zeugs sind und nicht auf mei­ner. Sie star­ren Dozer an, als er den ers­ten Gang ein­legt, und wir fah­ren los.
Ich be­ob­ach­te aus dem hin­te­ren Fens­ter, wie der Mann, der nicht an­ge­schos­sen wurde, auf­steht und ein Handy aus der Ta­sche holt. „Der Typ ruft je­man­den an.“
„Wahr­schein­lich je­man­den, der sei­nen Freund ab­holt“, ver­mu­tet Dozer und schaut in den Rück­spie­gel. „Oder Ver­stär­kung.“
„Schei­ße, Schei­ße, Schei­ße“, mur­me­le ich, als ich wie­der nach vorne schaue. Ich sehe Dozer in einem neuen Licht, sein dunk­les Pro­fil mit den an­ge­win­kel­ten Wan­gen­kno­chen und den vol­len Lip­pen sieht sehr gut aus, und er scheint über­haupt nicht be­un­ru­higt zu sein. „Du hast den Kerl an­ge­schos­sen.“
„Ich hätte auch den an­de­ren an­ge­schos­sen, wenn er wei­ter auf uns zu ge­kom­men wäre.“
„Du wirst Ärger be­kom­men“, schimp­fe ich.
„Darum küm­me­re ich mich spä­ter“, ent­geg­net er und wirft mir einen kur­zen Blick zu. „Ruf deine Mut­ter an. Plan­än­de­rung. Sag ihr, sie soll bitte nicht ins Hotel, son­dern di­rekt zu mei­nem Vater fah­ren. Er wird ihr auf­ma­chen.“
Ich reiße die Augen auf, als er mir die Adres­se nennt. „Wir fah­ren zu dei­nem Vater?“
Dozer beißt die Zähne zu­sam­men und nickt. „Es ist jetzt, wo wir wis­sen, dass sie aktiv nach dir su­chen, der si­chers­te Ort für uns.“
„Zu dei­nem Vater? Echt?“ Es ist der letz­te Ort auf der Welt, von dem ich dach­te, dass Dozer ihn aus frei­en Stü­cken auf­su­chen würde.
Zu mei­nem Er­stau­nen schenkt mir Dozer ein kur­zes, strah­len­des Lä­cheln. „Ich werde seine An­we­sen­heit er­tra­gen, um dich, Thea und deine Mut­ter zu be­schüt­zen, bis wir eine Lö­sung ge­fun­den haben.“
Ich sauge seine will­kom­me­ne Un­be­schwert­heit in mich auf – genau das brau­che ich ge­ra­de. „Du musst mich sehr lie­ben, um die An­we­sen­heit dei­nes Va­ters zu er­tra­gen.“
Das war eine un­be­dach­te Aus­sa­ge, die als Scherz ge­meint war. Ich meine, na­tür­lich liebt Dozer mich eben­so wie ich ihn.
Als eine Freun­din.
Aber Do­zers Lä­cheln ver­rutscht ein wenig, bevor er ant­wor­tet: „Ich mag dich ganz gern, und wir wer­den nur kurz bei ihm blei­ben, bis wir etwas Bes­se­res ge­fun­den haben.“
Ich ant­wor­te nicht, son­dern rufe meine Mut­ter an und schi­cke sie nach Key Bis­ca­y­ne, wo Do­zers Vater wohnt.