Haven Brotherhood: Rough & Tumble

Ori­gi­nal­ti­tel: Rough & Tum­ble
Über­set­zer: Nina Bel­lem

Er­schie­nen: 09/2018
Serie: Haven Bro­ther­hood
Teil der Serie: 1

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Dark Ero­ti­ca
Zu­sätz­lich: Do­mi­nanz & Un­ter­wer­fung

Lo­ca­ti­on: USA, Texas, Dal­las


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-348-4
ebook: 978-3-86495-349-1

Preis:
Print: 14,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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und allen gän­gi­gen On­line­händ­lern und im Buch­han­del

Haven Brotherhood: Rough & Tumble


In­halts­an­ga­be

Hart leben, här­ter f*cken und aus­schließ­lich den ei­ge­nen Re­geln fol­gen: Dies sind die drei Prin­zi­pi­en, an die sich die sechs Män­ner der Ha­ven-Bru­der­schaft stets hal­ten. Sie wei­gern sich, den Er­war­tun­gen der Ge­sell­schaft zu ent­spre­chen, und neh­men sich statt­des­sen, was und wen sie wol­len.

Der er­folg­rei­che Un­ter­neh­mer Jace Ken­ne­dy be­kommt stets das, was er will. Vom ers­ten Mo­ment an, in dem er Vi­vi­en­ne Moo­res ver­bor­ge­ne wilde Seite ent­deckt, ist ihm klar, dass sie die Rich­ti­ge für ihn ist – so­fern er die un­ter­drück­te Lei­den­schaft in ihr be­frei­en kann. Er wird Vi­vi­en­ne be­kom­men. Egal wie!

Vi­vi­en­ne hat das raue Leben, in dem sie auf­ge­wach­sen ist, hin­ter sich ge­las­sen. Dass sie ihre par­ty­wü­ti­ge Schwes­ter aus einem Club her­aus­zer­ren muss, ent­spricht nicht ihrer Vor­stel­lung einer idea­len Sil­ves­ter­nacht. Vi­vi­en­nes Plan ist, ihre Schwes­ter zu schnap­pen, aus dem Club zu mar­schie­ren und schnell in ihr si­che­res, be­stän­di­ges Leben zu­rück­zu­keh­ren. Doch in dem Mo­ment, in dem sie in den knall­har­ten und ge­fähr­lich sexy Be­sit­zer des Clubs rennt, fal­len ihre Pläne in sich zu­sam­men wie ein Kar­ten­haus.

Jace Ken­ne­dy ent­spricht allem, was Vi­vi­en­ne zu­wi­der ist. Aber je mehr Zeit sie mit ihm ver­bringt, desto kla­rer wird ihr, dass er ge­nau­so lei­den­schaft­lich liebt wie er kämpft. Er ist stolz dar­auf, wer er ist und woher er kommt, und er wird ver­dammt sein, wenn er Vi­vi­en­ne gehen lässt, bevor er ihr nicht ge­zeigt hat, dass der si­chers­te Platz für sie in den Armen eines ge­fähr­li­chen Man­nes ist …

"'Rough & Tum­ble' von Rhen­na Mor­gan wird euer Herz wär­men und eure Hös­chen schmel­zen las­sen." - New York Times-Best­sel­ler­au­to­rin Au­drey Car­lan ("Ca­len­dar Girl"-Se­rie) 

Über die Au­to­rin

Die aus Okla­ho­ma stam­men­de Mut­ter zwei­er hüb­scher Töch­tern ist at­tes­tier­te Lie­bes­ro­man­süch­ti­ge. Ihr bis­he­ri­ger Le­bens­lauf spie­gelt ihre Lei­den­schaft für alles Neue wider: Rhen­na Mor­gan ar­bei­te­te u.a. als Im­mo­bi­li­en­mak­le­rin, Pro­jekt­ma­na­ge­rin sowie beim Radio.

Wie bei den meis­ten Frau­en ist ihr All­tag von mor­gens...

Wei­te­re Teile der Haven Bro­ther­hood Serie

Le­se­pro­be

 

XXL-Le­se­pro­be bei Boo­k2­Look

Jace schal­te­te sei­nen Com­pu­ter aus und stürz­te den Rest sei­nes Scotchs her­un­ter. Knapp zwölf­hun­dert Hekt­ar Land und nichts als Ruhe und Zeit für sich. Nor­ma­ler­wei­se be­ru­hig­te ihn al­lein die Vor­stel­lung, zu die­sem Ort weit im Nor­den von Allen zu fah­ren, aber heute Nacht funk­tio­nier­te es nicht ganz so wie er­war­tet.
Es brauch­te zehn Mi­nu­ten, bis er die Nord­bar über­prüft und alles mit den Bar­kee­pern durch­ge­gan­gen war. Die­ser Teil der Bar war be­son­ders bei den rauen Män­nern be­liebt, die ein­fa­chen Schnaps von guter Qua­li­tät und ohne jeden Bull­s­hit schätz­ten. Diese Bas­tar­de moch­ten nicht die or­dent­lichs­ten sein, aber sie...

...​kamen mit ihrem Al­ko­hol sehr viel bes­ser zu­recht als die meis­ten Yup­pies, und sie be­zahl­ten fast immer bar.
Er brach­te die Kasse zu Shel­ly ins Büro und ging dann zur Ost­bar. In der Lobby hing noch Zi­ga­ret­ten­rauch, ver­mischt mit Schweiß­ge­ruch und dem über­wäl­ti­gen­den Ge­ruch von Af­ters­ha­ve und Par­füm. Er muss­te mal ein Wört­chen mit den Män­nern spre­chen, die hier die Auf­sicht hat­ten, damit sie dar­auf ach­te­ten, dass we­ni­ger ge­raucht wurde, an­sons­ten konn­te er sich auch gleich eine Ziel­schei­be für das Ge­sund­heits­amt auf die Stirn malen.
„Ver­dammt, lass mich durch. Ich will zu Jace.“
Jace blieb ab­rupt ste­hen, als er Vivs wü­ten­de Stim­me hörte, die vom Ein­gang her er­tön­te.
Er dreh­te sich ge­ra­de noch recht­zei­tig um, um zu sehen, wie sein Tür­ste­her Bruce den bis­her of­fe­nen Ein­gang ver­sperr­te und ir­gend­et­was als Ant­wort brumm­te. Von Viv war nichts zu sehen, aber die Un­ru­he und das ge­räusch­vol­le Ge­schnat­ter, das von drau­ßen zu hören war, sag­ten ihm, dass es die letz­ten Be­su­cher vor dem Club nicht allzu eilig damit hat­ten, nach Hause zu fah­ren.
„Er­zähl mir kei­nen Scheiß“, fauch­te Viv laut und deut­lich. „Ich bin in den ver­gan­ge­nen zwei Wo­chen jeden Tag hier ein und aus ge­gan­gen. Du weißt, dass ich hier ar­bei­te. Jetzt geh mir aus dem Weg.“
Das klang so, als hätte die klei­ne Lady sich in einen ver­dammt hef­ti­gen Wut­an­fall hin­ein­ge­stei­gert. Er schlen­der­te näher, sorg­te aber dafür, dass sie ihn nicht zu sehen bekam. Das muss­te er Bruce las­sen: Er ließ sich nicht aus der Ruhe brin­gen. Von Viv konn­te man das al­ler­dings nicht sagen. Er hatte sie noch nie so forsch er­lebt, nicht ein­mal, als sie sei­nen Namen ge­schrien und auf sei­nem Schwanz ge­kom­men war.
Er soll­te sich da nicht ein­mi­schen. Er soll­te die Ost­bar fer­tig ma­chen, hier ab­schlie­ßen und dann end­lich ver­schwin­den. Er tipp­te Bruce auf die Schul­ter und be­deu­te­te ihm, zur Seite zu gehen. „Ich küm­me­re mich darum.“
Vivs Wut­ti­ra­de er­starb in dem Mo­ment, als sie ihn sah.
Ver­dammt, sein Mund wurde tro­cken. Ihr Haar war offen, wild, zer­zaust vom Sex und noch immer so durch­ein­an­der, wie es ge­we­sen war, als er ging. Die Farbe ihrer sexy grau­en Augen war dunk­ler als sonst und ihre Wan­gen zeig­ten eine hüb­sche Röte. Aber das war kein Ver­gleich zu ihrer rest­li­chen Auf­ma­chung: Die Jeans, die er lieb­te, das ein­fa­che weiße Tanktop und die Le­der­ja­cke, die er ihr be­sorgt hatte. „Du bist ja ziem­lich dreist für eine Frau, die nichts mit einem ge­fähr­li­chen Mann zu tun haben will.“
Sie stemm­te die Hände in die Hüf­ten und Jace ver­schluck­te sich fast an sei­ner Zunge. Sein klei­ner Knall­frosch war ohne BH los­ge­fah­ren, und die süßen Nip­pel, an denen er ge­saugt hatte, drück­ten sich gegen den fes­ten Stoff. Durch die weiße Baum­wol­le konn­te man die Farbe ihrer Brust­war­zen schim­mern sehen. „Es war ein Miss­ver­ständ­nis.“
Eine Se­kun­de lang - eine hoff­nungs­vol­le, ver­wirr­te Se­kun­de - hin­ter­frag­te er die Worte, die vor­hin aus ihrem Mund ge­kom­men waren. Die Er­in­ne­rung daran, wie sie Paul auf dem Wohl­tä­tig­keitsd­in­ner an­ge­se­hen hatte. Sie war ent­spannt ge­we­sen. Aus­ge­gli­chen und in­ter­es­siert. Da war nichts von dem fast schon ängst­li­chen Aus­druck ge­we­sen, den er auf ihrem Ge­sicht ge­se­hen hatte, als er zu ihr zu­rück ins Bett ge­kro­chen war und sich neben ihr zu­sam­men­ge­rollt hatte. „Man kann die Worte einer Frau an einen Mann nicht miss­ver­ste­hen, wenn sie ihm sagt, dass sie Angst vor ihm hat. Ich glau­be, das fasst ziem­lich gut zu­sam­men, wie du mich siehst.“ Er wuss­te nicht, wie er es schaff­te, nicht ein­zu­kni­cken, aber so­bald er in Haven war, würde er sich einen gro­ßen Ma­cal­lan ein­schen­ken und sich selbst auf die Schul­ter klop­fen. Eines war si­cher: Er konn­te das nicht. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht, wenn er noch immer die­sen Schmerz im In­nern ver­spür­te, als hätte sie ihm das Herz her­aus­ge­ris­sen.
Er legte seine Hand auf ihre Schul­ter und führ­te sie durch die war­ten­de Menge vor dem Club zum Park­platz. „Falls du wegen dei­nes Jobs hier bist: Der ist dir si­cher. Aber ich denke, es ist bes­ser, wenn du jetzt gehst.“
Sie schüt­tel­te sei­nen Griff ab und pack­te sein Hand­ge­lenk, bevor er aus ihrer Reich­wei­te ver­schwin­den konn­te. „Bitte. Hör mir ein­fach nur zu.“
Er warf einen nicht zu sub­ti­len düs­te­ren Blick auf ihre Hand und hob dann die Au­gen­braue in einer Geste, die sagte: „Willst du das wirk­lich durch­zie­hen?“
Sie ließ ihn los, schob ihre Hände in ihre Ge­säß­ta­schen und hielt sei­nen Blick mit einem guten Aus­blick auf ihre Brüs­te ge­fan­gen.
Herr­gott, er war auch nur ein Mann. Er ball­te die Hände in sei­nen Ho­sen­ta­schen zu Fäus­ten und ver­such­te, sich auf ihre Augen zu kon­zen­trie­ren. „Sprich.“
Sie zö­ger­te eine Se­kun­de und mus­ter­te ihre Stie­fel so lange, dass er schon dach­te, sie hätte es sich an­ders über­legt. Dann hob sie den Blick und sah ihm di­rekt in die Augen. „Als ich sagte, dass Paul si­cher ist, mein­te ich, er ist si­cher. Si­cher wie in ‚ab­so­lut nicht Furcht ein­flö­ßend‘. Und bevor du dich wie­der auf­regst und be­ginnst, zu knur­ren und mir etwas von einem spei­chel­le­cken­den Arsch­loch zu er­zäh­len, soll­test du wis­sen, dass ich damit sagen woll­te, er in­ter­es­siert mich über­haupt nicht.“
Die Ge­sprä­che der Menge um sie herum summ­ten re­gel­recht, aber sein In­ners­tes er­starr­te. Er war sich nicht si­cher, was zur Hölle er er­war­tet hatte, doch das hier war es nicht ge­we­sen. Ver­dammt, das war nicht ein­mal im An­satz das ge­we­sen, was er er­war­tet hatte.
„Für mich ist er nicht wegen sei­ner Klei­dung si­cher“, sagte sie, „oder wegen des Vier­tels, in dem er lebt, oder mit wem er ver­wandt ist. Was ich mein­te, ist, dass er si­cher ist, weil er mein In­ners­tes nicht mit einem ein­zi­gen Blick durch­ein­an­der­brin­gen kann. Seine Hand auf mei­nem Arm habe ich kaum be­merkt, aber ich be­mer­ke deine Be­rüh­run­gen immer. Also ja, er ist si­cher. Du je­doch?“ Sie gab ein fast schon hys­te­ri­sches La­chen von sich und schüt­tel­te den Kopf, so­dass ihre wil­den Lo­cken um ihre Wan­gen und Schul­tern tanz­ten. „Du machst mir eine höl­li­sche Angst, weil ich bei dir etwas fühle. Du bringst mich dazu, alles, was ich bis­her für wahr ge­hal­ten habe, in­fra­ge zu stel­len, und du for­derst mich dazu her­aus, alles, was Si­cher­heit be­deu­tet, ein­fach zum Fens­ter hin­aus­zu­wer­fen.“
Weil ich bei dir etwas fühle.
Diese schlich­te Aus­sa­ge ver­dreh­te ihm so schnell den Kopf, dass er da­nach kaum noch etwas wahr­nahm. Zur Hölle, selbst wenn er sich be­we­gen könn­te, würde er es nicht ma­chen, aus Angst, den Mo­ment da­durch zu zer­stö­ren.
„Sag etwas.“ Ihre Brust hob und senk­te sich, als wäre sie ge­ra­de meh­re­re Ki­lo­me­ter ge­rannt, an­statt ein­fach nur eine Tonne voll Über­ra­schun­gen auf ihm ab­zu­la­den. Trä­nen sam­mel­ten sich in ihren Augen. „Bitte.“
Es muss­te einen Haken geben, ir­gend­ei­nen Fall­strick, den er über­sah. Aber ver­dammt, er konn­te sie nicht so da­ste­hen und sie den­ken las­sen, dass das, was sie ge­sagt hatte, keine Rolle spiel­te. Er trat bei­sei­te, um sie zu­rück in den Club zu füh­ren. Er würde sie in sein Büro brin­gen und sich selbst damit ein wenig Zeit er­kau­fen, um das alles zu ver­ar­bei­ten.
Viv be­weg­te sich im glei­chen Mo­ment wie er, als woll­te sie ihn davon ab­hal­ten, zu gehen, und pack­te seine Schul­ter. „Warte.“
Ein Schuss er­tön­te.
Viv zuck­te zu­sam­men und fiel gegen ihn, als die Menge aus­ein­an­der­stob. Bruce und das rest­li­che Team spran­gen ins Ge­fecht, wäh­rend Schreie gell­ten und wil­des Stamp­fen von Schrit­ten auf dem Asphalt zu hören war.
Jace schirm­te Viv ab, legte seine Arme um sie, führ­te sie in den Club und schlug die Tür hin­ter sich zu.
Sie zit­ter­te, hielt die Stirn gegen seine Brust ge­drückt und wein­te zitt­rig und schmerz­er­füllt.
„Vi­vi­en­ne.“ Er schob sie an den Schul­tern ein wenig zu­rück und ihr Schluch­zen wurde zu einem Schrei. „Süße …“
Er er­starr­te.
Blut quoll aus einem aus­ge­frans­ten Loch zwi­schen ihrer Schul­ter und dem Hals, und über die Vor­der­sei­te ihres wei­ßen Tanktops zog sich eine rote Spur. „Schei­ße.“
Axel brüll­te quer durch die Lobby: „Was zur Hölle geht hier vor sich?“
„Ein Schuss. Lass die Jungs das re­geln. Ich brau­che dich hier.“ Er hob Viv hoch und stürm­te wei­ter in die Bar, wobei er sich durch die Masse an Gäs­ten schie­ben muss­te, die in die an­de­re Rich­tung rann­ten. Ge­bell­te Be­feh­le der Tür­ste­her vor dem Club und weib­li­che Schreie tra­fen seine Ohren wie Gra­nat­split­ter, und sein Herz klopf­te in einem wü­ten­den Rhyth­mus.
Weil ich bei dir etwas fühle.
Herr­gott, er war ein Idiot. Ein hitz­köp­fi­ger, pri­mi­ti­ver Idiot.
Hin­ter ihm er­klan­gen Axels schwe­re Schrit­te.
Jace legte Viv in die nächst­ge­le­ge­ne Sitz­ni­sche, schob ihre Le­der­ja­cke mit zit­tern­den Hän­den bei­sei­te und un­ter­drück­te ein Flu­chen. Die Wunde lag weit genug oben, um nicht le­bens­ge­fähr­lich zu sein, aber sie blu­te­te wie ver­rückt. „Sie haben Viv er­wischt“, sagte er zu Axel, als der näher eilte. „Hol mir ein Hand­tuch von der Bar.“
„Bist du dir si­cher, dass ich nicht den Ers­te-Hil­fe-Kas­ten brin­gen soll?“
„Keine Zeit. Ich will sie hier raus­ha­ben, bevor die Cops auf­tau­chen.“ Er strich ihr das Haar aus dem Ge­sicht und beug­te sich über sie. Ein ste­chen­des Ge­wicht drück­te auf seine Brust, die glei­che un­ge­brems­te Wut, die er in der Nacht ver­spürt hatte, als es ein Mann vor so vie­len Jah­ren ge­wagt hatte, sei­ner Mut­ter weh­zu­tun.
Ihr Blick fand sei­nen, die Augen weit auf­ge­ris­sen und gla­sig, und ihr zitt­ri­ger Atem streif­te sein Ge­sicht. „Tut weh.“
„Atme tief ein, Babe“, sagte er. „Es tut wahr­schein­lich höl­lisch weh, aber die Wunde ist nur ober­fläch­lich. Zeke bringt dich wie­der in Ord­nung und dann wird es dir bes­ser gehen.“
Schö­ne Worte. Sie war her­ge­kom­men, hatte sich ihm ge­öff­net und als Dank war sie an­ge­schos­sen wor­den.
Axel reich­te ihm ein sau­be­res wei­ßes Ge­schirr­tuch von der Bar und legte zwei wei­te­re neben Viv. „Was sol­len wir als Nächs­tes ma­chen?“
Seine Schlä­fen poch­ten, weil er die Zähne so fest zu­sam­men­ge­bis­sen hatte, und das Ver­lan­gen, den­je­ni­gen zu er­wür­gen, der es ge­wagt hatte, sie zu ver­let­zen, ließ ihn seine Fäus­te ge­nau­so fest bal­len. „Knox soll sich die Über­wa­chungs­bän­der an­se­hen. Ich will, dass sie auf kei­nem ein­zi­gen davon auf­taucht. Wenn nötig, soll er die Auf­nah­men der gan­zen ver­damm­ten Nacht lö­schen. Bis ich weiß, was zur Hölle hier pas­siert ist, wird kei­ner außer den Brü­dern er­fah­ren, dass sie hier war. Und stell si­cher, dass Bruce die Klap­pe hält.“
„Denkst du, der Schuss galt ihr?“
„Mo­re­no hat sie im Club an mei­ner Seite ge­se­hen. Es war für die­sen Wich­ser nicht schwer, sich aus­zu­rech­nen, dass er sie an­grei­fen muss, wenn er mich ver­let­zen will. Aber bis ich das de­fi­ni­tiv weiß, muss sie in Si­cher­heit sein.“
„Wie willst du das an­stel­len?“
„Ich brin­ge sie nach Haven.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon ver­stan­den.“ Jace drück­te das Ge­schirr­tuch auf die Wunde und Vi­vi­en­ne wim­mer­te. Er hob sie so vor­sich­tig hoch wie nur mög­lich.
In der Ferne waren Si­re­nen zu hören.
„Den Brü­dern wird das nicht ge­fal­len“, sagte Axel. „Bist du dir si­cher, dass du diese Gren­ze über­schrei­ten willst?“
Jace ging auf den Hin­ter­aus­gang zu. „Die Gren­ze, um die du dir eher Sor­gen ma­chen soll­test, ist die, die ich über­tre­te, wenn ich die­sen Bas­tard finde, der den Abzug be­tä­tigt hat.“

Viv drück­te ihr Kinn auf ihre Brust und hielt jedes Mal den Atem an, wenn die Er­schüt­te­rung von Jace’ star­ken Schrit­ten das Schmerz­zen­trum nahe ihrer Schul­ter er­reich­te. Die Mi­schung aus höl­li­schem Bren­nen und po­chen­dem Zu­cken sorg­te dafür, dass sich ihr der Magen um­dreh­te, aber sie wagte es nicht, zu wür­gen, aus Angst, dass der Schmerz dann noch schlim­mer wer­den würde.
Jace stieß die Stahl­tür am Hin­ter­aus­gang des Clubs auf, und die ab­rup­te Be­we­gung er­schüt­ter­te ihre Schul­ter.
Ihr er­stick­ter Auf­schrei hall­te durch die ver­las­se­ne Gasse.
Er küss­te sie auf die Stirn und lief auf den Por­sche zu. „Sorry, Süße. Halt durch, bis ich uns hier raus­ge­bracht habe.“ Er setz­te sie auf den Bei­fah­rer­sitz und schnall­te sie an. Sie dank­te Gott dafür, weil sie sich nicht si­cher war, ob sie sich ohne den Si­cher­heits­gurt hätte auf­recht hal­ten kön­nen.
Die kühle Ja­nu­ar­luft wehte über ihre klam­me Haut, und ein Schau­der glitt ihr Rück­grat hinab. Der Motor des Por­sches sprang grol­lend an und das Auto schoss vor­wärts.
Sie hob die Lider. Die Welt au­ßer­halb des Fens­ters neben ihr dreh­te sich wie ein Ka­rus­sell. „Du hast ge­sagt, je­mand hat ge­schos­sen.“
Jace ramm­te den Schalt­knüp­pel so hart in den nächs­ten Gang, dass sie zu­sam­men­ge­zuckt wäre, wenn sie nicht schon zit­tern würde. „Der Schuss kam vom Park­platz. Ich weiß nicht, wer es war, aber Axel küm­mert sich be­reits darum.“
„Waf­fen und Al­ko­hol. Eine schlech­te Mi­schung. Glaub mir, das weiß ich.“ Ihre Worte lie­ßen eine War­nung in ihrem Hin­ter­kopf auf­leuch­ten. Zu viel In­for­ma­ti­on. Halt die Klap­pe und sag nichts wei­ter. Aber warum? Sie hatte sich ent­schie­den, sich ganz auf Jace ein­zu­las­sen. Die Rea­li­tät würde ihm zei­gen, wie sie wirk­lich war. Ihr Blick fiel auf den Blut­fleck auf ihrem frü­her ein­mal schnee­wei­ßen Ober­teil und eine neu­er­li­che Übel­keits­wel­le er­fass­te sie.
Jace legte seine Hand auf ihren Na­cken und seine Fin­ger strei­chel­ten trös­tend über ihren Haar­an­satz. „Atme ein­fach tief durch, Süße. Wir ma­chen dich wie­der ge­sund.“
Sie schloss die Augen, ließ den Kopf nach vorn sin­ken und kon­zen­trier­te sich auf seine Be­rüh­rung. Ge­sund­wer­den klang gut, vor­zugs­wei­se mit jeder Menge Schmerz­me­di­ka­men­ten. „Meine Kran­ken­ver­si­che­rung schickt mich immer ins Pres­by­te­ri­an Hos­pi­tal. Ar­bei­tet Zeke dort?“
„Ich brin­ge dich nicht ins Kran­ken­haus.“
Vivs Kopf zuck­te in die Höhe und die ruck­ar­ti­ge Be­we­gung ließ sie auf­schrei­en. Sie hatte ihn ganz si­cher falsch ver­stan­den.
Jace klemm­te sich sein Handy unter das Ohr, bevor sie ihn fra­gen konn­te, ob er das wirk­lich ge­sagt hatte, und bell­te je­man­den am an­de­ren Ende der Lei­tung an. „Wir haben ein Pro­blem. Im Club hat je­mand ge­schos­sen und Viv an der lin­ken Schul­ter ge­trof­fen. Die Wunde sieht nicht le­bens­ge­fähr­lich aus, aber sie blu­tet ver­dammt stark.“
Gott, sie war so müde. Und ihr war gleich­zei­tig heiß und kalt. Was zur Hölle hatte er damit ge­meint, dass er sie nicht ins Kran­ken­haus brin­gen würde?
„Nein, das ma­chen wir nicht“, sagte er ins Handy. „Triff uns in Haven.“
Die Lich­ter des High­ways ras­ten so schnell an ihnen vor­bei, dass sie zu einem ein­zi­gen Licht­strei­fen ver­schmol­zen, und das Tempo ent­sprach fast ihrem Herz­schlag.
„Gott­ver­dammt, ich sagte Haven, nicht mein Haus. Sei ein­fach da.“ Er legte auf und warf das Handy auf das Ar­ma­tu­ren­brett. „Du musst noch zwan­zig Mi­nu­ten durch­hal­ten, Viv. Zu Hause gibt es jede Menge Sa­chen, die dir hel­fen, dich bes­ser zu füh­len.“
„Jace, ich brau­che einen Arzt. Und Me­di­zin und …“
„In Haven ist alles, was du brauchst, und Zeke ist be­reits auf dem Weg. Er ist ein Ex­per­te für diese Art von Wun­den, und deine Wunde ist nicht töd­lich. Bevor ich si­cher bin, dass du nicht das Ziel warst, will ich dich an einem Ort wis­sen, an dem ich dich be­schüt­zen kann.“
Mo­re­no hat sie im Club an mei­ner Seite ge­se­hen. Es war für die­sen Wich­ser nicht schwer, sich aus­zu­rech­nen, dass er sie an­grei­fen muss, wenn er mich ver­let­zen will. Aber bis ich das mit Be­stimmt­heit weiß, muss sie in Si­cher­heit sein.
Die Worte, die er zu Axel ge­sagt hatte, hat­ten zu dem Zeit­punkt kei­nen Sinn er­ge­ben, weil der Schmerz ver­hin­dert hatte, sich zu ein­ge­hend damit zu be­fas­sen, doch jetzt hörte sie sie klar und deut­lich in ihrem Kopf. Zu­sam­men mit all der Ge­walt, die in den letz­ten Wo­chen im Club vor­ge­fal­len war, und Axels un­ver­hoh­le­nen Be­sorg­nis, war sie sich nicht si­cher, was sie von all dem hal­ten soll­te. „Es war nur ein Un­fall.“
Er dreh­te auf dem High­way und ihr Kopf wurde zur Seite ge­drückt.
An­fangs spür­te sie den Schmerz kaum, weil das Ver­lan­gen, die Augen zu schlie­ßen und ein­fach auf­zu­ge­ben, zu über­wäl­ti­gend war. Ihr Atem ging in schnel­len, fla­chen Atem­zü­gen, und ihre Fin­ger und Zehen waren so kalt, dass sie sich nach einer Heiz­de­cke sehn­te.
Jace fuhr mit dem Dau­men über ihre Wange und erst, als sie den küh­len Luft­zug spür­te, spür­te sie auch die Nässe.
Herr­gott, wein­te sie etwa?
„Ich werde mich um dich küm­mern, Viv. Du musst mir ver­trau­en.“
Sie zwang sich, die Augen zu öff­nen.
Sein Blick lag noch immer auf der Stra­ße, der Aus­druck auf sei­nem Ge­sicht war her­aus­for­dernd und Furcht ein­flö­ßend - ein Ver­spre­chen von Ge­walt, die sie nicht ein­mal ihrem schlimms­ten Feind wün­schen würde. Sie soll­te kämp­fen, ver­lan­gen, dass er sie aus dem Wagen stei­gen ließ oder sie zu einem Kran­ken­haus brach­te, aber sie hatte schlicht­weg keine Kraft mehr, um zu kämp­fen. Ihr Kör­per hatte die Kon­trol­le über­nom­men, und er kon­zen­trier­te sich auf die ein­fa­che Auf­ga­be, in die­sem hüb­schen Auto nicht zu ver­blu­ten.
Nein, da war noch mehr. Da war Ver­trau­en. Ein In­stinkt, der ihr sagte, dass sie ihre ver­krampf­ten und müden Fin­ger ent­span­nen und die Il­lu­si­on von Kon­trol­le, an die sie sich ge­klam­mert hatte, los­las­sen soll­te. Ihre Au­gen­li­der senk­ten sich und es wurde dun­kel um sie herum. Gott möge ihr bei­ste­hen, aber sie hoff­te, dass ihr In­stinkt nicht der Grund dafür sein würde, dass sie starb.

Leise, Män­ner­stim­men weck­ten Vi­vi­en­ne aus einem un­na­tür­li­chen Schlaf, und das durch­drin­gen­de Grol­len des Ge­sprächs dräng­te in ihr müdes Be­wusst­sein. Das nann­te man wohl ent­spannt sein. Jeder Zen­ti­me­ter von ihr, vom Schei­tel bis zur Sohle, schien zehn Kilo zu­sätz­lich zu wie­gen, und ihre Au­gen­li­der fühl­ten sich an, als wären sie zu­ge­na­gelt wor­den. Ein lei­ses, schmer­zen­des Po­chen pul­sier­te zwi­schen Hals und Schul­ter.
Die Schuss­wun­de.
Stück für Stück kehr­te ihre Er­in­ne­rung zu­rück. Der har­sche, fast Furcht ein­flö­ßen­de Aus­druck auf Jace’ Ge­sicht, bevor sie ohn­mäch­tig ge­wor­den war. Die Angst, als die Schreie und das Chaos um sie herum ex­plo­diert waren. Das schar­fe, bren­nen­de Rei­ßen, als sich die Kugel durch ihr Fleisch ge­bohrt hatte.
Und ihr Herz­schlag kroch noch immer im Schne­cken­tem­po vor sich hin.
Die Stim­men ver­stumm­ten, und auf dem Tep­pich waren schwe­re, ge­dämpf­te Schrit­te zu hören, die neben sie tra­ten. Pa­pier ra­schel­te, und dann er­tön­te das Krat­zen eines Stifts auf Pa­pier.
Warme, feste Fin­ger drück­ten sich auf die In­nen­sei­te ihres Hand­ge­lenks und Viv zuck­te zu­sam­men. Ihre Au­gen­li­der ver­stan­den in­zwi­schen das ganze „Wach end­lich auf“-Kon­zept und öff­ne­ten sich.
Zeke blick­te auf seine Arm­band­uhr. „Ich woll­te dich nicht er­schre­cken.“ Er hielt seine Fin­ger wei­te­re zehn Se­kun­den auf ihren Puls und zog dann eine Stift­lam­pe aus der Brust­ta­sche sei­nes Arzt­kit­tels. An­schlie­ßend setz­te er sich auf die Bett­kan­te, schob eines ihrer Au­gen­li­der hoch und prüf­te ihre Pu­pil­len. Das Licht drang bis zur Rück­sei­te ihres Schä­dels und ihr Magen re­vol­tier­te.
„Be­schis­se­ne Art auf­zu­wa­chen, was?“
„Ja.“ Ihre Stim­me war ein raues, brü­chi­ges Flüs­tern und ihre Zunge blieb ihr fast am Gau­men kle­ben. Sie leck­te sich über die Lip­pen, doch das half nicht viel.
Zeke un­ter­such­te auch das an­de­re Auge und schnapp­te sich dann den Hef­ter, den er neben sie ge­wor­fen hatte. „Der tro­cke­ne Mund ist nor­mal, das liegt am Mor­phi­um. Jace holt dir ge­ra­de etwas Was­ser, aber du soll­test es erst ein­mal lang­sam an­ge­hen.“
Jetzt, da das Licht der Stift­lam­pe nicht län­ger vor ihren Augen tanz­te, nahm sie mehr von ihrer Um­ge­bung wahr. Ein gro­ßes Schlaf­zim­mer mit dunk­ler Holz­ver­tä­fe­lung im eu­ro­päi­schen Stil. Männ­li­che Ele­ganz, ganz ähn­lich wie in Jace’ Schlaf­zim­mer in sei­nem Haus, aber sehr viel kunst­vol­ler. Das war ein Zu­hau­se. Sein wah­res Zu­hau­se.
Zeke krit­zel­te noch etwas auf ein Blatt Pa­pier auf dem Hef­ter. Seine schar­fen, star­ken Schrift­zü­ge ge­hör­ten ent­we­der zu einem Mann, der ver­dammt an­ge­pisst war oder der es ver­dammt eilig hatte. Er un­ter­strich seine Worte zwei­mal, schob das Blatt dann in den Hef­ter, ver­schränk­te die Arme über den Blut­sprit­zern, die die un­te­re Hälf­te sei­nes Ober­teils be­fleck­ten, und na­gel­te sie mit einem ver­schlos­se­nen, auf­merk­sa­men Star­ren fest. „Was macht der Schmerz?“
Sie schluck­te, so gut sie es mit ihrem tro­cke­nen Mund konn­te. „Ist noch da, scheint aber ge­ra­de mit etwas an­de­rem be­schäf­tigt zu sein.“
Zu­min­dest das ließ seine Mund­win­kel in die Höhe wan­dern, und sie konn­te wie­der ein wenig von dem Zeke sehen, der so gerne Scher­ze mach­te. „Für so etwas sind Opi­ate gut.“ Sein Lä­cheln ver­schwand so schnell, wie es ge­kom­men war. „Von jetzt an be­kommst du Lortab. Mitte der Woche wirst du nichts wei­ter außer Par­acet­amol und Ibu­pro­fen brau­chen.“
„Wie schlimm ist meine Schul­ter ver­letzt?“
Er beug­te sich vor und ließ sei­nen Fin­ger einen Zen­ti­me­ter über dem Ver­band schwe­ben, der mit Kle­be­band an Ort und Stel­le ge­hal­ten wurde. „Der Schuss hat dich di­rekt ober­halb des Schul­ter­blatts in den Su­praspi­na­tus-Mus­kel ge­trof­fen. 32er Ka­li­ber. Deine Jacke hat viel ab­ge­fan­gen. Fünf oder sechs Zen­ti­me­ter tie­fer und die Sache wäre ganz an­ders aus­ge­gan­gen. Das Schlimms­te an die­ser Wunde ist, dass du etwa einen Monat lang keine Push-ups ma­chen darfst.“
Ihr Tanktop war ver­schwun­den, aber sie trug ein ähn­li­ches Ober­teil, das wahr­schein­lich Jace ge­hör­te, weil es ihren Kör­per lo­cker um­spiel­te. Der Saum reich­te ihr bis über die Hüfte, und wenn ihre Ner­ven­enden sie nicht ver­schau­kel­ten, hatte sie nicht viel mehr an als die­ses Un­ter­hemd.
Zeke schlen­der­te zu dem brau­nen Ak­ten­kof­fer aus wei­chem Leder hin­über und ver­stau­te den Hef­ter darin.
„Ist Jace okay?“ Die letz­te Hälf­te ihrer Frage blieb ihr fast in der Kehle ste­cken.
Zeke zö­ger­te einen Au­gen­blick, schloss die Le­der­ta­sche und sah Viv dann an. „Was ist Jace für dich?“
Ihre Ge­dan­ken ver­wan­del­ten sich plötz­lich in ein paar fest­ge­fah­re­ne Au­to­rei­fen in einem Schnee­sturm, und die Mi­schung aus un­er­war­te­ter Frage und dem Drän­gen auf Zekes Ge­sicht, das Ant­wor­ten ver­lang­te, ließ diese Rei­fen immer wei­ter durch­dre­hen. „Das ver­su­che ich her­aus­zu­fin­den.“
„Ich schla­ge vor, dass du es schnell her­aus­fin­dest, denn Jace weiß es be­reits.“
„Hat er es dir ge­sagt?“
„Das muss­te er nicht.“ Er dreh­te den Kopf und deu­te­te damit auf den Raum. „Du bist hier. Das sagt genug.“
„Was soll das be­deu­ten?“
Zeke riss den Kopf wie­der zu­rück. „Hat er es dir nicht er­zählt?“
Moch­te zwar sein, dass sie ge­ra­de auf Schmerz­mit­teln war, trotz­dem war es kaum zu über­se­hen, dass das mehr ein Vor­wurf als eine Frage war. „Mir was er­zählt?“
Jace’ Stim­me er­füll­te den Raum: „Geht es ihr gut?“
Oh Junge. Sie hatte ge­dacht, Zekes Ver­hal­ten wäre ex­trem, aber es war nichts im Ver­gleich zu der Kraft, die von Jace aus­ging. Bar­fuß kam er ins Zim­mer ge­schlen­dert, er trug eine Levi’s und ein schwar­zes Led-Zep­pe­lin-T-Shirt. Bei­des sah aus, als stamm­te es noch aus der Zeit, als die Band zum ers­ten Mal auf Tour­nee ge­we­sen war. Es war aus­geb­li­chen und an genau den rich­ti­gen Stel­len eng.
„Ihr Zu­stand ist sta­bil.“ Zeke sah nach­denk­lich zwi­schen ihr und Jace hin und her. „Aber sie hat eine Menge Fra­gen.“
Jace schlen­der­te zu der an­de­ren Seite des Bet­tes und stell­te zwei Was­ser­fla­schen auf den Nacht­tisch. „Die muss ich be­ant­wor­ten, nicht du.“
Das ge­gen­sei­ti­ge Nie­der­star­ren der bei­den Män­ner weck­te in ihr den Wunsch, sich unter der Bett­de­cke zu ver­ste­cken, oder bes­ser noch, sich schlicht­weg in Luft auf­zu­lö­sen.
Zeke schüt­tel­te den Kopf und mach­te ei­ni­ge Schrit­te zu­rück. Was auch immer in die­ser wort­lo­sen Män­ner-Spra­che ge­sagt wor­den war, hatte ent­we­der dazu ge­führt, dass er auf­gab oder es ein­fach nicht glau­ben konn­te. „Ich blei­be hier, bis meine nächs­te Schicht be­ginnt, für den Fall, dass du mich brauchst. An­schlie­ßend will ich ein paar Tage lang alle vier­und­zwan­zig Stun­den einen Blick auf ihre Wunde wer­fen.“ Er pack­te seine Ta­sche und ver­ließ das Zim­mer.
„Lass dich nicht von der Tür tref­fen, wenn du raus­gehst“, sagte Jace zu Zeke, wobei sein Blick aber auf ihr lag. Er ließ sich in den Ses­sel neben dem Bett sin­ken und stütz­te sich mit den El­len­bo­gen auf sei­nen weit ge­spreiz­ten Knien ab.
Die Tür fiel ins Schloss.
Ad­re­na­lin ver­dräng­te das Mor­phi­um und ließ ihr Herz rasen. Was auch immer in sei­nem durch­trie­be­nen Kopf vor sich ging, nahm fast schon eine greif­ba­re Aura an, heiß wie die Ober­flä­che der Sonne und doch so dun­kel wie ein Schat­ten. Ein Teil von ihr be­stand dar­auf, dass jetzt der rich­ti­ge Zeit­punkt war, um nach Hause zu gehen, egal, wie viel sie an­hat­te, aber ein an­de­rer, sehr viel in­stink­ti­ve­rer Teil spiel­te mit dem Ge­dan­ken, sich von sei­ner dunk­len Hitze ein­hül­len zu las­sen.
Jace’ raue Stim­me durch­brach die Stil­le: „Was macht der Schmerz?“
Trotz der Schuss­wun­de in ihrer Schul­ter und einer ge­sun­den Dosis von Nar­ko­ti­ka in ihrem Blut re­agier­te sie auf genau die­sel­be Weise auf die­ses raue Ge­räusch wie in der vor­an­ge­gan­ge­nen Nacht, als er ihr be­foh­len hatte, sei­nen Namen zu sagen.
Sie leck­te sich über die Lip­pen und sein Blick fo­kus­sier­te sich dar­auf. „Bes­ser als vor­her. Er ist zwar da, aber ab­ge­schwächt.“
Er nahm eine der Was­ser­fla­schen vom Nacht­tisch, dreh­te sie auf und reich­te sie ihr. „Woran er­in­nerst du dich?“
Kon­dens­was­ser lag auf der eis­kal­ten Fla­sche, und die kühle Flüs­sig­keit bahn­te sich er­fri­schend einen Weg ihre Kehle hinab. „Ich er­in­ne­re mich an genug.“ Wie an die Tat­sa­che, dass er nicht re­agiert hatte, nach­dem sie sich ihm ge­öff­net hatte. Dass er sich ge­ra­de ab­wen­den woll­te, als die Kugel sich in ihre Schul­ter ge­bohrt hatte. Es ging doch nichts über eine Schuss­wun­de, um den Ab­gang eines Man­nes kom­pli­ziert zu ge­stal­ten. „Ich war bei Be­wusst­sein, bis du die Aus­fahrt ge­nom­men hast.“
„Bist du jetzt bei kla­rem Be­wusst­sein?“
„Na ja, ich soll­te ge­ra­de wohl bes­ser keine of­fi­zi­el­len Do­ku­men­te un­ter­zeich­nen, wenn du das meinst.“ Sie lach­te dabei, aber es klang ner­vös, nicht echt.
Jace starr­te sie nur mit aus­drucks­lo­sem Ge­sicht an.
Ihr La­chen er­starb und sie nahm noch einen Schluck Was­ser.
Er be­deck­te seine Faust mit der frei­en Hand und sein Blick war stark genug, um sie auf der Stel­le fest­zu­na­geln. „Bist du aus­rei­chend bei Be­wusst­sein, dass du dich spä­ter an das er­in­nern wirst, was ich dir jetzt sagen werde?“
Ernst­haft? Als würde eine Schuss­wun­de für eine Nacht nicht rei­chen, nun woll­te er sie auch noch ab­ser­vie­ren? Zur Hölle mit ihm. „Ja. Es geht mir gut. Hör zu, gib mir ein­fach mein Handy, dann rufe ich je­man­den an, der mich ab­ho­len kann.“
„Du gehst nir­gend­wo­hin.“
„Wirk­lich, du musst das nicht ma­chen.“ Sie deu­te­te mit der Fla­sche in ihrer Hand auf das Zim­mer. „Ich weiß, dass du mich bloß hier­her­ge­bracht hast, damit die Cops nichts mit­be­kom­men. Axel hat mir er­zählt, dass sie jeden im Club durch­leuch­tet haben. Es war wahr­schein­lich alles ein­ge­fä­delt. Ich werde nichts ver­ra­ten. Lass mich ein­fach nur ver­schwin­den. Du musst auch nichts wei­ter sagen.“
Jace rich­te­te sich ruck­ar­tig auf, nahm ihr die Fla­sche aus der Hand und knall­te sie auf den Nacht­tisch. „Du hast ge­sagt, was du zu sagen hat­test. Jetzt bin ich dran.“ Er setz­te sich wie­der hin und ba­lan­cier­te auf dem Rand des Ses­sels.
„Jace …“
„Ich lasse mich nicht von den Gren­zen, die ir­gend­wel­che Ge­set­zes­ge­ber und Po­li­ti­ker auf­ge­stellt haben, ein­schrän­ken. Ich pink­le dau­ernd mehr Men­schen ans Bein, als ich zäh­len kann, und ich über­schrei­te Gren­zen, was ei­ni­gen Leu­ten nicht ge­fällt. Ich mache, was ich für rich­tig halte, was mir meine Vor­stel­lun­gen von Dis­zi­plin und Ehre vor­ge­ben. Ich küm­me­re mich um das, was mir ge­hört, und not­falls räche ich es auch.“ Er fuhr mit dem Dau­men ihren Un­ter­arm hinab und dreh­te ihren Arm so, dass die In­nen­sei­te ihres Hand­ge­lenks ent­blößt wurde. Er drück­te die Fin­ger ihrer ge­ball­ten Faust auf und sein rauer Dau­men malte Krei­se auf ihre Hand­flä­che. „Was du be­grei­fen musst, Süße, ist, dass du mir ge­hörst. Das be­deu­tet, ich werde den­je­ni­gen, der dich ver­letzt hat, auf­spü­ren und si­cher­stel­len, dass er dich nie wie­der in Ge­fahr brin­gen kann.“
Ihr Ver­stand kam ins Stol­pern, strau­chel­te, weil die Worte „Du ge­hörst mir“ in ihrem Kopf brüll­ten. Sie konn­te kei­nen ein­zi­gen kla­ren Ge­dan­ken fas­sen, ge­schwei­ge denn aus­spre­chen.
Seine Be­rüh­rung ver­än­der­te sich, wurde zu einem hyp­no­ti­sie­ren­den Vor-und-Zu­rück-Rhyth­mus auf ihrer Schlag­ader. „Das be­deu­tet auch, ich werde an dei­ner Seite sein, bis du her­aus­ge­fun­den hast, dass du dein Leben so leben kannst, wie du wirk­lich bist, und es nicht mehr ver­ste­cken musst.“
„Ich ver­ste­cke mich …“
„Ich weiß, wo deine Wur­zeln lie­gen.“
Panik brei­te­te sich aus und klam­mer­te sich hin­ter ihrem Brust­bein fest. Die Hitze, die seine be­sitz­er­grei­fen­den Ne­an­der­ta­ler-Kom­men­ta­re aus­ge­löst hat­ten, wich nun kal­tem Schweiß.
„Ich weiß, dass deine Mom weg­ge­gan­gen ist und dass dein Dad ein Trin­ker war. Ich habe Cal­lie be­reits in Ak­ti­on ge­se­hen.“
„Woher weißt du das alles?“
„Das tut nichts zur Sache. Wich­tig ist, dass ich nicht zu­las­sen werde, dass deine Ver­gan­gen­heit be­ein­flusst, wie du mich oder mein Leben siehst. Ich bin ich, mit mei­ner ei­ge­nen Ver­gan­gen­heit, und ich bin mir ver­dammt si­cher, dass ich mich von mei­ner Ver­gan­gen­heit nicht so ge­fan­gen neh­men lasse wie du.“
„Meine Ver­gan­gen­heit hält mich nicht ge­fan­gen.“
„Nicht?“ Die Spit­ze in sei­nen Wor­ten schlug sich sanft in ihre Wut. „Dann sag mir, warum du die­ses eine wilde Zim­mer ver­steckt hältst? Warum du in der Öf­fent­lich­keit nur in maß­ge­schnei­der­ten Sa­chen auf­trittst, aber diese ver­dammt sün­di­ge Jean an­ziehst, so­bald dich kei­ner mehr sehen kann?“ Er hob ihr Hand­ge­lenk an und strich mit sei­nen Lip­pen über die sen­si­ble Haut. „Warum liest du diese Ero­tik­bü­cher und siehst dir diese schmut­zi­gen Sei­ten auf dem Com­pu­ter an?“
Viv riss ihre Hand aus sei­nem Griff und spür­te so­fort einen schar­fen Stich in ihrer Wunde. Sie wim­mer­te und hielt den Atem an, bis der Schmerz wie­der ver­ebbt war. „Du hast meine Sa­chen durch­sucht?“
„Die Bru­der­schaft hat viele Ge­schäf­te. Da du für uns ar­bei­test, bist du auch in di­rek­tem Kon­takt mit den In­for­ma­tio­nen, die damit zu­sam­men­hän­gen. Jeder, der so eine Stel­le bei uns hat, wird durch­leuch­tet, ohne Aus­nah­me. Nor­ma­ler­wei­se er­le­di­ge das nicht ich, aber bei dir woll­te ich das kei­nem an­de­ren über­las­sen.“ Er grins­te und wirk­te nicht im Ge­rings­ten reu­mü­tig wegen sei­ner Tat. „Die schmut­zi­gen Web­sei­ten waren le­dig­lich ein Bonus.“
„Herr­gott, Jace. Hast du schon mal davon ge­hört, ein­fach den Hin­ter­grund zu che­cken? Oder nur zu fra­gen, wenn du etwas wis­sen willst?“
„Hin­ter­grund­checks sind nichts wert. Wenn du etwas über einen Men­schen er­fah­ren willst, siehst du dir sein Zu­hau­se an. Und au­ßer­dem warst du zu dem Zeit­punkt nicht be­son­ders ge­sprä­chig.“
„Das gibt dir nicht das Recht, in mein Haus ein­zu­bre­chen und meine Ver­gan­gen­heit zu durch­wüh­len.“
„Ich habe es dir be­reits ge­sagt, Süße: Ich lebe nach mei­nem ei­ge­nen Kodex, und dazu ge­hört auch, meine Fa­mi­lie zu be­schüt­zen. Meine Fa­mi­lie und Axels Mom, meine Brü­der …“ Er um­kreis­te ihr Hand­ge­lenk, das sie ihm zuvor ent­zo­gen hatte; eine lose Be­rüh­rung, die sie wie eine enge Hand­schel­le fest­hielt, aber gleich­zei­tig ein ur­sprüng­li­ches Ge­fühl des Tros­tes durch ihre Adern krei­sen ließ. „Und jetzt du.“
Fa­mi­lie.
Das ein­fa­che Wort hall­te so macht­voll in ihrem Kopf wider, dass es ein Wun­der war, dass sie über­haupt noch ir­gend­ein an­de­res Ge­räusch wahr­nahm. Ihr gan­zes Leben hatte sie sich schon die Art von Nähe ge­wünscht, die Jace an­ge­deu­tet hatte. Loya­li­tät und Schutz. Ein si­che­rer Hafen, in den sie flüch­ten konn­te, wenn das Leben ihr wie­der ins Ge­sicht schlug.