Devil's Hellions MC: Cocky Perfect Storm

Ori­gi­nal­ti­tel: Cocky Per­fect Storm: An En­emies-to-Lo­vers Ro­mance
Über­set­zer: Fran­zis­ka Din­kel­acker

Er­schie­nen: 01/2024
Serie: Devil's Hel­li­ons MC
Teil der Serie: 2

Genre: Motor­cy­cle Club Ro­mance, Ro­man­tic Thrill
Zu­sätz­lich: Se­cond Chan­ce

Lo­ca­ti­on: USA, Texas




Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Devil's Hellions MC: Cocky Perfect Storm


In­halts­an­ga­be

Road­kill

Vor Jah­ren war Ki­plyn meine große Liebe, doch eine In­tri­ge trenn­te uns. Als ich nun im Kran­ken­haus einen Blick auf das zer­schla­ge­ne, blu­ti­ge Ge­sicht von Ki­plyn werfe, weiß ich, dass Ki­plyn dazu be­stimmt ist, mir zu ge­hö­ren - für immer. Und dass ich den­je­ni­gen töten werde, der ihr das an­ge­tan hat. 

Ki­plyn

Mein Sturm ließ mich bei­na­he zer­bre­chen. Road­kill. Er ist genau so, wie ich ihn in Er­in­ne­rung hatte, nur bes­ser.

Am Ende frage ich mich, ob er mich ret­tet - oder ob ich mich selbst rette.

Ki­plyns und Road­kills Sturm ist nicht ein­fach zu über­ste­hen, son­dern vol­ler Trau­er und Herz­schmerz. Ihre Wel­ten prall­ten einst auf­ein­an­der und trenn­ten sich wie­der. Aber was ein­mal war, kann wie­der sein, oder?

Über die Au­to­rin

Als Ein­zel­kind muss­te Hay­ley Fai­man sich mit sich selbst be­schäf­ti­gen. Im Alter von sechs Jah­ren be­gann sie, Ge­schich­ten zu schrei­ben, und hörte nie wirk­lich damit auf. Die ge­bür­ti­ge Ka­li­for­nie­rin lern­te ihren heu­ti­gen Ehe­mann im Alter von sech­zehn Jah­ren ken­nen und hei­ra­te­te...

Wei­te­re Teile der Devil's Hel­li­ons MC Serie

Le­se­pro­be

Ki­plyn

Zu­erst höre ich ein Pie­pen, dann ein Knal­len. Ich drehe den Kopf zur Seite, öffne die Augen und sehe eine ver­schwom­me­ne Sil­hou­et­te. Ich kann nicht er­ken­nen, wer es ist. Es ist dun­kel im Zim­mer, der Ge­ruch von Des­in­fek­ti­ons­mit­tel dreht mir den Magen um und mir wird klar, dass ich im Kran­ken­haus liege.
„Jetzt hör mir mal zu“, knurrt eine tiefe Stim­me. „Ich werde nicht gehen, du lässt mich also bes­ser durch.“
Ich kann nicht hören, was da­nach pas­siert, weil die Me­di­ka­men­te an­schei­nend aber­mals ihre Wir­kung ent­fal­ten und meine Augen wie­der zu­fal­len, ob­wohl ich da­ge­gen an­kämp­fe. Ich will wis­sen, wer hier...

...​ist. Mein Herz fängt an zu rasen, wenn ich daran denke, dass es Ge­or­ge sein könn­te, aber das klang nicht nach ihm.
Das ist mein letz­ter Ge­dan­ke.
Piep. Piep. Piep.
Ich zwin­ge mich, die Lider zu öff­nen, schaue mich ver­wirrt um und er­in­ne­re mich dann, wo ich bin.
Im Kran­ken­haus.
Ich stöh­ne und wünsch­te, ich könn­te die ver­gan­ge­nen Stun­den – egal, wie viele es letzt­lich waren – un­ge­sche­hen ma­chen und alles än­dern. Ich wünsch­te, ich wäre ge­flo­hen, so­bald die Schei­dung mit Ge­or­ge rechts­kräf­tig war. Ich wünsch­te, ich wäre un­ter­ge­taucht.
Aber das bin ich nicht.
Ich woll­te mutig sein.
Ich woll­te stark sein.
Ich woll­te furcht­los sein, doch des­halb habe ich mich selbst in Ge­fahr ge­bracht. Mehr als das, ich wurde ver­prü­gelt. Das trifft es bes­ser. Ob­wohl ich zehn Jahre lang miss­han­delt wurde, war es die­ses Mal an­ders. Dies­mal ist es nicht pas­siert, weil ich bei ihm ge­blie­ben bin. Es ist pas­siert, weil ich ver­sucht habe, eine bes­se­re Ver­si­on mei­ner selbst zu sein, und das woll­te er nicht. Unter kei­nen Um­stän­den.
„Du bist ja wach“, krächzt eine tiefe Stim­me.
Ich zucke leicht zu­sam­men und schaue mich um. Ein Mann sitzt auf einem Stuhl neben mei­nem Bett, auf Höhe mei­ner Hüfte. Ich hatte seine An­we­sen­heit nicht be­merkt. Keine Ah­nung, warum, aber ich habe ihn über­haupt nicht ge­se­hen. Das ist völ­lig un­ty­pisch für mich. Wäh­rend der letz­ten zehn Jahre war ich immer auf­merk­sam. Man schärft seine Sinne, wenn man eine Si­tua­ti­on wie meine durch­lebt. Der Mann sitzt da und be­ob­ach­tet mich. So­bald ich ihm ins Ge­sicht sehe, weiß ich, wer er ist.
Eine Narbe zieht sich über seine Wange.
Ich er­ken­ne ihn so­fort.
„Rusk?“, frage ich flüs­ternd.
Er lä­chelt. Mein Gott, sieht er gut aus. Ein­fach atem­be­rau­bend. Zehn Jahre sind ins Land ge­gan­gen, seit ich ihn das letz­te Mal ge­se­hen habe und die Zeit hat es gut mit ihm ge­meint. Of­fen­sicht­lich bes­ser als mit mir.
„Sag nichts“, meint er sanft.
Dann spüre ich, dass er meine Hand in seine nimmt. Sein Griff ist fest und seine Fin­ger, die er um meine legt, sind warm.
Trä­nen schie­ßen mir in die Augen.
Ich weiß nicht, warum er hier ist. Ein Teil von mir will, dass er geht, denn ob­wohl ich weiß, dass er mir so etwas nie an­ge­tan hätte, hat er mich trotz­dem be­tro­gen und über die­sen Schmerz bin ich noch nicht hin­weg.
„Wieso?“, frage ich.
Er schüt­telt den Kopf, dann beugt er sich leicht nach vorne und be­rührt meine Fin­ger mit sei­nem Mund. „Schlaf, meine Süße.“
Die­ses Wort. Ich habe es seit zehn Jah­ren nicht mehr ge­hört. Meine Süße. Ich habe es immer ge­liebt, wenn er mich so ge­nannt hat, vor allem im Bett. Ich habe alles an ihm ge­liebt. Aber er hat alles ka­putt ge­macht. Er hat mich an­ge­lo­gen, er hat mich be­tro­gen und ich habe mir ge­schwo­ren, nie wie­der mit ihm zu­sam­men zu sein.
Ich habe mir ein ums an­de­re Mal ge­sagt, dass ich ihn hasse, und ir­gend­wann habe ich mir selbst ge­glaubt. Also: Ich hasse die­sen Mann.
Of­fen­bar bin ich in kei­ner bes­se­ren Si­tua­ti­on als vor zehn Jah­ren, als ich ihn ver­las­sen habe, wenn man be­denkt, dass ich im Kran­ken­haus liege, weil mein Ex-Mann mich ver­prü­gelt und ver­ge­wal­tigt hat. Doch des­we­gen will ich noch lange nicht, dass Rusk mir er­neut das Herz bricht.
„Bitte geh“, flüs­te­re ich.
Er lässt meine Hand so­fort los, doch er steht nicht auf, um den Raum zu ver­las­sen. Statt­des­sen neigt er den Kopf und be­trach­tet mich einen Mo­ment schwei­gend.
„Nein, meine Süße. Das werde ich nicht.“
„Warum bist du hier? Bist du ge­kom­men, um dich an mei­nem Un­glück zu wei­den?“, frage ich.
Er blin­zelt und starrt mich über­rascht an. Ich war noch nie je­mand, der viel redet. Keine die­ser ke­cken, wort­ge­wand­ten Frau­en. Au­ßer­dem bin ich ge­ra­de ein Wrack und er­tra­ge nichts, nicht ein­mal meine ei­ge­nen Ge­füh­le. Ich will al­lein sein.
„Mich an dei­nem Un­glück wei­den?“, fragt er. Ich muss zu­ge­ben, er sieht auf­rich­tig ver­wirrt aus. „Meine Süße, ich bin hier, weil du ver­letzt wur­dest. Schwer ver­letzt. Du bist mir wich­tig. Das warst du schon immer.“
Ich atme so tief wie mög­lich ein – was nicht gut ge­lingt, weil ich ver­mut­lich ein paar ge­bro­che­ne Rip­pen habe – und stoße die Luft lang­sam wie­der aus. Ich ver­su­che, kein Mist­stück zu sein. Ge­ra­de bin ich ziem­lich ver­är­gert, und ob­wohl ich weiß, dass ich das nicht an Rusk aus­las­sen soll­te, ist er nun mal ge­ra­de hier. Ich bin immer noch ver­letzt und wü­tend auf ihn.
Ich hasse ihn noch immer für das, was er mir vor Jah­ren an­ge­tan hat.
„Ich war dir so wich­tig, dass du an­de­re Frau­en ge­vö­gelt hast, wäh­rend ich zu Hause saß und von Gar­ten­zäu­nen und Babys ge­träumt habe? Ver­schwin­de.“
Ich würde am liebs­ten schrei­en, aber das kann ich nicht. Rusk steht auf. Er tritt einen Schritt zu­rück, dann ver­zieht er die Lip­pen er­neut zu einem Grin­sen.
„Fuck“, mur­melt er mit süf­fi­san­tem Lä­cheln. „Mir ge­fällt deine Ein­stel­lung, Baby.“
Ich knei­fe die Augen zu­sam­men und schnau­be, ob­wohl das höl­lisch weh­tut. „Dir ge­fällt die miss­brauch­te Frau, die kör­per­lich und psy­chisch er­schöpft und völ­lig am Ende ist? Wow.“
So­fort ver­schwin­det das Lä­cheln aus sei­nem Ge­sicht und er reißt die Augen auf. Dann schüt­telt er ve­he­ment den Kopf. „Das ist nicht fair. Und das bist du nicht.“
Er hat recht, das bin ich wirk­lich nicht, aber das werde ich jetzt kei­nes­falls zu­ge­ben. Ich sage nichts. Er tritt einen wei­te­ren Schritt zu­rück, dann geht er lang­sam auf die Tür zu. Doch an­statt sie zu öff­nen, dreht er den Kopf und schaut mich über die Schul­ter an.
„Ich werde nicht gehen, Ki­plyn. Ich warte drau­ßen.“
„Warum?“, frage ich.
„Weil ich dich schon ein­mal gehen las­sen habe. Ich habe es ver­kackt und das werde ich nicht noch ein­mal tun. Ich blei­be hier, meine Süße.“
Nach­dem er diese Bombe plat­zen las­sen hat, öff­net er die Tür, spa­ziert hin­aus und lässt mich al­lein zu­rück. Die Trä­nen, die ich vor we­ni­gen Mi­nu­ten noch un­ter­drü­cken konn­te, bre­chen nun aus mir her­aus.
Ich will nicht heu­len, aber ich kann nichts da­ge­gen tun.
Die letz­ten zehn Jahre blit­zen vor mei­nem in­ne­ren Auge auf. Rusk und Ge­or­ge, dann Ge­or­ge und sein Miss­brauch. Ich wünsch­te, ich wäre bei Rusk ge­blie­ben, ob­wohl ich weiß, dass auch er mich zer­stört hätte, wenn auch auf eine an­de­re Weise. Es dau­ert nicht lang, bis ich völ­lig er­schöpft wie­der in den Schlaf sinke.

Ki­plyn

Zwei Tage spä­ter

„Die­ser süße Typ war­tet immer noch vor Ihrem Zim­mer. Sind Sie si­cher, dass Sie ihn nicht her­ein­las­sen wol­len?“, fragt die Kran­ken­pfle­ge­rin mich zum tau­sends­ten Mal.
Bei­na­he for­de­re ich sie auf, sich doch selbst um ihn zu küm­mern, wenn sie ihn so süß fin­det. Aber ich wäre wirk­lich ei­fer­süch­tig, wenn die bei­den auf die Idee an­sprin­gen wür­den, wes­halb ich nur lä­chelnd den Kopf schütt­le. Heute darf ich nach Hause.
Al­lein.
Ich habe keine Ah­nung, ob ich es bis über meine Tür­schwel­le schaf­fe, aber das wer­den wir dann sehen. Bes­ser ge­sagt, das werde ich dann sehen. Es wird ja sonst nie­mand bei mir sein. Die Kran­ken­pfle­ge­rin räus­pert sich und lä­chelt mich mit­lei­dig an.
„Sind Sie si­cher, dass Sie nicht wol­len, dass die Po­li­zei her­kommt und Ihre Aus­sa­ge vor Ort auf­nimmt?“, fragt sie. „Sie waren be­reits hier und haben den Be­richt an­ge­fan­gen, aber es wäre ein­fa­cher, wenn sie Sie ein­fach hier be­fra­gen könn­ten.“
Ich weiß ihren Ver­such, mir zu hel­fen, wirk­lich zu schät­zen. Aber ich habe keine Lust, in die­sem Kran­ken­haus­bett zu sit­zen und meine Aus­sa­ge zu Pro­to­koll zu geben. Ich muss auf ei­ge­nen Bei­nen die Po­li­zei­wa­che be­tre­ten und An­zei­ge er­stat­ten.
„Darum küm­me­re ich mich in ein paar Tagen“, sage ich. „Ich will selbst dort hin­ge­hen. Das brau­che ich.“
Sie wirft mir einen Blick vol­ler Mit­ge­fühl zu, oder viel­leicht auch Mit­leid, dann über­reicht sie mir einen Sta­pel Pa­pie­re. „Wenn Sie je Hilfe brau­chen, fin­den Sie hier drin die nö­ti­gen In­for­ma­tio­nen. Bitte zö­gern Sie nicht, sich zu mel­den. Es ist kein Zei­chen von Schwä­che, wenn Sie mit je­man­dem reden. Das macht sie stär­ker.“
Ihre Worte sind lieb ge­meint. Ich bin mir si­cher, dass sie das aus­wen­dig ge­lernt hat, aber es ist trotz­dem nett von ihr. Ich läch­le sie an, dann nicke ich, nehme die Do­ku­men­te ent­ge­gen und lege sie auf mei­nen Schoß. Ich klam­me­re mich an ihnen fest, als hinge mein Leben davon ab.
Als die Tür auf­geht, fahre ich zu­sam­men. Ein Arzt be­tritt den Raum und wirft einen kur­zen Blick auf meine Un­ter­la­gen, bevor er vor mir ste­hen­bleibt. Er hebt den Blick, schaut mir in die Augen und lä­chelt.
„Be­reit, nach Hause zu gehen?“, fragt er.
Wort­los nicke ich. Ehr­lich ge­sagt weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ich will ganz und gar nicht nach Hause, aber ich will auch nicht län­ger hier­blei­ben. Alles, was ich ihm er­wi­dern kann, ist also ein Ni­cken und ein an­ge­spann­tes Lä­cheln.
Glück­li­cher­wei­se stellt er keine Fra­gen son­dern über­reicht mir nur ein Re­zept für Schmerz- und Schlaf­mit­tel, die ich in der Apo­the­ke holen soll.
„Den­ken Sie daran, dass die Schlaf­mit­tel nur ein­mal aus­ge­ge­ben wer­den.“
Ich fahre mit der Zunge über meine immer noch ge­schwol­le­ne und ge­platz­te Un­ter­lip­pe und nicke er­neut. „Danke“, sage ich matt.
„Pas­sen Sie auf sich auf, Ms. Rob­bins.“
Er ver­lässt den Raum und lässt mich mit der Kran­ken­pfle­ge­rin al­lein. Sie räus­pert sich und lä­chelt mich an. „Be­reit?“
„Ja.“
Müh­sam stehe ich auf. Ich trage nur einen Kit­tel und ein paar dicke So­cken, weil meine Klei­dung genau wie meine Schu­he zu Be­weis­zwe­cken ein­kas­siert wurde. Au­ßer­dem trage ich weder BH noch Slip. Es ist das selt­sams­te Ge­fühl über­haupt.
Ich weiß nicht, wie ich nach Hause kom­men soll. Schließ­lich bin ich nicht ei­gen­stän­dig hier­her­ge­fah­ren. Ei­gent­lich habe ich über­haupt keine Ah­nung, wie ich hier­her­ge­kom­men bin. Ich bin ein­fach nur froh, dass ich es ir­gend­wie ge­schafft habe. Trotz­dem ist mein Zu­hau­se etwa eine Stun­de von hier ent­fernt und ich habe keine Mög­lich­keit, dort­hin zu kom­men.
Al­ler­dings mache ich mir dar­über keine Ge­dan­ken. Wenn ich hun­dert Dol­lar für ein Uber hin­blät­tern muss, dann ist das eben so. Ich werde ein­fach nach Hause fah­ren, mich aus­ru­hen und dann aus die­ser Stadt ver­schwin­den. Das hätte ich schon längst tun sol­len.
Meine El­tern woh­nen nicht mehr hier. Sie sind wegen der Ar­beit mei­nes Va­ters nach Nord­ka­li­for­ni­en ge­zo­gen und dort ge­fällt es ihnen so gut, dass sie nicht zu­rück­kom­men wer­den. Ich bin Ein­zel­kind, es hätte ihnen also ei­gent­lich schwer­fal­len müs­sen, mich zu­rück­zu­las­sen, aber das war nicht der Fall. Zu dem Zeit­punkt hatte Ge­or­ge mich be­reits von der Au­ßen­welt iso­liert, also sind sie ein­fach fort­ge­zo­gen und nicht zu­rück­ge­kom­men.
Ich habe mehr­mals er­wägt, sie zu be­su­chen, aber ich habe das Ge­fühl, dass un­se­re Be­zie­hung ir­re­pa­ra­bel zer­rüt­tet ist. Ich habe zu viele Feh­ler ge­macht. Die mache ich noch immer. Nein. Zu­erst muss ich mein Leben auf die Reihe krie­gen, dann kann ich mich um meine Freun­de und Fa­mi­lie küm­mern. Bes­ser ge­sagt nur um meine Fa­mi­lie, denn Freun­de habe ich keine. Ob­wohl, eine Freun­din ist mir ge­blie­ben: Reese.
Die Kran­ken­pfle­ge­rin geht auf die Tür zu und ich folge ihr. Kaum zu glau­ben, wie schwer es mir noch immer fällt, zu gehen. Es tut nicht nur dort weh, wo ich ver­ge­wal­tigt wurde. Das bin ich von Ge­or­ge lei­der ge­wohnt. Der ganze Kör­per schmerzt, ein­fach alles.
Sogar meine Haare tun weh.
„Oh, hallo“, ruft die Kran­ken­schwes­ter mit hoher, quiet­schen­der Stim­me.
Ich drehe den Kopf und blinz­le, als ich Rusk ent­de­cke, der an der Wand ge­gen­über lehnt. Er stößt sich ab und kommt auf mich zu. Er bleibt erst ste­hen, als er di­rekt neben mir ist, als ob das sein Platz wäre. So un­gern ich das auch tue, ich muss zu­ge­ben, dass es mir ge­fällt, ihn an mei­ner Seite zu haben. Als er mir den Arm um die Tail­le legt, schnap­pe ich nach Luft.
„Bitte nicht“, wis­pe­re ich.
Er schnaubt. „Du brauchst Hilfe, meine Süße, und ich werde nicht von dei­ner Seite wei­chen.“
Ich will ge­ra­de den Mund öff­nen und ihn zum Teu­fel jagen, doch dann über­le­ge ich es mir an­ders und pres­se die Lip­pen auf­ein­an­der. Ich habe zwar mei­nen Stolz, aber mir ist be­wusst, dass ich wirk­lich Hilfe brau­che. Selbst, wenn es nur bis zum Park­platz ist. Wort­los führt die Kran­ken­pfle­ge­rin uns zum Aus­gang des Kran­ken­hau­ses.
So­bald wir drau­ßen sind, wen­det sie sich Rusk zu und spricht mit ihm, als wäre ich über­haupt nicht an­we­send. „Soll­ten Sie je Hilfe brau­chen, kön­nen Sie mich gerne je­der­zeit an­ru­fen. Ich habe meine Han­dy­num­mer auf den Do­ku­men­ten no­tiert.“
Ich ant­wor­te ihr gar nicht erst, weil mir klar ist, dass diese Worte aus­schließ­lich für Rusk be­stimmt waren. Was für ein Mist­stück. Sie flir­tet tat­säch­lich un­ge­niert vor mei­nen Augen mit ihm. Nicht, dass wir zu­sam­men wären, aber hallo? Im Ernst?
Die Kran­ken­pfle­ge­rin klim­pert mit den Wim­pern, dann dreht sie sich um und mar­schiert wie­der zu­rück ins Kran­ken­haus. Ich nehme an, dass sie dabei extra ver­füh­re­risch mit dem Hin­tern wa­ckelt. Ich drehe mich nicht nach ihr um. Ehr­lich ge­sagt macht mir das nichts aus, weil ich ihn hasse.
Nein, das ist ge­lo­gen.
Es macht mir etwas aus und ich würde ihr am liebs­ten die Haare aus­rei­ßen, ob­wohl ich kein Recht dazu habe und ei­gent­lich Rusk der­je­ni­ge ist, den ich hasse. Ich hasse ihn wirk­lich. Und ich be­schlie­ße, dass ich mir das selbst so oft vor­be­ten werde, bis ich ver­ges­se, wie sehr ich ihn ein­mal ge­mocht, nein, ge­liebt habe.
„Danke, dass du mich hin­aus­be­glei­tet hast. Du kannst jetzt gehen.“
Rusk schnaubt. „Wovon zum Teu­fel re­dest du, Baby?“
„Danke, dass du mich hin­aus­be­glei­tet hast, aber du kannst jetzt nach Hause gehen“, wie­der­ho­le ich.
Er zieht eine Au­gen­braue hoch, grinst mich an und ki­chert. „Nein“, wi­der­spricht er.
Ich öffne den Mund, um ihm er­neut zu sagen, dass er sich ver­zie­hen soll, doch er kneift die Augen zu­sam­men und schüt­telt den Kopf. „Sag jetzt nichts mehr“, for­dert er en­er­gisch. „Rühr dich nicht vom Fleck.“
Seine Worte durch­fah­ren mei­nen Kör­per und ich rich­te mich auf. Ich weiß nicht, wieso, aber ich be­fol­ge sei­nen Be­fehl. Ich sehe zu, wie er da­von­eilt und blei­be, wo ich bin. Haupt­säch­lich, weil es zu schmerz­haft wäre, mich zu be­we­gen. Er eilt über den Park­platz, steigt in einen roten Wagen ein und lässt den Motor an. Ich höre, wie er auf­heult, bevor er los­fährt.
Ich kann die Augen nicht von dem roten Auto los­rei­ßen und schnap­pe nach Luft, als er über den Park­platz auf mich zu­ge­fah­ren kommt.
Eine Che­vel­le von 1970.
Eine rote Che­vel­le.
Die­sel­be wie die, die er hatte, als wir noch zu­sam­men waren.
Mir bleibt das Herz ste­hen.
Al­lein das Ge­räusch des Mo­tors lässt un­zäh­li­ge Er­in­ne­run­gen auf mich ein­stür­men. Ich weiß nicht, ob ich das aus­hal­te. Ich weiß wirk­lich nicht, ob ich auf dem Bei­fah­rer­sitz Platz neh­men kann. Ich bin mir nicht si­cher, ob mein Herz das auch nur eine ein­zi­ge Se­kun­de lang aus­hält.
Mein Gott, zehn Jahre sind ver­gan­gen und es fühlt sich an, als hätte er mich ges­tern mit sei­nem Wagen für ein Date ab­ge­holt. Ich will heu­len. Ich will schrei­en. Ich will ihm ver­ge­ben, ob­wohl er mich nicht darum ge­be­ten hat.
Ich will. Ich will. Ich will.
Ich will alles und zu­gleich nichts.

 

Road­kill

Ich bin mir si­cher, dass ich etwas sagen soll­te, aber ich schwei­ge. Es würde ge­ra­de oh­ne­hin nichts brin­gen. Statt­des­sen kon­zen­trie­re ich mich also dar­auf, zu fah­ren. Sie ist wü­tend auf mich und das bringt mich zum Lä­cheln, ob­wohl es das nicht soll­te.
Zehn Jahre ist es her und den­noch fühle ich mich sie­ges­si­cher.
Aus einem ein­fa­chen Grund: Sie ist auch zehn Jahre spä­ter immer noch sauer auf mich. Das heißt, dass sie immer noch etwas für mich emp­fin­det, an­statt nichts für mich zu füh­len. Es herrscht Stil­le im Auto, nur im Hin­ter­grund läuft leise das Radio, na­tür­lich mit Rock­mu­sik.
Sie räus­pert sich, um mir an­schlie­ßend eine Frage zu stel­len, mit der ich nicht ge­rech­net habe. „Warum sind deine Fin­ger­knö­chel ver­letzt und ge­schwol­len?“
Ich kann ihr un­mög­lich die Wahr­heit sagen, will sie aber auch nicht an­lü­gen, also wechs­le ich ein­fach das Thema. „Ich nehme an, dass du nicht mehr mit Ge­or­ge zu­sam­men­lebst. Ich habe keine Ah­nung, wo du jetzt wohnst. Willst du mir deine Adres­se nen­nen?“
Sie spricht nicht so­fort. Stöh­nend ver­la­gert sie ihr Gleich­ge­wicht auf dem Bei­fah­rer­sitz, dann lässt sie vor­sich­tig den Kopf nach hin­ten fal­len und ant­wor­tet schließ­lich. Als ich höre, in wel­cher Stra­ße sie wohnt, reiße ich die Augen auf.
Ich komme aus Casa Gran­de und habe schon über­all in die­ser Scheiß­stadt ge­wohnt. Ich weiß genau, was ihr Vier­tel für eine Ge­gend ist. Aber sie weiß das ge­nau­so gut. Schließ­lich sind wir dort auf­ge­wach­sen.
„Baby“, knur­re ich. „Du lebst in einem be­schis­se­nen Stadt­teil.“
Sie lacht laut auf, klingt aber alles an­de­re als amü­siert.
„Denkst du etwa, ich schwim­me in Geld? Glaubst du, ich hätte über­haupt Kohle? Es kos­tet mich schon un­säg­li­che Mühe, die­ses Haus in die­sem Teil der Stadt zu be­zah­len. Es ist wort­wört­lich das Beste, was ich mir ge­ra­de leis­ten kann. Ge­or­ge hat mir alles ge­nom­men und es ent­we­der ver­sof­fen oder sich in die Nase ge­zo­gen. Viel­leicht hat er es auch für Nut­ten aus­ge­ge­ben, keine Ah­nung.“
Wenn ich könn­te, würde ich ihn am liebs­ten noch mal zu Hack­fleisch ma­chen. Bevor ich sein Haus ver­las­sen würde, würde ich si­cher­stel­len, dass er mau­se­tot ist, denn ge­ra­de be­reue ich es, ihn nicht er­le­digt zu haben. Ei­gent­lich habe ich kei­nen Schim­mer, ob er tot oder am Leben ist.
Ich um­klam­me­re das Lenk­rad, bis ich meine Fin­ger kna­cken höre und den Griff lo­cke­re, denn ich will mir die Fahrt mit Ki­plyn nicht von die­sem Arsch­ge­sicht ver­sau­en las­sen.
„Du kannst un­mög­lich al­lein dort blei­ben“, belle ich.
Ki­plyn schweigt. Stil­le brei­tet sich wie­der aus, doch die­ses Mal durch­bre­che ich sie nicht. Ich bin stink­sau­er. Ich fi­sche mein Handy aus der In­nen­ta­sche mei­ner Kutte, suche Le­ga­cys Num­mer, drü­cke die Wähl­tas­te und lege mir das Handy ans Ohr.
„Du darfst nicht te­le­fo­nie­ren, wäh­rend du fährst, Rusk. Das ist in Ari­zo­na mitt­ler­wei­le ver­bo­ten“, me­ckert Ki­plyn neben mir.
Ich werfe ihr einen kur­zen Blick zu, dann wende ich meine Auf­merk­sam­keit wie­der der Stra­ße zu und igno­rie­re sie.
„Bru­der“, mel­det sich Le­ga­cy.
„Ich muss den Wich­ser fin­den und ins Club­haus brin­gen. Und ich brau­che je­man­den, der die ganze Zeit bei Ki­plyn bleibt. Über­wa­chung rund um die Uhr.“
„Du weißt, was das be­deu­tet?“, fragt Le­ga­cy.
Er muss das Schlag­wort hören. Das kann ich ver­ste­hen, aber ver­dammt, sie war von An­fang an meine Old Lady. Das konn­te ich bis­lang nur nicht laut aus­spre­chen. Ich dach­te, ich könn­te sie aus allem raus­hal­ten, aber nach­dem ich ge­se­hen habe, was mit Le­ga­cy und Henli pas­siert ist, weiß ich, dass das nicht mög­lich ist. Nicht, wenn ich sie ganz für mich haben will. Nicht, wenn ich sie in Si­cher­heit wis­sen will. Nicht, wenn ich sie vor der Au­ßen­welt be­schüt­zen will.
Dafür gibt es nur einen Weg und ich weiß, was zu tun ist.
Ich muss sie für mich be­an­spru­chen.
„Sie ist meine Old Lady“, sage ich ins Handy.
„Nicht deine Ci­ti­zen Wife au­ßer­halb vom Club?“, fragt Le­ga­cy.
Ich ant­wor­te nicht so­fort und würde am liebs­ten das Handy aus dem Fens­ter schmei­ßen und es zer­trüm­mern, denn die­ser Arsch macht es mir ab­sicht­lich schwer.
„Das war sie schon mal und ich will es nicht noch ein­mal so hand­ha­ben. Ich be­an­spru­che Ki­plyn hier und jetzt als meine Old Lady.“
„Dann be­kommt sie auch alle Vor­tei­le einer Old Lady. Ich er­stel­le so­fort einen Zeit­plan für die Pro­s­pects.“
Ohne mich zu be­dan­ken oder sonst etwas zu sagen, lege ich auf. Ich werde mich heute Abend per­sön­lich mit ihm un­ter­hal­ten. Ge­ra­de kon­zen­trie­re ich mich auf die Auf­ga­be, die Frau neben mir nach Hause zu brin­gen und dafür zu sor­gen, dass sich je­mand um sie küm­mert. Fuck. Ich habe keine Ah­nung, wer auf sie auf­pas­sen könn­te. Ich weiß, dass ich de­fi­ni­tiv nicht der Rich­ti­ge dafür bin, das Tag und Nacht zu tun. Es wäre mir un­mög­lich, mich rich­tig zu ver­hal­ten.
„Will ich wis­sen, worum es in die­sem Ge­spräch ging? Ihr habt über mich ge­spro­chen“, stellt sie fest.
Ich er­wi­de­re nicht so­fort etwas dar­auf und frage mich, wie ich es ihr bei­brin­gen kann, ohne sie zu ver­är­gern, doch dann muss ich prus­ten, weil das schlicht un­mög­lich ist. Sie wird so oder so an die Decke gehen.
„Ich habe dich so­eben als meine Frau, als meine Old Lady be­an­sprucht“, ver­kün­de ich.

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