Hard & Heart: Die Auster in der Löwengrube

Er­schie­nen: 02/2018
Serie: Hard & Heart
Teil der Serie: 6

Genre: Soft-SM / BDSM

Lo­ca­ti­on: Nord­deutsch­land


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-322-4
ebook: 978-3-86495-323-1

Preis:
Print: 12,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Hard & Heart: Die Auster in der Löwengrube


In­halts­an­ga­be

Do­re­en fühlt nichts. Egal, ob sie Ro­ma­ne liest, die an­de­re Frau­en zu Trä­nen rüh­ren, oder den spek­ta­ku­lärs­ten Män­nern be­geg­net, bei denen sie ein nas­ses Hös­chen be­kom­men soll­te - sie bleibt kalt. Sie weiß, dass sie der Ur­sa­che auf den Grund gehen soll­te, wagt sich je­doch nicht. 
Als ihre Freun­din Pia sich keine be­son­de­re Mühe gibt, zu ver­ste­cken, dass ihre Be­zie­hung zu Finn BDSM-Spie­le ent­hält, wird Do­re­en ei­fer­süch­tig. Sie will füh­len, und wenn es nur Schmerz ist. Die Sehn­sucht wird über­mäch­tig. In Pias Zim­mer fin­det sie die Vi­si­ten­kar­te eines BDSM-Clubs.

Im Ro­sen­club, Hen­rys ex­klu­si­vem BDSM-Re­sort, taucht eine junge Frau auf und möch­te Mit­glied wer­den. Ihr Wunsch ist je­doch nicht das lust­vol­le Spiel mit gleich­ge­sinn­ten Part­nern, son­dern sie will ge­schla­gen und an­schlie­ßend al­lei­ne ein­ge­sperrt wer­den.
Henry ist fas­zi­niert von die­ser jun­gen Frau, aber auch miss­trau­isch. Er bit­tet sei­nen Freund Pas­cal Engel, Nach­for­schun­gen über Do­re­en an­zu­stel­len. Doch was er er­fährt, lässt ihm keine Ruhe ...

Teil 6 der ro­man­ti­schen BDSM-Rei­he "Hard & Heart". 

Über die Au­to­rin

Sa­ra-Ma­ria Lukas (alias Sa­bi­ne Bruns) war ge­bür­ti­ge Bre­me­rin und lebte mit ihrem Part­ner und di­ver­sen Vier­bei­nern in einem win­zi­gen Dorf zwi­schen Ham­burg und Bre­men. Die Ver­bun­den­heit zur Natur, sowie die Liebe zum Meer und der nord­deut­schen Le­bens­art be­stimm­ten ihren All­tag...

Wei­te­re Teile der Hard & Heart Serie

Le­se­pro­be

 

XXL-Le­se­pro­be bei Boo­k2­Look

 

Ge­spannt folgt sie ihm und sieht sich mit gro­ßen Augen um. Die Ein­gangs­hal­le wirkt wie die Lobby eines alt­mo­di­schen Ho­tels. Rechts steht eine aus­la­den­de Sitz­grup­pe, links ein lan­ger dunk­ler Tre­sen, da­hin­ter hängt ein Brett mit Zim­mer­schlüs­seln und Post­fä­chern an der Wand, das so antik wirkt, dass es ver­mut­lich aus einem An­ti­qui­tä­ten­ge­schäft stammt. Ge­ra­de­aus blickt man neben dem Ein­gang in einen en­ge­ren Flur und auf eine aus­la­den­de Trep­pe, die nach oben und unten führt.
Er bit­tet sie um ihren Aus­weis und ver­schwin­det damit für ei­ni­ge Mi­nu­ten durch eine Tür hin­ter dem Tre­sen, die an­schei­nend zu einem Büro ge­hört....

...​Als er zu­rück­kehrt, drückt er ihr lä­chelnd das Pa­pier wie­der in die Hand. „Alles klar. Wie soll ich dich vor den an­de­ren nen­nen?“
„Äh … wie meinst du das?“
„Man­che Mit­glie­der be­nut­zen im Club nicht ihren ei­ge­nen Namen, weil sie ganz si­cher sein wol­len, an­onym zu blei­ben.“
Sie zuckt mit den Schul­tern und muss für einen Mo­ment an Pia und Finn den­ken, die un­be­schwert und offen ihre Nei­gun­gen aus­le­ben. Das sind die Ein­zi­gen aus ihrem Um­feld, die er­fah­ren könn­ten, dass sie den Club be­sucht, weil sie hier selbst re­gel­mä­ßig ein und aus gehen. Pia würde sie ver­mut­lich bloß ne­cken, wenn sie hört, dass sie sich hier unter einem fal­schen Namen her­um­treibt. „Ich blei­be bei Do­re­en.“
Er nickt. „Die Bar ist im ers­ten Stock. Wol­len wir da zu­erst hin?“
„Äh … ja. Gern.“
Er führt sie die Trep­pe hin­auf und dort in einen Raum, der die glei­chen Aus­ma­ße wie die Lobby hat. Hier ist der Tre­sen bo­gen­för­mig ge­baut. Er be­steht aus dunk­lem Holz, eben­so wie die ver­schie­den gro­ßen run­den und ecki­gen Ti­sche.
Zwei Ni­schen sind be­setzt, alle an­de­ren Plät­ze leer.
Tom schlen­dert hin­ter den Tre­sen. „Setz dich. Was möch­test du trin­ken?“
Sie hockt sich auf den Rand eines Bar­ho­ckers. „Ir­gend­ei­nen Saft bitte.“
Er stellt ein Glas mit Oran­gen­saft vor sie und gießt für sich selbst Cola ein.
Do­re­en sieht sich um. „Hier ist ja wirk­lich gar nichts los.“
Tom nickt. „Heute sind nur ein paar Stamm­gäs­te da. Die meis­ten haben sich di­rekt ver­ab­re­det und sind schon in ihre Zim­mer ver­schwun­den.“
Sie trin­ken und Tom mus­tert sie un­ge­niert.
„Ist was?“, fragt sie einen Tick pat­zi­ger, als sie ei­gent­lich will.
Er lacht. „Ent­spann dich, Mädel. Lö­che­re mich mit Fra­gen. Das möch­test du doch, oder?“
Jetzt muss sie auch gluck­sen. Er hat ja recht. „Stimmt, aber ich weiß nicht, wo ich an­fan­gen soll.“
Tom neigt kurz den Kopf, als woll­te er sie ein­schät­zen. „Was in­ter­es­siert dich mehr, der de­vo­te oder der be­herr­schen­de Part?“
„Für wel­chen bist du denn zu­stän­dig?“
„Ich swit­che.“
„Ähm …?“
Er grinst. „Ich mag Rol­len­spie­le und über­neh­me dabei, je nach Laune, mal den pas­si­ven und mal den ak­ti­ven Part. Ich bin gern Bot­tom, aber auch mal Top. Und ich mag Sex mit Frau­en und Män­nern.“
Fas­zi­niert starrt sie ihn an. „Also du lässt dich gern aus­peit­schen und teilst auch gern aus.“
„Nicht ganz, als Bot­tom sind mir echte Peit­schen, die Strie­men hin­ter­las­sen, zu heavy. Leich­ter Schmerz ist okay, er hilft, das Den­ken aus­zu­schal­ten, um sich ganz in die Szene fal­len­las­sen zu kön­nen.“ Er zwin­kert. „Ich kann aber mit jeder Art Peit­sche um­ge­hen, falls in einem Spiel mein Skla­ve dar­auf steht, in­ten­si­ver ver­wöhnt zu wer­den.“
„Aha.“
„Es geht nicht immer um Schmerz“, plau­dert er lo­cker wei­ter. „Klar gibt es Men­schen, für die Lust­schmerz sehr wich­tig ist, aber ins­ge­samt be­trach­tet sind die Nei­gun­gen sehr un­ter­schied­lich. Man­che brau­chen kaum oder gar kei­nen Schmerz, es reicht ihnen, zu knien und zu die­nen oder je­man­den vor sich knien zu sehen, der ihnen die Füße küsst. Wie­der an­de­re sind sehr gerne ge­fes­selt und wehr­los aus­ge­lie­fert, möch­ten dabei aber nicht lei­den. Viele de­vo­te Men­schen lie­ben es, von meh­re­ren Do­mi­nan­ten gleich­zei­tig be­glückt zu wer­den, und na­tür­lich gibt es auch die Fans guter klas­si­scher Ver­ge­wal­ti­gungs­sze­na­ri­en.“
Sie starrt ihn immer noch fas­zi­niert an, und er legt grin­send den Kopf schräg. „Du bist wirk­lich noch völ­lig ah­nungs­los, was?“
Sie zuckt mit den Schul­tern, dreht ihr Glas und be­trach­tet die klei­nen Wel­len der Flüs­sig­keit, die zwi­schen den Rän­dern hin und her schwap­pen. „Gibt es auch Leute, die dabei kei­nen Sex haben?“
Er run­zelt die Stirn. „Wie meinst du das?“
„Also … die sich zum Bei­spiel schla­gen las­sen, aber nicht mehr.“
„Na ja, wir spie­len, weil es uns er­regt, und in der Regel hat man dann auch Sex.“
„Aber wenn nun ein äh … Bot­tom den Sex … äh … nicht haben will? Kommt das vor? Ich meine, würde so je­mand über­haupt einen äh … Top fin­den, der das für ihn tut?“
Tom stützt sich mit den El­len­bo­gen auf dem Tre­sen auf und sieht auf seine Fin­ger. „Du meinst, du wür­dest dich gerne schla­gen las­sen und möch­test dann al­lein ge­las­sen wer­den und dich um dei­nen Or­gas­mus selbst küm­mern?“
Sie schluckt und starrt auf das Holz. „Gibt es so was?“
„Hast du schlim­me Er­fah­run­gen ge­macht? Beim Sex? Viel­leicht bei einer Ses­si­on? Hast du mal was pro­biert und bist dabei an den fal­schen Part­ner ge­ra­ten?“
„Nein. Ich habe nie so was ver­sucht. Es ist nur … na ja, meine Fan­ta­sie.“

Mit ham­mer­schlag­mä­ßig don­nern­dem Herz­schlag steht Do­re­en mit­ten im Raum. In­zwi­schen ist es be­reits nach Mit­ter­nacht, aber sie spürt keine Mü­dig­keit. Ad­re­na­lin sorgt dafür, dass jede Faser ihres Kör­pers hell­wach ist und ihre Sin­nes­or­ga­ne jede Ein­zel­heit der Si­tua­ti­on wahr­neh­men.
Die Wände sind weiß ge­stri­chen, der Boden ist dun­kel­braun ge­fliest. Wand­lam­pen sor­gen für schumm­ri­ges, fla­ckern­des Licht, wie es Ker­zen­hal­ter im Mit­tel­al­ter getan haben. An der Seite steht ein ge­wal­ti­ges Him­mel­bett aus schwar­zem Holz, in den Ecken schlich­te Stüh­le. Eine Tür führt in das Bad, in dem sie sich eben um­ge­zo­gen hat.
Sie trägt jetzt nur noch ein fi­li­gra­nes, fast durch­sich­ti­ges Nacht­hemd, das mit Knöp­fen über den Schul­tern ge­hal­ten wird, so­dass Tom es ihr aus­zie­hen kann, so­bald er ihre Hand­ge­len­ke mit den le­der­nen Man­schet­ten ge­fes­selt hat, die mit­ten im Raum an zwei Ket­ten von der Decke hän­gen.
Sie haben alles bis ins De­tail be­spro­chen. Erst als der Ab­lauf mi­nu­ti­ös ge­plant war, hat Tom sich be­reit er­klärt, es für sie zu tun. Er wird sie fes­seln und mit einem Pad­del schla­gen, bis sie weint, an­schlie­ßend wort­los los­bin­den, das Licht aus­knip­sen und sie al­lein las­sen. Ihr Sa­fe­word heißt Salz­streu­er. Damit kann sie die Ses­si­on je­der­zeit be­en­den.
Soll­te sie spä­ter, nach­dem er sie ver­las­sen hat, Hilfe brau­chen, muss sie nur sei­nen Namen sagen und er kommt zu­rück, denn er kann sie über ein ver­steck­tes Mi­kro­fon hören. Der Raum wird über­wacht. Es gibt auch eine Ka­me­ra. Die Ses­si­on wird ge­filmt. Sie woll­te das nicht, aber das war seine Be­din­gung. Sonst hätte er nicht mit­ge­spielt. Okay, sie ver­steht das, er muss sich ja weh­ren kön­nen, soll­te sie hin­ter­her sagen, sie wäre von ihm zu allem ge­zwun­gen wor­den. Schließ­lich kennt er sie nicht und es gibt keine Zeu­gen für ihr Ge­spräch. Au­ßer­dem mein­te er, dass sie beim Spiel ver­ges­sen wird, dass es eine Über­wa­chung gibt. Lange hat sie mit sich ge­kämpft, aber dann dach­te sie, er kann ja im Dunk­len so­wie­so nichts sehen, also kann sie es ak­zep­tie­ren. Sie ver­traut ihm, viel­leicht weil sie Henry ver­traut und Pia und Finn sich in die­sem Club ab­so­lut wohl und si­cher füh­len.
Schlag­ar­tig wer­den ihre Ge­dan­ken­gän­ge un­ter­bro­chen. Hin­ter ihr klappt die Tür auf und gleich dar­auf steht er vor ihr. Ohne auf seine Auf­for­de­rung zu war­ten, hebt sie die Hände, damit er die Fes­seln be­fes­ti­gen kann. Das ge­pols­ter­te Leder fühlt sich gut um die Hand­ge­len­ke an.
Er öff­net die Knöp­fe des Nacht­hem­des und es fällt auf den Boden. Sie zuckt kurz zu­sam­men. Ganz nackt vor ihm zu ste­hen ist selt­sam. Sie ist nicht prüde, sie mag auch im Som­mer FKK, es ist also nicht schlimm für sie, nur un­ge­wohnt. Er mus­tert sie kurz und nickt bei­fäl­lig. An­schlie­ßend zieht er die Ket­ten hoch und ihre Arme wer­den ge­streckt.
Sie sieht ihn nicht an, son­dern an ihm vor­bei gegen die Wand.
Wie sie es be­spro­chen haben, be­ach­tet er sie nicht. Er tritt hin­ter sie und be­ginnt ohne Ver­zö­ge­rung mit der Fol­ter. Erst ist es eher ein sanf­tes Strei­cheln, dann wer­den es all­mäh­lich Schlä­ge.
Do­re­en atmet tief durch. Die ers­ten kräf­ti­ge­ren Tref­fer ver­ur­sa­chen ein klat­schen­des Ge­räusch auf ihrer Haut. In re­gel­mä­ßi­gem Rhyth­mus hebt er den Arm und lässt das brei­te Le­der­teil auf ihren Hin­tern sau­sen. Sie spürt einen leich­ten Schmerz. Es brennt etwas. Sie atmet tie­fer und schließt die Augen. Das Bren­nen wird in­ten­si­ver, es scheint auf ihrer Haut zu knis­tern. Eu­pho­rie brei­tet sich in ihrem Kopf aus, sie lä­chelt, und beim nächs­ten Schlag hört sie sich sel­ber ge­nüss­lich stöh­nen. Sie fühlt. Gibt es etwas Bes­se­res als zu füh­len?
Tom hält Wort: Ohne Pause, ohne Fra­gen, ohne an­de­re Be­rüh­run­gen schlägt er immer wei­ter. Die Hitze auf ihren Po­ba­cken wird durch­drin­gen­der, er zielt tie­fer, auf die Rück­sei­ten ihrer Ober­schen­kel. In­ten­si­ves Bren­nen ent­lockt ihr lau­te­res Stöh­nen, das Den­ken hört auf, das Ge­fühl auf ihrer Haut wird schnei­den­der, nach­hal­ti­ger, und plötz­lich schie­ßen Trä­nen aus ihren Augen. Zwei wei­te­re Hiebe und sie schluchzt laut auf. So­fort be­en­det er die Tor­tur, tritt vor sie, bin­det sie los und ver­schwin­det. Es klickt, das Licht geht aus, die Tür schlägt zu.
Do­re­en ist mit ihrem füh­len­den Kör­per im Dun­keln al­lein.
Lang­sam sinkt sie auf den har­ten Flie­sen­bo­den, rollt sich auf die Seite und be­wegt sich nicht mehr.
Sie fühlt. Bren­nen, Krib­beln, Hitze und eine un­ge­wohn­te Wärme tief in ihrem Bauch. Laut­los kul­lern Trä­nen der Dank­bar­keit über ihre Wan­gen auf den kal­ten Stein.

Auf­at­mend setzt Henry den Blin­ker. Zwar sieht das auf der nächt­lich lee­ren Land­stra­ße so­wie­so nie­mand, aber der Mensch ist schließ­lich ein Ge­wohn­heits­tier. Lang­sam rollt er die Zu­fahrt zum Ro­sen­club ent­lang, drückt auf die Fern­be­die­nung, um das Tor zu öff­nen, und steu­ert nach links zu sei­ner pri­va­ten Ga­ra­ge, die sich eben­falls per Knopf­druck öff­nen lässt.
Es ist halb vier. Er hätte die Nacht im Hotel ver­brin­gen kön­nen, aber der Schup­pen war der­ma­ßen un­ge­müt­lich, dass es ihn vor­zei­tig nach Hause zog.
Das Ge­päck kann im Wagen blei­ben. Er hat jetzt keine Lust, sich darum zu küm­mern. Durch eine Tür in­ner­halb der Ga­ra­ge ge­langt er di­rekt in den Flur hin­ter dem Emp­fangs­t­re­sen in der Lobby. Bevor er zu sei­nem Ap­par­te­ment am an­de­ren Ende wei­ter­geht, schaut er kurz durch die an­ge­lehn­te Bü­ro­tür, weil ein Licht­schim­mer darin seine Auf­merk­sam­keit er­regt.
Tom ist auf dem aus­la­den­den Chef­ses­sel ein­ge­nickt.
„Was machst du denn hier?“
Er schrickt auf und sackt gleich dar­auf stöh­nend wie­der in sich zu­sam­men. „Du bist es, Boss. Meine Güte, hast du mir einen Schre­cken ein­ge­jagt.“
„Warum hast du dich nicht hin­ge­legt? Am Te­le­fon sag­test du, es seien nur sechs Stamm­kun­den da. Für die musst du doch nicht im Büro blei­ben.“
Tom reibt sich die Augen. „Nein, aber nach­dem wir te­le­fo­niert haben, hat sich noch was an­de­res er­ge­ben.“
„Aha?“
Hen­rys Blick wan­dert über die Mo­ni­to­re der Über­wa­chungs­an­la­ge. Drau­ßen ist alles ruhig. Er will sich schon ab­wen­den, da zuckt er zu­rück. Ein Bild­schirm über­trägt Auf­nah­men aus einem Zim­mer. Das leicht un­schar­fe Bild der Nacht­sicht­ka­me­ra zeigt eine nack­te Frau, die auf den blan­ken Flie­sen in einem der Spiel­zim­mer liegt.
„Wer ist sie?“
„Dir sagt der Name Do­re­en Vogt etwas? Sie ist eine Be­kann­te von Pia Krü­ger und mein­te, du hät­test sie in den Club ein­ge­la­den.“
Henry zuckt zu­sam­men. Pias Mit­be­woh­ne­rin geht ihm seit ihrem ge­mein­sa­men Essen nicht mehr aus dem Kopf. Stän­dig muss er an sie den­ken. Nun so un­er­war­tet ihren Namen zu hören, lässt ihn um­ge­hend hell­wach wer­den. „Stimmt.“
Tom nickt zum Mo­ni­tor hin­über. „Das ist sie. Ich bin hier sit­zen ge­blie­ben, um auf sie auf­zu­pas­sen.“
„Wie bitte?“
Stirn­run­zelnd tritt Henry näher und be­trach­tet das grob­kör­ni­ge Schwarz-Weiß-Bild. Beim An­blick der schlan­ken, nack­ten Ge­stalt sticht es in sei­nem Her­zen. Er ballt die Hände zu Fäus­ten. „Ist sie da al­lein? Was zum Teu­fel soll das?“
Tom winkt ab. „Be­ru­hi­ge dich. Keine Sorge, sie ist in Ord­nung. Sie woll­te genau das.“
In Hen­rys Na­cken stel­len sich die klei­nen Här­chen auf und ein Kloß bil­det sich in sei­ner Kehle. Ver­krampft lehnt er sich auf die Tisch­kan­te. „Er­klär mir, was hier los ist.“
„Sie rief an, kam her, schil­der­te mir ihre Fan­ta­sie und ich habe sie ihr er­füllt.“
„Und dann bist du nicht bei ihr ge­blie­ben? Sie ist An­fän­ge­rin!“
„Sie hat es sich aus­drück­lich so ge­wünscht. Sie woll­te weder Sex noch Nähe, nur Schlä­ge und im Dun­keln al­lein blei­ben.“
„Merde!“ Henry denkt nicht, er weiß nur ganz genau, dass ihm das, was Tom ge­ra­de er­zählt hat, nicht ge­fällt. Ohne zu über­le­gen, läuft er los, durch die Lobby zur Trep­pe und hinab in den Kel­ler. Er reißt die Tür auf und drückt auf den Licht­schal­ter.
Do­re­en rührt sich nicht. Sie liegt mit an­ge­zo­ge­nen Bei­nen auf der Seite und hat ihre Hände zwi­schen ihre Ober­schen­kel ge­steckt. Da sie kein Kopf­kis­sen hat, ruht ihr Kopf schräg auf den Flie­sen. Es muss furcht­bar un­be­quem sein. Ihre Augen sind auf, aber sie scheint ihn nicht wahr­zu­neh­men. Sie starrt ge­ra­de­aus gegen die Wand.
„Do­re­en.“
Sie re­agiert nicht und er tritt näher. An ihren Ober­schen­keln sind feine helle Li­ni­en zu er­ken­nen. Das müs­sen Nar­ben sein. Jetzt er­kennt er, dass sie zit­tert.
„Hey, sieh mich an“, for­dert er und hockt sich neben sie.
Ihre Augen zu­cken kurz zu ihm. „Henry“, haucht sie und lä­chelt ent­rückt, wäh­rend sich ihr Blick wie­der gegen die Wand rich­tet. Immer noch be­wegt sie sich nicht, aber sie leckt sich mit der Zunge über die tro­cke­nen Lip­pen. „Es geht mir gut, keine Sorge“, flüs­tert sie.
Er legt eine Hand auf ihren Arm. „Du bist eis­kalt.“
Sie seufzt leise. „Lass mich noch eine Weile.“
Ver­flucht! Ganz be­stimmt wird er das nicht tun. Ja, sie sind in einem Club, in dem so ziem­lich jeder Fe­tisch aus­ge­lebt wird, und ja, na­tür­lich soll­te er sich nicht ein­mi­schen. Tom ist er­fah­ren und weiß, was er tut, und wenn eine Frau al­lein im Dun­keln frie­ren will, ist das ihr gutes Recht, aber merde! Das in­ter­es­siert ihn ge­ra­de nicht, ver­dammt noch mal. Es ist nicht ir­gend­ei­ne Frau. Es ist Do­re­en. Er kann es nicht er­klä­ren, er weiß nur, er muss die­sen kal­ten Kör­per wär­men, für sie sor­gen und für sie da sein. Sie ge­hört in seine Obhut. Das ist so un­um­stöß­lich klar wie ein ver­damm­tes Na­tur­ge­setz … warum auch immer.
„Halt dich fest“, knurrt er und schiebt seine Hände unter ihren Brust­korb und die Knie­keh­len. Sie hebt die Arme, schlingt sie je­doch nur kraft­los um sei­nen Na­cken. Er hebt sie hoch und trägt sie mü­he­los durch den Flur in den pri­va­ten Trakt.
Tom steht in der Bü­ro­tür und sieht ihnen ent­ge­gen. „Mach mein Ap­par­te­ment auf“, brummt Henry, als er ihn er­reicht.
Tom geht vor­weg und ge­horcht.
Ir­ri­tiert schüt­telt er den Kopf, als Henry Do­re­en an ihm vor­bei­trägt und sein Schlaf­zim­mer an­steu­ert. „Sie woll­te es wirk­lich! Ich habe aus­gie­big mit ihr ge­re­det.“
„Ja, ja, schon gut. Hol einen hei­ßen Tee.“
Er legt Do­re­en in sein Bett, deckt sie bis zum Hals zu und setzt sich auf die Kante der Ma­trat­ze. Sie schließt die Augen, lä­chelt, wirkt aus­ge­gli­chen und ent­spannt, fast als hätte sie Dro­gen ge­nom­men.
„Ver­such gar nicht erst, mich zu ver­ste­hen“, mur­melt sie und zieht die Nase kraus. „Und ich will nicht dar­über reden, schon gar nicht mit einem Ex-Psy­cho­lo­gie­hei­ni.“
Er streicht sanft mit den Fin­ger­rü­cken über ihre Wange. „Das musst du auch nicht.“
Bevor er sich brem­sen kann, haucht er einen Kuss auf ihre Stirn.
Als Tom mit dem Tee kommt, legt Henry den Arm um ihre Schul­tern und nö­tigt sie, sich halb auf­zu­rich­ten.
„Trink, damit du schnell wie­der warm wirst.“
Ent­spannt an ihn ge­lehnt, fügt sie sich und schlürft in klei­nen Schlu­cken aus dem Be­cher, den er ihr in die Hand ge­drückt hat. Zwi­schen­durch wirft sie einen schel­mi­schen Sei­ten­blick zu ihm nach oben. „Das war klas­se.“
Er schmun­zelt. „Aha.“
„Du hältst mich für total ver­korkst, stimmt’s?“
Henry zuckt mit den Schul­tern. „Jeder er­lebt Ero­tik und Sex an­ders.“
„Das war nichts mit Sex.“
„Nein?“
Sie seufzt. „Nein. Damit habe ich nichts am Hut.“

Als sie auf­wacht und sich um­sieht, ist Do­re­en ir­ri­tiert. Son­nen­licht schim­mert durch zu­ge­zo­ge­ne Vor­hän­ge, die Tür des Zim­mers ist nur an­ge­lehnt und sie hört leise einen Ra­dio­spre­cher und Ge­schirr­ge­klap­per. Au­ßer­dem duf­tet es herr­lich nach fri­schem Kaf­fee.
Sie ist im Ro­sen­club und durf­te er­le­ben, wo­nach sie seit Lan­gem gier­te. Da­nach hat Henry sie in ein Bett ge­tra­gen und ihr hei­ßen Tee ge­ge­ben. An­schlie­ßend muss sie so­fort ein­ge­schla­fen sein, denn ihre Er­in­ne­run­gen enden an dem Punkt, als er ihr den Be­cher wie­der ab­ge­nom­men und für­sorg­lich die Decke um ihren Kör­per fest­ge­stopft hat.
Das Zim­mer wirkt nicht wie ein Gäs­te­zim­mer, es muss sein pri­va­tes Schlaf­zim­mer sein. Sie ist nackt und ihre Kla­mot­ten kann sie nir­gend­wo ent­de­cken. Soll sie auf­ste­hen und ohne einen Fet­zen Stoff am Kör­per aus dem Raum lau­fen? Sie be­fin­det sich zwar in einem Sex­club, aber so hem­mungs­los ist sie nun doch nicht.
„Hallo?“, ruft sie zö­gernd.
Schrit­te nä­hern sich, die Tür wird auf­ge­scho­ben und Henry lehnt sich in den Tür­rah­men. Sein An­blick lässt sie kurz­fris­tig alles an­de­re ver­ges­sen. Sie kann sich nicht er­in­nern, je­mals einen at­trak­ti­ve­ren Mann ge­se­hen zu haben als ihn. Er hat ein wei­ßes Hemd an, das einen Kon­trast zu sei­ner leicht ge­bräun­ten Haut bil­det. Die Ärmel sind bis zu den El­len­bo­gen auf­ge­krem­pelt. Dar­un­ter trägt er eine graue An­zug­ho­se und er läuft auf Strümp­fen herum. Seine brau­nen Augen schei­nen pure Wärme aus­zu­strah­len.
Er lä­chelt. „Guten Mor­gen.“
„Guten Mor­gen.“
„Hast du gut ge­schla­fen?“
„Wie ein Stein.“
„Dann geht es dir gut?“
„Ja.“ Ver­wun­dert stellt sie fest, dass ihr das gest­ri­ge Ge­sche­hen kein biss­chen pein­lich ist. Nichts ist ihr pein­lich. Nicht, dass sie sich hat schla­gen las­sen, nicht, dass Henry sie nackt von den Flie­sen ge­ho­ben und ge­tra­gen hat, nicht, dass sie in sei­nem Bett liegt, und auch nicht, dass er jetzt vor ihr steht. Sein Lä­cheln und sein Ge­sichts­aus­druck be­stä­ti­gen ihr, dass alles okay ist. Sie ist an einem Ort, an dem sie sich für ihr An­ders­sein nicht schä­men muss. Tief durch­at­mend nickt sie. „Ja, es geht mir sehr gut.“
„Schön. Möch­test du erst du­schen oder erst früh­stü­cken?“
„Du­schen wäre toll. Und äh … meine Sa­chen?“
Henry öff­net eine Tür an der Seite und deu­tet hin­ein. „Hier ist das Bad. Fri­sche Hand­tü­cher, Zahn­bürs­te und ein Mor­gen­man­tel lie­gen für dich be­reit. Deine Kla­mot­ten hat Tom in einem Schrank in un­se­rem Um­klei­de­be­reich ein­ge­schlos­sen.“
Sie nickt. „Danke.“
„Geh schnell du­schen, denn das Früh­stück ist gleich fer­tig. Ich hoffe, du magst Rühr­ei?“
Als Ant­wort knurrt exakt in die­sem Mo­ment ihr Magen und sie gluckst. „Ich schät­ze, ich kann heute einen Berg davon ver­tra­gen.“
Als er sich be­reits wie­der ab­wen­det, fällt ihr ein, dass sie ja nach Hause muss. „Weißt du, wann Züge fah­ren? Ich muss ins Büro!“
Er winkt ab. „Ich brin­ge dich. Ich habe einen ge­schäft­li­chen Ter­min in Ham­burg.“
Sie zuckt zu­sam­men, und er hat es an­schei­nend ge­se­hen, denn er zwin­kert. „Keine Angst, ich fahre lang­sam.“
Sie seufzt. „Okay.“